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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Rechtsciltertnmer in unsrer heutigen deutschen Sprache

sich bei den romanischen Völkern ein gewisser Zusammenhang zwischen den Aus¬
drücken für Handschellen und Manschetten erhalten hat, wie dies z. B. das
italienische ins-rio^ (Ärmel), nmirieo (Griff), umniczbiuo, iNÄMvllottlr (Manschette)
und ins.ki6leg, (Handschellen) und die französischen Wörter is" ir^nellvtwL und
IvL iQ0Q0des8 (Handschellen) noch erkennen lassen. Im heutigen Recht ist eine
Fesselung von Verurteilten und Gefangnen zu einer Ansnahmcmaßregel geworden,
nach unserm Sprachgebrauche aber kann im gewöhnlichen Leben jeder einmal ge¬
nötigt werden, sich von andern "die Hände binden zu lassen" oder den
Ereignissen gegenüber "mit gebundnen Händen" dastehn.

An die mannigfachen einzelnen Exekutionen, die einst von Henkershand auf
dem NichtPlatz vorgenommen wurden, hat unsre Sprache ebenfalls, namentlich
in ihrem Bilderschmuck, noch ein recht deutliches Andenken bewahrt. Beginnen
wir die Übersicht mit den sogenannten "peinlichen" Strafen (von Pein, Peer
-- Strafe, ahd, xln-i, ahd. pino von dem lat. posrm, alae, pcMu, ausgesprochen,
vgl. it. par^) an "Leib und Leben," oder wie man in der ältern Zeit sagte,
"an Hals und Hand" (im Gegensatze zu "Haut und Haar," ,,^>r lind nul nu
dar"z," Sachsenspiegel II, 13, § 1), so ist unter diesen wiederum an erster Stelle
des Todes durch Aufhängen am Galgen (ahd. MlM, ahd. ZulM) zu gedenken,
auf dessen einstige weite Verbreitung ja schon die oben erwähnte Bevorzugung
des Namens "Henker" vor allen andern Shnonymen hindeutet. Diese uralte
Strafart, die schon Tacitus (Germania e. 12) für Verräter ("xroäitorss se
triUT8t'uMö") erwähnt, war im Mittelalter weit verbreitet, insbesondre aber galt
sie damals in so hervorragendem Maße als die typische Strafe für Diebe,
daß sich Rechtssprichwörter bildeten, wie: "Die Fische sind nirgends besser als
im Wasser, der Dieb als um Galgen, der Mönch als im Kloster," und "Wer
sich des Stehlens getröstet, getröstet sich auch des Galgens," oder, wie es
in Frcidanks "Bescheidenheit" in gereimter Fassung heißt: "Mäuse soll man
fangen, Diebe soll man hangen."

Auch der Volkshnmor hat sich frühzeitig in zahlreichen drastischen Um¬
schreibungen für diese populärste aller Strafen gefallen. Wie man ursprünglich
Wohl die dem Strange verfallenen Missetäter einfach an landlosen, kahlen
Bäumen aufgeknüpft ' haben dürfte (vgl. das "in-boribus susxvnösrs" bei
Tacitus, Germ. o. 12), so wird auch noch in jüngern Quellen der Galgen oft
schlechthin der "dürre Baum" oder "Ast" genannt, woneben man ihn ver¬
einzelt freilich auch poetischer als "grünen" oder (mit Rücksicht auf seine Lage
auf freien, weithin sichtbaren Plätzen) als "lichten" Galgen bezeichnet. Als
er dann später die allbekannte, aus "drei Ballen" geformte Gestalt annahm,
erhielt er Namen wie "Dreibein" oder "himmlischer Wegweiser" oder
-- besonders in der Gannersprache "Feldglocke." Dem entsprechen die
noch zahlreichern, den Ernst der Sache scherzhaft umhüllenden Wendungen für
den Tod am Galgen, das Gehängtwerden, wie -- schon in älterer Zeit
etwa: "den Ast bauen" (d.h. bewohnen), "den dürren Baum reiten,"
,,ur der Luft reiten" oder "die Luft über sich zusammenschlagen
lafsciV' später noch: "fliegen lernen," "mit den Winden zu Tanze
gehen," "an der Herberge zu den drei Säulen als Bierzeichen aus¬
sauge"," "zum Feldbischof erhöht werden" (der den vorübergehenden
Leuten mit seinen Füßen den Segen gibt), "mit einem Spieß oder Pfeil,
daran man die Kühe bindet, erschossen" oder "mit einer Pfennig¬
semmel ans dem Seilerladen vergiftet werden." Wie sich die beiden
letzten Redensarten speziell auf den beim Hängen zur Verwendung kommenden
Strick (Ltrs,KA, sotiloxk, söll, >viSs) beziehen, das von, Seiler oder "Galgen¬
posamentier" angefertigte Fabrikat aus 5auf, dem "Galgenkraut," so
auch noch eine große Anzahl ähnlicher Wortspiele. Man läßt z. B. den Ge¬
henkten schlechthin "am Hanf sterben" oder "am grünen Baum im Hanf


Deutsche Rechtsciltertnmer in unsrer heutigen deutschen Sprache

sich bei den romanischen Völkern ein gewisser Zusammenhang zwischen den Aus¬
drücken für Handschellen und Manschetten erhalten hat, wie dies z. B. das
italienische ins-rio^ (Ärmel), nmirieo (Griff), umniczbiuo, iNÄMvllottlr (Manschette)
und ins.ki6leg, (Handschellen) und die französischen Wörter is» ir^nellvtwL und
IvL iQ0Q0des8 (Handschellen) noch erkennen lassen. Im heutigen Recht ist eine
Fesselung von Verurteilten und Gefangnen zu einer Ansnahmcmaßregel geworden,
nach unserm Sprachgebrauche aber kann im gewöhnlichen Leben jeder einmal ge¬
nötigt werden, sich von andern „die Hände binden zu lassen" oder den
Ereignissen gegenüber „mit gebundnen Händen" dastehn.

An die mannigfachen einzelnen Exekutionen, die einst von Henkershand auf
dem NichtPlatz vorgenommen wurden, hat unsre Sprache ebenfalls, namentlich
in ihrem Bilderschmuck, noch ein recht deutliches Andenken bewahrt. Beginnen
wir die Übersicht mit den sogenannten „peinlichen" Strafen (von Pein, Peer
— Strafe, ahd, xln-i, ahd. pino von dem lat. posrm, alae, pcMu, ausgesprochen,
vgl. it. par^) an „Leib und Leben," oder wie man in der ältern Zeit sagte,
„an Hals und Hand" (im Gegensatze zu „Haut und Haar," ,,^>r lind nul nu
dar«z," Sachsenspiegel II, 13, § 1), so ist unter diesen wiederum an erster Stelle
des Todes durch Aufhängen am Galgen (ahd. MlM, ahd. ZulM) zu gedenken,
auf dessen einstige weite Verbreitung ja schon die oben erwähnte Bevorzugung
des Namens „Henker" vor allen andern Shnonymen hindeutet. Diese uralte
Strafart, die schon Tacitus (Germania e. 12) für Verräter („xroäitorss se
triUT8t'uMö") erwähnt, war im Mittelalter weit verbreitet, insbesondre aber galt
sie damals in so hervorragendem Maße als die typische Strafe für Diebe,
daß sich Rechtssprichwörter bildeten, wie: „Die Fische sind nirgends besser als
im Wasser, der Dieb als um Galgen, der Mönch als im Kloster," und „Wer
sich des Stehlens getröstet, getröstet sich auch des Galgens," oder, wie es
in Frcidanks „Bescheidenheit" in gereimter Fassung heißt: „Mäuse soll man
fangen, Diebe soll man hangen."

Auch der Volkshnmor hat sich frühzeitig in zahlreichen drastischen Um¬
schreibungen für diese populärste aller Strafen gefallen. Wie man ursprünglich
Wohl die dem Strange verfallenen Missetäter einfach an landlosen, kahlen
Bäumen aufgeknüpft ' haben dürfte (vgl. das „in-boribus susxvnösrs" bei
Tacitus, Germ. o. 12), so wird auch noch in jüngern Quellen der Galgen oft
schlechthin der „dürre Baum" oder „Ast" genannt, woneben man ihn ver¬
einzelt freilich auch poetischer als „grünen" oder (mit Rücksicht auf seine Lage
auf freien, weithin sichtbaren Plätzen) als „lichten" Galgen bezeichnet. Als
er dann später die allbekannte, aus „drei Ballen" geformte Gestalt annahm,
erhielt er Namen wie „Dreibein" oder „himmlischer Wegweiser" oder
— besonders in der Gannersprache „Feldglocke." Dem entsprechen die
noch zahlreichern, den Ernst der Sache scherzhaft umhüllenden Wendungen für
den Tod am Galgen, das Gehängtwerden, wie — schon in älterer Zeit
etwa: „den Ast bauen" (d.h. bewohnen), „den dürren Baum reiten,"
,,ur der Luft reiten" oder „die Luft über sich zusammenschlagen
lafsciV' später noch: „fliegen lernen," „mit den Winden zu Tanze
gehen," „an der Herberge zu den drei Säulen als Bierzeichen aus¬
sauge«," „zum Feldbischof erhöht werden" (der den vorübergehenden
Leuten mit seinen Füßen den Segen gibt), „mit einem Spieß oder Pfeil,
daran man die Kühe bindet, erschossen" oder „mit einer Pfennig¬
semmel ans dem Seilerladen vergiftet werden." Wie sich die beiden
letzten Redensarten speziell auf den beim Hängen zur Verwendung kommenden
Strick (Ltrs,KA, sotiloxk, söll, >viSs) beziehen, das von, Seiler oder „Galgen¬
posamentier" angefertigte Fabrikat aus 5auf, dem „Galgenkraut," so
auch noch eine große Anzahl ähnlicher Wortspiele. Man läßt z. B. den Ge¬
henkten schlechthin „am Hanf sterben" oder „am grünen Baum im Hanf


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[0373] Deutsche Rechtsciltertnmer in unsrer heutigen deutschen Sprache sich bei den romanischen Völkern ein gewisser Zusammenhang zwischen den Aus¬ drücken für Handschellen und Manschetten erhalten hat, wie dies z. B. das italienische ins-rio^ (Ärmel), nmirieo (Griff), umniczbiuo, iNÄMvllottlr (Manschette) und ins.ki6leg, (Handschellen) und die französischen Wörter is» ir^nellvtwL und IvL iQ0Q0des8 (Handschellen) noch erkennen lassen. Im heutigen Recht ist eine Fesselung von Verurteilten und Gefangnen zu einer Ansnahmcmaßregel geworden, nach unserm Sprachgebrauche aber kann im gewöhnlichen Leben jeder einmal ge¬ nötigt werden, sich von andern „die Hände binden zu lassen" oder den Ereignissen gegenüber „mit gebundnen Händen" dastehn. An die mannigfachen einzelnen Exekutionen, die einst von Henkershand auf dem NichtPlatz vorgenommen wurden, hat unsre Sprache ebenfalls, namentlich in ihrem Bilderschmuck, noch ein recht deutliches Andenken bewahrt. Beginnen wir die Übersicht mit den sogenannten „peinlichen" Strafen (von Pein, Peer — Strafe, ahd, xln-i, ahd. pino von dem lat. posrm, alae, pcMu, ausgesprochen, vgl. it. par^) an „Leib und Leben," oder wie man in der ältern Zeit sagte, „an Hals und Hand" (im Gegensatze zu „Haut und Haar," ,,^>r lind nul nu dar«z," Sachsenspiegel II, 13, § 1), so ist unter diesen wiederum an erster Stelle des Todes durch Aufhängen am Galgen (ahd. MlM, ahd. ZulM) zu gedenken, auf dessen einstige weite Verbreitung ja schon die oben erwähnte Bevorzugung des Namens „Henker" vor allen andern Shnonymen hindeutet. Diese uralte Strafart, die schon Tacitus (Germania e. 12) für Verräter („xroäitorss se triUT8t'uMö") erwähnt, war im Mittelalter weit verbreitet, insbesondre aber galt sie damals in so hervorragendem Maße als die typische Strafe für Diebe, daß sich Rechtssprichwörter bildeten, wie: „Die Fische sind nirgends besser als im Wasser, der Dieb als um Galgen, der Mönch als im Kloster," und „Wer sich des Stehlens getröstet, getröstet sich auch des Galgens," oder, wie es in Frcidanks „Bescheidenheit" in gereimter Fassung heißt: „Mäuse soll man fangen, Diebe soll man hangen." Auch der Volkshnmor hat sich frühzeitig in zahlreichen drastischen Um¬ schreibungen für diese populärste aller Strafen gefallen. Wie man ursprünglich Wohl die dem Strange verfallenen Missetäter einfach an landlosen, kahlen Bäumen aufgeknüpft ' haben dürfte (vgl. das „in-boribus susxvnösrs" bei Tacitus, Germ. o. 12), so wird auch noch in jüngern Quellen der Galgen oft schlechthin der „dürre Baum" oder „Ast" genannt, woneben man ihn ver¬ einzelt freilich auch poetischer als „grünen" oder (mit Rücksicht auf seine Lage auf freien, weithin sichtbaren Plätzen) als „lichten" Galgen bezeichnet. Als er dann später die allbekannte, aus „drei Ballen" geformte Gestalt annahm, erhielt er Namen wie „Dreibein" oder „himmlischer Wegweiser" oder — besonders in der Gannersprache „Feldglocke." Dem entsprechen die noch zahlreichern, den Ernst der Sache scherzhaft umhüllenden Wendungen für den Tod am Galgen, das Gehängtwerden, wie — schon in älterer Zeit etwa: „den Ast bauen" (d.h. bewohnen), „den dürren Baum reiten," ,,ur der Luft reiten" oder „die Luft über sich zusammenschlagen lafsciV' später noch: „fliegen lernen," „mit den Winden zu Tanze gehen," „an der Herberge zu den drei Säulen als Bierzeichen aus¬ sauge«," „zum Feldbischof erhöht werden" (der den vorübergehenden Leuten mit seinen Füßen den Segen gibt), „mit einem Spieß oder Pfeil, daran man die Kühe bindet, erschossen" oder „mit einer Pfennig¬ semmel ans dem Seilerladen vergiftet werden." Wie sich die beiden letzten Redensarten speziell auf den beim Hängen zur Verwendung kommenden Strick (Ltrs,KA, sotiloxk, söll, >viSs) beziehen, das von, Seiler oder „Galgen¬ posamentier" angefertigte Fabrikat aus 5auf, dem „Galgenkraut," so auch noch eine große Anzahl ähnlicher Wortspiele. Man läßt z. B. den Ge¬ henkten schlechthin „am Hanf sterben" oder „am grünen Baum im Hanf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/373>, abgerufen am 01.09.2024.