Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Untersuchen Wir zunächst, auf welche Weise eine Industrie in ein Monopol Nehmen wir an, daß nach humanen Grundsätzen verfahren würde, indem man Weniger durchgreifen und wirtschaftlich doch ähnliche Erfolge ergeben würde Es wurde schon im Juniheft Ur. 23 gesagt, daß uns die Amerikaner in der Nicht zu unterschätzen würden auch die Folgen auf sozialem Gebiete sein, die Maßgebliches und Unmaßgebliches Untersuchen Wir zunächst, auf welche Weise eine Industrie in ein Monopol Nehmen wir an, daß nach humanen Grundsätzen verfahren würde, indem man Weniger durchgreifen und wirtschaftlich doch ähnliche Erfolge ergeben würde Es wurde schon im Juniheft Ur. 23 gesagt, daß uns die Amerikaner in der Nicht zu unterschätzen würden auch die Folgen auf sozialem Gebiete sein, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241660"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1821"> Untersuchen Wir zunächst, auf welche Weise eine Industrie in ein Monopol<lb/> umgewandelt werden könnte. Um sämtliche Werke einer Industrie in Staatsbetrieb<lb/> zu nehmen, müßte eine Abschätzung der einzelnen Werke vorgenommen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1822"> Nehmen wir an, daß nach humanen Grundsätzen verfahren würde, indem man<lb/> nach dem Buchwerte oder nach dem Kursstande der letzten fünf bis zehn Jahre<lb/> angemessene Preise bewilligte und den Besitzern dafür Staatspapiere anshäudigte.<lb/> Besitzer oder Leiter, Beamte und Arbeiter bleiben in ihrer Beschäftigung, soweit<lb/> nicht etwa unrentable Werke geschlossen werden. Die Besitzer und die Angestellten<lb/> der Werke müßten entschädigt oder anderweitig verwandt werden. Der Staat würde<lb/> ja damit eine große Schuldenlast auf sich nehmen, die sich jedoch, wenn die Werke<lb/> nicht zu unvernünftigen Werten übernommen würden, gut verzinsen würde. Immerhin<lb/> würde eine solche Umwandlung tief einschneiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1823"> Weniger durchgreifen und wirtschaftlich doch ähnliche Erfolge ergeben würde<lb/> ein andrer Weg. Sämtliche Werke einer Branche werden nach ihrem Werte und<lb/> ihrer Leistungsfähigkeit abgeschätzt und uuter eine Leitung gestellt. Diese Leitung<lb/> müßte bestehen aus Industriellen, die von den Beteiligten duzn gewählt werden,<lb/> und aus den von der Regierung gewählten Mitgliedern, die den verschiedensten<lb/> Berufszweigen entnommen werden müßten, ähnlich wie sich solche im Eisenbahuratc<lb/> finden, der bei der Feststellung der Eiseubnhufrachttarife gehört wird. Die Leitung,<lb/> nennen wir sie Jndnstrierat, schätzt die Werte ein nach ihrem Werte, verteilt nach<lb/> ihrer Leistungsfähigkeit die Liefcrungsquoten, kann Werke schließen unter Entschädigung<lb/> und kaun neue Werke konzessionieren, hat aber insofern monopolartige Macht, als<lb/> ohne seine Bewilligung neue Werke nicht entstehen können. Man kann annehmen,<lb/> daß nnter der Leitung von Interessenten und sachverständigen, unbeteiligten Männern<lb/> uuter Wahrung der Interessen der Werkbesitzer nach nationalen und wirtschaftlich<lb/> gesunden Grundsätzen gehandelt würde, und Klagen, wie sie so vielfach über das<lb/> Gebaren der Kartelle laut werden, gegenstandslos würden. nötigenfalls kann sich<lb/> die Regierung Kontrolle und den Vorsitz in der Leitung sichern, sie kaun dies<lb/> beanspruchen als Gegenleistung für die Erteilung des monopolartigen Charakters<lb/> der Vereinigung. Eine solche Organisation konnte sich ohne große finanzielle<lb/> Operationen vollziehen; sie weicht nicht so sehr ab von der unsern Industriellen<lb/> schon geläufig gewordnen Kartellbildung, vereinigt aber in sich alle Vorteile, die<lb/> von den jetzigen Ningbildungen meist vergeblich erhofft werden, und schließt eine der<lb/> Allgemeinheit verderbliche Geschäftspolitik aus. Allerdings verstößt ein solches<lb/> mvnvpolartiges Kartell gegen die beliebte Gewerbefreiheit, aber auch die heutigen<lb/> Kartelle beschränken die Freiheit der Gewerbtreibenden bedeutend.</p><lb/> <p xml:id="ID_1824"> Es wurde schon im Juniheft Ur. 23 gesagt, daß uns die Amerikaner in der<lb/> Trustbildung voraus sind. Wenn sich diese Bewegung nun auf dem Weltmärkte noch<lb/> nicht in dem erwarteten Maße fühlbar gemacht hat, z. B. beim Schiffahrts- und<lb/> Steeltrust, so liegt das hauptsächlich daran, daß die übernommnen Werke und Ge¬<lb/> sellschaften ganz bedeutend überkapitalisiert sind, auch kommt hinzu, z. B. beim<lb/> Steeltrust, der, nebenbei gesagt, mit einem Kapital von mehr als fünf Milliarden<lb/> Mark arbeitet, daß die Fabrikation durch Streiken der Hartkohlennrbeiter monatelang<lb/> gelähmt war. Beim Schiffahrtstrnst, der ja gegenwärtig an Überkapitalisiernng zu¬<lb/> grunde zu gehn scheint, hatten sich glücklicherweise unsre hanseatischen Gesellschaften,<lb/> die Hamburg-Amerikalinie und der norddeutsche Llohd, kräftig zu wehren gewnßt-<lb/> Ob uns aber nicht andre amerikanische Trusts in der Konkurrenz auf dem Welt¬<lb/> markte nötigen werdeu, wenn wir die höchste Leistungsfähigkeit erreichen und der<lb/> Konkurrenz wirksam entgegentreten wollen, zu solchen monopolartigen Vereinigungen<lb/> überzugehn, ist doch die Frage.</p><lb/> <p xml:id="ID_1825" next="#ID_1826"> Nicht zu unterschätzen würden auch die Folgen auf sozialem Gebiete sein, die<lb/> solche monopolartige Industrien hervorrufen würden. Beamte und Arbeiter können<lb/> in Betrieben, die nach menschlicher Berechnung eine dauernd Nutzen bringende Existenz<lb/> haben, viel besser gestellt werden, als in Werken, deren Rentabilität durch Schranken-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Untersuchen Wir zunächst, auf welche Weise eine Industrie in ein Monopol
umgewandelt werden könnte. Um sämtliche Werke einer Industrie in Staatsbetrieb
zu nehmen, müßte eine Abschätzung der einzelnen Werke vorgenommen werden.
Nehmen wir an, daß nach humanen Grundsätzen verfahren würde, indem man
nach dem Buchwerte oder nach dem Kursstande der letzten fünf bis zehn Jahre
angemessene Preise bewilligte und den Besitzern dafür Staatspapiere anshäudigte.
Besitzer oder Leiter, Beamte und Arbeiter bleiben in ihrer Beschäftigung, soweit
nicht etwa unrentable Werke geschlossen werden. Die Besitzer und die Angestellten
der Werke müßten entschädigt oder anderweitig verwandt werden. Der Staat würde
ja damit eine große Schuldenlast auf sich nehmen, die sich jedoch, wenn die Werke
nicht zu unvernünftigen Werten übernommen würden, gut verzinsen würde. Immerhin
würde eine solche Umwandlung tief einschneiden.
Weniger durchgreifen und wirtschaftlich doch ähnliche Erfolge ergeben würde
ein andrer Weg. Sämtliche Werke einer Branche werden nach ihrem Werte und
ihrer Leistungsfähigkeit abgeschätzt und uuter eine Leitung gestellt. Diese Leitung
müßte bestehen aus Industriellen, die von den Beteiligten duzn gewählt werden,
und aus den von der Regierung gewählten Mitgliedern, die den verschiedensten
Berufszweigen entnommen werden müßten, ähnlich wie sich solche im Eisenbahuratc
finden, der bei der Feststellung der Eiseubnhufrachttarife gehört wird. Die Leitung,
nennen wir sie Jndnstrierat, schätzt die Werte ein nach ihrem Werte, verteilt nach
ihrer Leistungsfähigkeit die Liefcrungsquoten, kann Werke schließen unter Entschädigung
und kaun neue Werke konzessionieren, hat aber insofern monopolartige Macht, als
ohne seine Bewilligung neue Werke nicht entstehen können. Man kann annehmen,
daß nnter der Leitung von Interessenten und sachverständigen, unbeteiligten Männern
uuter Wahrung der Interessen der Werkbesitzer nach nationalen und wirtschaftlich
gesunden Grundsätzen gehandelt würde, und Klagen, wie sie so vielfach über das
Gebaren der Kartelle laut werden, gegenstandslos würden. nötigenfalls kann sich
die Regierung Kontrolle und den Vorsitz in der Leitung sichern, sie kaun dies
beanspruchen als Gegenleistung für die Erteilung des monopolartigen Charakters
der Vereinigung. Eine solche Organisation konnte sich ohne große finanzielle
Operationen vollziehen; sie weicht nicht so sehr ab von der unsern Industriellen
schon geläufig gewordnen Kartellbildung, vereinigt aber in sich alle Vorteile, die
von den jetzigen Ningbildungen meist vergeblich erhofft werden, und schließt eine der
Allgemeinheit verderbliche Geschäftspolitik aus. Allerdings verstößt ein solches
mvnvpolartiges Kartell gegen die beliebte Gewerbefreiheit, aber auch die heutigen
Kartelle beschränken die Freiheit der Gewerbtreibenden bedeutend.
Es wurde schon im Juniheft Ur. 23 gesagt, daß uns die Amerikaner in der
Trustbildung voraus sind. Wenn sich diese Bewegung nun auf dem Weltmärkte noch
nicht in dem erwarteten Maße fühlbar gemacht hat, z. B. beim Schiffahrts- und
Steeltrust, so liegt das hauptsächlich daran, daß die übernommnen Werke und Ge¬
sellschaften ganz bedeutend überkapitalisiert sind, auch kommt hinzu, z. B. beim
Steeltrust, der, nebenbei gesagt, mit einem Kapital von mehr als fünf Milliarden
Mark arbeitet, daß die Fabrikation durch Streiken der Hartkohlennrbeiter monatelang
gelähmt war. Beim Schiffahrtstrnst, der ja gegenwärtig an Überkapitalisiernng zu¬
grunde zu gehn scheint, hatten sich glücklicherweise unsre hanseatischen Gesellschaften,
die Hamburg-Amerikalinie und der norddeutsche Llohd, kräftig zu wehren gewnßt-
Ob uns aber nicht andre amerikanische Trusts in der Konkurrenz auf dem Welt¬
markte nötigen werdeu, wenn wir die höchste Leistungsfähigkeit erreichen und der
Konkurrenz wirksam entgegentreten wollen, zu solchen monopolartigen Vereinigungen
überzugehn, ist doch die Frage.
Nicht zu unterschätzen würden auch die Folgen auf sozialem Gebiete sein, die
solche monopolartige Industrien hervorrufen würden. Beamte und Arbeiter können
in Betrieben, die nach menschlicher Berechnung eine dauernd Nutzen bringende Existenz
haben, viel besser gestellt werden, als in Werken, deren Rentabilität durch Schranken-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |