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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Ver Marquis von Marigny

Sie beabsichtigen also, sich ein Kcibinett zuzulegen? Wollen Sie hierzu nicht
lieber eine günstigere Zeit abwarten?

Daran denke ich gar nicht. Ich meine vielmehr, es sei angebracht, gerade jetzt,
wo die Kunst daniederliegt, irgend einen begabten Künstler zu unterstützen.

Ein Gedanke, der Ihrem Herzen Ehre macht!

Sehen Sie, weil ich mich ans solche Dinge wenig verstehe und die geringen
Mittel, die mir zu einem solchen Zwecke zu Gebote stehn, an keinen unwürdigen
verschwenden möchte, bitte ich Sie als eine Dame von Takt und Welterfahrung,
mir in dieser Angelegenheit behilflich zu sein.

Recht gern. Aber ich fürchte, ich verstehe Sie noch nicht ganz. Gibt es
Bedingungen, von deren Erfüllung Sie die Unterstützung abhängig zu machen
wünschen?

Bedingungen? Nein! Das heißt, der Betreffende müßte natürlich Franzose sein.

Selbstverständlich. Das ist auch meine Ansicht.

Ferner müßte er von Adel sein.

Bedenken Sie, daß Maler von Adel selten sind.

Um so nötiger ist es, daß man sie nicht Hungers sterben läßt.

Da haben Sie Recht.

Drittens müßte er verheiratet sein.

Ist das unbedingt notwendig?

Ganz unbedingt. Bei unverheirateten Künstlern ist mau nie sicher, ob sie
das Geld anch auf eine würdige Art verzehren.

Sie bestehn also auf dieser Bedingung?

Gewiß. Ich lege sogar den allergrößten Wert darauf.

Gut denn! Bedenken Sie aber, daß durch eine derartige Einschränkung die
ohnehin kleine Zahl der Kandidaten noch mehr zusammenschmilzt.

Tut nichts. Es kann ja doch nur ein einziger sein, der die Gabe empfängt.

Ich wüßte schon jemand, der eine Unterstützung gebrauchen könnte. Den Chevalier
von Roquelaure. Er malt Kühe und Schafe --

Dann mag er zusehen, ob ihm die Kühe und Schafe eine Unterstützung zu¬
kommen lassen. Ich werde mir für einen Künstler etwas tun, der Menschen malt.

Es muß also ein Porträtmaler sein. Wie wäre es da mit Herrn von
Larvusse, dem, der auf Wunsch des Herzogs von Orleans vom Könige nvbilitiert
wurde?

Larousse -- der drei Ellen Leinwand zu jedem Bilde braucht? Nein! Der
Mann ist mir zu anmaßend. Drei Ellen! Als ob ein kleineres Format für sein
Talent nicht ausreichte! Man muß nicht nur die Kunst, man muß auch die Be¬
scheidenheit zu fördern suchen. Besser im Kleinen groß als im Großen klein! Mein
persönlicher Geschmack würde einem Miniaturmaler den Vorzug geben.

Da käme freilich mir eiuer in Frage: ein gewisser Herr von Villeroi.

Ganz recht. Ich entsinne mich, den Namen schon gehört zu haben. Sie steh"
mir dafür, daß er Trient hat?

Gewiß.

Und daß er verheiratet ist?

Auch dafür. Ich kann Ihnen zu Ihrer Beruhigung sogar mitteilen, daß ich
seiner Trauung selbst beigewohnt habe.

Das genügt mir. Und da Sie mit ihm bekannt sind, darf ich Sie wohl bitten,
ihm diese kleine Summe zu übermitteln?

Marignh griff in seine Tasche und brachte das Pnketchen mit dem Gelde zum
Vorschein.

Halt, Herr Marquis, sagte die Baronin, indem sie ihre Hand aus seinen Arm
legte, so weit sind wir noch nicht. Sie wissen ja noch gar nicht, ob er geneigt
ist, eine Unterstützung anzunehmen.

Ich dächte, er sei in Not?


Ver Marquis von Marigny

Sie beabsichtigen also, sich ein Kcibinett zuzulegen? Wollen Sie hierzu nicht
lieber eine günstigere Zeit abwarten?

Daran denke ich gar nicht. Ich meine vielmehr, es sei angebracht, gerade jetzt,
wo die Kunst daniederliegt, irgend einen begabten Künstler zu unterstützen.

Ein Gedanke, der Ihrem Herzen Ehre macht!

Sehen Sie, weil ich mich ans solche Dinge wenig verstehe und die geringen
Mittel, die mir zu einem solchen Zwecke zu Gebote stehn, an keinen unwürdigen
verschwenden möchte, bitte ich Sie als eine Dame von Takt und Welterfahrung,
mir in dieser Angelegenheit behilflich zu sein.

Recht gern. Aber ich fürchte, ich verstehe Sie noch nicht ganz. Gibt es
Bedingungen, von deren Erfüllung Sie die Unterstützung abhängig zu machen
wünschen?

Bedingungen? Nein! Das heißt, der Betreffende müßte natürlich Franzose sein.

Selbstverständlich. Das ist auch meine Ansicht.

Ferner müßte er von Adel sein.

Bedenken Sie, daß Maler von Adel selten sind.

Um so nötiger ist es, daß man sie nicht Hungers sterben läßt.

Da haben Sie Recht.

Drittens müßte er verheiratet sein.

Ist das unbedingt notwendig?

Ganz unbedingt. Bei unverheirateten Künstlern ist mau nie sicher, ob sie
das Geld anch auf eine würdige Art verzehren.

Sie bestehn also auf dieser Bedingung?

Gewiß. Ich lege sogar den allergrößten Wert darauf.

Gut denn! Bedenken Sie aber, daß durch eine derartige Einschränkung die
ohnehin kleine Zahl der Kandidaten noch mehr zusammenschmilzt.

Tut nichts. Es kann ja doch nur ein einziger sein, der die Gabe empfängt.

Ich wüßte schon jemand, der eine Unterstützung gebrauchen könnte. Den Chevalier
von Roquelaure. Er malt Kühe und Schafe —

Dann mag er zusehen, ob ihm die Kühe und Schafe eine Unterstützung zu¬
kommen lassen. Ich werde mir für einen Künstler etwas tun, der Menschen malt.

Es muß also ein Porträtmaler sein. Wie wäre es da mit Herrn von
Larvusse, dem, der auf Wunsch des Herzogs von Orleans vom Könige nvbilitiert
wurde?

Larousse — der drei Ellen Leinwand zu jedem Bilde braucht? Nein! Der
Mann ist mir zu anmaßend. Drei Ellen! Als ob ein kleineres Format für sein
Talent nicht ausreichte! Man muß nicht nur die Kunst, man muß auch die Be¬
scheidenheit zu fördern suchen. Besser im Kleinen groß als im Großen klein! Mein
persönlicher Geschmack würde einem Miniaturmaler den Vorzug geben.

Da käme freilich mir eiuer in Frage: ein gewisser Herr von Villeroi.

Ganz recht. Ich entsinne mich, den Namen schon gehört zu haben. Sie steh»
mir dafür, daß er Trient hat?

Gewiß.

Und daß er verheiratet ist?

Auch dafür. Ich kann Ihnen zu Ihrer Beruhigung sogar mitteilen, daß ich
seiner Trauung selbst beigewohnt habe.

Das genügt mir. Und da Sie mit ihm bekannt sind, darf ich Sie wohl bitten,
ihm diese kleine Summe zu übermitteln?

Marignh griff in seine Tasche und brachte das Pnketchen mit dem Gelde zum
Vorschein.

Halt, Herr Marquis, sagte die Baronin, indem sie ihre Hand aus seinen Arm
legte, so weit sind wir noch nicht. Sie wissen ja noch gar nicht, ob er geneigt
ist, eine Unterstützung anzunehmen.

Ich dächte, er sei in Not?


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[0055] Ver Marquis von Marigny Sie beabsichtigen also, sich ein Kcibinett zuzulegen? Wollen Sie hierzu nicht lieber eine günstigere Zeit abwarten? Daran denke ich gar nicht. Ich meine vielmehr, es sei angebracht, gerade jetzt, wo die Kunst daniederliegt, irgend einen begabten Künstler zu unterstützen. Ein Gedanke, der Ihrem Herzen Ehre macht! Sehen Sie, weil ich mich ans solche Dinge wenig verstehe und die geringen Mittel, die mir zu einem solchen Zwecke zu Gebote stehn, an keinen unwürdigen verschwenden möchte, bitte ich Sie als eine Dame von Takt und Welterfahrung, mir in dieser Angelegenheit behilflich zu sein. Recht gern. Aber ich fürchte, ich verstehe Sie noch nicht ganz. Gibt es Bedingungen, von deren Erfüllung Sie die Unterstützung abhängig zu machen wünschen? Bedingungen? Nein! Das heißt, der Betreffende müßte natürlich Franzose sein. Selbstverständlich. Das ist auch meine Ansicht. Ferner müßte er von Adel sein. Bedenken Sie, daß Maler von Adel selten sind. Um so nötiger ist es, daß man sie nicht Hungers sterben läßt. Da haben Sie Recht. Drittens müßte er verheiratet sein. Ist das unbedingt notwendig? Ganz unbedingt. Bei unverheirateten Künstlern ist mau nie sicher, ob sie das Geld anch auf eine würdige Art verzehren. Sie bestehn also auf dieser Bedingung? Gewiß. Ich lege sogar den allergrößten Wert darauf. Gut denn! Bedenken Sie aber, daß durch eine derartige Einschränkung die ohnehin kleine Zahl der Kandidaten noch mehr zusammenschmilzt. Tut nichts. Es kann ja doch nur ein einziger sein, der die Gabe empfängt. Ich wüßte schon jemand, der eine Unterstützung gebrauchen könnte. Den Chevalier von Roquelaure. Er malt Kühe und Schafe — Dann mag er zusehen, ob ihm die Kühe und Schafe eine Unterstützung zu¬ kommen lassen. Ich werde mir für einen Künstler etwas tun, der Menschen malt. Es muß also ein Porträtmaler sein. Wie wäre es da mit Herrn von Larvusse, dem, der auf Wunsch des Herzogs von Orleans vom Könige nvbilitiert wurde? Larousse — der drei Ellen Leinwand zu jedem Bilde braucht? Nein! Der Mann ist mir zu anmaßend. Drei Ellen! Als ob ein kleineres Format für sein Talent nicht ausreichte! Man muß nicht nur die Kunst, man muß auch die Be¬ scheidenheit zu fördern suchen. Besser im Kleinen groß als im Großen klein! Mein persönlicher Geschmack würde einem Miniaturmaler den Vorzug geben. Da käme freilich mir eiuer in Frage: ein gewisser Herr von Villeroi. Ganz recht. Ich entsinne mich, den Namen schon gehört zu haben. Sie steh» mir dafür, daß er Trient hat? Gewiß. Und daß er verheiratet ist? Auch dafür. Ich kann Ihnen zu Ihrer Beruhigung sogar mitteilen, daß ich seiner Trauung selbst beigewohnt habe. Das genügt mir. Und da Sie mit ihm bekannt sind, darf ich Sie wohl bitten, ihm diese kleine Summe zu übermitteln? Marignh griff in seine Tasche und brachte das Pnketchen mit dem Gelde zum Vorschein. Halt, Herr Marquis, sagte die Baronin, indem sie ihre Hand aus seinen Arm legte, so weit sind wir noch nicht. Sie wissen ja noch gar nicht, ob er geneigt ist, eine Unterstützung anzunehmen. Ich dächte, er sei in Not?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/55>, abgerufen am 25.11.2024.