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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Die Komödie auf Rionborg

Einbuße erlitten haben. An einem der Hcmptklerstage wurden damals auch zur
größten Belustigung der Kinder Volksspiele veranstaltet: Hahnenschlagen, Preis¬
klettern und ähnliche. Das ganze Klerstreiben war absonderlich und schlug tue
Schützenfeste der Nachbarorte bei weitem. Immerhin mag die lauge Ausdehnung
des Festes mit reichlichen! Anreiz zu allerlei Vergnügungen und Geldausgaben
wohl auch ihre Schattenseiten gehabt haben. Für uns Kinder aber war es der
Höhepunkt des Vergnügens. ^ .

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In Quedlinburg war es üblich, daß in jedem Hause alhnhrlich un Winter
ein Schwein oder deren mehrere für den Hausbedarf eingeschlachtet wurden, und
man bezeichnete auch dieses Hausschlachten als .Schlachtfest." Diese Bezeichnung
war aber unberechtigt. Denn diese Schlachttnge hatten wenig Festliches. Die
ganze Ordnung des Hauses war daun gestört, und von früh bis spät drehte sich
alles um das Schlachten Abbrühen, Wurstmachen, Wnrstkochcn und Einpökeln. Das
einzig Ansprechende dabei war. daß die nächsten Freunde des Hauses dabei freund¬
nachbarliche Hilfe leisteten. Sie halfen das Fleisch stampfen, die Würste zubinden
und ähnliche Handreichung tun. Dafür gab es dann beim Abendessen frische
Wurst aller Art und dazu ausnahmsweise ein Glas Wem. Die fnsche Wurst
mundete ja trefflich und ich sah auch dem ganzen Treiben von Anfang bis zu
Ende mit Interesse zu Aber die geschäftige Unruhe in allen Winkeln des großen
Hauses mutete mich nicht an. Ich war jedesmal froh, wenn das "Schlachtfest"
vorüber war. Hübsch aber war die Freigebigkeit, mit der von der frischen Wurst auch
andern reichlich mitgeteilt wurde. Nicht uur die nächsten Verwandten, sondern
auch die Geistlichen der Gemeinde erhielten am Tage nach dem Hausschlachten
einen Teller mit frischer Wurst zugesandt. Früher sollte angeblich ein Recht der
Geistlichen auf diese Wurstabgabe bestanden haben, und man erzählte sich -- acht
"hre einen Seitenblick auf geistliche Begehrlichkeit --. die Bratwurst für den
Pastor habe so lang sein müssen, daß sie dreimal um seinen Leib gereicht habe.
Wenn dergleichen je bestanden hatte, so war diese Abgabe rechtlich längst beseitigt.
Mein Vater hielt aber aus gutem Willen darauf, daß für den Geistlichen jedesmal
eine besonders lange Bratwurst angefertigt wurde.

(Fortsetzung folgt)




Die Komödie aus Kronborg
Sophus Banditz Erzählung von Mathilde Mann Autorisierte Übersetzung von

s War am 17. Juni 1586 -- jedermann kann das Datum in der
Chronik nachschlagen --, als die Gesandtschaft, die König Fredcrik
der Zweite an Königin Elisabeth geschickt hatte, nach Dänemark
zurückkehrte.
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Das Kriegsschiff, das Henrik Ramel und sein Gefolge heim-
--! gebracht hatte, lief um die Mittagszeit in den Sund ein, strich seine
^vpsegel zum Salut vor Kronborg und ging südlich vom Schloß vor der langen
-pfahlbrücke vor Anker.MM!

Hier waren immer Leute: die Gehilfen des Zöllners und Stndtknechte,
Pferdehändler und Schiffer, Mädchen und Weiber, Schuljungen und andre Neu-
gierige.

Das Kriegsschiff da draußen mit den drei Mastkörben ließ eine Seepfeife er¬
tönen, ein Boot wurde herabgelassen und steuerte dem Ufer zu, und in dem Vordcr-


Grenzboten III 1903 70
Die Komödie auf Rionborg

Einbuße erlitten haben. An einem der Hcmptklerstage wurden damals auch zur
größten Belustigung der Kinder Volksspiele veranstaltet: Hahnenschlagen, Preis¬
klettern und ähnliche. Das ganze Klerstreiben war absonderlich und schlug tue
Schützenfeste der Nachbarorte bei weitem. Immerhin mag die lauge Ausdehnung
des Festes mit reichlichen! Anreiz zu allerlei Vergnügungen und Geldausgaben
wohl auch ihre Schattenseiten gehabt haben. Für uns Kinder aber war es der
Höhepunkt des Vergnügens. ^ .

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In Quedlinburg war es üblich, daß in jedem Hause alhnhrlich un Winter
ein Schwein oder deren mehrere für den Hausbedarf eingeschlachtet wurden, und
man bezeichnete auch dieses Hausschlachten als .Schlachtfest." Diese Bezeichnung
war aber unberechtigt. Denn diese Schlachttnge hatten wenig Festliches. Die
ganze Ordnung des Hauses war daun gestört, und von früh bis spät drehte sich
alles um das Schlachten Abbrühen, Wurstmachen, Wnrstkochcn und Einpökeln. Das
einzig Ansprechende dabei war. daß die nächsten Freunde des Hauses dabei freund¬
nachbarliche Hilfe leisteten. Sie halfen das Fleisch stampfen, die Würste zubinden
und ähnliche Handreichung tun. Dafür gab es dann beim Abendessen frische
Wurst aller Art und dazu ausnahmsweise ein Glas Wem. Die fnsche Wurst
mundete ja trefflich und ich sah auch dem ganzen Treiben von Anfang bis zu
Ende mit Interesse zu Aber die geschäftige Unruhe in allen Winkeln des großen
Hauses mutete mich nicht an. Ich war jedesmal froh, wenn das „Schlachtfest"
vorüber war. Hübsch aber war die Freigebigkeit, mit der von der frischen Wurst auch
andern reichlich mitgeteilt wurde. Nicht uur die nächsten Verwandten, sondern
auch die Geistlichen der Gemeinde erhielten am Tage nach dem Hausschlachten
einen Teller mit frischer Wurst zugesandt. Früher sollte angeblich ein Recht der
Geistlichen auf diese Wurstabgabe bestanden haben, und man erzählte sich — acht
»hre einen Seitenblick auf geistliche Begehrlichkeit —. die Bratwurst für den
Pastor habe so lang sein müssen, daß sie dreimal um seinen Leib gereicht habe.
Wenn dergleichen je bestanden hatte, so war diese Abgabe rechtlich längst beseitigt.
Mein Vater hielt aber aus gutem Willen darauf, daß für den Geistlichen jedesmal
eine besonders lange Bratwurst angefertigt wurde.

(Fortsetzung folgt)




Die Komödie aus Kronborg
Sophus Banditz Erzählung von Mathilde Mann Autorisierte Übersetzung von

s War am 17. Juni 1586 — jedermann kann das Datum in der
Chronik nachschlagen —, als die Gesandtschaft, die König Fredcrik
der Zweite an Königin Elisabeth geschickt hatte, nach Dänemark
zurückkehrte.
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Das Kriegsschiff, das Henrik Ramel und sein Gefolge heim-
—! gebracht hatte, lief um die Mittagszeit in den Sund ein, strich seine
^vpsegel zum Salut vor Kronborg und ging südlich vom Schloß vor der langen
-pfahlbrücke vor Anker.MM!

Hier waren immer Leute: die Gehilfen des Zöllners und Stndtknechte,
Pferdehändler und Schiffer, Mädchen und Weiber, Schuljungen und andre Neu-
gierige.

Das Kriegsschiff da draußen mit den drei Mastkörben ließ eine Seepfeife er¬
tönen, ein Boot wurde herabgelassen und steuerte dem Ufer zu, und in dem Vordcr-


Grenzboten III 1903 70
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[0561] Die Komödie auf Rionborg Einbuße erlitten haben. An einem der Hcmptklerstage wurden damals auch zur größten Belustigung der Kinder Volksspiele veranstaltet: Hahnenschlagen, Preis¬ klettern und ähnliche. Das ganze Klerstreiben war absonderlich und schlug tue Schützenfeste der Nachbarorte bei weitem. Immerhin mag die lauge Ausdehnung des Festes mit reichlichen! Anreiz zu allerlei Vergnügungen und Geldausgaben wohl auch ihre Schattenseiten gehabt haben. Für uns Kinder aber war es der Höhepunkt des Vergnügens. ^ . ^c^-^ In Quedlinburg war es üblich, daß in jedem Hause alhnhrlich un Winter ein Schwein oder deren mehrere für den Hausbedarf eingeschlachtet wurden, und man bezeichnete auch dieses Hausschlachten als .Schlachtfest." Diese Bezeichnung war aber unberechtigt. Denn diese Schlachttnge hatten wenig Festliches. Die ganze Ordnung des Hauses war daun gestört, und von früh bis spät drehte sich alles um das Schlachten Abbrühen, Wurstmachen, Wnrstkochcn und Einpökeln. Das einzig Ansprechende dabei war. daß die nächsten Freunde des Hauses dabei freund¬ nachbarliche Hilfe leisteten. Sie halfen das Fleisch stampfen, die Würste zubinden und ähnliche Handreichung tun. Dafür gab es dann beim Abendessen frische Wurst aller Art und dazu ausnahmsweise ein Glas Wem. Die fnsche Wurst mundete ja trefflich und ich sah auch dem ganzen Treiben von Anfang bis zu Ende mit Interesse zu Aber die geschäftige Unruhe in allen Winkeln des großen Hauses mutete mich nicht an. Ich war jedesmal froh, wenn das „Schlachtfest" vorüber war. Hübsch aber war die Freigebigkeit, mit der von der frischen Wurst auch andern reichlich mitgeteilt wurde. Nicht uur die nächsten Verwandten, sondern auch die Geistlichen der Gemeinde erhielten am Tage nach dem Hausschlachten einen Teller mit frischer Wurst zugesandt. Früher sollte angeblich ein Recht der Geistlichen auf diese Wurstabgabe bestanden haben, und man erzählte sich — acht »hre einen Seitenblick auf geistliche Begehrlichkeit —. die Bratwurst für den Pastor habe so lang sein müssen, daß sie dreimal um seinen Leib gereicht habe. Wenn dergleichen je bestanden hatte, so war diese Abgabe rechtlich längst beseitigt. Mein Vater hielt aber aus gutem Willen darauf, daß für den Geistlichen jedesmal eine besonders lange Bratwurst angefertigt wurde. (Fortsetzung folgt) Die Komödie aus Kronborg Sophus Banditz Erzählung von Mathilde Mann Autorisierte Übersetzung von s War am 17. Juni 1586 — jedermann kann das Datum in der Chronik nachschlagen —, als die Gesandtschaft, die König Fredcrik der Zweite an Königin Elisabeth geschickt hatte, nach Dänemark zurückkehrte. Ä'MW^- >e Das Kriegsschiff, das Henrik Ramel und sein Gefolge heim- —! gebracht hatte, lief um die Mittagszeit in den Sund ein, strich seine ^vpsegel zum Salut vor Kronborg und ging südlich vom Schloß vor der langen -pfahlbrücke vor Anker.MM! Hier waren immer Leute: die Gehilfen des Zöllners und Stndtknechte, Pferdehändler und Schiffer, Mädchen und Weiber, Schuljungen und andre Neu- gierige. Das Kriegsschiff da draußen mit den drei Mastkörben ließ eine Seepfeife er¬ tönen, ein Boot wurde herabgelassen und steuerte dem Ufer zu, und in dem Vordcr- Grenzboten III 1903 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/561>, abgerufen am 09.11.2024.