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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Ans der Jugendzeit

Man kehre doch zunächst vor seiner eignen Tür! Gewiß wird es Ver¬
leger geben -- wenn man es aus so vertrauenswertem Munde hört, wird
man es nicht bezweifeln, zumal wenn es eine so kluge Firma wie Teubner
druckt und so dringend empfiehlt, denn sie muß es beurteilen können --, die
selbstisch und rücksichtslos, auch gewissenlos gegen das Volk, die Literatur und
die Autoren handeln, aber es gibt auch Autoren, die es nicht besser machen,
und denen es auch nicht darauf ankommt, einen Verleger hineinzulegen, wenn
sie mir ihren Vorteil dabei haben. Daß sich die Autoren vor Verlegeraus¬
beutung zu wahren suchen, wird ihnen kein Vernünftiger verdenken, andrerseits
wird man annehmen dürfen, daß kein kluger Verleger in der Lust am Ver¬
dienst leicht so weit gehn wird, sich durch Übervorteilen seiner ihm doch sehr
wertvollen Autoren in Gefahr zu begeben, so wenig wie er die Preise so hoch
schrauben wird, daß er sich den Absatz verdirbt.

Die Entstehung des Akademischen Schutzvereins darf man willkommen
heißen, trotz des fatalen Beigeschmacks, den seine erste Beendigung hat, namentlich
wenn er seine Zwecke dahin erweitert, ans die Beschränkung unnützer literarischer
Produktion hinzuwirken. Dann wird er die Erfahrung machen, daß seine
übrigen Zwecke zum guten Teil überflüssig sind; er wird den anständigen Teil
des Buchhandels auf seiner Seite haben und wird in dem organisierten Buch¬
handel keine gefährliche Geheimbündelei mehr sehen, sondern eine Kraft, auf
die er sich stützen kann. "Vereint mit dir!" wird es dann heißen können.
Und das bleibt doch auch das Gebotue und das Vernünftige. Einigkeit macht
stark, Zwietracht säen kann nur Schaden bringen und schwächen in dem
Kampfe gegen Mißstände, die man beseitigen möchte -- vorhanden sind sie in
beiden Lagern, die man jetzt unklugerweise gegeneinander aufzubringen trachtet,
statt hüben und drüben die Vernünftigen zu sammeln.


I. Grnnow

Ans der Sommerfrische




Aus der Jugendzeit
I). !)>'. Robert Bosse Erinnerungen von
7. Allerlei Einwirkungen aus die Erziehung

ein Vater ging davon ans, daß man Kinder schon früh zu einer ge¬
wissen Selbständigkeit erziehn müsse. Er ließ uns viel Freiheit, manch¬
mal wohl zuviel. Damit hing zusammen, daß er uns schon frühzeitig
auf seine kleinern oder großem Fahrten und Geschäftsreisen mitnahm,
und daß er jeden schicklichen Ausflug aus dem Elternhause begünstigte.
Ein Junge, meinte er, muß früh wissen, wie es in der Welt aussieht;
er muß soviel wie möglich lernen, mich aus Büchern; aber er muß dabei lebendige
Anschauungen haben, wenn er gedeihen und seine Entwicklung gesund bleiben soll.

In meinem fünften Jahre, unmittelbar bevor ich in die Schule kam, habe
ich meine erste Reise gemacht. Sie galt einem Besuche der Eltern meiner zweiten
Mutter in Halle. Ein Vetter der Mutter fuhr mit eignem Geschirr nach Halle
und hatte sich erbaten, mich mitzunehmen. Da wurde mir mein "Matin," ein
dunkelgrüner Flnuschmantel, angezogen, Wäsche und Nachtzeug wurden eingepackt,
und fort ging es auf offnem Wägelchen über Aschersleben, Eisleben und Alsleben,
wo wir auf einer Fähre die Saale passierten, nach Halle. Die Entfernung betrug
neun Meilen. Bei den Großeltern und den unverheirateten Schwestern meiner


Ans der Jugendzeit

Man kehre doch zunächst vor seiner eignen Tür! Gewiß wird es Ver¬
leger geben — wenn man es aus so vertrauenswertem Munde hört, wird
man es nicht bezweifeln, zumal wenn es eine so kluge Firma wie Teubner
druckt und so dringend empfiehlt, denn sie muß es beurteilen können —, die
selbstisch und rücksichtslos, auch gewissenlos gegen das Volk, die Literatur und
die Autoren handeln, aber es gibt auch Autoren, die es nicht besser machen,
und denen es auch nicht darauf ankommt, einen Verleger hineinzulegen, wenn
sie mir ihren Vorteil dabei haben. Daß sich die Autoren vor Verlegeraus¬
beutung zu wahren suchen, wird ihnen kein Vernünftiger verdenken, andrerseits
wird man annehmen dürfen, daß kein kluger Verleger in der Lust am Ver¬
dienst leicht so weit gehn wird, sich durch Übervorteilen seiner ihm doch sehr
wertvollen Autoren in Gefahr zu begeben, so wenig wie er die Preise so hoch
schrauben wird, daß er sich den Absatz verdirbt.

Die Entstehung des Akademischen Schutzvereins darf man willkommen
heißen, trotz des fatalen Beigeschmacks, den seine erste Beendigung hat, namentlich
wenn er seine Zwecke dahin erweitert, ans die Beschränkung unnützer literarischer
Produktion hinzuwirken. Dann wird er die Erfahrung machen, daß seine
übrigen Zwecke zum guten Teil überflüssig sind; er wird den anständigen Teil
des Buchhandels auf seiner Seite haben und wird in dem organisierten Buch¬
handel keine gefährliche Geheimbündelei mehr sehen, sondern eine Kraft, auf
die er sich stützen kann. „Vereint mit dir!" wird es dann heißen können.
Und das bleibt doch auch das Gebotue und das Vernünftige. Einigkeit macht
stark, Zwietracht säen kann nur Schaden bringen und schwächen in dem
Kampfe gegen Mißstände, die man beseitigen möchte — vorhanden sind sie in
beiden Lagern, die man jetzt unklugerweise gegeneinander aufzubringen trachtet,
statt hüben und drüben die Vernünftigen zu sammeln.


I. Grnnow

Ans der Sommerfrische




Aus der Jugendzeit
I). !)>'. Robert Bosse Erinnerungen von
7. Allerlei Einwirkungen aus die Erziehung

ein Vater ging davon ans, daß man Kinder schon früh zu einer ge¬
wissen Selbständigkeit erziehn müsse. Er ließ uns viel Freiheit, manch¬
mal wohl zuviel. Damit hing zusammen, daß er uns schon frühzeitig
auf seine kleinern oder großem Fahrten und Geschäftsreisen mitnahm,
und daß er jeden schicklichen Ausflug aus dem Elternhause begünstigte.
Ein Junge, meinte er, muß früh wissen, wie es in der Welt aussieht;
er muß soviel wie möglich lernen, mich aus Büchern; aber er muß dabei lebendige
Anschauungen haben, wenn er gedeihen und seine Entwicklung gesund bleiben soll.

In meinem fünften Jahre, unmittelbar bevor ich in die Schule kam, habe
ich meine erste Reise gemacht. Sie galt einem Besuche der Eltern meiner zweiten
Mutter in Halle. Ein Vetter der Mutter fuhr mit eignem Geschirr nach Halle
und hatte sich erbaten, mich mitzunehmen. Da wurde mir mein „Matin," ein
dunkelgrüner Flnuschmantel, angezogen, Wäsche und Nachtzeug wurden eingepackt,
und fort ging es auf offnem Wägelchen über Aschersleben, Eisleben und Alsleben,
wo wir auf einer Fähre die Saale passierten, nach Halle. Die Entfernung betrug
neun Meilen. Bei den Großeltern und den unverheirateten Schwestern meiner


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[0428] Ans der Jugendzeit Man kehre doch zunächst vor seiner eignen Tür! Gewiß wird es Ver¬ leger geben — wenn man es aus so vertrauenswertem Munde hört, wird man es nicht bezweifeln, zumal wenn es eine so kluge Firma wie Teubner druckt und so dringend empfiehlt, denn sie muß es beurteilen können —, die selbstisch und rücksichtslos, auch gewissenlos gegen das Volk, die Literatur und die Autoren handeln, aber es gibt auch Autoren, die es nicht besser machen, und denen es auch nicht darauf ankommt, einen Verleger hineinzulegen, wenn sie mir ihren Vorteil dabei haben. Daß sich die Autoren vor Verlegeraus¬ beutung zu wahren suchen, wird ihnen kein Vernünftiger verdenken, andrerseits wird man annehmen dürfen, daß kein kluger Verleger in der Lust am Ver¬ dienst leicht so weit gehn wird, sich durch Übervorteilen seiner ihm doch sehr wertvollen Autoren in Gefahr zu begeben, so wenig wie er die Preise so hoch schrauben wird, daß er sich den Absatz verdirbt. Die Entstehung des Akademischen Schutzvereins darf man willkommen heißen, trotz des fatalen Beigeschmacks, den seine erste Beendigung hat, namentlich wenn er seine Zwecke dahin erweitert, ans die Beschränkung unnützer literarischer Produktion hinzuwirken. Dann wird er die Erfahrung machen, daß seine übrigen Zwecke zum guten Teil überflüssig sind; er wird den anständigen Teil des Buchhandels auf seiner Seite haben und wird in dem organisierten Buch¬ handel keine gefährliche Geheimbündelei mehr sehen, sondern eine Kraft, auf die er sich stützen kann. „Vereint mit dir!" wird es dann heißen können. Und das bleibt doch auch das Gebotue und das Vernünftige. Einigkeit macht stark, Zwietracht säen kann nur Schaden bringen und schwächen in dem Kampfe gegen Mißstände, die man beseitigen möchte — vorhanden sind sie in beiden Lagern, die man jetzt unklugerweise gegeneinander aufzubringen trachtet, statt hüben und drüben die Vernünftigen zu sammeln. I. Grnnow Ans der Sommerfrische Aus der Jugendzeit I). !)>'. Robert Bosse Erinnerungen von 7. Allerlei Einwirkungen aus die Erziehung ein Vater ging davon ans, daß man Kinder schon früh zu einer ge¬ wissen Selbständigkeit erziehn müsse. Er ließ uns viel Freiheit, manch¬ mal wohl zuviel. Damit hing zusammen, daß er uns schon frühzeitig auf seine kleinern oder großem Fahrten und Geschäftsreisen mitnahm, und daß er jeden schicklichen Ausflug aus dem Elternhause begünstigte. Ein Junge, meinte er, muß früh wissen, wie es in der Welt aussieht; er muß soviel wie möglich lernen, mich aus Büchern; aber er muß dabei lebendige Anschauungen haben, wenn er gedeihen und seine Entwicklung gesund bleiben soll. In meinem fünften Jahre, unmittelbar bevor ich in die Schule kam, habe ich meine erste Reise gemacht. Sie galt einem Besuche der Eltern meiner zweiten Mutter in Halle. Ein Vetter der Mutter fuhr mit eignem Geschirr nach Halle und hatte sich erbaten, mich mitzunehmen. Da wurde mir mein „Matin," ein dunkelgrüner Flnuschmantel, angezogen, Wäsche und Nachtzeug wurden eingepackt, und fort ging es auf offnem Wägelchen über Aschersleben, Eisleben und Alsleben, wo wir auf einer Fähre die Saale passierten, nach Halle. Die Entfernung betrug neun Meilen. Bei den Großeltern und den unverheirateten Schwestern meiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/428>, abgerufen am 22.11.2024.