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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Familienfideikommisso

sondern für dergleichen auch durch Erziehung und Familientradition in die rechte
Verfassung gebracht werde.

Vom Adel, der bekanntlich von der schon bisher vorhanden gewesenen
Möglichkeit, Familicnfideikommisse zu stiften oder lehnsrechtliche Verhältnisse in
solche zu verwandeln, ausgiebig Gebrauch gemacht hat, kann bei dieser Be¬
sprechung füglich ebenso abgesehen werden, wie andrerseits von den Bedenken
der Sozialdemokraten und der Anarchisten, denn wo es sich um die Vorbereitung
eines allgemeinen Gesetzentwurfs handelt, wie ein solcher bekanntlich dem preu¬
ßischen Landtage vorgelegt werden soll, geht es nicht an, sich darauf zu be¬
ziehen, daß ein beabsichtigtes Gesetz im Interesse dieses oder jenes besondern
Standes liege: es wird sich vielmehr, wie anch die dem Entwurf beigegebue
Begründungsschrift ausdrücklich hervorhebt, um allgemeine Gründe politischer,
sozialer und wirtschaftlicher Natur handeln. Wie sich das Ansehen des Adels
in unsern Tagen auf den Glanz beschränkt, den die geschichtlichen Erinnerungen
jeder Familie auf deren Nachkommenschaft werfen, so ist es für den Staat
und den königlichen Dienst gleichgiltig, ob ein Adlicher oder ein Bürgerlicher
als Fideikommißinhaber in einem Kreise, in einer Provinz Einfluß übt und sich
als Besitzer einer größern Strecke Landes bei der Abwehr staatsfeindlicher An¬
griffe in den vordersten Reihen beteiligt. Was das Gesetz zu fördern und zu
Pflegen bestimmt sein wird, ist nicht der Name und zunächst auch nicht das
Vermögen einzelner bevorzugter Familien, sondern vielmehr auf der einen Seite
die durch Wohlhabenheit und Erziehung bestimmte Brauchbarkeit und Unab¬
hängigkeit einer Reihe von Geschlechtern, auf der andern die nur dem Gro߬
grundbesitze mögliche stetige Bevorzugung gewisser Arten und Methoden der
Bewirtschaftung, unter denen das Forstwesen vornan steht. Daß einem, wenn
man im Staatskalender und in der Armeeliste blättert, so oft Namen alter
Adelsfamilien begegnen, die sich übrigens zum Teil nur einer sehr geringen
Wohlhabenheit erfreuen, kann nur der mit den Verhältnissen nicht Vertraute
als den Ausfluß eines Privilegs ansehen: die häufige Wiederkehr dieser Namen
ist vielmehr ganz im Gegenteil die Folge einer Tradition, die es, wo der
Staat und der königliche Dienst in Frage kommen, der Familie und dem Einzelnen
zur andern Natur macht, Opfer an Blut und an Geld nicht besonders hoch
anzuschlagen. Der Unterschied, an dessen Fortbestehn man glauben möchte,
wenn man liest, wie sich noch heutzutage einzelne Blätter die Zeit nehmen, die
adlichen und die bürgerlichen Inhaber eines Amts oder einer Charge auf¬
zuzählen, ist beseitigt. Es ist heutzutage keine Scheidewand vorhanden, die
jemand, der willig und befähigt ist, sich dem Staat und dessen Dienst zu
widmen, zurückhalten konnte; je mehr Bewerber, um so besser für den Staat.
Wenn aber -- denn auch das Unwahrscheinlichste ist ja ausnahmsweise möglich --
ein Verehrer längst entschwundner Zeiten und Anschauungen bei der Errichtung
eines Familienfideikommisses dem Anwärter auch von der Seite der Mutter
stiftsfähigen oder, wie sich die Allerhöchste Kabinettsvrder vom 4. Sep¬
tember 1830 ausdrückt, vollbürtigen oder ritterbürtigem Adel zur Vediugung
machen sollte, nun so wird anch hier eine Schwalbe noch keinen Sommer
machen, und wenn der König die Erteilung der landesherrlichen Genehmigung


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sondern für dergleichen auch durch Erziehung und Familientradition in die rechte
Verfassung gebracht werde.

Vom Adel, der bekanntlich von der schon bisher vorhanden gewesenen
Möglichkeit, Familicnfideikommisse zu stiften oder lehnsrechtliche Verhältnisse in
solche zu verwandeln, ausgiebig Gebrauch gemacht hat, kann bei dieser Be¬
sprechung füglich ebenso abgesehen werden, wie andrerseits von den Bedenken
der Sozialdemokraten und der Anarchisten, denn wo es sich um die Vorbereitung
eines allgemeinen Gesetzentwurfs handelt, wie ein solcher bekanntlich dem preu¬
ßischen Landtage vorgelegt werden soll, geht es nicht an, sich darauf zu be¬
ziehen, daß ein beabsichtigtes Gesetz im Interesse dieses oder jenes besondern
Standes liege: es wird sich vielmehr, wie anch die dem Entwurf beigegebue
Begründungsschrift ausdrücklich hervorhebt, um allgemeine Gründe politischer,
sozialer und wirtschaftlicher Natur handeln. Wie sich das Ansehen des Adels
in unsern Tagen auf den Glanz beschränkt, den die geschichtlichen Erinnerungen
jeder Familie auf deren Nachkommenschaft werfen, so ist es für den Staat
und den königlichen Dienst gleichgiltig, ob ein Adlicher oder ein Bürgerlicher
als Fideikommißinhaber in einem Kreise, in einer Provinz Einfluß übt und sich
als Besitzer einer größern Strecke Landes bei der Abwehr staatsfeindlicher An¬
griffe in den vordersten Reihen beteiligt. Was das Gesetz zu fördern und zu
Pflegen bestimmt sein wird, ist nicht der Name und zunächst auch nicht das
Vermögen einzelner bevorzugter Familien, sondern vielmehr auf der einen Seite
die durch Wohlhabenheit und Erziehung bestimmte Brauchbarkeit und Unab¬
hängigkeit einer Reihe von Geschlechtern, auf der andern die nur dem Gro߬
grundbesitze mögliche stetige Bevorzugung gewisser Arten und Methoden der
Bewirtschaftung, unter denen das Forstwesen vornan steht. Daß einem, wenn
man im Staatskalender und in der Armeeliste blättert, so oft Namen alter
Adelsfamilien begegnen, die sich übrigens zum Teil nur einer sehr geringen
Wohlhabenheit erfreuen, kann nur der mit den Verhältnissen nicht Vertraute
als den Ausfluß eines Privilegs ansehen: die häufige Wiederkehr dieser Namen
ist vielmehr ganz im Gegenteil die Folge einer Tradition, die es, wo der
Staat und der königliche Dienst in Frage kommen, der Familie und dem Einzelnen
zur andern Natur macht, Opfer an Blut und an Geld nicht besonders hoch
anzuschlagen. Der Unterschied, an dessen Fortbestehn man glauben möchte,
wenn man liest, wie sich noch heutzutage einzelne Blätter die Zeit nehmen, die
adlichen und die bürgerlichen Inhaber eines Amts oder einer Charge auf¬
zuzählen, ist beseitigt. Es ist heutzutage keine Scheidewand vorhanden, die
jemand, der willig und befähigt ist, sich dem Staat und dessen Dienst zu
widmen, zurückhalten konnte; je mehr Bewerber, um so besser für den Staat.
Wenn aber — denn auch das Unwahrscheinlichste ist ja ausnahmsweise möglich —
ein Verehrer längst entschwundner Zeiten und Anschauungen bei der Errichtung
eines Familienfideikommisses dem Anwärter auch von der Seite der Mutter
stiftsfähigen oder, wie sich die Allerhöchste Kabinettsvrder vom 4. Sep¬
tember 1830 ausdrückt, vollbürtigen oder ritterbürtigem Adel zur Vediugung
machen sollte, nun so wird anch hier eine Schwalbe noch keinen Sommer
machen, und wenn der König die Erteilung der landesherrlichen Genehmigung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/650>, abgerufen am 25.11.2024.