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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der IVolkensteincr

Jahre 1400 tauschte er Häuser in Klausen. Nach Anfang der vierziger Jahre
sehen wir ihn in einem groben Streit mit der großen Bauerngemeinde am Ritten
bei Bozen.

In Oswalds eigentlichste wirtschaftliche und seelische Domäne gelangen
wir, wenn wir von Waidbrnck die neue schattige Bergstraße nach Kastclrut
hinauf einschlagen. Eine Viertelstunde unter Kastelrnt liegt im Grünen am
Waldrande Tisens: dort war Martin Jäger zuhause, dessen schone schlaue
Tochter Sabine lange Oswalds Schatz war. Oswald besaß ein Drittel des
Haucnsteinschen Erbes -- die Burg, deren Trümmer noch heute mitten im Walde
nicht weit von dem Sommerfrischorte Seis am Nordfuße des hier königlich ab¬
fallenden Schlern stehn --, die Jügersche Familie die andern beiden Drittel:
Liebe und Erwerbssinn haben Oswald und Sabine lange aneinander festge¬
halten, bald ist eins dem andern hingegeben, bald liegen sie in Streit wegen
der Nutznießung Haucnsteins, die Oswald immer mehr an sich riß. Es kommt
dahin, daß sich Oswald, zu Sabine gelockt, bei ihr von den Jägerschen fangen
läßt, der Prozeß soll ihm gemacht werden, er kommt ins Gefängnis, ins Hals-
eisen, in die Folter, doch kommt er durch und erlangt schließlich den ganzen
Haucnsteinschen Besitz gegen eine Geldentschädigung an die Jägerschen zuge¬
sprochen. Hier hat er dann nach einem sehr bewegten Leben, das ihn fast in
ganz Europa herumgebracht hat, seine ältern Tage als Gatte und Vater in
Ruhe geführt, im Frühling wenigstens immer noch zum Preise der Natur
Lieder und Melodien erfindend, wenn ihm der Heinz Mosmair von Kastelrnt
erzählte, daß es droben auf der Seiser Alpe, der schönsten und größten weit
und breit, mit Macht laue:

Oswald stand im Anfang der vierziger Jahre, als der Tiroler Adel mit
Herzog Friedl mit der leeren Tasche, dem Erbauer des Innsbrucker goldnen
Daches, in Fehde lag. Die Führer des Adelsbundes waren die Starkenberger,
tapfre Mitglieder waren die drei Brüder Michael, Oswald und Lienhard von
Wolkenstein. Herzog Friedrich erwies sich bald als überlegen, die Adlichen
warfen sich zum Teil in die ziemlich unnahbar ans der Höhe zwischen Gries


Der IVolkensteincr

Jahre 1400 tauschte er Häuser in Klausen. Nach Anfang der vierziger Jahre
sehen wir ihn in einem groben Streit mit der großen Bauerngemeinde am Ritten
bei Bozen.

In Oswalds eigentlichste wirtschaftliche und seelische Domäne gelangen
wir, wenn wir von Waidbrnck die neue schattige Bergstraße nach Kastclrut
hinauf einschlagen. Eine Viertelstunde unter Kastelrnt liegt im Grünen am
Waldrande Tisens: dort war Martin Jäger zuhause, dessen schone schlaue
Tochter Sabine lange Oswalds Schatz war. Oswald besaß ein Drittel des
Haucnsteinschen Erbes — die Burg, deren Trümmer noch heute mitten im Walde
nicht weit von dem Sommerfrischorte Seis am Nordfuße des hier königlich ab¬
fallenden Schlern stehn —, die Jügersche Familie die andern beiden Drittel:
Liebe und Erwerbssinn haben Oswald und Sabine lange aneinander festge¬
halten, bald ist eins dem andern hingegeben, bald liegen sie in Streit wegen
der Nutznießung Haucnsteins, die Oswald immer mehr an sich riß. Es kommt
dahin, daß sich Oswald, zu Sabine gelockt, bei ihr von den Jägerschen fangen
läßt, der Prozeß soll ihm gemacht werden, er kommt ins Gefängnis, ins Hals-
eisen, in die Folter, doch kommt er durch und erlangt schließlich den ganzen
Haucnsteinschen Besitz gegen eine Geldentschädigung an die Jägerschen zuge¬
sprochen. Hier hat er dann nach einem sehr bewegten Leben, das ihn fast in
ganz Europa herumgebracht hat, seine ältern Tage als Gatte und Vater in
Ruhe geführt, im Frühling wenigstens immer noch zum Preise der Natur
Lieder und Melodien erfindend, wenn ihm der Heinz Mosmair von Kastelrnt
erzählte, daß es droben auf der Seiser Alpe, der schönsten und größten weit
und breit, mit Macht laue:

Oswald stand im Anfang der vierziger Jahre, als der Tiroler Adel mit
Herzog Friedl mit der leeren Tasche, dem Erbauer des Innsbrucker goldnen
Daches, in Fehde lag. Die Führer des Adelsbundes waren die Starkenberger,
tapfre Mitglieder waren die drei Brüder Michael, Oswald und Lienhard von
Wolkenstein. Herzog Friedrich erwies sich bald als überlegen, die Adlichen
warfen sich zum Teil in die ziemlich unnahbar ans der Höhe zwischen Gries


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[0546] Der IVolkensteincr Jahre 1400 tauschte er Häuser in Klausen. Nach Anfang der vierziger Jahre sehen wir ihn in einem groben Streit mit der großen Bauerngemeinde am Ritten bei Bozen. In Oswalds eigentlichste wirtschaftliche und seelische Domäne gelangen wir, wenn wir von Waidbrnck die neue schattige Bergstraße nach Kastclrut hinauf einschlagen. Eine Viertelstunde unter Kastelrnt liegt im Grünen am Waldrande Tisens: dort war Martin Jäger zuhause, dessen schone schlaue Tochter Sabine lange Oswalds Schatz war. Oswald besaß ein Drittel des Haucnsteinschen Erbes — die Burg, deren Trümmer noch heute mitten im Walde nicht weit von dem Sommerfrischorte Seis am Nordfuße des hier königlich ab¬ fallenden Schlern stehn —, die Jügersche Familie die andern beiden Drittel: Liebe und Erwerbssinn haben Oswald und Sabine lange aneinander festge¬ halten, bald ist eins dem andern hingegeben, bald liegen sie in Streit wegen der Nutznießung Haucnsteins, die Oswald immer mehr an sich riß. Es kommt dahin, daß sich Oswald, zu Sabine gelockt, bei ihr von den Jägerschen fangen läßt, der Prozeß soll ihm gemacht werden, er kommt ins Gefängnis, ins Hals- eisen, in die Folter, doch kommt er durch und erlangt schließlich den ganzen Haucnsteinschen Besitz gegen eine Geldentschädigung an die Jägerschen zuge¬ sprochen. Hier hat er dann nach einem sehr bewegten Leben, das ihn fast in ganz Europa herumgebracht hat, seine ältern Tage als Gatte und Vater in Ruhe geführt, im Frühling wenigstens immer noch zum Preise der Natur Lieder und Melodien erfindend, wenn ihm der Heinz Mosmair von Kastelrnt erzählte, daß es droben auf der Seiser Alpe, der schönsten und größten weit und breit, mit Macht laue: Oswald stand im Anfang der vierziger Jahre, als der Tiroler Adel mit Herzog Friedl mit der leeren Tasche, dem Erbauer des Innsbrucker goldnen Daches, in Fehde lag. Die Führer des Adelsbundes waren die Starkenberger, tapfre Mitglieder waren die drei Brüder Michael, Oswald und Lienhard von Wolkenstein. Herzog Friedrich erwies sich bald als überlegen, die Adlichen warfen sich zum Teil in die ziemlich unnahbar ans der Höhe zwischen Gries

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/546>, abgerufen am 24.11.2024.