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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Lrinnermigen an die Paulskirche ^3^3

bei der Deputation, die dem Erzherzog Johann seine Wahl zum Reichsver¬
weser mitteilen sollte. Als Venedey von der Tribüne aus auf Belohnung des
Seehelden antrug, der das erste dänische Schiff erobern würde, lachte über
solche Phantasterei mancher in die Faust, und doch bestanden am 5. April 1849
Strandbatterien den Kampf gegen dänischen Ansturm bei Eckernförde, wobei
sie das Linienschiff Christian den Achten in die Luft sprengten und die Fregatte
Gefion kaperten. Ein glückliches Beginnen, denn in ganz Deutschland sammelte
man für die Gründung eiuer deutschen Kriegsflotte. Herwegh, auch
ein Flüchtling und Mitglied der geheimen Propaganda, forderte in seinem
besten Gedichte auf: Die Zukunft Deutschlands liegt auf dem Meere! Damals
dachte niemand, daß demnächst im Auftrag des abgeschafften und dann wieder
erneuerten Bundestags 1852 ein kleinstaatlicher Staatsmann, Hannibal Fischer,
bald die frisch gebauten Seeschiffe, woran sich die ersten Hoffnungen knüpften,
unter den Hammer bringen müßte. Am meisten ging das wohl Rudolf
Jordan zu Herzen, der als Maler gerade in Seestücken seine Meisterschaft be¬
währte und seine Stoffe vorwiegend dem Leben der Küstenbevölkeruug ent¬
nahm, sowie seinem Namensvetter Wilhelm Jordan, der als Marinerat im
Neichsministerium viel zur anfänglichen Organisation der deutschen Flotte bei¬
getragen hatte. Sein Chef Arnold Duckwitz hatte für die Verbesserung der
Weserschiffahrt gewirkt, nicht minder für die deutsch-amerikanische Dampferlinie,
während Meier als Abgeordneter für Bremen sein Memorandum über Zoll-
und Handelsbeziehungen einreichte. Er war als Neichsminister des Handels
ebenso tätig, wie vorher Kollegen von der See aus mit China und Japan
Verträge abgeschlossen hatten. Dies diene mit zum Beweise, welche Männer
die Nation ins Frankfurter Parlament geschickt hatte. Die Versteigerung der
ersten Neichsflotte aber sah alle Welt für einen Racheakt und für absichtliche
Demütigung der deutscheu Nationalversammlung dnrch die wieder dominierenden
Potentaten um.


2. Die Grundrechte. Das Aölner Dombaujubilämn

In der verfassunggebenden Versammlung der Paulskirche, die das deutsche
Staatsleben nen gestalten sollte, saßen statt der 640 erwählten Repräsentanten
der Nation in der Regel nur 580, davon 118 Professoren und, nicht weniger
und wichtiger, Advokaten. An Beredsamkeit blieben die lautesten Stimmführer
hinter den Parlamenten in London und in Paris nicht zurück; tonangebend waren
Abgeordnete aus bisherigen Landtagen, so ein Bassermann, der schon am
12. Februar 1848 wie Heinrich von Gagern am 28. des Monats in der
badischen Kammer den Antrag auf kräftigere Organisation des Deutschen Bundes
eingebracht hatte, indem dieser nur am Gängelband der einzelnen Regierungen
in Bewegung kam und in jedem einzelnen Fall von den eingeholtem Instruk¬
tionen abhing. Mächtige Redner waren Simson, Vincke, Lichnowsky, aber die
von der äußersten Linken, Vogt von Gießen, Wesendonk, Schaffrath brachten
mehr und mehr stürmische Bewegung in den weiten Kreis. Die erste Störung
verursachte Zitz, der radiale Advokat von Mainz, mit einer recht unüberlegten
Anklage. Er rief einen Konflikt mit dem Militär hervor, dessen Beistandes man
bei der wachsenden Unrnhe in den Massen doch bald bedürfte.


Lrinnermigen an die Paulskirche ^3^3

bei der Deputation, die dem Erzherzog Johann seine Wahl zum Reichsver¬
weser mitteilen sollte. Als Venedey von der Tribüne aus auf Belohnung des
Seehelden antrug, der das erste dänische Schiff erobern würde, lachte über
solche Phantasterei mancher in die Faust, und doch bestanden am 5. April 1849
Strandbatterien den Kampf gegen dänischen Ansturm bei Eckernförde, wobei
sie das Linienschiff Christian den Achten in die Luft sprengten und die Fregatte
Gefion kaperten. Ein glückliches Beginnen, denn in ganz Deutschland sammelte
man für die Gründung eiuer deutschen Kriegsflotte. Herwegh, auch
ein Flüchtling und Mitglied der geheimen Propaganda, forderte in seinem
besten Gedichte auf: Die Zukunft Deutschlands liegt auf dem Meere! Damals
dachte niemand, daß demnächst im Auftrag des abgeschafften und dann wieder
erneuerten Bundestags 1852 ein kleinstaatlicher Staatsmann, Hannibal Fischer,
bald die frisch gebauten Seeschiffe, woran sich die ersten Hoffnungen knüpften,
unter den Hammer bringen müßte. Am meisten ging das wohl Rudolf
Jordan zu Herzen, der als Maler gerade in Seestücken seine Meisterschaft be¬
währte und seine Stoffe vorwiegend dem Leben der Küstenbevölkeruug ent¬
nahm, sowie seinem Namensvetter Wilhelm Jordan, der als Marinerat im
Neichsministerium viel zur anfänglichen Organisation der deutschen Flotte bei¬
getragen hatte. Sein Chef Arnold Duckwitz hatte für die Verbesserung der
Weserschiffahrt gewirkt, nicht minder für die deutsch-amerikanische Dampferlinie,
während Meier als Abgeordneter für Bremen sein Memorandum über Zoll-
und Handelsbeziehungen einreichte. Er war als Neichsminister des Handels
ebenso tätig, wie vorher Kollegen von der See aus mit China und Japan
Verträge abgeschlossen hatten. Dies diene mit zum Beweise, welche Männer
die Nation ins Frankfurter Parlament geschickt hatte. Die Versteigerung der
ersten Neichsflotte aber sah alle Welt für einen Racheakt und für absichtliche
Demütigung der deutscheu Nationalversammlung dnrch die wieder dominierenden
Potentaten um.


2. Die Grundrechte. Das Aölner Dombaujubilämn

In der verfassunggebenden Versammlung der Paulskirche, die das deutsche
Staatsleben nen gestalten sollte, saßen statt der 640 erwählten Repräsentanten
der Nation in der Regel nur 580, davon 118 Professoren und, nicht weniger
und wichtiger, Advokaten. An Beredsamkeit blieben die lautesten Stimmführer
hinter den Parlamenten in London und in Paris nicht zurück; tonangebend waren
Abgeordnete aus bisherigen Landtagen, so ein Bassermann, der schon am
12. Februar 1848 wie Heinrich von Gagern am 28. des Monats in der
badischen Kammer den Antrag auf kräftigere Organisation des Deutschen Bundes
eingebracht hatte, indem dieser nur am Gängelband der einzelnen Regierungen
in Bewegung kam und in jedem einzelnen Fall von den eingeholtem Instruk¬
tionen abhing. Mächtige Redner waren Simson, Vincke, Lichnowsky, aber die
von der äußersten Linken, Vogt von Gießen, Wesendonk, Schaffrath brachten
mehr und mehr stürmische Bewegung in den weiten Kreis. Die erste Störung
verursachte Zitz, der radiale Advokat von Mainz, mit einer recht unüberlegten
Anklage. Er rief einen Konflikt mit dem Militär hervor, dessen Beistandes man
bei der wachsenden Unrnhe in den Massen doch bald bedürfte.


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[0727] Lrinnermigen an die Paulskirche ^3^3 bei der Deputation, die dem Erzherzog Johann seine Wahl zum Reichsver¬ weser mitteilen sollte. Als Venedey von der Tribüne aus auf Belohnung des Seehelden antrug, der das erste dänische Schiff erobern würde, lachte über solche Phantasterei mancher in die Faust, und doch bestanden am 5. April 1849 Strandbatterien den Kampf gegen dänischen Ansturm bei Eckernförde, wobei sie das Linienschiff Christian den Achten in die Luft sprengten und die Fregatte Gefion kaperten. Ein glückliches Beginnen, denn in ganz Deutschland sammelte man für die Gründung eiuer deutschen Kriegsflotte. Herwegh, auch ein Flüchtling und Mitglied der geheimen Propaganda, forderte in seinem besten Gedichte auf: Die Zukunft Deutschlands liegt auf dem Meere! Damals dachte niemand, daß demnächst im Auftrag des abgeschafften und dann wieder erneuerten Bundestags 1852 ein kleinstaatlicher Staatsmann, Hannibal Fischer, bald die frisch gebauten Seeschiffe, woran sich die ersten Hoffnungen knüpften, unter den Hammer bringen müßte. Am meisten ging das wohl Rudolf Jordan zu Herzen, der als Maler gerade in Seestücken seine Meisterschaft be¬ währte und seine Stoffe vorwiegend dem Leben der Küstenbevölkeruug ent¬ nahm, sowie seinem Namensvetter Wilhelm Jordan, der als Marinerat im Neichsministerium viel zur anfänglichen Organisation der deutschen Flotte bei¬ getragen hatte. Sein Chef Arnold Duckwitz hatte für die Verbesserung der Weserschiffahrt gewirkt, nicht minder für die deutsch-amerikanische Dampferlinie, während Meier als Abgeordneter für Bremen sein Memorandum über Zoll- und Handelsbeziehungen einreichte. Er war als Neichsminister des Handels ebenso tätig, wie vorher Kollegen von der See aus mit China und Japan Verträge abgeschlossen hatten. Dies diene mit zum Beweise, welche Männer die Nation ins Frankfurter Parlament geschickt hatte. Die Versteigerung der ersten Neichsflotte aber sah alle Welt für einen Racheakt und für absichtliche Demütigung der deutscheu Nationalversammlung dnrch die wieder dominierenden Potentaten um. 2. Die Grundrechte. Das Aölner Dombaujubilämn In der verfassunggebenden Versammlung der Paulskirche, die das deutsche Staatsleben nen gestalten sollte, saßen statt der 640 erwählten Repräsentanten der Nation in der Regel nur 580, davon 118 Professoren und, nicht weniger und wichtiger, Advokaten. An Beredsamkeit blieben die lautesten Stimmführer hinter den Parlamenten in London und in Paris nicht zurück; tonangebend waren Abgeordnete aus bisherigen Landtagen, so ein Bassermann, der schon am 12. Februar 1848 wie Heinrich von Gagern am 28. des Monats in der badischen Kammer den Antrag auf kräftigere Organisation des Deutschen Bundes eingebracht hatte, indem dieser nur am Gängelband der einzelnen Regierungen in Bewegung kam und in jedem einzelnen Fall von den eingeholtem Instruk¬ tionen abhing. Mächtige Redner waren Simson, Vincke, Lichnowsky, aber die von der äußersten Linken, Vogt von Gießen, Wesendonk, Schaffrath brachten mehr und mehr stürmische Bewegung in den weiten Kreis. Die erste Störung verursachte Zitz, der radiale Advokat von Mainz, mit einer recht unüberlegten Anklage. Er rief einen Konflikt mit dem Militär hervor, dessen Beistandes man bei der wachsenden Unrnhe in den Massen doch bald bedürfte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/727>, abgerufen am 22.11.2024.