! urch Knbiucttsorder vom 29. Juni dieses Jahres ist die Formierung der in Paragraph 2 des Flottengesetzes von 1900 vorgesehenen aktiven Schlachtflotte befohlen worden. Die Maßregel ist nur die allerdings verfrühte, aber in den Kommandoverhältnissen begründete ! Erfüllung einer gesetzlichen Bestimmung. Die aktive Schlachtflotte ist an die Stelle der Übungsflotte getreten, die bisher für jeden Sommer neu formiert, deren Zusammentritt und Auflösung alljährlich befohlen wurden. Die aktive Schlachtflotte dagegen ist ein dauernder, auf gesetzlichen Bestimmungen beruhender fest gegliederter Verband. Sie ist am 21. September in Kiel zu¬ sammengetreten, wenig Tage nach der Beendigung der diesjährigen großen Herbst- übungcn; Admiral von Köster hat das Kommando erhalten. Der "kommandierende Admiral" früherer Jahre besteht bekanntlich nicht mehr. Jetzt haben die Chefs der Nordsee- und der Ostseestation, sowie der Flvttenadmiral den Rang von kvmmaudierendeu Admiralen, den kommandierender Generalen der Armee ent¬ sprechend, die beiden Stationschefs freilich mit dem Unterschiede, daß sie ein eigentliches Kommando nur über die unter sie gestellten Marineteile am Lande führen, über die Häfen, die Wachtschiffe, die Befestigungen usw., dagegen über Bestandteile der schwimmenden Flotte nur soweit, als diese aus dem Befehls¬ bereich ihrer Verbände in den Befehlsbereich der Station übertreten. In aktive Schlachtflotte und Reserveflotte gliedert sich das für den Kampf bestimmte schwimmende Flottenmaterial, der weitere Zuwachs wird natürlich bei der Neserveflvtte zu weitern Gliederungen führen, schon die Beschleunigung der Ausrüstung im Mvbilmachungsfalle verlangt das.
Unsre beiden Flottengesetze von 1898 und 1900 haben bei aller Förderung, die sie der Entwicklung der deutscheu Seemacht ermöglicht haben, einen nicht unbedenklichen Nachteil: der deutsche Zeitungleser verwechselt den gesetzlich fest¬ gelegten systematischen Ausbau der Flotte, der uns erst für das Jahr 1920 ein wirklich nach allen Richtungen hin vollendetes Kampfwerkzeug verspricht, mit einem tatsächlichen Vorhandensein dieser Wehrkraft zur See, und neigt nur zu leicht zu der Annahme, daß mit der Votierung der Novelle von 1900 alles getan sei. Wozu also alle weitere Aufregung? Man darf sich doch nun endlich umdrehen und auf das andre Ohr legen, ohne von dem Lurn der Flotten-
Grenzboten IV 1903 35
Unsre aktive Schlachtflotte
! urch Knbiucttsorder vom 29. Juni dieses Jahres ist die Formierung der in Paragraph 2 des Flottengesetzes von 1900 vorgesehenen aktiven Schlachtflotte befohlen worden. Die Maßregel ist nur die allerdings verfrühte, aber in den Kommandoverhältnissen begründete ! Erfüllung einer gesetzlichen Bestimmung. Die aktive Schlachtflotte ist an die Stelle der Übungsflotte getreten, die bisher für jeden Sommer neu formiert, deren Zusammentritt und Auflösung alljährlich befohlen wurden. Die aktive Schlachtflotte dagegen ist ein dauernder, auf gesetzlichen Bestimmungen beruhender fest gegliederter Verband. Sie ist am 21. September in Kiel zu¬ sammengetreten, wenig Tage nach der Beendigung der diesjährigen großen Herbst- übungcn; Admiral von Köster hat das Kommando erhalten. Der „kommandierende Admiral" früherer Jahre besteht bekanntlich nicht mehr. Jetzt haben die Chefs der Nordsee- und der Ostseestation, sowie der Flvttenadmiral den Rang von kvmmaudierendeu Admiralen, den kommandierender Generalen der Armee ent¬ sprechend, die beiden Stationschefs freilich mit dem Unterschiede, daß sie ein eigentliches Kommando nur über die unter sie gestellten Marineteile am Lande führen, über die Häfen, die Wachtschiffe, die Befestigungen usw., dagegen über Bestandteile der schwimmenden Flotte nur soweit, als diese aus dem Befehls¬ bereich ihrer Verbände in den Befehlsbereich der Station übertreten. In aktive Schlachtflotte und Reserveflotte gliedert sich das für den Kampf bestimmte schwimmende Flottenmaterial, der weitere Zuwachs wird natürlich bei der Neserveflvtte zu weitern Gliederungen führen, schon die Beschleunigung der Ausrüstung im Mvbilmachungsfalle verlangt das.
Unsre beiden Flottengesetze von 1898 und 1900 haben bei aller Förderung, die sie der Entwicklung der deutscheu Seemacht ermöglicht haben, einen nicht unbedenklichen Nachteil: der deutsche Zeitungleser verwechselt den gesetzlich fest¬ gelegten systematischen Ausbau der Flotte, der uns erst für das Jahr 1920 ein wirklich nach allen Richtungen hin vollendetes Kampfwerkzeug verspricht, mit einem tatsächlichen Vorhandensein dieser Wehrkraft zur See, und neigt nur zu leicht zu der Annahme, daß mit der Votierung der Novelle von 1900 alles getan sei. Wozu also alle weitere Aufregung? Man darf sich doch nun endlich umdrehen und auf das andre Ohr legen, ohne von dem Lurn der Flotten-
Grenzboten IV 1903 35
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Unsre aktive Schlachtflotte
! urch Knbiucttsorder vom 29. Juni dieses Jahres ist die Formierung
der in Paragraph 2 des Flottengesetzes von 1900 vorgesehenen
aktiven Schlachtflotte befohlen worden. Die Maßregel ist nur die
allerdings verfrühte, aber in den Kommandoverhältnissen begründete
! Erfüllung einer gesetzlichen Bestimmung. Die aktive Schlachtflotte
ist an die Stelle der Übungsflotte getreten, die bisher für jeden Sommer neu
formiert, deren Zusammentritt und Auflösung alljährlich befohlen wurden. Die
aktive Schlachtflotte dagegen ist ein dauernder, auf gesetzlichen Bestimmungen
beruhender fest gegliederter Verband. Sie ist am 21. September in Kiel zu¬
sammengetreten, wenig Tage nach der Beendigung der diesjährigen großen Herbst-
übungcn; Admiral von Köster hat das Kommando erhalten. Der „kommandierende
Admiral" früherer Jahre besteht bekanntlich nicht mehr. Jetzt haben die Chefs
der Nordsee- und der Ostseestation, sowie der Flvttenadmiral den Rang von
kvmmaudierendeu Admiralen, den kommandierender Generalen der Armee ent¬
sprechend, die beiden Stationschefs freilich mit dem Unterschiede, daß sie ein
eigentliches Kommando nur über die unter sie gestellten Marineteile am Lande
führen, über die Häfen, die Wachtschiffe, die Befestigungen usw., dagegen über
Bestandteile der schwimmenden Flotte nur soweit, als diese aus dem Befehls¬
bereich ihrer Verbände in den Befehlsbereich der Station übertreten. In aktive
Schlachtflotte und Reserveflotte gliedert sich das für den Kampf bestimmte
schwimmende Flottenmaterial, der weitere Zuwachs wird natürlich bei der
Neserveflvtte zu weitern Gliederungen führen, schon die Beschleunigung der
Ausrüstung im Mvbilmachungsfalle verlangt das.
Unsre beiden Flottengesetze von 1898 und 1900 haben bei aller Förderung,
die sie der Entwicklung der deutscheu Seemacht ermöglicht haben, einen nicht
unbedenklichen Nachteil: der deutsche Zeitungleser verwechselt den gesetzlich fest¬
gelegten systematischen Ausbau der Flotte, der uns erst für das Jahr 1920
ein wirklich nach allen Richtungen hin vollendetes Kampfwerkzeug verspricht,
mit einem tatsächlichen Vorhandensein dieser Wehrkraft zur See, und neigt nur
zu leicht zu der Annahme, daß mit der Votierung der Novelle von 1900 alles
getan sei. Wozu also alle weitere Aufregung? Man darf sich doch nun endlich
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/279>, abgerufen am 02.10.2024.
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