Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Erinnerungen an die Paulskirche I. Sepp vonindein letzten Bayern ans der ersten deutschen Nationalversammlung (Schlusi) ^. Aufstand der Republikaner und Bluttaten M Die Radikalen bearbeiteten den Plebs und konnten nicht einmal abwarten, Erinnerungen an die Paulskirche I. Sepp vonindein letzten Bayern ans der ersten deutschen Nationalversammlung (Schlusi) ^. Aufstand der Republikaner und Bluttaten M Die Radikalen bearbeiteten den Plebs und konnten nicht einmal abwarten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0812" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242032"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341877_241213/figures/grenzboten_341877_241213_242032_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Erinnerungen an die Paulskirche<lb/><note type="byline"> I. Sepp </note> vonindein letzten Bayern ans der ersten deutschen Nationalversammlung<lb/> (Schlusi) </head><lb/> <div n="2"> <head> ^. Aufstand der Republikaner und Bluttaten</head><lb/> <p xml:id="ID_3425"> M<lb/> ^>ähreud die konstituierende Nationalversammlung tagte, waren die<lb/> Galerien unruhig, much immer voll besetzt, und von da aus<lb/> verpflanzten sich die unberufner Mitarbeiter nu der Politik auf<lb/> die Straße. Neunioueu des Pöbels fanden in der Stadt regel¬<lb/> mäßig statt, und wen die Neugierde trieb, der konnte z, B, im<lb/> Essighause genug von Weltverbesserung hören. Da sprang z, B. ein Plebejer<lb/> auf den Tisch und rief laut: Ich fordre die Anwesenden zur Antwort ans:<lb/> Seid ihr bisher mit den deutschen Regierungen zufrieden gewesen? Autwort:<lb/> Nein! Nein! Also muß man sie abschaffen, fort mit ihnen! Hoch die Re¬<lb/> publik! — Die Proletarier selbst in der wohlhabenden Reichsstadt versprachen<lb/> sich von der Umwälzung goldne Berge; daß aber in der Republik auch keinem<lb/> die Tauben gebraten in den Mund fliegen, daß von allgemeinem Wohlleben<lb/> hienieden überhaupt nicht zu träumen ist, durfte niemand einwenden, der nicht<lb/> vor die Tür fliegen wollte. Als ob es von dem guten Willen der Vorstände<lb/> abhinge, das Los jedes einzelnen zu verbessern! Aber der Mob gibt sich<lb/> blindlings gefangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3426" next="#ID_3427"> Die Radikalen bearbeiteten den Plebs und konnten nicht einmal abwarten,<lb/> bis das Parlament, das vor den Thronen stehn geblieben war, für den Fort¬<lb/> bestand der Monarchie gegen die Republik entschied. Der Waffenstillstand zu<lb/> Mellins, den Preußen mit der Krone Dänemark abgeschlossen hatte, und den<lb/> die Pnulskirche gelten ließ, gab Anlaß zu unerhört tumultuarischen Szenen.<lb/> Die Versammlung auf der Pfingstweide war die Einleitung, wobei Zitz rief:<lb/> „Man muß Fraktur schreiben, gehört wird man nicht mehr." Es galt die<lb/> Sprengung der Nationalversammlung; schon zirkulierte eine Liste mit<lb/> den Namen derer von den 258 Votanten für Waffenruhe, die als erklärte „Ver¬<lb/> räter des deutschen Volkes, der deutschen Freiheit und Ehre" beseitigt werden<lb/> sollten. Der 18. September war zum Angriff bestimmt. Mittlerweile waren<lb/> aus Baden, Hessen und namentlich von der Gegend von Hanau her Pöbel-<lb/> Hansen bei allen Toren angedrungen und pochten schon an die Pforten der<lb/> Paulskirche. Germain Metternich, ein kassierter darmstädtischer Offizier, der<lb/> sich so weit vergaß, von deu Galerien aus auf die Deputierten zu spucken,<lb/> machte den Anführer zum Barrikadenkampf. Die Barrikade wurde am<lb/> Ende der Zeil errichtet. Zum Glück hatte Schmerling, vorher Vnudestags-<lb/> prüsident, noch schnell von Mainz die österreichischen Truppen zu Hilfe gerufen,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0812]
[Abbildung]
Erinnerungen an die Paulskirche
I. Sepp vonindein letzten Bayern ans der ersten deutschen Nationalversammlung
(Schlusi)
^. Aufstand der Republikaner und Bluttaten
M
^>ähreud die konstituierende Nationalversammlung tagte, waren die
Galerien unruhig, much immer voll besetzt, und von da aus
verpflanzten sich die unberufner Mitarbeiter nu der Politik auf
die Straße. Neunioueu des Pöbels fanden in der Stadt regel¬
mäßig statt, und wen die Neugierde trieb, der konnte z, B, im
Essighause genug von Weltverbesserung hören. Da sprang z, B. ein Plebejer
auf den Tisch und rief laut: Ich fordre die Anwesenden zur Antwort ans:
Seid ihr bisher mit den deutschen Regierungen zufrieden gewesen? Autwort:
Nein! Nein! Also muß man sie abschaffen, fort mit ihnen! Hoch die Re¬
publik! — Die Proletarier selbst in der wohlhabenden Reichsstadt versprachen
sich von der Umwälzung goldne Berge; daß aber in der Republik auch keinem
die Tauben gebraten in den Mund fliegen, daß von allgemeinem Wohlleben
hienieden überhaupt nicht zu träumen ist, durfte niemand einwenden, der nicht
vor die Tür fliegen wollte. Als ob es von dem guten Willen der Vorstände
abhinge, das Los jedes einzelnen zu verbessern! Aber der Mob gibt sich
blindlings gefangen.
Die Radikalen bearbeiteten den Plebs und konnten nicht einmal abwarten,
bis das Parlament, das vor den Thronen stehn geblieben war, für den Fort¬
bestand der Monarchie gegen die Republik entschied. Der Waffenstillstand zu
Mellins, den Preußen mit der Krone Dänemark abgeschlossen hatte, und den
die Pnulskirche gelten ließ, gab Anlaß zu unerhört tumultuarischen Szenen.
Die Versammlung auf der Pfingstweide war die Einleitung, wobei Zitz rief:
„Man muß Fraktur schreiben, gehört wird man nicht mehr." Es galt die
Sprengung der Nationalversammlung; schon zirkulierte eine Liste mit
den Namen derer von den 258 Votanten für Waffenruhe, die als erklärte „Ver¬
räter des deutschen Volkes, der deutschen Freiheit und Ehre" beseitigt werden
sollten. Der 18. September war zum Angriff bestimmt. Mittlerweile waren
aus Baden, Hessen und namentlich von der Gegend von Hanau her Pöbel-
Hansen bei allen Toren angedrungen und pochten schon an die Pforten der
Paulskirche. Germain Metternich, ein kassierter darmstädtischer Offizier, der
sich so weit vergaß, von deu Galerien aus auf die Deputierten zu spucken,
machte den Anführer zum Barrikadenkampf. Die Barrikade wurde am
Ende der Zeil errichtet. Zum Glück hatte Schmerling, vorher Vnudestags-
prüsident, noch schnell von Mainz die österreichischen Truppen zu Hilfe gerufen,
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