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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Aus der Jugendzeit

halb nach Halberstadt zu dem Justizrat Krüger, der weit und breit als Anwalt
unbedingtes Vertrauen genoß, und bat ihn. die Trennung der Ehe herbeizuführen.
Der Justizrat Krüger, ein ernster evangelischer Christ, fertigte den aufgeregte"
Mann mit dem Bescheid ab, er werde nächstens nach Quedlinburg hinüberkommen,
ihn dann aufsuchen und vor allen Dingen mit der Frau sprechen. Ehe er diese
gehört habe, könne er nichts tun. Bis dahin solle er nur mit seiner Frau aus¬
zukommen suchen. Nach einigen Wochen kam der Justizrat, traf das Ehepaar auch
an und fragte die Leute, ob sie wohl eine Bibel hätten. Da wurde ihm vom
Kaminring die alte große Familienbibel gereicht. Er schlug sie ans und las den
beiden Eheleuten daraus den richtigen Text mit dem Erfolge, daß sie sich die Hand
reichten und miteinander persöhnten. Jedenfalls sind sie nicht geschieden worden.
Mein Vater, der sich bor den Halberstädter Gerichten gleichfalls durch den Justizrat
Krüger vertreten ließ und diesen ungemein verehrte, erzählte diesen Vorgang und
tiefer Rührung und mit dem Zusätze: "Das ist ein Anwalt nach dem Herzen
Gottes." Er hatte vollkommen Recht. Als Referendar habe ich spater bel dem
Justizrat Krüger gearbeitet und in seinem Hanse viel verkehrt. Ich habe dabei
den gescheiten, liebenswürdigen, frommen alten Herrn nicht nur als Juristen
respektieren, sondern ihn auch als Menschen und Christen lieben und verehren
lernen. Ans der feinen und schönen Geselligkeit des Krügerschen Hauses habe ich
viel Segen und gute Anregungen empfangen.

Als ich in der zweiten Klasse der Volksschule saß, kam eines ^ages der
Generalsuperintendent der Provinz Sachsen, Bischof Drösele aus Magdeburg, in
unsre Schule, um den Religionsunterricht zu revidieren. Zuhause hatte ich von
meinem Vater das Lob des Bischofs in allen Tonarten schon oft aussprechen hören.
Mein Vater besaß eine umfangreiche gedruckte Sammlung Dräjekischer Predigten
und las diese mit Vorliebe. Als der feine, sehr ansehnliche geistliche Herr in
schwarzem Frack und schwarzen Collanes, d. h. langen, an beiden Seiten bis unten
hin geknopften, in schwarze Gamaschen auslaufenden Tuchhosen in Begleitung des
Herrn Superintendenten in unsre Klasse trat, waren wir Kinder zu förmlicher
Ehrfurcht vor der vornehmen Erscheinung hingerissen. Ich entsinne mich kaum,
daß ich im spätern Leben jemals wieder vor einem Menschen einen so unbegrenzten
Respekt empfunden hätte, wie damals vor dem Bischof Dräseke. Die Revision in
der Schule verlief glatt und glücklich. Mit herzgewinnender Freundlichkeit richtete
der Bischof einige Fragen an uns und war von unsern frischen, unbefangnen und
sichern Antworten befriedigt. Wie mein Vater erzählte, war er an demselben Tag
"und in der Sitzung der Stadtverordneten erschienen, hatte dort eine beredte An¬
sprache über das Zusammenwirken von Kirche und Stadtgemeinde in Schulange¬
legenheiten gehalten und damit auf die Väter der Stadt einen tiefen Eindruck ge¬
macht. In Quedlinburg hat Dräseke damals nicht gepredigt, wohl aber an demi
folgenden Sonntage Kantate in der Kirche zu Ditfurt. Mein Vater ließ es sich
nicht nehmen, zu diesem Gottesdienst nach Ditfurt zu gehn, und nahm mich mit.
Ich entsinne mich der schönen Wanderung durch den feiertäglich stillen, frischen
Frühlingsmorgen noch deutlich. In der überfüllten schmucken Dorfkirche predigte
der Bischof, anknüpfend an den Namen des Sonntags Kantate, über den Kirchen¬
gesang mit einer lebendigen Beredsamkeit, die auch auf mich unverständigen Jungen
uicht ohne Eindruck blieb. Ich war stolz darauf, den berühmten Kanzelredner "über
das Singen" predigen gehört zu haben.

Der Bischof trug damals über dem Talar das ihm vom König verliehene
einfache goldne Bischofskreuz an goldner Kette. Als ich im Jahre 1892 Kultus¬
minister wurde, fand ich unter den Asservaten der Generalkasse des Ministeriums
dieses von den Erben des Bischofs Dräseke nach dessen Tode zurückgereichte Bischofs-
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.euz. Mit Rührung mußte ich darau denken, wie ich vor mehr als fünfzig Jahren
o-e,es schlichte Krenz auf der Brust des Bischofs hatte glänzen sehen. Wer hätte


Aus der Jugendzeit

halb nach Halberstadt zu dem Justizrat Krüger, der weit und breit als Anwalt
unbedingtes Vertrauen genoß, und bat ihn. die Trennung der Ehe herbeizuführen.
Der Justizrat Krüger, ein ernster evangelischer Christ, fertigte den aufgeregte»
Mann mit dem Bescheid ab, er werde nächstens nach Quedlinburg hinüberkommen,
ihn dann aufsuchen und vor allen Dingen mit der Frau sprechen. Ehe er diese
gehört habe, könne er nichts tun. Bis dahin solle er nur mit seiner Frau aus¬
zukommen suchen. Nach einigen Wochen kam der Justizrat, traf das Ehepaar auch
an und fragte die Leute, ob sie wohl eine Bibel hätten. Da wurde ihm vom
Kaminring die alte große Familienbibel gereicht. Er schlug sie ans und las den
beiden Eheleuten daraus den richtigen Text mit dem Erfolge, daß sie sich die Hand
reichten und miteinander persöhnten. Jedenfalls sind sie nicht geschieden worden.
Mein Vater, der sich bor den Halberstädter Gerichten gleichfalls durch den Justizrat
Krüger vertreten ließ und diesen ungemein verehrte, erzählte diesen Vorgang und
tiefer Rührung und mit dem Zusätze: „Das ist ein Anwalt nach dem Herzen
Gottes." Er hatte vollkommen Recht. Als Referendar habe ich spater bel dem
Justizrat Krüger gearbeitet und in seinem Hanse viel verkehrt. Ich habe dabei
den gescheiten, liebenswürdigen, frommen alten Herrn nicht nur als Juristen
respektieren, sondern ihn auch als Menschen und Christen lieben und verehren
lernen. Ans der feinen und schönen Geselligkeit des Krügerschen Hauses habe ich
viel Segen und gute Anregungen empfangen.

Als ich in der zweiten Klasse der Volksschule saß, kam eines ^ages der
Generalsuperintendent der Provinz Sachsen, Bischof Drösele aus Magdeburg, in
unsre Schule, um den Religionsunterricht zu revidieren. Zuhause hatte ich von
meinem Vater das Lob des Bischofs in allen Tonarten schon oft aussprechen hören.
Mein Vater besaß eine umfangreiche gedruckte Sammlung Dräjekischer Predigten
und las diese mit Vorliebe. Als der feine, sehr ansehnliche geistliche Herr in
schwarzem Frack und schwarzen Collanes, d. h. langen, an beiden Seiten bis unten
hin geknopften, in schwarze Gamaschen auslaufenden Tuchhosen in Begleitung des
Herrn Superintendenten in unsre Klasse trat, waren wir Kinder zu förmlicher
Ehrfurcht vor der vornehmen Erscheinung hingerissen. Ich entsinne mich kaum,
daß ich im spätern Leben jemals wieder vor einem Menschen einen so unbegrenzten
Respekt empfunden hätte, wie damals vor dem Bischof Dräseke. Die Revision in
der Schule verlief glatt und glücklich. Mit herzgewinnender Freundlichkeit richtete
der Bischof einige Fragen an uns und war von unsern frischen, unbefangnen und
sichern Antworten befriedigt. Wie mein Vater erzählte, war er an demselben Tag
"und in der Sitzung der Stadtverordneten erschienen, hatte dort eine beredte An¬
sprache über das Zusammenwirken von Kirche und Stadtgemeinde in Schulange¬
legenheiten gehalten und damit auf die Väter der Stadt einen tiefen Eindruck ge¬
macht. In Quedlinburg hat Dräseke damals nicht gepredigt, wohl aber an demi
folgenden Sonntage Kantate in der Kirche zu Ditfurt. Mein Vater ließ es sich
nicht nehmen, zu diesem Gottesdienst nach Ditfurt zu gehn, und nahm mich mit.
Ich entsinne mich der schönen Wanderung durch den feiertäglich stillen, frischen
Frühlingsmorgen noch deutlich. In der überfüllten schmucken Dorfkirche predigte
der Bischof, anknüpfend an den Namen des Sonntags Kantate, über den Kirchen¬
gesang mit einer lebendigen Beredsamkeit, die auch auf mich unverständigen Jungen
uicht ohne Eindruck blieb. Ich war stolz darauf, den berühmten Kanzelredner „über
das Singen" predigen gehört zu haben.

Der Bischof trug damals über dem Talar das ihm vom König verliehene
einfache goldne Bischofskreuz an goldner Kette. Als ich im Jahre 1892 Kultus¬
minister wurde, fand ich unter den Asservaten der Generalkasse des Ministeriums
dieses von den Erben des Bischofs Dräseke nach dessen Tode zurückgereichte Bischofs-
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.euz. Mit Rührung mußte ich darau denken, wie ich vor mehr als fünfzig Jahren
o-e,es schlichte Krenz auf der Brust des Bischofs hatte glänzen sehen. Wer hätte


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[0751] Aus der Jugendzeit halb nach Halberstadt zu dem Justizrat Krüger, der weit und breit als Anwalt unbedingtes Vertrauen genoß, und bat ihn. die Trennung der Ehe herbeizuführen. Der Justizrat Krüger, ein ernster evangelischer Christ, fertigte den aufgeregte» Mann mit dem Bescheid ab, er werde nächstens nach Quedlinburg hinüberkommen, ihn dann aufsuchen und vor allen Dingen mit der Frau sprechen. Ehe er diese gehört habe, könne er nichts tun. Bis dahin solle er nur mit seiner Frau aus¬ zukommen suchen. Nach einigen Wochen kam der Justizrat, traf das Ehepaar auch an und fragte die Leute, ob sie wohl eine Bibel hätten. Da wurde ihm vom Kaminring die alte große Familienbibel gereicht. Er schlug sie ans und las den beiden Eheleuten daraus den richtigen Text mit dem Erfolge, daß sie sich die Hand reichten und miteinander persöhnten. Jedenfalls sind sie nicht geschieden worden. Mein Vater, der sich bor den Halberstädter Gerichten gleichfalls durch den Justizrat Krüger vertreten ließ und diesen ungemein verehrte, erzählte diesen Vorgang und tiefer Rührung und mit dem Zusätze: „Das ist ein Anwalt nach dem Herzen Gottes." Er hatte vollkommen Recht. Als Referendar habe ich spater bel dem Justizrat Krüger gearbeitet und in seinem Hanse viel verkehrt. Ich habe dabei den gescheiten, liebenswürdigen, frommen alten Herrn nicht nur als Juristen respektieren, sondern ihn auch als Menschen und Christen lieben und verehren lernen. Ans der feinen und schönen Geselligkeit des Krügerschen Hauses habe ich viel Segen und gute Anregungen empfangen. Als ich in der zweiten Klasse der Volksschule saß, kam eines ^ages der Generalsuperintendent der Provinz Sachsen, Bischof Drösele aus Magdeburg, in unsre Schule, um den Religionsunterricht zu revidieren. Zuhause hatte ich von meinem Vater das Lob des Bischofs in allen Tonarten schon oft aussprechen hören. Mein Vater besaß eine umfangreiche gedruckte Sammlung Dräjekischer Predigten und las diese mit Vorliebe. Als der feine, sehr ansehnliche geistliche Herr in schwarzem Frack und schwarzen Collanes, d. h. langen, an beiden Seiten bis unten hin geknopften, in schwarze Gamaschen auslaufenden Tuchhosen in Begleitung des Herrn Superintendenten in unsre Klasse trat, waren wir Kinder zu förmlicher Ehrfurcht vor der vornehmen Erscheinung hingerissen. Ich entsinne mich kaum, daß ich im spätern Leben jemals wieder vor einem Menschen einen so unbegrenzten Respekt empfunden hätte, wie damals vor dem Bischof Dräseke. Die Revision in der Schule verlief glatt und glücklich. Mit herzgewinnender Freundlichkeit richtete der Bischof einige Fragen an uns und war von unsern frischen, unbefangnen und sichern Antworten befriedigt. Wie mein Vater erzählte, war er an demselben Tag "und in der Sitzung der Stadtverordneten erschienen, hatte dort eine beredte An¬ sprache über das Zusammenwirken von Kirche und Stadtgemeinde in Schulange¬ legenheiten gehalten und damit auf die Väter der Stadt einen tiefen Eindruck ge¬ macht. In Quedlinburg hat Dräseke damals nicht gepredigt, wohl aber an demi folgenden Sonntage Kantate in der Kirche zu Ditfurt. Mein Vater ließ es sich nicht nehmen, zu diesem Gottesdienst nach Ditfurt zu gehn, und nahm mich mit. Ich entsinne mich der schönen Wanderung durch den feiertäglich stillen, frischen Frühlingsmorgen noch deutlich. In der überfüllten schmucken Dorfkirche predigte der Bischof, anknüpfend an den Namen des Sonntags Kantate, über den Kirchen¬ gesang mit einer lebendigen Beredsamkeit, die auch auf mich unverständigen Jungen uicht ohne Eindruck blieb. Ich war stolz darauf, den berühmten Kanzelredner „über das Singen" predigen gehört zu haben. Der Bischof trug damals über dem Talar das ihm vom König verliehene einfache goldne Bischofskreuz an goldner Kette. Als ich im Jahre 1892 Kultus¬ minister wurde, fand ich unter den Asservaten der Generalkasse des Ministeriums dieses von den Erben des Bischofs Dräseke nach dessen Tode zurückgereichte Bischofs- >- .euz. Mit Rührung mußte ich darau denken, wie ich vor mehr als fünfzig Jahren o-e,es schlichte Krenz auf der Brust des Bischofs hatte glänzen sehen. Wer hätte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/751>, abgerufen am 01.09.2024.