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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Rechtsaltertiuuer in unsrer heutigen deutscheu Sprache

den Nachweis geführt, daß dem Aufkommen dieses drastischen Gleichnisses ein
recht realer Vorgang zugrunde gelegen hat. "Mehrere gute Quelleuzeuguisse"
verweisen nämlich "die zuerst bei Hans Sachs belegte Redensart unter die
Mordbrenner/' unter denen es "wie unter Bettlern und Dieben schou im sech¬
zehnten Jahrhundert eine besondre Zeichenschrift" gab, "die man neuerdings als
Gaunerzinken bezeichnet." Eines derselben faßt man nun "als Hahn auf,
der Brandstiftung bedeutet," während "der "rote" Hahn in unsrer Redensart , , ,
wohl ans den Rödel" hindeutet, "womit die Gaunerziuken gern an Kirchen
und Straßenecken oder einsamen Kreuzen angebracht wurden" (Kluge, in der
Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Jahrgang XVI, Ur. 1
jJcm. 1901j, Sy. 8), So ist das Bild vom roten Hahn, das die Gauner unter
sich auch in ihrem Idiom für den Begriff "Brandstiftung" verwandt haben,
allmählich in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, der ja aus dieser
Geheimsprache -- durch Vermittlung der Studenten- und Soldatensprache --
gnr manche Bereicherung erfahren hat. Überhaupt verdanken viele noch
heute beliebte, mehr oder weniger bildliche Ausdrücke und Redensarten in
unsrer Sprache ihre Entstehung dem schon früh zu den verschiedensten Spe¬
zialitäten ausgebildeten Treiben des leichtfertigen Gannervvlks. Noch jetzt um¬
schreiben wir z. B gern durch "lange Finger machen" die Tätigkeit des
Diebes, namentlich des Taschendiebes, für den uns wohl auch noch die ältere
Bezeichnung "Beutelschneider" nicht ganz unbekannt geworden ist, wenn wir
sie jetzt auch in der Regel für Geschäftsleute anwenden, die so große Rechnungen
aufschreiben, daß die Geldbeutel ihrer Kunden bluten. Ferner "treiben"
manche Leute auch heute noch "Durchstechereien," wie einst die sogenannten
"Niemenstecher," d. h. "eine Art betrüglicher Landläufer, welche einen Riemen
mit gemachten Krümmen zusammenrollen und andre darein stechen lassen, da
sie dann machen, daß der Stich allemal neben den Riemen geht" (Adelungs
Wörterbuch); ein andrer macht uns "blauen Dunst" vor, wie das einst
wirklich die Gaukler und Zauberer (Nekromanten, Tenfelsbeschwvrer usw.) bei
ihren Geisterbeschwörungen taten, um ihre Zuschauer zu "benebeln"; ja das
"Kippen und Wippen," das eine besondre Form des Münzbetrugs (wohl
durch Abschneiden und Wiegen der Geldstücke) war, lebt sogar als juristischer
Kunstausdruck uoch in den modernen Lchrbttcheru des Strafrechts fort.

Auf die gewerbsmäßigen Ganner, die Bettler, Vagabunden, Gaukler und
sonstige "fahrenden Leute" mögen die mittelalterlichen "Raubritter" stolz
genug herabgesehen haben, und doch müssen wir sie vom Standpunkte des
Kriminalisten aus ebeufnlls zu den -- allerdings uur gewalttätiger -- Gewohn¬
heitsverbrechern zählen, wie das übrigens auch schon das ältere Recht getan
hat, das sich gerade für sie hänfig der Bezeichnung "schädliche" oder "land¬
schädliche Leute" bediente. Auch um das Tun und Treiben dieser Personen,
der "Schnapphähne," "Strauchdiebe," "Buschklepper," "Stegreifrittcr" -- oder
wie sie der Volkshumor sonst uoch später benannte -- hat unsre Sprache
Erinnerungen bewahrt, und zwar zunächst an das gerade von ihnen scharf
geübte und nur allzu häusig mißbrauchte Fehderecht. Noch heute können wir
deshalb in übertragnem Sinne jemand "befehden," ihm "die Fehde an¬
sagen" oder den "Fehdehandschuh (auch wohl bloß den "Handschuh") hin¬
werfen," den jeuer dann zum Zeichen der Kampfbereitschaft "aufhebt," ja
wir vermögen unsern Gegner sogar "in eine literarische Fehde zu ver¬
wickeln," ohne freilich bei allen diesen Vorgängen auch uur den Schreibtisch
verlassen zu müssen. Im Mittelalter aber kamen, zu den Exzessen des
Fehdewesens durch die entarteten Ritter noch deren Überfälle und Ausplünde¬
rungen harmloser Kaufmaunszüge hinzu nach dein Motto: "Rauben und Brennen
ist keine Schande, das tun die Besten im Lande," das uns Sebastian
Franck (l, 115") als "Sprüchwort oder Nymliu" der Wegelagerer aus dieser


Deutsche Rechtsaltertiuuer in unsrer heutigen deutscheu Sprache

den Nachweis geführt, daß dem Aufkommen dieses drastischen Gleichnisses ein
recht realer Vorgang zugrunde gelegen hat. „Mehrere gute Quelleuzeuguisse"
verweisen nämlich „die zuerst bei Hans Sachs belegte Redensart unter die
Mordbrenner/' unter denen es „wie unter Bettlern und Dieben schou im sech¬
zehnten Jahrhundert eine besondre Zeichenschrift" gab, „die man neuerdings als
Gaunerzinken bezeichnet." Eines derselben faßt man nun „als Hahn auf,
der Brandstiftung bedeutet," während „der »rote« Hahn in unsrer Redensart , , ,
wohl ans den Rödel" hindeutet, „womit die Gaunerziuken gern an Kirchen
und Straßenecken oder einsamen Kreuzen angebracht wurden" (Kluge, in der
Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Jahrgang XVI, Ur. 1
jJcm. 1901j, Sy. 8), So ist das Bild vom roten Hahn, das die Gauner unter
sich auch in ihrem Idiom für den Begriff „Brandstiftung" verwandt haben,
allmählich in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, der ja aus dieser
Geheimsprache — durch Vermittlung der Studenten- und Soldatensprache —
gnr manche Bereicherung erfahren hat. Überhaupt verdanken viele noch
heute beliebte, mehr oder weniger bildliche Ausdrücke und Redensarten in
unsrer Sprache ihre Entstehung dem schon früh zu den verschiedensten Spe¬
zialitäten ausgebildeten Treiben des leichtfertigen Gannervvlks. Noch jetzt um¬
schreiben wir z. B gern durch „lange Finger machen" die Tätigkeit des
Diebes, namentlich des Taschendiebes, für den uns wohl auch noch die ältere
Bezeichnung „Beutelschneider" nicht ganz unbekannt geworden ist, wenn wir
sie jetzt auch in der Regel für Geschäftsleute anwenden, die so große Rechnungen
aufschreiben, daß die Geldbeutel ihrer Kunden bluten. Ferner „treiben"
manche Leute auch heute noch „Durchstechereien," wie einst die sogenannten
„Niemenstecher," d. h. „eine Art betrüglicher Landläufer, welche einen Riemen
mit gemachten Krümmen zusammenrollen und andre darein stechen lassen, da
sie dann machen, daß der Stich allemal neben den Riemen geht" (Adelungs
Wörterbuch); ein andrer macht uns „blauen Dunst" vor, wie das einst
wirklich die Gaukler und Zauberer (Nekromanten, Tenfelsbeschwvrer usw.) bei
ihren Geisterbeschwörungen taten, um ihre Zuschauer zu „benebeln"; ja das
„Kippen und Wippen," das eine besondre Form des Münzbetrugs (wohl
durch Abschneiden und Wiegen der Geldstücke) war, lebt sogar als juristischer
Kunstausdruck uoch in den modernen Lchrbttcheru des Strafrechts fort.

Auf die gewerbsmäßigen Ganner, die Bettler, Vagabunden, Gaukler und
sonstige „fahrenden Leute" mögen die mittelalterlichen „Raubritter" stolz
genug herabgesehen haben, und doch müssen wir sie vom Standpunkte des
Kriminalisten aus ebeufnlls zu den — allerdings uur gewalttätiger — Gewohn¬
heitsverbrechern zählen, wie das übrigens auch schon das ältere Recht getan
hat, das sich gerade für sie hänfig der Bezeichnung „schädliche" oder „land¬
schädliche Leute" bediente. Auch um das Tun und Treiben dieser Personen,
der „Schnapphähne," „Strauchdiebe," „Buschklepper," „Stegreifrittcr" — oder
wie sie der Volkshumor sonst uoch später benannte — hat unsre Sprache
Erinnerungen bewahrt, und zwar zunächst an das gerade von ihnen scharf
geübte und nur allzu häusig mißbrauchte Fehderecht. Noch heute können wir
deshalb in übertragnem Sinne jemand „befehden," ihm „die Fehde an¬
sagen" oder den „Fehdehandschuh (auch wohl bloß den „Handschuh") hin¬
werfen," den jeuer dann zum Zeichen der Kampfbereitschaft „aufhebt," ja
wir vermögen unsern Gegner sogar „in eine literarische Fehde zu ver¬
wickeln," ohne freilich bei allen diesen Vorgängen auch uur den Schreibtisch
verlassen zu müssen. Im Mittelalter aber kamen, zu den Exzessen des
Fehdewesens durch die entarteten Ritter noch deren Überfälle und Ausplünde¬
rungen harmloser Kaufmaunszüge hinzu nach dein Motto: „Rauben und Brennen
ist keine Schande, das tun die Besten im Lande," das uns Sebastian
Franck (l, 115») als „Sprüchwort oder Nymliu" der Wegelagerer aus dieser


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[0366] Deutsche Rechtsaltertiuuer in unsrer heutigen deutscheu Sprache den Nachweis geführt, daß dem Aufkommen dieses drastischen Gleichnisses ein recht realer Vorgang zugrunde gelegen hat. „Mehrere gute Quelleuzeuguisse" verweisen nämlich „die zuerst bei Hans Sachs belegte Redensart unter die Mordbrenner/' unter denen es „wie unter Bettlern und Dieben schou im sech¬ zehnten Jahrhundert eine besondre Zeichenschrift" gab, „die man neuerdings als Gaunerzinken bezeichnet." Eines derselben faßt man nun „als Hahn auf, der Brandstiftung bedeutet," während „der »rote« Hahn in unsrer Redensart , , , wohl ans den Rödel" hindeutet, „womit die Gaunerziuken gern an Kirchen und Straßenecken oder einsamen Kreuzen angebracht wurden" (Kluge, in der Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Jahrgang XVI, Ur. 1 jJcm. 1901j, Sy. 8), So ist das Bild vom roten Hahn, das die Gauner unter sich auch in ihrem Idiom für den Begriff „Brandstiftung" verwandt haben, allmählich in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, der ja aus dieser Geheimsprache — durch Vermittlung der Studenten- und Soldatensprache — gnr manche Bereicherung erfahren hat. Überhaupt verdanken viele noch heute beliebte, mehr oder weniger bildliche Ausdrücke und Redensarten in unsrer Sprache ihre Entstehung dem schon früh zu den verschiedensten Spe¬ zialitäten ausgebildeten Treiben des leichtfertigen Gannervvlks. Noch jetzt um¬ schreiben wir z. B gern durch „lange Finger machen" die Tätigkeit des Diebes, namentlich des Taschendiebes, für den uns wohl auch noch die ältere Bezeichnung „Beutelschneider" nicht ganz unbekannt geworden ist, wenn wir sie jetzt auch in der Regel für Geschäftsleute anwenden, die so große Rechnungen aufschreiben, daß die Geldbeutel ihrer Kunden bluten. Ferner „treiben" manche Leute auch heute noch „Durchstechereien," wie einst die sogenannten „Niemenstecher," d. h. „eine Art betrüglicher Landläufer, welche einen Riemen mit gemachten Krümmen zusammenrollen und andre darein stechen lassen, da sie dann machen, daß der Stich allemal neben den Riemen geht" (Adelungs Wörterbuch); ein andrer macht uns „blauen Dunst" vor, wie das einst wirklich die Gaukler und Zauberer (Nekromanten, Tenfelsbeschwvrer usw.) bei ihren Geisterbeschwörungen taten, um ihre Zuschauer zu „benebeln"; ja das „Kippen und Wippen," das eine besondre Form des Münzbetrugs (wohl durch Abschneiden und Wiegen der Geldstücke) war, lebt sogar als juristischer Kunstausdruck uoch in den modernen Lchrbttcheru des Strafrechts fort. Auf die gewerbsmäßigen Ganner, die Bettler, Vagabunden, Gaukler und sonstige „fahrenden Leute" mögen die mittelalterlichen „Raubritter" stolz genug herabgesehen haben, und doch müssen wir sie vom Standpunkte des Kriminalisten aus ebeufnlls zu den — allerdings uur gewalttätiger — Gewohn¬ heitsverbrechern zählen, wie das übrigens auch schon das ältere Recht getan hat, das sich gerade für sie hänfig der Bezeichnung „schädliche" oder „land¬ schädliche Leute" bediente. Auch um das Tun und Treiben dieser Personen, der „Schnapphähne," „Strauchdiebe," „Buschklepper," „Stegreifrittcr" — oder wie sie der Volkshumor sonst uoch später benannte — hat unsre Sprache Erinnerungen bewahrt, und zwar zunächst an das gerade von ihnen scharf geübte und nur allzu häusig mißbrauchte Fehderecht. Noch heute können wir deshalb in übertragnem Sinne jemand „befehden," ihm „die Fehde an¬ sagen" oder den „Fehdehandschuh (auch wohl bloß den „Handschuh") hin¬ werfen," den jeuer dann zum Zeichen der Kampfbereitschaft „aufhebt," ja wir vermögen unsern Gegner sogar „in eine literarische Fehde zu ver¬ wickeln," ohne freilich bei allen diesen Vorgängen auch uur den Schreibtisch verlassen zu müssen. Im Mittelalter aber kamen, zu den Exzessen des Fehdewesens durch die entarteten Ritter noch deren Überfälle und Ausplünde¬ rungen harmloser Kaufmaunszüge hinzu nach dein Motto: „Rauben und Brennen ist keine Schande, das tun die Besten im Lande," das uns Sebastian Franck (l, 115») als „Sprüchwort oder Nymliu" der Wegelagerer aus dieser

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/366>, abgerufen am 01.09.2024.