Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Der Wolkensteiner Rudolf Wustmann von us Bozner Waltherdenkmal ist schön. Immer wieder, wenn man ^>in Gegensatz zu dem nahen Trienter Dantedenkmal, das den Gast Trients Vielen Besuchern des freundlichen Grödner Tals ist die Burg Wolken¬ Grenzboten III 1903 68
Der Wolkensteiner Rudolf Wustmann von us Bozner Waltherdenkmal ist schön. Immer wieder, wenn man ^>in Gegensatz zu dem nahen Trienter Dantedenkmal, das den Gast Trients Vielen Besuchern des freundlichen Grödner Tals ist die Burg Wolken¬ Grenzboten III 1903 68
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241759"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341877_241213/figures/grenzboten_341877_241213_241759_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Wolkensteiner<lb/><note type="byline"> Rudolf Wustmann</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_2163"> us Bozner Waltherdenkmal ist schön. Immer wieder, wenn man<lb/> vom Bahnhof die kurze, breite, schattige Ahvrnstrciße nach der<lb/> Stadt zu gegangen ist und den Denkmalsplatz erreicht: die lichte,<lb/> schlichte, erhabne Sängergestalt, meist mit einer Taube auf der<lb/> Schulter oder auf der Kappe, als ob die Vögel den Scherz-<lb/> beinamen „von der Vogelweide" wieder wahrmachen wollten, der ordentliche,<lb/> wohlhäbige, sanft ansteigende Platz, zur Seite der entzückende, reich durch-<lb/> brochne Pfarrturin leicht aufsteigend und die begrünten, duftigen Berge das<lb/> ^lib umschließend — immer wieder gibt dieser Eindruck eine eigue Freude,<lb/> due sie nur von einem so glücklich individuell geschmückten Raum aus-<lb/> gehn kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_2164"> ^>in Gegensatz zu dem nahen Trienter Dantedenkmal, das den Gast Trients<lb/> ostentativ begrüßt, sobald er den Bahnhof verläßt, ist in Bozen ein Walther<lb/> von der Vogelweide, auch wenn Walther kein Tiroler gewesen sein sollte,<lb/> gemß ganz gut an seinem Platze. Der eigentliche Minneritter aber des untern<lb/> ^lsacktals war Oswald von Wolkenstein, der Zeitgenosse König Sigmunds<lb/> und der Konzilbewegung, als Dichter ein Spätling von unverwüstlicher Frische,<lb/> Ah Musiker charakteristisch für den Ausklang des mittelalterlichen einstimmigen<lb/> Gesangs und den ersten Frühling der mehrstimmigen Liedkompvsition.</p><lb/> <p xml:id="ID_2165" next="#ID_2166"> Vielen Besuchern des freundlichen Grödner Tals ist die Burg Wolken¬<lb/> stein oberhalb des gleichnamigen Ortes bekannt: es ist der Stammsitz von<lb/> Oswalds Geschlecht. Oswalds Vater hatte die reiche Erbin von Vilanders<lb/> geheiratet, dem behaglichen, sonnigen Dorfe oberhalb Klausens am rechten<lb/> Eiscicknfer, und von den drei Söhnen beider ist Oswald der mittlere. Kaum<lb/> eine unter den bekannten Örtlichkeiten dieses an mannigfaltiger Landschafts-<lb/> schvnheit so reichen Stückes deutscher Erde, die nicht irgendwie mit den SclM<lb/> Sälen Oswalds oder seines Geschlechts verknüpft wäre. Über dem Kirchturm-<lb/> entgang in Waidbruck sieht man das Wolkensteinsche Wappen eingehauen;<lb/> oberhalb Waidbruck erblickt der Befahrer der Brennerbahn die schmucke Trost-<lb/> burg, noch jetzt der Sommersitz des Grafen Wolkenstein-Trostburg, des Nach-<lb/> Wmmen voir Oswalds älteren Bruder. In Brixen, in der Mauer neben der<lb/> Qmnkirche, steht das große Marmorbild Oswalds mit der Jahreszahl 1408:<lb/> er war damals eben dreißig Jahre alt, eine breitnackige Figur, trug scholl<lb/> com langen Vollbart, ans den er nicht wenig stolz war, und hatte auch schon<lb/> as rechte Auge eingebüßt, ein Verlust, der in seinen Gedichten oft genug<lb/> anklingt. In Neustift bei Brixen, dem nördlichst vorgeschobnen Punkte des<lb/> loniugen Südtiroler Fruchtbeckens, ist Oswald 1445 begraben worden. Im</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1903 68</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0545]
[Abbildung]
Der Wolkensteiner
Rudolf Wustmann von
us Bozner Waltherdenkmal ist schön. Immer wieder, wenn man
vom Bahnhof die kurze, breite, schattige Ahvrnstrciße nach der
Stadt zu gegangen ist und den Denkmalsplatz erreicht: die lichte,
schlichte, erhabne Sängergestalt, meist mit einer Taube auf der
Schulter oder auf der Kappe, als ob die Vögel den Scherz-
beinamen „von der Vogelweide" wieder wahrmachen wollten, der ordentliche,
wohlhäbige, sanft ansteigende Platz, zur Seite der entzückende, reich durch-
brochne Pfarrturin leicht aufsteigend und die begrünten, duftigen Berge das
^lib umschließend — immer wieder gibt dieser Eindruck eine eigue Freude,
due sie nur von einem so glücklich individuell geschmückten Raum aus-
gehn kann.
^>in Gegensatz zu dem nahen Trienter Dantedenkmal, das den Gast Trients
ostentativ begrüßt, sobald er den Bahnhof verläßt, ist in Bozen ein Walther
von der Vogelweide, auch wenn Walther kein Tiroler gewesen sein sollte,
gemß ganz gut an seinem Platze. Der eigentliche Minneritter aber des untern
^lsacktals war Oswald von Wolkenstein, der Zeitgenosse König Sigmunds
und der Konzilbewegung, als Dichter ein Spätling von unverwüstlicher Frische,
Ah Musiker charakteristisch für den Ausklang des mittelalterlichen einstimmigen
Gesangs und den ersten Frühling der mehrstimmigen Liedkompvsition.
Vielen Besuchern des freundlichen Grödner Tals ist die Burg Wolken¬
stein oberhalb des gleichnamigen Ortes bekannt: es ist der Stammsitz von
Oswalds Geschlecht. Oswalds Vater hatte die reiche Erbin von Vilanders
geheiratet, dem behaglichen, sonnigen Dorfe oberhalb Klausens am rechten
Eiscicknfer, und von den drei Söhnen beider ist Oswald der mittlere. Kaum
eine unter den bekannten Örtlichkeiten dieses an mannigfaltiger Landschafts-
schvnheit so reichen Stückes deutscher Erde, die nicht irgendwie mit den SclM
Sälen Oswalds oder seines Geschlechts verknüpft wäre. Über dem Kirchturm-
entgang in Waidbruck sieht man das Wolkensteinsche Wappen eingehauen;
oberhalb Waidbruck erblickt der Befahrer der Brennerbahn die schmucke Trost-
burg, noch jetzt der Sommersitz des Grafen Wolkenstein-Trostburg, des Nach-
Wmmen voir Oswalds älteren Bruder. In Brixen, in der Mauer neben der
Qmnkirche, steht das große Marmorbild Oswalds mit der Jahreszahl 1408:
er war damals eben dreißig Jahre alt, eine breitnackige Figur, trug scholl
com langen Vollbart, ans den er nicht wenig stolz war, und hatte auch schon
as rechte Auge eingebüßt, ein Verlust, der in seinen Gedichten oft genug
anklingt. In Neustift bei Brixen, dem nördlichst vorgeschobnen Punkte des
loniugen Südtiroler Fruchtbeckens, ist Oswald 1445 begraben worden. Im
Grenzboten III 1903 68
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