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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

ihm zugefügt habe, von ganzem Herzen um Verzeihung. Versuche du es, durch
Liebe und Treue gutzumachen, was dein armer Vater an ihm gesündigt hat. Er¬
ziehe deinen Sohn, meinen teuern Enkel, den Gott segnen möge, so, daß er ein
Ehrenmann wie Henri und ein echter Billeroi wird. Ich fürchte ohnehin, daß er
allzuviel von uns Marignys hat. Stirn und Nase wenigstens hat er ganz sicher¬
lich von uns, und dazu noch von dir die Augen und das Haar. Das sind ja
leine Fehler, aber ich glaube, dein Mann wird wünschen, daß er ihm mehr
gliche. Sieh also zu. was du in dieser Hinsicht durch die Erziehung auszurichten
vermagst.

Dieser Brief soll zugleich auch mein Testament sein, und ich bitte dich, ihn
dafür anzusehen, wenn ihm auch die für ein solches Dokument vorgeschriebne
Fassung und die notarielle Beglaubigung fehlen. Dir. liebe Marguerite. als meiner
einzigen Tochter und alleinigen Erbin, vermache ich die in dieser Kassette einge¬
schlossenen nud auf der beiliegenden Liste verzeichneten Juwelen. Es ist das Letzte
von Geldeswert, was mir nach der Konfiskation des Gutes Aigremvnt -- die zu
gelegner heit anzufechten ich dir, übrigens empfehle -- geblieben ist. Vor etwa
sechs Jahren ließ ich die Steine von Herrn Dnvoisin, Juwelier des Königs,
taxieren. Er berechnete ihren Wert ohne die Fassung, die auch kaum in Betracht
kommt*anf 180000 Livres. Aber das war, wie gesagt, vor sechs Jahren, und
seitdeni ist der Preis der Edelsteine jedenfalls beträchtlich gesunken. Wenn du sie
veräußerst -- und dazu möchte ich dir raten --, so tue es nicht in Koblenz, wo
man sie weit unter ihrem Werte bezahlen würde, sondern wende dich nach Frank¬
furt. Am besten wird es sein, du überläßt die Abwicklung dieses Geschäfts
deinem Mann.

Ich bitte dich jedoch, das Armband mit dem großen Opal und die Busen¬
nadel mit den drei Rubinen nicht zu verkaufen, sondern diese Stücke zur Erinnerung
an deine selige Mutter und mich zurückzubehalten. Die goldne Dose mit dem Bild¬
nisse des Kurfürsten von Trier, die er mir selbst verehrt hat, bitte ich Henri als
ein kleines Gedenkzeichen anzunehmen. Die Uhrkette aus dreifarbigen Gold mit
den Amcthystberlocken bestimme ich meinem Enkel. Er äußerte, als ich im Juli
vorigen Jahres das Vergnügen hatte, mich mit ihm zu unterhalten, den Wunsch,
sie zu besitzen. Desgleichen bestimme ich ihm mein von seinem Vater gemaltes
Miniaturporträt. Der Junge soll doch wissen, wie sein Großvater, für dessen Da¬
sein er der letzte Sonnenstrahl war, ausgesehen hat! Des weitern wirst du, liebe
Marguerite, in der Kassette ein Buch finden. Es enthält, von meiner eignen Hand
geschrieben, alle Kochrezepte, die ich selbst zu erproben Gelegenheit gehabt habe,
und die ich mit gutem Gewissen als in jeder Hinsicht bewährt empfehlen kann.
Viele von ihnen beruhen auf mündlicher Mitteilung berühmter Kenner und Fach¬
leute; es genügt wohl, wenn ich dir die Versichrung gebe, daß der Herzog von
Richelieu mit vier Suppen, zwei Fischgerichten, sechzehn Entremets und neun Fleisch¬
speisen vertreten ist. Ihr werdet allerdings zunächst wohl kaum dazu kommen, das
Buch bei der Zusammenstellung und Jubereitnng der Mahlzeiten zu Rate zu ziehn,
aber ich sollte denken, es müßte Henri, der in Aigremont jederzeit ein feines Ver¬
ständnis für außergewöhnliche Platten an den Tag legte, Vergnügen bereiten, hin
und wieder einmal ein wirklich gutes Rezept zu lesen.

Und um, meine Lieben, statt langer Abschiedsworte nur die eine Bitte: Be¬
wahrt euerm Vater und Großvater ein freundliches Gedächtnis!

Geschrieben zu Koblenz am 18. Januar 1793.


Jenn-Baptiste Clciude Marquis vou Marigny.

?. 8. Die mit einem " bezeichneten Rezepte sind meine eignen Erfindungen.

Die junge Frau legte den Brief auf den Tisch und blickte zu ihrem Mann
empor, der während des Vorlesens neben ihr gestanden und seine gesunde Hand
auf ihre Schulter gestützt hatte. Als sie in seinen Augen Tränen bemerkte, brach


Grenzboten III 1903 47
Der Marquis von Marigny

ihm zugefügt habe, von ganzem Herzen um Verzeihung. Versuche du es, durch
Liebe und Treue gutzumachen, was dein armer Vater an ihm gesündigt hat. Er¬
ziehe deinen Sohn, meinen teuern Enkel, den Gott segnen möge, so, daß er ein
Ehrenmann wie Henri und ein echter Billeroi wird. Ich fürchte ohnehin, daß er
allzuviel von uns Marignys hat. Stirn und Nase wenigstens hat er ganz sicher¬
lich von uns, und dazu noch von dir die Augen und das Haar. Das sind ja
leine Fehler, aber ich glaube, dein Mann wird wünschen, daß er ihm mehr
gliche. Sieh also zu. was du in dieser Hinsicht durch die Erziehung auszurichten
vermagst.

Dieser Brief soll zugleich auch mein Testament sein, und ich bitte dich, ihn
dafür anzusehen, wenn ihm auch die für ein solches Dokument vorgeschriebne
Fassung und die notarielle Beglaubigung fehlen. Dir. liebe Marguerite. als meiner
einzigen Tochter und alleinigen Erbin, vermache ich die in dieser Kassette einge¬
schlossenen nud auf der beiliegenden Liste verzeichneten Juwelen. Es ist das Letzte
von Geldeswert, was mir nach der Konfiskation des Gutes Aigremvnt — die zu
gelegner heit anzufechten ich dir, übrigens empfehle — geblieben ist. Vor etwa
sechs Jahren ließ ich die Steine von Herrn Dnvoisin, Juwelier des Königs,
taxieren. Er berechnete ihren Wert ohne die Fassung, die auch kaum in Betracht
kommt*anf 180000 Livres. Aber das war, wie gesagt, vor sechs Jahren, und
seitdeni ist der Preis der Edelsteine jedenfalls beträchtlich gesunken. Wenn du sie
veräußerst — und dazu möchte ich dir raten —, so tue es nicht in Koblenz, wo
man sie weit unter ihrem Werte bezahlen würde, sondern wende dich nach Frank¬
furt. Am besten wird es sein, du überläßt die Abwicklung dieses Geschäfts
deinem Mann.

Ich bitte dich jedoch, das Armband mit dem großen Opal und die Busen¬
nadel mit den drei Rubinen nicht zu verkaufen, sondern diese Stücke zur Erinnerung
an deine selige Mutter und mich zurückzubehalten. Die goldne Dose mit dem Bild¬
nisse des Kurfürsten von Trier, die er mir selbst verehrt hat, bitte ich Henri als
ein kleines Gedenkzeichen anzunehmen. Die Uhrkette aus dreifarbigen Gold mit
den Amcthystberlocken bestimme ich meinem Enkel. Er äußerte, als ich im Juli
vorigen Jahres das Vergnügen hatte, mich mit ihm zu unterhalten, den Wunsch,
sie zu besitzen. Desgleichen bestimme ich ihm mein von seinem Vater gemaltes
Miniaturporträt. Der Junge soll doch wissen, wie sein Großvater, für dessen Da¬
sein er der letzte Sonnenstrahl war, ausgesehen hat! Des weitern wirst du, liebe
Marguerite, in der Kassette ein Buch finden. Es enthält, von meiner eignen Hand
geschrieben, alle Kochrezepte, die ich selbst zu erproben Gelegenheit gehabt habe,
und die ich mit gutem Gewissen als in jeder Hinsicht bewährt empfehlen kann.
Viele von ihnen beruhen auf mündlicher Mitteilung berühmter Kenner und Fach¬
leute; es genügt wohl, wenn ich dir die Versichrung gebe, daß der Herzog von
Richelieu mit vier Suppen, zwei Fischgerichten, sechzehn Entremets und neun Fleisch¬
speisen vertreten ist. Ihr werdet allerdings zunächst wohl kaum dazu kommen, das
Buch bei der Zusammenstellung und Jubereitnng der Mahlzeiten zu Rate zu ziehn,
aber ich sollte denken, es müßte Henri, der in Aigremont jederzeit ein feines Ver¬
ständnis für außergewöhnliche Platten an den Tag legte, Vergnügen bereiten, hin
und wieder einmal ein wirklich gutes Rezept zu lesen.

Und um, meine Lieben, statt langer Abschiedsworte nur die eine Bitte: Be¬
wahrt euerm Vater und Großvater ein freundliches Gedächtnis!

Geschrieben zu Koblenz am 18. Januar 1793.


Jenn-Baptiste Clciude Marquis vou Marigny.

?. 8. Die mit einem " bezeichneten Rezepte sind meine eignen Erfindungen.

Die junge Frau legte den Brief auf den Tisch und blickte zu ihrem Mann
empor, der während des Vorlesens neben ihr gestanden und seine gesunde Hand
auf ihre Schulter gestützt hatte. Als sie in seinen Augen Tränen bemerkte, brach


Grenzboten III 1903 47
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[0377] Der Marquis von Marigny ihm zugefügt habe, von ganzem Herzen um Verzeihung. Versuche du es, durch Liebe und Treue gutzumachen, was dein armer Vater an ihm gesündigt hat. Er¬ ziehe deinen Sohn, meinen teuern Enkel, den Gott segnen möge, so, daß er ein Ehrenmann wie Henri und ein echter Billeroi wird. Ich fürchte ohnehin, daß er allzuviel von uns Marignys hat. Stirn und Nase wenigstens hat er ganz sicher¬ lich von uns, und dazu noch von dir die Augen und das Haar. Das sind ja leine Fehler, aber ich glaube, dein Mann wird wünschen, daß er ihm mehr gliche. Sieh also zu. was du in dieser Hinsicht durch die Erziehung auszurichten vermagst. Dieser Brief soll zugleich auch mein Testament sein, und ich bitte dich, ihn dafür anzusehen, wenn ihm auch die für ein solches Dokument vorgeschriebne Fassung und die notarielle Beglaubigung fehlen. Dir. liebe Marguerite. als meiner einzigen Tochter und alleinigen Erbin, vermache ich die in dieser Kassette einge¬ schlossenen nud auf der beiliegenden Liste verzeichneten Juwelen. Es ist das Letzte von Geldeswert, was mir nach der Konfiskation des Gutes Aigremvnt — die zu gelegner heit anzufechten ich dir, übrigens empfehle — geblieben ist. Vor etwa sechs Jahren ließ ich die Steine von Herrn Dnvoisin, Juwelier des Königs, taxieren. Er berechnete ihren Wert ohne die Fassung, die auch kaum in Betracht kommt*anf 180000 Livres. Aber das war, wie gesagt, vor sechs Jahren, und seitdeni ist der Preis der Edelsteine jedenfalls beträchtlich gesunken. Wenn du sie veräußerst — und dazu möchte ich dir raten —, so tue es nicht in Koblenz, wo man sie weit unter ihrem Werte bezahlen würde, sondern wende dich nach Frank¬ furt. Am besten wird es sein, du überläßt die Abwicklung dieses Geschäfts deinem Mann. Ich bitte dich jedoch, das Armband mit dem großen Opal und die Busen¬ nadel mit den drei Rubinen nicht zu verkaufen, sondern diese Stücke zur Erinnerung an deine selige Mutter und mich zurückzubehalten. Die goldne Dose mit dem Bild¬ nisse des Kurfürsten von Trier, die er mir selbst verehrt hat, bitte ich Henri als ein kleines Gedenkzeichen anzunehmen. Die Uhrkette aus dreifarbigen Gold mit den Amcthystberlocken bestimme ich meinem Enkel. Er äußerte, als ich im Juli vorigen Jahres das Vergnügen hatte, mich mit ihm zu unterhalten, den Wunsch, sie zu besitzen. Desgleichen bestimme ich ihm mein von seinem Vater gemaltes Miniaturporträt. Der Junge soll doch wissen, wie sein Großvater, für dessen Da¬ sein er der letzte Sonnenstrahl war, ausgesehen hat! Des weitern wirst du, liebe Marguerite, in der Kassette ein Buch finden. Es enthält, von meiner eignen Hand geschrieben, alle Kochrezepte, die ich selbst zu erproben Gelegenheit gehabt habe, und die ich mit gutem Gewissen als in jeder Hinsicht bewährt empfehlen kann. Viele von ihnen beruhen auf mündlicher Mitteilung berühmter Kenner und Fach¬ leute; es genügt wohl, wenn ich dir die Versichrung gebe, daß der Herzog von Richelieu mit vier Suppen, zwei Fischgerichten, sechzehn Entremets und neun Fleisch¬ speisen vertreten ist. Ihr werdet allerdings zunächst wohl kaum dazu kommen, das Buch bei der Zusammenstellung und Jubereitnng der Mahlzeiten zu Rate zu ziehn, aber ich sollte denken, es müßte Henri, der in Aigremont jederzeit ein feines Ver¬ ständnis für außergewöhnliche Platten an den Tag legte, Vergnügen bereiten, hin und wieder einmal ein wirklich gutes Rezept zu lesen. Und um, meine Lieben, statt langer Abschiedsworte nur die eine Bitte: Be¬ wahrt euerm Vater und Großvater ein freundliches Gedächtnis! Geschrieben zu Koblenz am 18. Januar 1793. Jenn-Baptiste Clciude Marquis vou Marigny. ?. 8. Die mit einem " bezeichneten Rezepte sind meine eignen Erfindungen. Die junge Frau legte den Brief auf den Tisch und blickte zu ihrem Mann empor, der während des Vorlesens neben ihr gestanden und seine gesunde Hand auf ihre Schulter gestützt hatte. Als sie in seinen Augen Tränen bemerkte, brach Grenzboten III 1903 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/377>, abgerufen am 23.11.2024.