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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Familienfideikommisst:

ist. Wenn nun der Staat bei einer solchen Stiftung ebenfalls seine Rechnung
findet, weil ihm mit gutem Grunde an einem gewissem Prozentsatz in ein und
derselben Familie ungeteilt verbleibenden Großgrundbesitzes gelegen ist, so ist
es schwer einzusehen, warum man unter dem Vormunde, es handle sich
um die Wandrung rechtlicher Gleichheit, eiuer Veranstaltung entgegentreten
sollte, die, wenn sie sich auch noch außerdem aus landwirtschaftlichen Gründen
empfiehlt, vielseitigen Wünschen und den Forderungen des allgemeinen Wohls
entspricht.

Man würde sich täuschen, wenn man glaubte, es könne dem Staat an
Vcrwaltungsbecuntcn und an Offizieren schon um deswillen nie fehlen, weil
immer eine genügende Anzahl geeigneter Bewerber durch die Vorteile und den
blendenden, wenn auch nicht immer sich bewahrheitenden Schimmer der Stellungen
angelockt werden würde. Besetzen läßt sich freilich eine Stelle immer, wie ja
Sir John schließlich mit einem vollzähligen Kontingent abrückte, aber da es hierbei
doch vor allem auf die Qualität ankommt, so ist es gut, sich zu fragen. ob em
freier, gebildeter und unabhängiger Mann unter den heutigen Verhältnissen
uicht ein gutes Teil altherkömmlicher Familientradition braucht, wenn er sich
der einen oder der andern von zwei Karrieren zuwenden soll, aus denen widrige
Einflüsse von oben und von unten Bahnen gemacht haben, in Vergleich zu
denen die gefnhrlichsteu .Hindernispisten als ausruhende Spazierwege angesehen
werden können. Den Boden, der höhere Verwaltungsbeamte und Offiziere
hervorbringt, soll der Staat ja warm halten und sich dessen Kultur recht an¬
gelegen sein lassen. Das hat mit dem Adel und den berüchtigten Konnexionen
durchaus nichts zu tun, denn es kommt dabei ausschließlich auf Gesinnungen
und Lebensgewohnheiten an, die gewissermaßen das Harz, der natürliche Aus¬
fluß eines in der Familie stetig erhaltnen Großgrundbesitzes sind, und die man
weder auf Gymnasien noch ans Fachschulen wie den Homunkulus in der Re¬
torte Präparieren kann. So ungern es auch manche Leute zugeben, was der
Staat in dieser Beziehung braucht, sind die Blüten eines Baumes, der außer¬
halb des Königreichs fast nicht mehr angetroffen wird, und dessen Vorkommen
wir nur der diesem durch das hohenzollernsche Herrscherhaus zuteil gewordnen
einsichtigen und liebevollen Pflege verdanken. Man hüte sich zu glauben -- und
das soll nur den staatserhaltenden Parteien zugerufen sein --. daß wenn es
einmal den Anarchisten und deu Svzialdemoiraten gegenüber an Rock und
Kragen gehn wird, halbgläubige, kühle, vom Pädagogen "fertig gestellte" Miet¬
linge genügen werden, den Staat vor völliger Zerrüttung zu bewahren. Es
wird wie zu Friedrichs des Großen Zeiten, wie 1813, 1849 und 1870 ganzer,
in der Wolle gefärbter Männer bedürfen, die weder an sich, noch an Weib und
Kind, noch an Geld und Gut denken und die Schlange des Aufruhrs und der
Empörung mit eigner Lebensgefahr zu erdrosseln bereit sind. Reiche Bankiers
und Kaufleute werden sich nach wie vor auf allen Snbskriptionsbogen aus¬
zeichnen, die von ihnen, die es trifft, werden auch, wie sie bisher getan haben, ohne
zu murren dem Vaterlande das Blut ihrer Sohne opfern, aber als die echten
Schwcizergarden, die Mnuu für Manu auf dem Posten fallen, werden sich die
aus den Familientraditionen hervorgegangnen und heransgewcichsenen Kämpfer


Familienfideikommisst:

ist. Wenn nun der Staat bei einer solchen Stiftung ebenfalls seine Rechnung
findet, weil ihm mit gutem Grunde an einem gewissem Prozentsatz in ein und
derselben Familie ungeteilt verbleibenden Großgrundbesitzes gelegen ist, so ist
es schwer einzusehen, warum man unter dem Vormunde, es handle sich
um die Wandrung rechtlicher Gleichheit, eiuer Veranstaltung entgegentreten
sollte, die, wenn sie sich auch noch außerdem aus landwirtschaftlichen Gründen
empfiehlt, vielseitigen Wünschen und den Forderungen des allgemeinen Wohls
entspricht.

Man würde sich täuschen, wenn man glaubte, es könne dem Staat an
Vcrwaltungsbecuntcn und an Offizieren schon um deswillen nie fehlen, weil
immer eine genügende Anzahl geeigneter Bewerber durch die Vorteile und den
blendenden, wenn auch nicht immer sich bewahrheitenden Schimmer der Stellungen
angelockt werden würde. Besetzen läßt sich freilich eine Stelle immer, wie ja
Sir John schließlich mit einem vollzähligen Kontingent abrückte, aber da es hierbei
doch vor allem auf die Qualität ankommt, so ist es gut, sich zu fragen. ob em
freier, gebildeter und unabhängiger Mann unter den heutigen Verhältnissen
uicht ein gutes Teil altherkömmlicher Familientradition braucht, wenn er sich
der einen oder der andern von zwei Karrieren zuwenden soll, aus denen widrige
Einflüsse von oben und von unten Bahnen gemacht haben, in Vergleich zu
denen die gefnhrlichsteu .Hindernispisten als ausruhende Spazierwege angesehen
werden können. Den Boden, der höhere Verwaltungsbeamte und Offiziere
hervorbringt, soll der Staat ja warm halten und sich dessen Kultur recht an¬
gelegen sein lassen. Das hat mit dem Adel und den berüchtigten Konnexionen
durchaus nichts zu tun, denn es kommt dabei ausschließlich auf Gesinnungen
und Lebensgewohnheiten an, die gewissermaßen das Harz, der natürliche Aus¬
fluß eines in der Familie stetig erhaltnen Großgrundbesitzes sind, und die man
weder auf Gymnasien noch ans Fachschulen wie den Homunkulus in der Re¬
torte Präparieren kann. So ungern es auch manche Leute zugeben, was der
Staat in dieser Beziehung braucht, sind die Blüten eines Baumes, der außer¬
halb des Königreichs fast nicht mehr angetroffen wird, und dessen Vorkommen
wir nur der diesem durch das hohenzollernsche Herrscherhaus zuteil gewordnen
einsichtigen und liebevollen Pflege verdanken. Man hüte sich zu glauben — und
das soll nur den staatserhaltenden Parteien zugerufen sein —. daß wenn es
einmal den Anarchisten und deu Svzialdemoiraten gegenüber an Rock und
Kragen gehn wird, halbgläubige, kühle, vom Pädagogen „fertig gestellte" Miet¬
linge genügen werden, den Staat vor völliger Zerrüttung zu bewahren. Es
wird wie zu Friedrichs des Großen Zeiten, wie 1813, 1849 und 1870 ganzer,
in der Wolle gefärbter Männer bedürfen, die weder an sich, noch an Weib und
Kind, noch an Geld und Gut denken und die Schlange des Aufruhrs und der
Empörung mit eigner Lebensgefahr zu erdrosseln bereit sind. Reiche Bankiers
und Kaufleute werden sich nach wie vor auf allen Snbskriptionsbogen aus¬
zeichnen, die von ihnen, die es trifft, werden auch, wie sie bisher getan haben, ohne
zu murren dem Vaterlande das Blut ihrer Sohne opfern, aber als die echten
Schwcizergarden, die Mnuu für Manu auf dem Posten fallen, werden sich die
aus den Familientraditionen hervorgegangnen und heransgewcichsenen Kämpfer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/655>, abgerufen am 25.11.2024.