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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Manier, die Zinken des Kamins mit Zähnen zu vergleichen, ist so alt wie der
Kamm; schon die Griechen und Römer haben von den Zähnen des Kammes ge¬
sprochen. Nebenher läuft noch ein andrer Vergleich, der noch mehr Licht auf die
Entstehung dieses merkwürdigen Gerätes wirft.

Die Dichter vergleichen bisweilen die fünf Finger der Hand und einem Kamm;
dieses Bild ist ebenfalls uralt, und es ist um so treffender, als die eignen Finger
wirklich der erste Kamm des Menschen gewesen sind. Man fährt sich hente "och
mit dem fünfzinkigen Kamme durch die Haare, wenn gerade kein andrer da ist.
Freilich war das etwas Mißliches, die Haare mit der Hand zu strählen.

Solange die Menschen keine richtigen Kämme hatten, kamen ste und ihrer
Eitelkeit fortwährend in Konflikt. Man muß nicht denke", daß sie bis dahin auch
noch gar nichts für ihren Haarschmuck getan und einen Kopf gehabt hätten wie ein
russischer Bauer oder wie Curius Dentatns. Die Wilden haben nicht immer wildes
Haar, obgleich sie es noch nicht kämmen. Sie flechten es. sie kräuseln es, sie
pomadisieren es, sie färben es, sie scheiteln es nur nicht. Es ist merkwürdig, wenn¬
gleich sehr bezeichnend, daß die Naturvölker, diese Bettler, die kaum genug habe",
ihre Blöße zu bedecken, sehr hänfig alles auf den küustltchen Bau ihrer Locken
geben. Ein Papna, ein Ababde braucht so viel Zeit, sich das Haar zu machen, wie
eine Opernsängerin. Infolgedessen muß er ängstlich darauf bedacht sein, alles zu
vermeiden, was seine Frisur in Unordnung bringen könnte, weil sie nicht gleich
wieder herzustellen ist. Er kann nicht einmal ruhig schlafen; er legt seinen Nacken
in den Ausschnitt eines Brettes, in das sogenannte Schlafholz oder die Nackenstütze,
die in allen Erdteilen gebräuchlich ist. ja die sich in veränderter Form sogar in
Jnpan findet. Übrigens stehen bei uns die Frauen noch heute auf diesem Stand¬
punkt, weil ihr Haarputz noch heute ein kleines Kunstwerk ist. Wenn sie nach Tisch
Mittagsruhe halten, legen sie den Kopf nicht gern auf ein Kissen auf, weil sie ihre
Zöpfe zu gefährden fürchten. Als das terrassenförmige Haar- und Spitzengebäude
der Fontcmge noch Mode war, mußte man eigne Wagen bauen, damit die "Fon-
tanje" nicht zerdrückt wurde.

Der Maun, der sich kämmt, braucht sich nicht so sehr zu fürchten, wenn er
über Nacht zum Struwwelpeter wird; ein paar Striche stellen alles wieder her.
Es war deshalb ein großer Fortschritt, als die Menschen anfingen, bei ihrer Frisur
einen Kamm zu Hilfe zu nehmen und sich feiner ausschließlich zu bedienen. Die
Wilden wurden also Kammacher, "ut zwar begannen sie damit, einen einzigen
Finger nachzuahmen. Das heißt, der erste richtige Kamm des Menschen war ein
einfaches spitzes Stäbchen, von der Gestalt einer laugen Nadel, eine sogenannte
Scheitelnadell mit der mau das Haar scheitelte, und mit der die Gräfin Agnes von
Orlamünde, die "Weiße Fran," ihre beiden Kinder ermordet habe" soll. Diese
Nadel war jedoch "ursprünglich nicht ans Metall, weil das die Kopfhaut verletzen
konnte, sondern etwa aus Holz; die ältesten Kämme sind tatsächlich hölzerne gewesen.
Nameiitlich wurde seiner Feinheit und Elastizität wegen das Buchsbaumholz be¬
vorzugt. Oder man nahm ein Horn, das sich wie ein Fingernagel anfühlte!
meinetwegen auch eine Adlerkralle oder einen Elefantenzahn. Mit so einem spitze"
und doch nachgiebigen Instrumente konnte der Afrikaner seine schwarzen, von
Rizinusöl triefende" Locke" schlichte"; eben der nubische Kamm, den die Berabra
und die Ababde beständig bei sich führe", hat noch diese ursprüngliche Gestalt.

Eine erste Vervollkommnung des Geräth lag nahe. Ich meine, es lag nahe,
entweder eine natürliche Gabel, ein Ästchen oder ein zweispitziges Hörnchen auf¬
zutreiben, wie es die Natur darbot; oder das einfache Stäbchen selbst an einem
Ende z" spalte" und zu gabeln. Mit einem guten Kamme macht es sich leicht,
Mgte der Teufel, als er seine Großmutter mit einer Heugabel strählte; in der Tat
ist eine Haarnadel von schwarzem Eisendraht, mit einer Stecknadel vergliche", scho"
ein guter Kamm. Nun hatte man zwei Zinken, und das war schon ein Schritt
weiter in der Kammachcrei. Wenn man die beiden Zinken von neuem spaltete, so


Grenzboten I II Is03 gg

Manier, die Zinken des Kamins mit Zähnen zu vergleichen, ist so alt wie der
Kamm; schon die Griechen und Römer haben von den Zähnen des Kammes ge¬
sprochen. Nebenher läuft noch ein andrer Vergleich, der noch mehr Licht auf die
Entstehung dieses merkwürdigen Gerätes wirft.

Die Dichter vergleichen bisweilen die fünf Finger der Hand und einem Kamm;
dieses Bild ist ebenfalls uralt, und es ist um so treffender, als die eignen Finger
wirklich der erste Kamm des Menschen gewesen sind. Man fährt sich hente »och
mit dem fünfzinkigen Kamme durch die Haare, wenn gerade kein andrer da ist.
Freilich war das etwas Mißliches, die Haare mit der Hand zu strählen.

Solange die Menschen keine richtigen Kämme hatten, kamen ste und ihrer
Eitelkeit fortwährend in Konflikt. Man muß nicht denke», daß sie bis dahin auch
noch gar nichts für ihren Haarschmuck getan und einen Kopf gehabt hätten wie ein
russischer Bauer oder wie Curius Dentatns. Die Wilden haben nicht immer wildes
Haar, obgleich sie es noch nicht kämmen. Sie flechten es. sie kräuseln es, sie
pomadisieren es, sie färben es, sie scheiteln es nur nicht. Es ist merkwürdig, wenn¬
gleich sehr bezeichnend, daß die Naturvölker, diese Bettler, die kaum genug habe»,
ihre Blöße zu bedecken, sehr hänfig alles auf den küustltchen Bau ihrer Locken
geben. Ein Papna, ein Ababde braucht so viel Zeit, sich das Haar zu machen, wie
eine Opernsängerin. Infolgedessen muß er ängstlich darauf bedacht sein, alles zu
vermeiden, was seine Frisur in Unordnung bringen könnte, weil sie nicht gleich
wieder herzustellen ist. Er kann nicht einmal ruhig schlafen; er legt seinen Nacken
in den Ausschnitt eines Brettes, in das sogenannte Schlafholz oder die Nackenstütze,
die in allen Erdteilen gebräuchlich ist. ja die sich in veränderter Form sogar in
Jnpan findet. Übrigens stehen bei uns die Frauen noch heute auf diesem Stand¬
punkt, weil ihr Haarputz noch heute ein kleines Kunstwerk ist. Wenn sie nach Tisch
Mittagsruhe halten, legen sie den Kopf nicht gern auf ein Kissen auf, weil sie ihre
Zöpfe zu gefährden fürchten. Als das terrassenförmige Haar- und Spitzengebäude
der Fontcmge noch Mode war, mußte man eigne Wagen bauen, damit die „Fon-
tanje" nicht zerdrückt wurde.

Der Maun, der sich kämmt, braucht sich nicht so sehr zu fürchten, wenn er
über Nacht zum Struwwelpeter wird; ein paar Striche stellen alles wieder her.
Es war deshalb ein großer Fortschritt, als die Menschen anfingen, bei ihrer Frisur
einen Kamm zu Hilfe zu nehmen und sich feiner ausschließlich zu bedienen. Die
Wilden wurden also Kammacher, »ut zwar begannen sie damit, einen einzigen
Finger nachzuahmen. Das heißt, der erste richtige Kamm des Menschen war ein
einfaches spitzes Stäbchen, von der Gestalt einer laugen Nadel, eine sogenannte
Scheitelnadell mit der mau das Haar scheitelte, und mit der die Gräfin Agnes von
Orlamünde, die „Weiße Fran," ihre beiden Kinder ermordet habe» soll. Diese
Nadel war jedoch "ursprünglich nicht ans Metall, weil das die Kopfhaut verletzen
konnte, sondern etwa aus Holz; die ältesten Kämme sind tatsächlich hölzerne gewesen.
Nameiitlich wurde seiner Feinheit und Elastizität wegen das Buchsbaumholz be¬
vorzugt. Oder man nahm ein Horn, das sich wie ein Fingernagel anfühlte!
meinetwegen auch eine Adlerkralle oder einen Elefantenzahn. Mit so einem spitze»
und doch nachgiebigen Instrumente konnte der Afrikaner seine schwarzen, von
Rizinusöl triefende» Locke» schlichte»; eben der nubische Kamm, den die Berabra
und die Ababde beständig bei sich führe», hat noch diese ursprüngliche Gestalt.

Eine erste Vervollkommnung des Geräth lag nahe. Ich meine, es lag nahe,
entweder eine natürliche Gabel, ein Ästchen oder ein zweispitziges Hörnchen auf¬
zutreiben, wie es die Natur darbot; oder das einfache Stäbchen selbst an einem
Ende z» spalte» und zu gabeln. Mit einem guten Kamme macht es sich leicht,
Mgte der Teufel, als er seine Großmutter mit einer Heugabel strählte; in der Tat
ist eine Haarnadel von schwarzem Eisendraht, mit einer Stecknadel vergliche», scho»
ein guter Kamm. Nun hatte man zwei Zinken, und das war schon ein Schritt
weiter in der Kammachcrei. Wenn man die beiden Zinken von neuem spaltete, so


Grenzboten I II Is03 gg
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[0769] Manier, die Zinken des Kamins mit Zähnen zu vergleichen, ist so alt wie der Kamm; schon die Griechen und Römer haben von den Zähnen des Kammes ge¬ sprochen. Nebenher läuft noch ein andrer Vergleich, der noch mehr Licht auf die Entstehung dieses merkwürdigen Gerätes wirft. Die Dichter vergleichen bisweilen die fünf Finger der Hand und einem Kamm; dieses Bild ist ebenfalls uralt, und es ist um so treffender, als die eignen Finger wirklich der erste Kamm des Menschen gewesen sind. Man fährt sich hente »och mit dem fünfzinkigen Kamme durch die Haare, wenn gerade kein andrer da ist. Freilich war das etwas Mißliches, die Haare mit der Hand zu strählen. Solange die Menschen keine richtigen Kämme hatten, kamen ste und ihrer Eitelkeit fortwährend in Konflikt. Man muß nicht denke», daß sie bis dahin auch noch gar nichts für ihren Haarschmuck getan und einen Kopf gehabt hätten wie ein russischer Bauer oder wie Curius Dentatns. Die Wilden haben nicht immer wildes Haar, obgleich sie es noch nicht kämmen. Sie flechten es. sie kräuseln es, sie pomadisieren es, sie färben es, sie scheiteln es nur nicht. Es ist merkwürdig, wenn¬ gleich sehr bezeichnend, daß die Naturvölker, diese Bettler, die kaum genug habe», ihre Blöße zu bedecken, sehr hänfig alles auf den küustltchen Bau ihrer Locken geben. Ein Papna, ein Ababde braucht so viel Zeit, sich das Haar zu machen, wie eine Opernsängerin. Infolgedessen muß er ängstlich darauf bedacht sein, alles zu vermeiden, was seine Frisur in Unordnung bringen könnte, weil sie nicht gleich wieder herzustellen ist. Er kann nicht einmal ruhig schlafen; er legt seinen Nacken in den Ausschnitt eines Brettes, in das sogenannte Schlafholz oder die Nackenstütze, die in allen Erdteilen gebräuchlich ist. ja die sich in veränderter Form sogar in Jnpan findet. Übrigens stehen bei uns die Frauen noch heute auf diesem Stand¬ punkt, weil ihr Haarputz noch heute ein kleines Kunstwerk ist. Wenn sie nach Tisch Mittagsruhe halten, legen sie den Kopf nicht gern auf ein Kissen auf, weil sie ihre Zöpfe zu gefährden fürchten. Als das terrassenförmige Haar- und Spitzengebäude der Fontcmge noch Mode war, mußte man eigne Wagen bauen, damit die „Fon- tanje" nicht zerdrückt wurde. Der Maun, der sich kämmt, braucht sich nicht so sehr zu fürchten, wenn er über Nacht zum Struwwelpeter wird; ein paar Striche stellen alles wieder her. Es war deshalb ein großer Fortschritt, als die Menschen anfingen, bei ihrer Frisur einen Kamm zu Hilfe zu nehmen und sich feiner ausschließlich zu bedienen. Die Wilden wurden also Kammacher, »ut zwar begannen sie damit, einen einzigen Finger nachzuahmen. Das heißt, der erste richtige Kamm des Menschen war ein einfaches spitzes Stäbchen, von der Gestalt einer laugen Nadel, eine sogenannte Scheitelnadell mit der mau das Haar scheitelte, und mit der die Gräfin Agnes von Orlamünde, die „Weiße Fran," ihre beiden Kinder ermordet habe» soll. Diese Nadel war jedoch "ursprünglich nicht ans Metall, weil das die Kopfhaut verletzen konnte, sondern etwa aus Holz; die ältesten Kämme sind tatsächlich hölzerne gewesen. Nameiitlich wurde seiner Feinheit und Elastizität wegen das Buchsbaumholz be¬ vorzugt. Oder man nahm ein Horn, das sich wie ein Fingernagel anfühlte! meinetwegen auch eine Adlerkralle oder einen Elefantenzahn. Mit so einem spitze» und doch nachgiebigen Instrumente konnte der Afrikaner seine schwarzen, von Rizinusöl triefende» Locke» schlichte»; eben der nubische Kamm, den die Berabra und die Ababde beständig bei sich führe», hat noch diese ursprüngliche Gestalt. Eine erste Vervollkommnung des Geräth lag nahe. Ich meine, es lag nahe, entweder eine natürliche Gabel, ein Ästchen oder ein zweispitziges Hörnchen auf¬ zutreiben, wie es die Natur darbot; oder das einfache Stäbchen selbst an einem Ende z» spalte» und zu gabeln. Mit einem guten Kamme macht es sich leicht, Mgte der Teufel, als er seine Großmutter mit einer Heugabel strählte; in der Tat ist eine Haarnadel von schwarzem Eisendraht, mit einer Stecknadel vergliche», scho» ein guter Kamm. Nun hatte man zwei Zinken, und das war schon ein Schritt weiter in der Kammachcrei. Wenn man die beiden Zinken von neuem spaltete, so Grenzboten I II Is03 gg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/769>, abgerufen am 01.09.2024.