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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Prozeß veranlassen. Vorzugsweise werde ich mich dabei auf die drei letzten
Jahrgänge der Justizstatistik Band VIII bis X stützen und daraus den Durch¬
schnitt ziehn, da aus einem Jahrgang noch nicht auf die Regelmäßigkeit einer
Erscheinung geschlossen werden kann. Im Laufe der Darstellung werden wir
nämlich sehen, daß es manchmal vorkommt, daß in einem Jahrgang ein Bezirk
eine sehr günstige Stellung aufweist, während derselbe Bezirk in einem andern
sehr schlecht abschneidet. Zufälligkeiten spielen da eine nicht zu unter¬
schätz



Durch die Art der Behandlung der Sachen können die Gerichte sehr
viel zur Verkürzung der Prozesse beitragen. Da bietet zunächst im Anwalts¬
prozeß die dem französischen Nollenwesen entlehnte Methode, eine größere
Anzahl von Sachen auf eine bestimmte Stunde zu legen und vor Beginn der
Verhandlungen die Prozeßliste mit den Anwälten durchzunehmen und die
Sachen zu bezeichnen, die in der Sitzung vorkommen sollen, ein treffliches
Mittel für die Beschleunigung der Prozesse. Auf diese Weise kaun bis zum
Schlüsse der Sitzung ohne Unterbrechung verhandelt werden, und es entstehn
keine für die Richter unangenehme Pausen. Freilich müssen entweder alle in
den angesetzten Sachen tätigen Anwälte zu Beginn der Sitzung zur Stelle sein
oder jeweilig einen Kollegen zur Abgabe der Erklärung autorisieren, ob in
der betreffenden Sache verhandelt werden soll oder nicht, wie denn ein Hand
in Hand von Gericht und Anwälten wesentlich zur Verkürzung der Prozesse
beiträgt.

Sodann ist von großer Bedeutung, wie sich die Gerichte zur Veweisfrngc
stellen. Es kommt darauf an, ob häufig Beweise angeordnet werden, und ob
das Gericht mehr oder weniger peinlich bei der Würdigung des vorgebrachten
tatsächlichen Materials verfährt. Ferner ist von Wichtigkeit, ob ein Gericht
die Gepflogenheit hat, alle Beweise auf einmal anzuordnen, oder ob es in
einer Sache zwei oder gar mehrere Beweisbeschlüffe erläßt. Für ihr Ver¬
hältnis zur Zahl der erledigten Sachen bietet die Justizstatistik interessante
Aufschlüsse, indem sie zeigt, daß Gerichte mit zahlreichen Beweisbeschlüssen
mehr im Rückstände sind, als solche mit wenigen. So sind z. B. in nach¬
folgenden vier Oberlandcsgerichtsbezirken in erster Instanz auf je hundert End¬
urteile, die weder aus Versäumnis, Verzicht oder Anerkennung ergangen sind,

Bcweisbeschlüsse erlassen worden

^ den Jahrgängen
1891/9518971899
Zweibrücken. . 275327314
Darmstadt ., , 230258292
Hamburg. . 115117121
Stuttgart, . 108116123

Erledigt wurden seit Einreichung der Klagschrift bis zum Endurteil bei
den Amtsgerichten in drei Monaten von hundert Sachen vorstehender Kategorie

in den Bezirkenin den Jahren
189518971899
Zweibrücken ,, 53,151,245,6
Darmstadt, 56,052,557,7
Hamburg . ,, 67,869,963,7
Stuttgart , ., 74,670,008,2

Prozeß veranlassen. Vorzugsweise werde ich mich dabei auf die drei letzten
Jahrgänge der Justizstatistik Band VIII bis X stützen und daraus den Durch¬
schnitt ziehn, da aus einem Jahrgang noch nicht auf die Regelmäßigkeit einer
Erscheinung geschlossen werden kann. Im Laufe der Darstellung werden wir
nämlich sehen, daß es manchmal vorkommt, daß in einem Jahrgang ein Bezirk
eine sehr günstige Stellung aufweist, während derselbe Bezirk in einem andern
sehr schlecht abschneidet. Zufälligkeiten spielen da eine nicht zu unter¬
schätz



Durch die Art der Behandlung der Sachen können die Gerichte sehr
viel zur Verkürzung der Prozesse beitragen. Da bietet zunächst im Anwalts¬
prozeß die dem französischen Nollenwesen entlehnte Methode, eine größere
Anzahl von Sachen auf eine bestimmte Stunde zu legen und vor Beginn der
Verhandlungen die Prozeßliste mit den Anwälten durchzunehmen und die
Sachen zu bezeichnen, die in der Sitzung vorkommen sollen, ein treffliches
Mittel für die Beschleunigung der Prozesse. Auf diese Weise kaun bis zum
Schlüsse der Sitzung ohne Unterbrechung verhandelt werden, und es entstehn
keine für die Richter unangenehme Pausen. Freilich müssen entweder alle in
den angesetzten Sachen tätigen Anwälte zu Beginn der Sitzung zur Stelle sein
oder jeweilig einen Kollegen zur Abgabe der Erklärung autorisieren, ob in
der betreffenden Sache verhandelt werden soll oder nicht, wie denn ein Hand
in Hand von Gericht und Anwälten wesentlich zur Verkürzung der Prozesse
beiträgt.

Sodann ist von großer Bedeutung, wie sich die Gerichte zur Veweisfrngc
stellen. Es kommt darauf an, ob häufig Beweise angeordnet werden, und ob
das Gericht mehr oder weniger peinlich bei der Würdigung des vorgebrachten
tatsächlichen Materials verfährt. Ferner ist von Wichtigkeit, ob ein Gericht
die Gepflogenheit hat, alle Beweise auf einmal anzuordnen, oder ob es in
einer Sache zwei oder gar mehrere Beweisbeschlüffe erläßt. Für ihr Ver¬
hältnis zur Zahl der erledigten Sachen bietet die Justizstatistik interessante
Aufschlüsse, indem sie zeigt, daß Gerichte mit zahlreichen Beweisbeschlüssen
mehr im Rückstände sind, als solche mit wenigen. So sind z. B. in nach¬
folgenden vier Oberlandcsgerichtsbezirken in erster Instanz auf je hundert End¬
urteile, die weder aus Versäumnis, Verzicht oder Anerkennung ergangen sind,

Bcweisbeschlüsse erlassen worden

^ den Jahrgängen
1891/9518971899
Zweibrücken. . 275327314
Darmstadt ., , 230258292
Hamburg. . 115117121
Stuttgart, . 108116123

Erledigt wurden seit Einreichung der Klagschrift bis zum Endurteil bei
den Amtsgerichten in drei Monaten von hundert Sachen vorstehender Kategorie

in den Bezirkenin den Jahren
189518971899
Zweibrücken ,, 53,151,245,6
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[0530] Prozeß veranlassen. Vorzugsweise werde ich mich dabei auf die drei letzten Jahrgänge der Justizstatistik Band VIII bis X stützen und daraus den Durch¬ schnitt ziehn, da aus einem Jahrgang noch nicht auf die Regelmäßigkeit einer Erscheinung geschlossen werden kann. Im Laufe der Darstellung werden wir nämlich sehen, daß es manchmal vorkommt, daß in einem Jahrgang ein Bezirk eine sehr günstige Stellung aufweist, während derselbe Bezirk in einem andern sehr schlecht abschneidet. Zufälligkeiten spielen da eine nicht zu unter¬ schätz Durch die Art der Behandlung der Sachen können die Gerichte sehr viel zur Verkürzung der Prozesse beitragen. Da bietet zunächst im Anwalts¬ prozeß die dem französischen Nollenwesen entlehnte Methode, eine größere Anzahl von Sachen auf eine bestimmte Stunde zu legen und vor Beginn der Verhandlungen die Prozeßliste mit den Anwälten durchzunehmen und die Sachen zu bezeichnen, die in der Sitzung vorkommen sollen, ein treffliches Mittel für die Beschleunigung der Prozesse. Auf diese Weise kaun bis zum Schlüsse der Sitzung ohne Unterbrechung verhandelt werden, und es entstehn keine für die Richter unangenehme Pausen. Freilich müssen entweder alle in den angesetzten Sachen tätigen Anwälte zu Beginn der Sitzung zur Stelle sein oder jeweilig einen Kollegen zur Abgabe der Erklärung autorisieren, ob in der betreffenden Sache verhandelt werden soll oder nicht, wie denn ein Hand in Hand von Gericht und Anwälten wesentlich zur Verkürzung der Prozesse beiträgt. Sodann ist von großer Bedeutung, wie sich die Gerichte zur Veweisfrngc stellen. Es kommt darauf an, ob häufig Beweise angeordnet werden, und ob das Gericht mehr oder weniger peinlich bei der Würdigung des vorgebrachten tatsächlichen Materials verfährt. Ferner ist von Wichtigkeit, ob ein Gericht die Gepflogenheit hat, alle Beweise auf einmal anzuordnen, oder ob es in einer Sache zwei oder gar mehrere Beweisbeschlüffe erläßt. Für ihr Ver¬ hältnis zur Zahl der erledigten Sachen bietet die Justizstatistik interessante Aufschlüsse, indem sie zeigt, daß Gerichte mit zahlreichen Beweisbeschlüssen mehr im Rückstände sind, als solche mit wenigen. So sind z. B. in nach¬ folgenden vier Oberlandcsgerichtsbezirken in erster Instanz auf je hundert End¬ urteile, die weder aus Versäumnis, Verzicht oder Anerkennung ergangen sind, Bcweisbeschlüsse erlassen worden ^ den Jahrgängen 1891/9518971899 Zweibrücken. . 275327314 Darmstadt ., , 230258292 Hamburg. . 115117121 Stuttgart, . 108116123 Erledigt wurden seit Einreichung der Klagschrift bis zum Endurteil bei den Amtsgerichten in drei Monaten von hundert Sachen vorstehender Kategorie in den Bezirkenin den Jahren 189518971899 Zweibrücken ,, 53,151,245,6 Darmstadt, 56,052,557,7 Hamburg . ,, 67,869,963,7 Stuttgart , ., 74,670,008,2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/530>, abgerufen am 25.11.2024.