Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

zieht, daß Sachsen mehr und mehr zu einem industriellen Lande geworden ist, so
erscheint das Begehren von Industrie und Handel nach einer angemcsseuern Ver¬
tretung, das sich jetzt in dem Wunsche nach Vermehrung der städtischen Wahlkreise
gegenüber den ländlichen äußert, nicht unbillig. Jedoch man darf wohl deswegen
die Gruppe ^ I denen von R (Z noch nicht völlig gleichstellen. Sie verdient jedenfalls
weniger wegen ihrer Zahl als wegen der großen Wichtigkeit einer gesunden Land¬
wirtschaft auch in unserm industriellen Lande much jetzt noch eine etwas erhöhte
Berücksichtigung, zumal da sich die selbständigen Gewerbetreibenden auf drei Gruppen
verteilen. Dagegen kommen die Gruppen ^ II und ^ III in ihrer Bedeutung den
andern allerdings nicht gleich. Hiernach ließe sich vielleicht an eine Verteilung der
bisherigen Zahl von 82 Abgeordneten in folgender Weise denken: ^ I 14 Ab¬
geordnete, ^ II und III je 4, L C I--V und H! je 10.

Nach diesem Beispiel -- ich möchte noch einmal ganz ausdrücklich betonen, das;
es nicht mehr sein soll -- wäre jeder der Ständcgruppen eine angemessene Ver¬
tretung unbedingt gesichert; auch die Arbeiterschaft hätte sie wieder in einer ihr
gewissen Zahl, und zwar wirklich durch Arbeiter, während einem zu weitgehenden
Eintritt berufsmäßiger svzialdemokratischer Agitatoren wohl vorgebeugt wäre. Die
Verteilung aller Wahlberechtigten ans die Gruppen müßte aber, durch eine geeignete
Organisation geregelt, ebenso gut möglich sein, wie sie dem Statistischen Bureau
R. F. v. gelingt; jedenfalls ist sie keine unüberwindliche Schwierigkeit.


Soziale Frauenarbeit.

Alice Salomon hat eine Reihe von Vorträgen
unter dem Titel Soziale Frauenpflichten (Berlin, Otto Liebmann, 1902)
herausgegeben. Sie wendet sich gegen die Übertreibungen der Frauenrechtlerinnen,
glaubt aber mit Recht, daß die soziale Arbeit ein Gebiet sei, ans dem die Frau
dem Manne überlegen ist, und daß die Frauen, indem sie sich diesem Gebiete zu¬
wendeten, die ihnen aus deu heutigen Verhältnissen erwachsende Mission erfüllen
würden. Die Mädchen der höhern und der mittlern Stände sollen in der Schule
lernen, daß sie für den Staat, den Elend und Verbrechen gefährden, der aber
ihnen Recht und Ordnung, Schutz und Sicherheit gewährt, auch etwas zu leisten
verpflichtet siud. Sie beginnt mit den englischen settlements (Niederlassungen von
gebildeten Männern und Frauen in Proletariervierteln nach dem Muster von
Toyubee-Hall), einer Art von sozialer Hilfe, die in Deutschland nicht angebracht
sei, weil wir glücklicherweise große Stadtteile, wo auch nicht ein anständiger und
zu sozialer Hilfe befähigter Mensch wohnte, nicht haben, und zeigt, wie sich die
Frau in der Armenpflege, durch Überwachung des Frauen- und Kiuderschutzes und
durch Förderung der Orgnnisationsbestrebungen der Arbeiterinnen nützlich machen
könne; die Frauen, deren Hauptleiter der Maugel an nützlicher Beschäftigung sei,
sollten den Schwestern zu Hilfe kommen, die als Hausmütter und Fabrikarbeiterinnen
unter der Last doppelter Berufsarbeit seufzen. Das Bestreben, der verheirateten
Frau die Fabrik zu verbieten, bekämpft sie; ohne Not und zum Vergnügen gehe
keine in die Fabrik; das einzige Mittel, die aus solcher Notwendigkeit entspringenden
Übel zu mildern, sei Vervollständigung der Schutzgesetze, namentlich für die Zeit
der Schwangerschaft und des Wochenbetts. Zur städtischen Armenpflege werden
die Frauen jetzt schon amtlich herangezogen; den Anfang haben Danzig, Stolp,
Posen, Glogau, Mannheim, Erfurt, Kolmar, Bonn und Bremen gemacht. Im
Schlußkapitel wird dargestellt, wie die Frauen ihre Macht als Käuferinnen zum
Besten der arbeitenden Klassen ausüben können, indem sie nur in solchen Ge¬
schäften kaufen, die ihren Arbeiter" und Arbeiterinnen anständige Bedingungen
gewähren, und indem sie durch Bekämpfung der Nachlässigkeit im Bezahlen und durch
Verzicht auf die Preisdrückerei die Kvnsumentenmvral verbessern. Das Büchlein ist
zu empfehlen.


Zwei didaktische Mnsternovcllcn.

In unsrer Schülerbibliothek war eins
der gelesensten Bücher Beckers "Charikles." Der Einfall, das Reisewesen in alt-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

zieht, daß Sachsen mehr und mehr zu einem industriellen Lande geworden ist, so
erscheint das Begehren von Industrie und Handel nach einer angemcsseuern Ver¬
tretung, das sich jetzt in dem Wunsche nach Vermehrung der städtischen Wahlkreise
gegenüber den ländlichen äußert, nicht unbillig. Jedoch man darf wohl deswegen
die Gruppe ^ I denen von R (Z noch nicht völlig gleichstellen. Sie verdient jedenfalls
weniger wegen ihrer Zahl als wegen der großen Wichtigkeit einer gesunden Land¬
wirtschaft auch in unserm industriellen Lande much jetzt noch eine etwas erhöhte
Berücksichtigung, zumal da sich die selbständigen Gewerbetreibenden auf drei Gruppen
verteilen. Dagegen kommen die Gruppen ^ II und ^ III in ihrer Bedeutung den
andern allerdings nicht gleich. Hiernach ließe sich vielleicht an eine Verteilung der
bisherigen Zahl von 82 Abgeordneten in folgender Weise denken: ^ I 14 Ab¬
geordnete, ^ II und III je 4, L C I—V und H! je 10.

Nach diesem Beispiel — ich möchte noch einmal ganz ausdrücklich betonen, das;
es nicht mehr sein soll — wäre jeder der Ständcgruppen eine angemessene Ver¬
tretung unbedingt gesichert; auch die Arbeiterschaft hätte sie wieder in einer ihr
gewissen Zahl, und zwar wirklich durch Arbeiter, während einem zu weitgehenden
Eintritt berufsmäßiger svzialdemokratischer Agitatoren wohl vorgebeugt wäre. Die
Verteilung aller Wahlberechtigten ans die Gruppen müßte aber, durch eine geeignete
Organisation geregelt, ebenso gut möglich sein, wie sie dem Statistischen Bureau
R. F. v. gelingt; jedenfalls ist sie keine unüberwindliche Schwierigkeit.


Soziale Frauenarbeit.

Alice Salomon hat eine Reihe von Vorträgen
unter dem Titel Soziale Frauenpflichten (Berlin, Otto Liebmann, 1902)
herausgegeben. Sie wendet sich gegen die Übertreibungen der Frauenrechtlerinnen,
glaubt aber mit Recht, daß die soziale Arbeit ein Gebiet sei, ans dem die Frau
dem Manne überlegen ist, und daß die Frauen, indem sie sich diesem Gebiete zu¬
wendeten, die ihnen aus deu heutigen Verhältnissen erwachsende Mission erfüllen
würden. Die Mädchen der höhern und der mittlern Stände sollen in der Schule
lernen, daß sie für den Staat, den Elend und Verbrechen gefährden, der aber
ihnen Recht und Ordnung, Schutz und Sicherheit gewährt, auch etwas zu leisten
verpflichtet siud. Sie beginnt mit den englischen settlements (Niederlassungen von
gebildeten Männern und Frauen in Proletariervierteln nach dem Muster von
Toyubee-Hall), einer Art von sozialer Hilfe, die in Deutschland nicht angebracht
sei, weil wir glücklicherweise große Stadtteile, wo auch nicht ein anständiger und
zu sozialer Hilfe befähigter Mensch wohnte, nicht haben, und zeigt, wie sich die
Frau in der Armenpflege, durch Überwachung des Frauen- und Kiuderschutzes und
durch Förderung der Orgnnisationsbestrebungen der Arbeiterinnen nützlich machen
könne; die Frauen, deren Hauptleiter der Maugel an nützlicher Beschäftigung sei,
sollten den Schwestern zu Hilfe kommen, die als Hausmütter und Fabrikarbeiterinnen
unter der Last doppelter Berufsarbeit seufzen. Das Bestreben, der verheirateten
Frau die Fabrik zu verbieten, bekämpft sie; ohne Not und zum Vergnügen gehe
keine in die Fabrik; das einzige Mittel, die aus solcher Notwendigkeit entspringenden
Übel zu mildern, sei Vervollständigung der Schutzgesetze, namentlich für die Zeit
der Schwangerschaft und des Wochenbetts. Zur städtischen Armenpflege werden
die Frauen jetzt schon amtlich herangezogen; den Anfang haben Danzig, Stolp,
Posen, Glogau, Mannheim, Erfurt, Kolmar, Bonn und Bremen gemacht. Im
Schlußkapitel wird dargestellt, wie die Frauen ihre Macht als Käuferinnen zum
Besten der arbeitenden Klassen ausüben können, indem sie nur in solchen Ge¬
schäften kaufen, die ihren Arbeiter» und Arbeiterinnen anständige Bedingungen
gewähren, und indem sie durch Bekämpfung der Nachlässigkeit im Bezahlen und durch
Verzicht auf die Preisdrückerei die Kvnsumentenmvral verbessern. Das Büchlein ist
zu empfehlen.


Zwei didaktische Mnsternovcllcn.

In unsrer Schülerbibliothek war eins
der gelesensten Bücher Beckers „Charikles." Der Einfall, das Reisewesen in alt-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241470"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1059" prev="#ID_1058"> zieht, daß Sachsen mehr und mehr zu einem industriellen Lande geworden ist, so<lb/>
erscheint das Begehren von Industrie und Handel nach einer angemcsseuern Ver¬<lb/>
tretung, das sich jetzt in dem Wunsche nach Vermehrung der städtischen Wahlkreise<lb/>
gegenüber den ländlichen äußert, nicht unbillig. Jedoch man darf wohl deswegen<lb/>
die Gruppe ^ I denen von R (Z noch nicht völlig gleichstellen. Sie verdient jedenfalls<lb/>
weniger wegen ihrer Zahl als wegen der großen Wichtigkeit einer gesunden Land¬<lb/>
wirtschaft auch in unserm industriellen Lande much jetzt noch eine etwas erhöhte<lb/>
Berücksichtigung, zumal da sich die selbständigen Gewerbetreibenden auf drei Gruppen<lb/>
verteilen. Dagegen kommen die Gruppen ^ II und ^ III in ihrer Bedeutung den<lb/>
andern allerdings nicht gleich. Hiernach ließe sich vielleicht an eine Verteilung der<lb/>
bisherigen Zahl von 82 Abgeordneten in folgender Weise denken: ^ I 14 Ab¬<lb/>
geordnete, ^ II und III je 4, L C I&#x2014;V und H! je 10.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1060"> Nach diesem Beispiel &#x2014; ich möchte noch einmal ganz ausdrücklich betonen, das;<lb/>
es nicht mehr sein soll &#x2014; wäre jeder der Ständcgruppen eine angemessene Ver¬<lb/>
tretung unbedingt gesichert; auch die Arbeiterschaft hätte sie wieder in einer ihr<lb/>
gewissen Zahl, und zwar wirklich durch Arbeiter, während einem zu weitgehenden<lb/>
Eintritt berufsmäßiger svzialdemokratischer Agitatoren wohl vorgebeugt wäre. Die<lb/>
Verteilung aller Wahlberechtigten ans die Gruppen müßte aber, durch eine geeignete<lb/>
Organisation geregelt, ebenso gut möglich sein, wie sie dem Statistischen Bureau<lb/><note type="byline"> R. F. v.</note> gelingt; jedenfalls ist sie keine unüberwindliche Schwierigkeit. </p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Soziale Frauenarbeit.</head>
            <p xml:id="ID_1061"> Alice Salomon hat eine Reihe von Vorträgen<lb/>
unter dem Titel Soziale Frauenpflichten (Berlin, Otto Liebmann, 1902)<lb/>
herausgegeben. Sie wendet sich gegen die Übertreibungen der Frauenrechtlerinnen,<lb/>
glaubt aber mit Recht, daß die soziale Arbeit ein Gebiet sei, ans dem die Frau<lb/>
dem Manne überlegen ist, und daß die Frauen, indem sie sich diesem Gebiete zu¬<lb/>
wendeten, die ihnen aus deu heutigen Verhältnissen erwachsende Mission erfüllen<lb/>
würden. Die Mädchen der höhern und der mittlern Stände sollen in der Schule<lb/>
lernen, daß sie für den Staat, den Elend und Verbrechen gefährden, der aber<lb/>
ihnen Recht und Ordnung, Schutz und Sicherheit gewährt, auch etwas zu leisten<lb/>
verpflichtet siud. Sie beginnt mit den englischen settlements (Niederlassungen von<lb/>
gebildeten Männern und Frauen in Proletariervierteln nach dem Muster von<lb/>
Toyubee-Hall), einer Art von sozialer Hilfe, die in Deutschland nicht angebracht<lb/>
sei, weil wir glücklicherweise große Stadtteile, wo auch nicht ein anständiger und<lb/>
zu sozialer Hilfe befähigter Mensch wohnte, nicht haben, und zeigt, wie sich die<lb/>
Frau in der Armenpflege, durch Überwachung des Frauen- und Kiuderschutzes und<lb/>
durch Förderung der Orgnnisationsbestrebungen der Arbeiterinnen nützlich machen<lb/>
könne; die Frauen, deren Hauptleiter der Maugel an nützlicher Beschäftigung sei,<lb/>
sollten den Schwestern zu Hilfe kommen, die als Hausmütter und Fabrikarbeiterinnen<lb/>
unter der Last doppelter Berufsarbeit seufzen. Das Bestreben, der verheirateten<lb/>
Frau die Fabrik zu verbieten, bekämpft sie; ohne Not und zum Vergnügen gehe<lb/>
keine in die Fabrik; das einzige Mittel, die aus solcher Notwendigkeit entspringenden<lb/>
Übel zu mildern, sei Vervollständigung der Schutzgesetze, namentlich für die Zeit<lb/>
der Schwangerschaft und des Wochenbetts. Zur städtischen Armenpflege werden<lb/>
die Frauen jetzt schon amtlich herangezogen; den Anfang haben Danzig, Stolp,<lb/>
Posen, Glogau, Mannheim, Erfurt, Kolmar, Bonn und Bremen gemacht. Im<lb/>
Schlußkapitel wird dargestellt, wie die Frauen ihre Macht als Käuferinnen zum<lb/>
Besten der arbeitenden Klassen ausüben können, indem sie nur in solchen Ge¬<lb/>
schäften kaufen, die ihren Arbeiter» und Arbeiterinnen anständige Bedingungen<lb/>
gewähren, und indem sie durch Bekämpfung der Nachlässigkeit im Bezahlen und durch<lb/>
Verzicht auf die Preisdrückerei die Kvnsumentenmvral verbessern. Das Büchlein ist<lb/>
zu empfehlen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Zwei didaktische Mnsternovcllcn.</head>
            <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> In unsrer Schülerbibliothek war eins<lb/>
der gelesensten Bücher Beckers &#x201E;Charikles."  Der Einfall, das Reisewesen in alt-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0256] Maßgebliches und Unmaßgebliches zieht, daß Sachsen mehr und mehr zu einem industriellen Lande geworden ist, so erscheint das Begehren von Industrie und Handel nach einer angemcsseuern Ver¬ tretung, das sich jetzt in dem Wunsche nach Vermehrung der städtischen Wahlkreise gegenüber den ländlichen äußert, nicht unbillig. Jedoch man darf wohl deswegen die Gruppe ^ I denen von R (Z noch nicht völlig gleichstellen. Sie verdient jedenfalls weniger wegen ihrer Zahl als wegen der großen Wichtigkeit einer gesunden Land¬ wirtschaft auch in unserm industriellen Lande much jetzt noch eine etwas erhöhte Berücksichtigung, zumal da sich die selbständigen Gewerbetreibenden auf drei Gruppen verteilen. Dagegen kommen die Gruppen ^ II und ^ III in ihrer Bedeutung den andern allerdings nicht gleich. Hiernach ließe sich vielleicht an eine Verteilung der bisherigen Zahl von 82 Abgeordneten in folgender Weise denken: ^ I 14 Ab¬ geordnete, ^ II und III je 4, L C I—V und H! je 10. Nach diesem Beispiel — ich möchte noch einmal ganz ausdrücklich betonen, das; es nicht mehr sein soll — wäre jeder der Ständcgruppen eine angemessene Ver¬ tretung unbedingt gesichert; auch die Arbeiterschaft hätte sie wieder in einer ihr gewissen Zahl, und zwar wirklich durch Arbeiter, während einem zu weitgehenden Eintritt berufsmäßiger svzialdemokratischer Agitatoren wohl vorgebeugt wäre. Die Verteilung aller Wahlberechtigten ans die Gruppen müßte aber, durch eine geeignete Organisation geregelt, ebenso gut möglich sein, wie sie dem Statistischen Bureau R. F. v. gelingt; jedenfalls ist sie keine unüberwindliche Schwierigkeit. Soziale Frauenarbeit. Alice Salomon hat eine Reihe von Vorträgen unter dem Titel Soziale Frauenpflichten (Berlin, Otto Liebmann, 1902) herausgegeben. Sie wendet sich gegen die Übertreibungen der Frauenrechtlerinnen, glaubt aber mit Recht, daß die soziale Arbeit ein Gebiet sei, ans dem die Frau dem Manne überlegen ist, und daß die Frauen, indem sie sich diesem Gebiete zu¬ wendeten, die ihnen aus deu heutigen Verhältnissen erwachsende Mission erfüllen würden. Die Mädchen der höhern und der mittlern Stände sollen in der Schule lernen, daß sie für den Staat, den Elend und Verbrechen gefährden, der aber ihnen Recht und Ordnung, Schutz und Sicherheit gewährt, auch etwas zu leisten verpflichtet siud. Sie beginnt mit den englischen settlements (Niederlassungen von gebildeten Männern und Frauen in Proletariervierteln nach dem Muster von Toyubee-Hall), einer Art von sozialer Hilfe, die in Deutschland nicht angebracht sei, weil wir glücklicherweise große Stadtteile, wo auch nicht ein anständiger und zu sozialer Hilfe befähigter Mensch wohnte, nicht haben, und zeigt, wie sich die Frau in der Armenpflege, durch Überwachung des Frauen- und Kiuderschutzes und durch Förderung der Orgnnisationsbestrebungen der Arbeiterinnen nützlich machen könne; die Frauen, deren Hauptleiter der Maugel an nützlicher Beschäftigung sei, sollten den Schwestern zu Hilfe kommen, die als Hausmütter und Fabrikarbeiterinnen unter der Last doppelter Berufsarbeit seufzen. Das Bestreben, der verheirateten Frau die Fabrik zu verbieten, bekämpft sie; ohne Not und zum Vergnügen gehe keine in die Fabrik; das einzige Mittel, die aus solcher Notwendigkeit entspringenden Übel zu mildern, sei Vervollständigung der Schutzgesetze, namentlich für die Zeit der Schwangerschaft und des Wochenbetts. Zur städtischen Armenpflege werden die Frauen jetzt schon amtlich herangezogen; den Anfang haben Danzig, Stolp, Posen, Glogau, Mannheim, Erfurt, Kolmar, Bonn und Bremen gemacht. Im Schlußkapitel wird dargestellt, wie die Frauen ihre Macht als Käuferinnen zum Besten der arbeitenden Klassen ausüben können, indem sie nur in solchen Ge¬ schäften kaufen, die ihren Arbeiter» und Arbeiterinnen anständige Bedingungen gewähren, und indem sie durch Bekämpfung der Nachlässigkeit im Bezahlen und durch Verzicht auf die Preisdrückerei die Kvnsumentenmvral verbessern. Das Büchlein ist zu empfehlen. Zwei didaktische Mnsternovcllcn. In unsrer Schülerbibliothek war eins der gelesensten Bücher Beckers „Charikles." Der Einfall, das Reisewesen in alt-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/256
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/256>, abgerufen am 25.11.2024.