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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

durch die Luft hieb, um die Art des Todes anzudeuten. Und um ein Uhr dreißig
Minuten schon begraben. Ja ja, bei uns geht jetzt alles schnell. 'S kann vor¬
kommen, daß einer des Morgens von Hanse weggeht, eine Promenade zu machen,
und des Abends werden schon seine Verwandten geköpft, weil sie des Nachmittags
sein Grab besucht und dabei geheult haben! Er lachte auf eine widerwärtige Weise und
öffnete nicht ohne Mühe den Kasten unter dem Kutschbock, der die Postsachen enthielt.

Zählt sie selber, Postmeister, und seht, obs mit dem Zettel stimmt, sagte er,
während er die Päcke und Briefschaften Heranswarf, Ihr werdet von einem guten
Franzosen hente wohl nicht verlangen, daß er klare Augen hat. Teufel, da fällt
mir ein: ich habe ja mich einen Passagier! Eine russische Gräfin oder so etwas.
Wenn die nur das Laufen nicht verlernt hat! Ist seit Verdun mit keinem Bein
ans dem Wagen gekommen. Aus purer Angst vor den Patrioten. Als ob man
bei uns Zeit hätte, sich mit russischen Gräfinnen abzugeben! Ehe wir mit unsern
eignen Aristokraten nicht fertig sind, fangen wir mit Ausländern nicht um. Das
Hemde ist uns näher als der Rock, und Ordnung ist das halbe Leben.

Er riß den Kutschenschlag auf, dessen Fenster dicht verhängt war, und rief in
das Innere:

Madame, nun können Sie sich beruhigen, wir sind auf kurtrierischem Boden.
Also heraus, wenns gefällig ist, und wenn Sie nicht wollen/daß ich Sie wieder
mit nach Frankreich nehme. Mit Ihrer gütigen Erlaubnis werde ich einen Dvppel-
korn auf Ihr Wohl und eine glückliche Weiterreise trinken.

Eine alte, vornehm aussehende Dame mit schneeweißem Haar streckte den
Kopf ans der Kutsche und fragte, indem sie die Umstehenden mit ängstlichen
Blicken musterte: Meine Herren, darf ich Sie um die Gefälligkeit bitten, mir zu
sagen, wo ich mich befinde?

In Perl, Madame, antwortete der Postmeister, indem er sich einer Hutschachtel
bemächtigte.

Ist das ein deutscher Ort?

Gewiß, Madame. Kurtrierisch.

Sagen Sie mir auch die Wahrheit?

Statt aller Antwort wies der Gefragte auf das Wappen über der Tür der
Posthalterei. Die alte Dame folgte mit den Augen der angedeuteten Richtung,
nickte lebhaft, als sie das rote Kreuz und den Kurhut wahrnahm, und sagte:

Gott und allen Heiligen sei Dank! Ich bin in Sicherheit. Ach, wenn Sie
wüßten, was ich erduldet habe! Ich komme von Paris. Das entsetzliche Volk hat
seinen König getötet -- bitte auch noch die Reisetasche! --hingeschlachtet wie ein
Opfertier. Ich habe Menschen gesehen, die ihre Hände in sein Blut getaucht hatten
und wie Wahnsinnige durch die Straßen tanzten -- bitte, holen Sie den Koffer
recht behutsam herunter, es sind ein Paar Sevres-Tassen darin! --, durch die
Straßen, die an jenem furchtbaren Morgen ein dichter Nebel bedeckte, als hätte
der Himmel sein Antlitz verhüllen wollen. Die Toren! Sie dachten einen Feind
der Freiheit zu morden und nhuten nicht, daß aus jedem Tropfen vergossenen
Bluts ein Tyrann emporwachsen wird, tausendmal schlimmer und grausamer, als
der schlimmste Autokrat es sein kann!

Sie war inzwischen ausgestiegen und hatte, während sie eifrig sprach, damit
begonnen, ihre Gepäckstücke zusammenzulesen. Aber sie schien niemals fertig werden
zu können, bald vermißte sie eine Hutschachtel, bald eine Decke, bald suchte sie ein
Riechfläschchen, von dem sie behauptete, daß es hinter das Polster des Sitzes ge¬
glitten sein müsse, bald durchwühlte sie das Stroh, mit dem der Boden des Wagens
überschüttet war, nach einem Verlornen Handschuh. Und dabei wurde sie nicht
müde, Einzelheiten aus den Pariser Schreckenstngen zu berichten und dem Himmel
für ihre eigne Errettung zu danken.

Der Marquis stand noch immer auf demselben Fleck und sah der beweglichen
alten Dame bei ihrer Tätigkeit zu, ohne ein Glied zu rege". Von dem, was sie
sprach, und was die andern sie fragten, hörte er nichts. In seinem Ohre klangen


Der Marquis von Marigny

durch die Luft hieb, um die Art des Todes anzudeuten. Und um ein Uhr dreißig
Minuten schon begraben. Ja ja, bei uns geht jetzt alles schnell. 'S kann vor¬
kommen, daß einer des Morgens von Hanse weggeht, eine Promenade zu machen,
und des Abends werden schon seine Verwandten geköpft, weil sie des Nachmittags
sein Grab besucht und dabei geheult haben! Er lachte auf eine widerwärtige Weise und
öffnete nicht ohne Mühe den Kasten unter dem Kutschbock, der die Postsachen enthielt.

Zählt sie selber, Postmeister, und seht, obs mit dem Zettel stimmt, sagte er,
während er die Päcke und Briefschaften Heranswarf, Ihr werdet von einem guten
Franzosen hente wohl nicht verlangen, daß er klare Augen hat. Teufel, da fällt
mir ein: ich habe ja mich einen Passagier! Eine russische Gräfin oder so etwas.
Wenn die nur das Laufen nicht verlernt hat! Ist seit Verdun mit keinem Bein
ans dem Wagen gekommen. Aus purer Angst vor den Patrioten. Als ob man
bei uns Zeit hätte, sich mit russischen Gräfinnen abzugeben! Ehe wir mit unsern
eignen Aristokraten nicht fertig sind, fangen wir mit Ausländern nicht um. Das
Hemde ist uns näher als der Rock, und Ordnung ist das halbe Leben.

Er riß den Kutschenschlag auf, dessen Fenster dicht verhängt war, und rief in
das Innere:

Madame, nun können Sie sich beruhigen, wir sind auf kurtrierischem Boden.
Also heraus, wenns gefällig ist, und wenn Sie nicht wollen/daß ich Sie wieder
mit nach Frankreich nehme. Mit Ihrer gütigen Erlaubnis werde ich einen Dvppel-
korn auf Ihr Wohl und eine glückliche Weiterreise trinken.

Eine alte, vornehm aussehende Dame mit schneeweißem Haar streckte den
Kopf ans der Kutsche und fragte, indem sie die Umstehenden mit ängstlichen
Blicken musterte: Meine Herren, darf ich Sie um die Gefälligkeit bitten, mir zu
sagen, wo ich mich befinde?

In Perl, Madame, antwortete der Postmeister, indem er sich einer Hutschachtel
bemächtigte.

Ist das ein deutscher Ort?

Gewiß, Madame. Kurtrierisch.

Sagen Sie mir auch die Wahrheit?

Statt aller Antwort wies der Gefragte auf das Wappen über der Tür der
Posthalterei. Die alte Dame folgte mit den Augen der angedeuteten Richtung,
nickte lebhaft, als sie das rote Kreuz und den Kurhut wahrnahm, und sagte:

Gott und allen Heiligen sei Dank! Ich bin in Sicherheit. Ach, wenn Sie
wüßten, was ich erduldet habe! Ich komme von Paris. Das entsetzliche Volk hat
seinen König getötet — bitte auch noch die Reisetasche! —hingeschlachtet wie ein
Opfertier. Ich habe Menschen gesehen, die ihre Hände in sein Blut getaucht hatten
und wie Wahnsinnige durch die Straßen tanzten — bitte, holen Sie den Koffer
recht behutsam herunter, es sind ein Paar Sevres-Tassen darin! —, durch die
Straßen, die an jenem furchtbaren Morgen ein dichter Nebel bedeckte, als hätte
der Himmel sein Antlitz verhüllen wollen. Die Toren! Sie dachten einen Feind
der Freiheit zu morden und nhuten nicht, daß aus jedem Tropfen vergossenen
Bluts ein Tyrann emporwachsen wird, tausendmal schlimmer und grausamer, als
der schlimmste Autokrat es sein kann!

Sie war inzwischen ausgestiegen und hatte, während sie eifrig sprach, damit
begonnen, ihre Gepäckstücke zusammenzulesen. Aber sie schien niemals fertig werden
zu können, bald vermißte sie eine Hutschachtel, bald eine Decke, bald suchte sie ein
Riechfläschchen, von dem sie behauptete, daß es hinter das Polster des Sitzes ge¬
glitten sein müsse, bald durchwühlte sie das Stroh, mit dem der Boden des Wagens
überschüttet war, nach einem Verlornen Handschuh. Und dabei wurde sie nicht
müde, Einzelheiten aus den Pariser Schreckenstngen zu berichten und dem Himmel
für ihre eigne Errettung zu danken.

Der Marquis stand noch immer auf demselben Fleck und sah der beweglichen
alten Dame bei ihrer Tätigkeit zu, ohne ein Glied zu rege». Von dem, was sie
sprach, und was die andern sie fragten, hörte er nichts. In seinem Ohre klangen


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[0316] Der Marquis von Marigny durch die Luft hieb, um die Art des Todes anzudeuten. Und um ein Uhr dreißig Minuten schon begraben. Ja ja, bei uns geht jetzt alles schnell. 'S kann vor¬ kommen, daß einer des Morgens von Hanse weggeht, eine Promenade zu machen, und des Abends werden schon seine Verwandten geköpft, weil sie des Nachmittags sein Grab besucht und dabei geheult haben! Er lachte auf eine widerwärtige Weise und öffnete nicht ohne Mühe den Kasten unter dem Kutschbock, der die Postsachen enthielt. Zählt sie selber, Postmeister, und seht, obs mit dem Zettel stimmt, sagte er, während er die Päcke und Briefschaften Heranswarf, Ihr werdet von einem guten Franzosen hente wohl nicht verlangen, daß er klare Augen hat. Teufel, da fällt mir ein: ich habe ja mich einen Passagier! Eine russische Gräfin oder so etwas. Wenn die nur das Laufen nicht verlernt hat! Ist seit Verdun mit keinem Bein ans dem Wagen gekommen. Aus purer Angst vor den Patrioten. Als ob man bei uns Zeit hätte, sich mit russischen Gräfinnen abzugeben! Ehe wir mit unsern eignen Aristokraten nicht fertig sind, fangen wir mit Ausländern nicht um. Das Hemde ist uns näher als der Rock, und Ordnung ist das halbe Leben. Er riß den Kutschenschlag auf, dessen Fenster dicht verhängt war, und rief in das Innere: Madame, nun können Sie sich beruhigen, wir sind auf kurtrierischem Boden. Also heraus, wenns gefällig ist, und wenn Sie nicht wollen/daß ich Sie wieder mit nach Frankreich nehme. Mit Ihrer gütigen Erlaubnis werde ich einen Dvppel- korn auf Ihr Wohl und eine glückliche Weiterreise trinken. Eine alte, vornehm aussehende Dame mit schneeweißem Haar streckte den Kopf ans der Kutsche und fragte, indem sie die Umstehenden mit ängstlichen Blicken musterte: Meine Herren, darf ich Sie um die Gefälligkeit bitten, mir zu sagen, wo ich mich befinde? In Perl, Madame, antwortete der Postmeister, indem er sich einer Hutschachtel bemächtigte. Ist das ein deutscher Ort? Gewiß, Madame. Kurtrierisch. Sagen Sie mir auch die Wahrheit? Statt aller Antwort wies der Gefragte auf das Wappen über der Tür der Posthalterei. Die alte Dame folgte mit den Augen der angedeuteten Richtung, nickte lebhaft, als sie das rote Kreuz und den Kurhut wahrnahm, und sagte: Gott und allen Heiligen sei Dank! Ich bin in Sicherheit. Ach, wenn Sie wüßten, was ich erduldet habe! Ich komme von Paris. Das entsetzliche Volk hat seinen König getötet — bitte auch noch die Reisetasche! —hingeschlachtet wie ein Opfertier. Ich habe Menschen gesehen, die ihre Hände in sein Blut getaucht hatten und wie Wahnsinnige durch die Straßen tanzten — bitte, holen Sie den Koffer recht behutsam herunter, es sind ein Paar Sevres-Tassen darin! —, durch die Straßen, die an jenem furchtbaren Morgen ein dichter Nebel bedeckte, als hätte der Himmel sein Antlitz verhüllen wollen. Die Toren! Sie dachten einen Feind der Freiheit zu morden und nhuten nicht, daß aus jedem Tropfen vergossenen Bluts ein Tyrann emporwachsen wird, tausendmal schlimmer und grausamer, als der schlimmste Autokrat es sein kann! Sie war inzwischen ausgestiegen und hatte, während sie eifrig sprach, damit begonnen, ihre Gepäckstücke zusammenzulesen. Aber sie schien niemals fertig werden zu können, bald vermißte sie eine Hutschachtel, bald eine Decke, bald suchte sie ein Riechfläschchen, von dem sie behauptete, daß es hinter das Polster des Sitzes ge¬ glitten sein müsse, bald durchwühlte sie das Stroh, mit dem der Boden des Wagens überschüttet war, nach einem Verlornen Handschuh. Und dabei wurde sie nicht müde, Einzelheiten aus den Pariser Schreckenstngen zu berichten und dem Himmel für ihre eigne Errettung zu danken. Der Marquis stand noch immer auf demselben Fleck und sah der beweglichen alten Dame bei ihrer Tätigkeit zu, ohne ein Glied zu rege». Von dem, was sie sprach, und was die andern sie fragten, hörte er nichts. In seinem Ohre klangen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/316>, abgerufen am 01.09.2024.