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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Prozeßverschleppungen

bei der Anwaltschaft der Hansastädte besteht. Wahrend sich im übrigen Deutsch¬
land nur zwei Anwälte zu gemeinsamer Praxis vereinigen, treten dort nicht
unter drei, in der Regel sogar vier Anwälte zusammen. Dadurch werden
Terminkollisionen vermieden, und eine raschere Erledigung der Prozesse ist
die notwendige Folge dieser Einrichtung. Zweifellos hat im übrigen das
Assoziationswesen bei der Anwaltschaft mancherlei Nachteile, namentlich bekommt
die Berufsausübung leicht einen rein geschäftlichen Charakter, und die Ver¬
antwortlichkeit der Einzelnen wird abgeschwächt. Darum findet die Vergesell¬
schaftung von Anwälten in dem ausgebildeten Maße, wie im Hamburger Bezirk,
in den andern Teilen des Reichs keinen Eingang, und so ist auch keine Re-
medur der Prozcßverschlcppungen durch eine Verallgemeinerung dieser Gepflogen-
heit zu erwarten.

Dies über die Landgerichte. Aus meiner Betrachtung ergibt sich, daß die
Prozeßverschleppungeu keineswegs eine allgemeine Kalamität sind, sondern
nur durch besondre Gepflogenheiten in den einzelnen Bezirken veranlaßt werden.
Deren Feststellung ist die wesentliche Aufgabe der Reichs-Justizverwaltung,
wenn sie eine Verminderung der Prozeßdauer erreichen will.




Wenden wir uns nun zu den Oberlandesgerichten, so wurden Sachen der
obenerwähnten Art in sechs Monaten, in Prozenten ausgedrückt, erledigt an den

Oberlandesgerichtenin den Jahren
1895 18971899im Durch¬
schnitt
1.Augsburg ....52,846,354,251,1
2.Vamberq . , . ,15,816,916,816,5
8.Berlin....., 37,531,642,137,0
4.Vraunschweig . . ., 70,653.765,163,1
5^Breslau.....29,631,645,435,5
K,42,246,847,8
7.Darmstadt ....46,449,747,047,7
8.Dresden.....51,858,852,754,4
9.Frankfurt ....39,538.140,639,4
10.77,880,278,678,3
11.Hamm.....32,631,641,235,5
Is.Jena ......62,154,147,454,5
13.Karlsruhe ..... 54,355,557,653,8
14.Kassel......54,860,762,859,4
15.Kiel ....65,861,975,567,4
16.Kolmar.....69,667,063,266,6
17.Köln.....15,921,719,218,9
18.Königsberg ....30,639,638.137,0
19. Marienwerder . . ., 57,761,465,261,2
20.München ....49.946,460,952,2
21,Naumburq ....60,263,662,7
22.Nürnberg ....58,272,048,959,7
23.Oldenburg ..... 82,571,473,477,4
24.Posen...... 44,851,238,644,8
25.Rostock .....55,262,457,5
26.Stettin.....25,841,635,534,4
27.Stuttgart ....83,483,485,083,9
28.Zweibrücken . . .. 53,432,852,045,9

Grenzboten III 1903 76
Prozeßverschleppungen

bei der Anwaltschaft der Hansastädte besteht. Wahrend sich im übrigen Deutsch¬
land nur zwei Anwälte zu gemeinsamer Praxis vereinigen, treten dort nicht
unter drei, in der Regel sogar vier Anwälte zusammen. Dadurch werden
Terminkollisionen vermieden, und eine raschere Erledigung der Prozesse ist
die notwendige Folge dieser Einrichtung. Zweifellos hat im übrigen das
Assoziationswesen bei der Anwaltschaft mancherlei Nachteile, namentlich bekommt
die Berufsausübung leicht einen rein geschäftlichen Charakter, und die Ver¬
antwortlichkeit der Einzelnen wird abgeschwächt. Darum findet die Vergesell¬
schaftung von Anwälten in dem ausgebildeten Maße, wie im Hamburger Bezirk,
in den andern Teilen des Reichs keinen Eingang, und so ist auch keine Re-
medur der Prozcßverschlcppungen durch eine Verallgemeinerung dieser Gepflogen-
heit zu erwarten.

Dies über die Landgerichte. Aus meiner Betrachtung ergibt sich, daß die
Prozeßverschleppungeu keineswegs eine allgemeine Kalamität sind, sondern
nur durch besondre Gepflogenheiten in den einzelnen Bezirken veranlaßt werden.
Deren Feststellung ist die wesentliche Aufgabe der Reichs-Justizverwaltung,
wenn sie eine Verminderung der Prozeßdauer erreichen will.




Wenden wir uns nun zu den Oberlandesgerichten, so wurden Sachen der
obenerwähnten Art in sechs Monaten, in Prozenten ausgedrückt, erledigt an den

Oberlandesgerichtenin den Jahren
1895 18971899im Durch¬
schnitt
1.Augsburg ....52,846,354,251,1
2.Vamberq . , . ,15,816,916,816,5
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21,Naumburq ....60,263,662,7
22.Nürnberg ....58,272,048,959,7
23.Oldenburg ..... 82,571,473,477,4
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25.Rostock .....55,262,457,5
26.Stettin.....25,841,635,534,4
27.Stuttgart ....83,483,485,083,9
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Grenzboten III 1903 76
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[0609] Prozeßverschleppungen bei der Anwaltschaft der Hansastädte besteht. Wahrend sich im übrigen Deutsch¬ land nur zwei Anwälte zu gemeinsamer Praxis vereinigen, treten dort nicht unter drei, in der Regel sogar vier Anwälte zusammen. Dadurch werden Terminkollisionen vermieden, und eine raschere Erledigung der Prozesse ist die notwendige Folge dieser Einrichtung. Zweifellos hat im übrigen das Assoziationswesen bei der Anwaltschaft mancherlei Nachteile, namentlich bekommt die Berufsausübung leicht einen rein geschäftlichen Charakter, und die Ver¬ antwortlichkeit der Einzelnen wird abgeschwächt. Darum findet die Vergesell¬ schaftung von Anwälten in dem ausgebildeten Maße, wie im Hamburger Bezirk, in den andern Teilen des Reichs keinen Eingang, und so ist auch keine Re- medur der Prozcßverschlcppungen durch eine Verallgemeinerung dieser Gepflogen- heit zu erwarten. Dies über die Landgerichte. Aus meiner Betrachtung ergibt sich, daß die Prozeßverschleppungeu keineswegs eine allgemeine Kalamität sind, sondern nur durch besondre Gepflogenheiten in den einzelnen Bezirken veranlaßt werden. Deren Feststellung ist die wesentliche Aufgabe der Reichs-Justizverwaltung, wenn sie eine Verminderung der Prozeßdauer erreichen will. Wenden wir uns nun zu den Oberlandesgerichten, so wurden Sachen der obenerwähnten Art in sechs Monaten, in Prozenten ausgedrückt, erledigt an den Oberlandesgerichtenin den Jahren 1895 18971899im Durch¬ schnitt 1.Augsburg ....52,846,354,251,1 2.Vamberq . , . ,15,816,916,816,5 8.Berlin....., 37,531,642,137,0 4.Vraunschweig . . ., 70,653.765,163,1 5^Breslau.....29,631,645,435,5 K,42,246,847,8 7.Darmstadt ....46,449,747,047,7 8.Dresden.....51,858,852,754,4 9.Frankfurt ....39,538.140,639,4 10.77,880,278,678,3 11.Hamm.....32,631,641,235,5 Is.Jena ......62,154,147,454,5 13.Karlsruhe ..... 54,355,557,653,8 14.Kassel......54,860,762,859,4 15.Kiel ....65,861,975,567,4 16.Kolmar.....69,667,063,266,6 17.Köln.....15,921,719,218,9 18.Königsberg ....30,639,638.137,0 19. Marienwerder . . ., 57,761,465,261,2 20.München ....49.946,460,952,2 21,Naumburq ....60,263,662,7 22.Nürnberg ....58,272,048,959,7 23.Oldenburg ..... 82,571,473,477,4 24.Posen...... 44,851,238,644,8 25.Rostock .....55,262,457,5 26.Stettin.....25,841,635,534,4 27.Stuttgart ....83,483,485,083,9 28.Zweibrücken . . .. 53,432,852,045,9 Grenzboten III 1903 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/609>, abgerufen am 24.11.2024.