Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.Das Nackte in der Kunst aus zu verwerfen? Ich muß es dem Leser überlassen, auf diese Frage selbst die Z)as Nackte in der Kunst Betrachtungen eines Laien (Schluß) 6 . >MH!ir haben versucht, uns an hervortretenden Erscheinungen zu Unter den bildenden Künsten ist sie die erste, der Werke von unvergäng¬ Grenzboten IV 1903 47
Das Nackte in der Kunst aus zu verwerfen? Ich muß es dem Leser überlassen, auf diese Frage selbst die Z)as Nackte in der Kunst Betrachtungen eines Laien (Schluß) 6 . >MH!ir haben versucht, uns an hervortretenden Erscheinungen zu Unter den bildenden Künsten ist sie die erste, der Werke von unvergäng¬ Grenzboten IV 1903 47
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242445"/> <fw type="header" place="top"> Das Nackte in der Kunst</fw><lb/> <p xml:id="ID_1288" prev="#ID_1287"> aus zu verwerfen? Ich muß es dem Leser überlassen, auf diese Frage selbst die<lb/> Antwort zu geben; denn wie ich schon im Anfang dieses Aufsatzes betont habe,<lb/> beabsichtigte ich nur eine kritische Beleuchtung der Freiheitsentziehung in ihren<lb/> beiden Formen der Untersuchungs- und der Strafhaft zu geben. Ob es möglich<lb/> sein wird, besseres an ihre Stelle zu setzen, ob wir sie jemals werden ganz<lb/> entbehren können, wenn sich vielleicht dereinst ganz neue Gedanken in der<lb/> Strafrechtspflege Bahn brechen, ist heute uoch nicht zu entscheiden. Einschneidende<lb/> Umwälzungen sind weder auf diesem noch auf andern Gebieten von der bevor¬<lb/> stehenden Strafrechtsreform zu erwarten; angesichts dieser aber darauf hinzu¬<lb/> weisen, daß in bezug auf die gesetzliche Freiheitsentziehung keineswegs ideale<lb/> Zustände herrschen, schien mir um so mehr Menschen- und Jnristenpflicht zu sein,<lb/> als unsre Brüder, die wir durch dicke Mauern und eiserne Riegel von uns ab¬<lb/> sondern, doch auch in mehr als einem Sinne unsre Opfer sind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Z)as Nackte in der Kunst<lb/> Betrachtungen eines Laien<lb/> (Schluß)</head><lb/> <div n="2"> <head> 6</head><lb/> <p xml:id="ID_1289"> . >MH!ir haben versucht, uns an hervortretenden Erscheinungen zu<lb/> vergegenwärtigen, welchen Gaug die Behandlung des Nackten<lb/> in der Kunst genommen hat, und unsre Behauptung, daß über<lb/> die Wirkung des Nackten in der Kunst vor allem seine Moll-<lb/> ! Vierung durch deu behandelte» Gegenstand entscheidet, an tatsäch¬<lb/> lichen Beispielen zu prüfen. Erhebt auch unsre flüchtige Übersicht keinen Anspruch<lb/> auf Vollständigkeit, so verlangt doch die besondre Bedeutung des Nackten<lb/> für die Skulptur, daß dieser Kunst hier noch besonders gedacht wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1290" next="#ID_1291"> Unter den bildenden Künsten ist sie die erste, der Werke von unvergäng¬<lb/> licher Schönheit entsprossen sind: Schöpfungen, die wohl zeitweiliger Ver-<lb/> kennung und Vergessenheit verfallen konnten, auf die Dauer aber immer<lb/> wieder die Bewunderung und das Entzücken führender Geister erregt haben,<lb/> die also nicht von wechselnden Zeitrichtungen ihren Wert empfangen, sondern<lb/> den Geschmack aller Zeiten an ihrem Teil bestimmen und entwickeln. Es kaun<lb/> schon heute als sicher gelten, daß alle Ausgrabungen assyrischer und baby¬<lb/> lonischer, ägyptischer und phönizischer Kunstdenkmäler, wie sehr sie auch unsre<lb/> Kenntnis ihrer Perioden bereichern und unser Verständnis der spätern Kunst<lb/> und Kultur vertiefen mögen, in unserm Empfinden ohne Anknüpfung bleiben.<lb/> Die geistigen Funken Vorderasiens sind vor drei Jahrtausenden nach Hellas<lb/> übergesprungen; dort haben sie gezündet; in den Lichtstrahlen, die von Hellas<lb/> ausgingen, leben sie weiter. Der griechische Geist nahm die Schätze des<lb/> orientalischen Geistes ans und verarbeitete sie auf seine eigne Weise zu bleibenden<lb/> Werken; jene selbst haben seitdem die künstlerische Wirkung gegen das Wissen-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1903 47</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0377]
Das Nackte in der Kunst
aus zu verwerfen? Ich muß es dem Leser überlassen, auf diese Frage selbst die
Antwort zu geben; denn wie ich schon im Anfang dieses Aufsatzes betont habe,
beabsichtigte ich nur eine kritische Beleuchtung der Freiheitsentziehung in ihren
beiden Formen der Untersuchungs- und der Strafhaft zu geben. Ob es möglich
sein wird, besseres an ihre Stelle zu setzen, ob wir sie jemals werden ganz
entbehren können, wenn sich vielleicht dereinst ganz neue Gedanken in der
Strafrechtspflege Bahn brechen, ist heute uoch nicht zu entscheiden. Einschneidende
Umwälzungen sind weder auf diesem noch auf andern Gebieten von der bevor¬
stehenden Strafrechtsreform zu erwarten; angesichts dieser aber darauf hinzu¬
weisen, daß in bezug auf die gesetzliche Freiheitsentziehung keineswegs ideale
Zustände herrschen, schien mir um so mehr Menschen- und Jnristenpflicht zu sein,
als unsre Brüder, die wir durch dicke Mauern und eiserne Riegel von uns ab¬
sondern, doch auch in mehr als einem Sinne unsre Opfer sind.
Z)as Nackte in der Kunst
Betrachtungen eines Laien
(Schluß)
6
. >MH!ir haben versucht, uns an hervortretenden Erscheinungen zu
vergegenwärtigen, welchen Gaug die Behandlung des Nackten
in der Kunst genommen hat, und unsre Behauptung, daß über
die Wirkung des Nackten in der Kunst vor allem seine Moll-
! Vierung durch deu behandelte» Gegenstand entscheidet, an tatsäch¬
lichen Beispielen zu prüfen. Erhebt auch unsre flüchtige Übersicht keinen Anspruch
auf Vollständigkeit, so verlangt doch die besondre Bedeutung des Nackten
für die Skulptur, daß dieser Kunst hier noch besonders gedacht wird.
Unter den bildenden Künsten ist sie die erste, der Werke von unvergäng¬
licher Schönheit entsprossen sind: Schöpfungen, die wohl zeitweiliger Ver-
kennung und Vergessenheit verfallen konnten, auf die Dauer aber immer
wieder die Bewunderung und das Entzücken führender Geister erregt haben,
die also nicht von wechselnden Zeitrichtungen ihren Wert empfangen, sondern
den Geschmack aller Zeiten an ihrem Teil bestimmen und entwickeln. Es kaun
schon heute als sicher gelten, daß alle Ausgrabungen assyrischer und baby¬
lonischer, ägyptischer und phönizischer Kunstdenkmäler, wie sehr sie auch unsre
Kenntnis ihrer Perioden bereichern und unser Verständnis der spätern Kunst
und Kultur vertiefen mögen, in unserm Empfinden ohne Anknüpfung bleiben.
Die geistigen Funken Vorderasiens sind vor drei Jahrtausenden nach Hellas
übergesprungen; dort haben sie gezündet; in den Lichtstrahlen, die von Hellas
ausgingen, leben sie weiter. Der griechische Geist nahm die Schätze des
orientalischen Geistes ans und verarbeitete sie auf seine eigne Weise zu bleibenden
Werken; jene selbst haben seitdem die künstlerische Wirkung gegen das Wissen-
Grenzboten IV 1903 47
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