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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

letzten Besuch in Wien im Summer 1857, die Überzeugung gekommen, daß der Bruch
mit Österreich und eine kriegerische Auseinandersetzung mehr und mehr unvermeidlich
werde. Zum Wohle für Preußen und Deutschland ist dem Könige diese Entschei¬
dung erspart geblieben. Das politisch einzig Notwendige wie einzig Mögliche: der
Bundesstaat mit Ausschluß Österreichs, aber nicht feindselig gegen Österreich, war
auch von ihm erkannt und festgehalten worden, aber die Lösung in diesem Sinne
herbeizuführen lag außerhalb seiner Entschlußkraft. Ranke hat in seiner Schlnß-
betrachtung zu dem vou ihm herausgegebnen Briefwechsel des Königs mit Bunsen
die Grundlinien der Politik Friedrich Wilhelms befreit von den üppigen Schnörkeln,
mit denen seine reiche Phantasie den einfachen Gedankengang verhüllte und er¬
schwerte, für die historische Forschung freigelegt und sie vor der Geschichte für alle
Zeiten beglaubigt.'

DesBriefes der bayrischen "NichtWähler" des Kaisers vom 29. oder 30. März
1849 hat es für die Entschließung Friedrich Wilhelms nicht bedurft. Was in diesem
Briefe gesagt ist, hatte der König selbst viel deutlicher schon am 18. März 1849
gegen Ernst Moritz Arndt ausgesprochen, am 20. März gegen Beckerath wiederholt.
Der Brief an Arndt, längst gedruckt, doch längst vergessen, besagte:

"Die Nationalversammlung hat weder eine Krone zu geben noch zu biete".
Sie hat eine Verfassung zu entwerfen und demnächst mit allen von ganz Europa
anerkannten regierenden Herren und Städten zu vertragen. Wo ist der Auftrag,
der diese Männer berechtigt, über rechtmäßige Obrigkeiten, denen sie geschworen,
einen König oder Kaiser zu setzen? Wo ist der Rat der Könige und Fürsten
Deutschlands, der nach tausendjährigem Herkommen dem heiligen Reich seinen König
kürt und die Wahl dem Volke zur Bestätigung vorlegt?" Und an andrer Stelle:
"Ist diese Geburt des greulich kreisenden 1848sten Jahres eine Krone? Das
Ding, von dem wir reden, trägt nicht das Zeichen des heiligen Kreuzes, drückt
nicht den Stempel "vou Gottes Gnaden" aufs Haupt, ist keine Krone. Es ist
das eiserne Halsband der Knechtschaft, durch welches der Sohn von mehr denn
24 Regenten, Kurfürsten und Königen, das Hnnpt von 1K Millionen, der Herr
des treuesten und tapfersten Heeres der Welt der Revolution zum Leibeignen ge¬
macht werden würde. Und das sei ferne!"

Man vergleiche diesen Brief des Königs an Arndt, der zwölf Tage älter
ist, mit dem Briefe der bayrischen "NichtWähler" an den König, und man wird
bei der vollen Übereinstimmung der Grundgedanken ohne weiteres erkennen, daß
es der gegnerischen Abmahnung nicht mehr bedurft hatte. Außer Arndt und Beckerath
hatten auch Bunsen, Bassermann und Sauckeu, vielleicht noch mancher andre Patriot,
an den König geschrieben. Ob die beiden letzten eine Autwort erhalten haben und
welche, ist nicht bekannt. In der Antwort an Beckerath vom 20. März -- mau
beachte immer die Daten -- hat der König ausdrücklich auf seinen Brief an Arndt
verwiesen. In feinem Briefe an Bunsen hat er dann den intimen Kommentar zu seiner
Antwort an die Frankfurter Deputation geliefert. Weitere klassische Zellgen sind ohne
Zweifel Bismarck und Gerlach. Bismarck schreibt in den "Gedanken und Erinne¬
rungen" (I, 57 it. f.) als ein sehr genauer Kenner der damaligen Stimmungen des
Königs: "Als der König am 3. April 1849 die Kaiserkrone ablehnte, aber aus dem
Beschlusse der Frankfurter Versammlung "ein Anrecht" entnahm, dessen Wert er zu
schätzen wisse, war er dazu hauptsächlich bewogen durch deu revolutionären oder doch
parlamentarischen Ursprung des Auerbietens und durch den Mangel eines staats¬
rechtlichen Maubads des Frankfurter Parlaments bei mangelnder Zustimmung der
Dynastien." Gerlach berichtet in seinen Eintragungen vom 30. März und 2. April 1849
mit behaglicher Breite über das Aufgebot der gesamten damaligen Camarilla, die dem
König bei dem Entwurf der Antwort an die Frankfurter Deputation "zur Seite stehen
wollte." beide Gerlnch, Massow, Voß, General v. Rauch, Graf Stolberg, Graf Alvens-
leben -- die Camarilla wär diesesmcil "vollständig besetzt." Gerlach selbst hatte den
Entwurf einer Antwort aufgesetzt, "der die Freude über die Anerkennung der Macht
Preußens, den guten Willen, zu helfen, nussprechen sollte, das Anerbieten der
Kaiserkrone aber als unzeitig und unvorbereitet abweisen." Der König nahm die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

letzten Besuch in Wien im Summer 1857, die Überzeugung gekommen, daß der Bruch
mit Österreich und eine kriegerische Auseinandersetzung mehr und mehr unvermeidlich
werde. Zum Wohle für Preußen und Deutschland ist dem Könige diese Entschei¬
dung erspart geblieben. Das politisch einzig Notwendige wie einzig Mögliche: der
Bundesstaat mit Ausschluß Österreichs, aber nicht feindselig gegen Österreich, war
auch von ihm erkannt und festgehalten worden, aber die Lösung in diesem Sinne
herbeizuführen lag außerhalb seiner Entschlußkraft. Ranke hat in seiner Schlnß-
betrachtung zu dem vou ihm herausgegebnen Briefwechsel des Königs mit Bunsen
die Grundlinien der Politik Friedrich Wilhelms befreit von den üppigen Schnörkeln,
mit denen seine reiche Phantasie den einfachen Gedankengang verhüllte und er¬
schwerte, für die historische Forschung freigelegt und sie vor der Geschichte für alle
Zeiten beglaubigt.'

DesBriefes der bayrischen „NichtWähler" des Kaisers vom 29. oder 30. März
1849 hat es für die Entschließung Friedrich Wilhelms nicht bedurft. Was in diesem
Briefe gesagt ist, hatte der König selbst viel deutlicher schon am 18. März 1849
gegen Ernst Moritz Arndt ausgesprochen, am 20. März gegen Beckerath wiederholt.
Der Brief an Arndt, längst gedruckt, doch längst vergessen, besagte:

„Die Nationalversammlung hat weder eine Krone zu geben noch zu biete«.
Sie hat eine Verfassung zu entwerfen und demnächst mit allen von ganz Europa
anerkannten regierenden Herren und Städten zu vertragen. Wo ist der Auftrag,
der diese Männer berechtigt, über rechtmäßige Obrigkeiten, denen sie geschworen,
einen König oder Kaiser zu setzen? Wo ist der Rat der Könige und Fürsten
Deutschlands, der nach tausendjährigem Herkommen dem heiligen Reich seinen König
kürt und die Wahl dem Volke zur Bestätigung vorlegt?" Und an andrer Stelle:
„Ist diese Geburt des greulich kreisenden 1848sten Jahres eine Krone? Das
Ding, von dem wir reden, trägt nicht das Zeichen des heiligen Kreuzes, drückt
nicht den Stempel »vou Gottes Gnaden« aufs Haupt, ist keine Krone. Es ist
das eiserne Halsband der Knechtschaft, durch welches der Sohn von mehr denn
24 Regenten, Kurfürsten und Königen, das Hnnpt von 1K Millionen, der Herr
des treuesten und tapfersten Heeres der Welt der Revolution zum Leibeignen ge¬
macht werden würde. Und das sei ferne!"

Man vergleiche diesen Brief des Königs an Arndt, der zwölf Tage älter
ist, mit dem Briefe der bayrischen „NichtWähler" an den König, und man wird
bei der vollen Übereinstimmung der Grundgedanken ohne weiteres erkennen, daß
es der gegnerischen Abmahnung nicht mehr bedurft hatte. Außer Arndt und Beckerath
hatten auch Bunsen, Bassermann und Sauckeu, vielleicht noch mancher andre Patriot,
an den König geschrieben. Ob die beiden letzten eine Autwort erhalten haben und
welche, ist nicht bekannt. In der Antwort an Beckerath vom 20. März — mau
beachte immer die Daten — hat der König ausdrücklich auf seinen Brief an Arndt
verwiesen. In feinem Briefe an Bunsen hat er dann den intimen Kommentar zu seiner
Antwort an die Frankfurter Deputation geliefert. Weitere klassische Zellgen sind ohne
Zweifel Bismarck und Gerlach. Bismarck schreibt in den „Gedanken und Erinne¬
rungen" (I, 57 it. f.) als ein sehr genauer Kenner der damaligen Stimmungen des
Königs: „Als der König am 3. April 1849 die Kaiserkrone ablehnte, aber aus dem
Beschlusse der Frankfurter Versammlung »ein Anrecht« entnahm, dessen Wert er zu
schätzen wisse, war er dazu hauptsächlich bewogen durch deu revolutionären oder doch
parlamentarischen Ursprung des Auerbietens und durch den Mangel eines staats¬
rechtlichen Maubads des Frankfurter Parlaments bei mangelnder Zustimmung der
Dynastien." Gerlach berichtet in seinen Eintragungen vom 30. März und 2. April 1849
mit behaglicher Breite über das Aufgebot der gesamten damaligen Camarilla, die dem
König bei dem Entwurf der Antwort an die Frankfurter Deputation „zur Seite stehen
wollte." beide Gerlnch, Massow, Voß, General v. Rauch, Graf Stolberg, Graf Alvens-
leben — die Camarilla wär diesesmcil „vollständig besetzt." Gerlach selbst hatte den
Entwurf einer Antwort aufgesetzt, „der die Freude über die Anerkennung der Macht
Preußens, den guten Willen, zu helfen, nussprechen sollte, das Anerbieten der
Kaiserkrone aber als unzeitig und unvorbereitet abweisen." Der König nahm die


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[0205] Maßgebliches und Unmaßgebliches letzten Besuch in Wien im Summer 1857, die Überzeugung gekommen, daß der Bruch mit Österreich und eine kriegerische Auseinandersetzung mehr und mehr unvermeidlich werde. Zum Wohle für Preußen und Deutschland ist dem Könige diese Entschei¬ dung erspart geblieben. Das politisch einzig Notwendige wie einzig Mögliche: der Bundesstaat mit Ausschluß Österreichs, aber nicht feindselig gegen Österreich, war auch von ihm erkannt und festgehalten worden, aber die Lösung in diesem Sinne herbeizuführen lag außerhalb seiner Entschlußkraft. Ranke hat in seiner Schlnß- betrachtung zu dem vou ihm herausgegebnen Briefwechsel des Königs mit Bunsen die Grundlinien der Politik Friedrich Wilhelms befreit von den üppigen Schnörkeln, mit denen seine reiche Phantasie den einfachen Gedankengang verhüllte und er¬ schwerte, für die historische Forschung freigelegt und sie vor der Geschichte für alle Zeiten beglaubigt.' DesBriefes der bayrischen „NichtWähler" des Kaisers vom 29. oder 30. März 1849 hat es für die Entschließung Friedrich Wilhelms nicht bedurft. Was in diesem Briefe gesagt ist, hatte der König selbst viel deutlicher schon am 18. März 1849 gegen Ernst Moritz Arndt ausgesprochen, am 20. März gegen Beckerath wiederholt. Der Brief an Arndt, längst gedruckt, doch längst vergessen, besagte: „Die Nationalversammlung hat weder eine Krone zu geben noch zu biete«. Sie hat eine Verfassung zu entwerfen und demnächst mit allen von ganz Europa anerkannten regierenden Herren und Städten zu vertragen. Wo ist der Auftrag, der diese Männer berechtigt, über rechtmäßige Obrigkeiten, denen sie geschworen, einen König oder Kaiser zu setzen? Wo ist der Rat der Könige und Fürsten Deutschlands, der nach tausendjährigem Herkommen dem heiligen Reich seinen König kürt und die Wahl dem Volke zur Bestätigung vorlegt?" Und an andrer Stelle: „Ist diese Geburt des greulich kreisenden 1848sten Jahres eine Krone? Das Ding, von dem wir reden, trägt nicht das Zeichen des heiligen Kreuzes, drückt nicht den Stempel »vou Gottes Gnaden« aufs Haupt, ist keine Krone. Es ist das eiserne Halsband der Knechtschaft, durch welches der Sohn von mehr denn 24 Regenten, Kurfürsten und Königen, das Hnnpt von 1K Millionen, der Herr des treuesten und tapfersten Heeres der Welt der Revolution zum Leibeignen ge¬ macht werden würde. Und das sei ferne!" Man vergleiche diesen Brief des Königs an Arndt, der zwölf Tage älter ist, mit dem Briefe der bayrischen „NichtWähler" an den König, und man wird bei der vollen Übereinstimmung der Grundgedanken ohne weiteres erkennen, daß es der gegnerischen Abmahnung nicht mehr bedurft hatte. Außer Arndt und Beckerath hatten auch Bunsen, Bassermann und Sauckeu, vielleicht noch mancher andre Patriot, an den König geschrieben. Ob die beiden letzten eine Autwort erhalten haben und welche, ist nicht bekannt. In der Antwort an Beckerath vom 20. März — mau beachte immer die Daten — hat der König ausdrücklich auf seinen Brief an Arndt verwiesen. In feinem Briefe an Bunsen hat er dann den intimen Kommentar zu seiner Antwort an die Frankfurter Deputation geliefert. Weitere klassische Zellgen sind ohne Zweifel Bismarck und Gerlach. Bismarck schreibt in den „Gedanken und Erinne¬ rungen" (I, 57 it. f.) als ein sehr genauer Kenner der damaligen Stimmungen des Königs: „Als der König am 3. April 1849 die Kaiserkrone ablehnte, aber aus dem Beschlusse der Frankfurter Versammlung »ein Anrecht« entnahm, dessen Wert er zu schätzen wisse, war er dazu hauptsächlich bewogen durch deu revolutionären oder doch parlamentarischen Ursprung des Auerbietens und durch den Mangel eines staats¬ rechtlichen Maubads des Frankfurter Parlaments bei mangelnder Zustimmung der Dynastien." Gerlach berichtet in seinen Eintragungen vom 30. März und 2. April 1849 mit behaglicher Breite über das Aufgebot der gesamten damaligen Camarilla, die dem König bei dem Entwurf der Antwort an die Frankfurter Deputation „zur Seite stehen wollte." beide Gerlnch, Massow, Voß, General v. Rauch, Graf Stolberg, Graf Alvens- leben — die Camarilla wär diesesmcil „vollständig besetzt." Gerlach selbst hatte den Entwurf einer Antwort aufgesetzt, „der die Freude über die Anerkennung der Macht Preußens, den guten Willen, zu helfen, nussprechen sollte, das Anerbieten der Kaiserkrone aber als unzeitig und unvorbereitet abweisen." Der König nahm die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/205>, abgerufen am 24.08.2024.