Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches "ut Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Zur Reform des sächsischen Laudtagswahlrechts. Ein Nachwort zu dem Man darf auch annehmen, daß die Regierung selbst einer Erwägung über eine Ans diesen Erwägungen beruht es, wenn ich schon jetzt selbst den Versuch Wie die Ausführungen meines Aufsatzes darein, würde es für die Einführung Maßgebliches »ut Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Zur Reform des sächsischen Laudtagswahlrechts. Ein Nachwort zu dem Man darf auch annehmen, daß die Regierung selbst einer Erwägung über eine Ans diesen Erwägungen beruht es, wenn ich schon jetzt selbst den Versuch Wie die Ausführungen meines Aufsatzes darein, würde es für die Einführung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241467"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches »ut Unmaßgebliches</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Zur Reform des sächsischen Laudtagswahlrechts. </head> <p xml:id="ID_1043"> Ein Nachwort zu dem<lb/> Aufsatze „Kann Deutschland reiten?" lNr. 27.) Die Ergebnisse der letzten Reichstags-<lb/> wahlcn in Sachsen haben eine lebhafte Bewegung gegen das sächsische Landtags¬<lb/> wahlrecht vom 28. März 1896 angefacht. Die Gründe für den ungeheuerlichen<lb/> Ausfall der Wahlen sind zwar ganz gewiß nicht allein in einem „Proteste gegen<lb/> die Wnhlrechtsverschlechterung" zu suchen. Sie zu erörtern gehört aber nicht hierher.<lb/> Die Tatsache genügt, daß der Kampf um und meist gegen das sächsische Drei-<lb/> klassenwahlrccht immer lauter entbrennt, und daß dessen Beseitigung sogar schon als<lb/> Stichwort für die bevorstehenden Landtagswahlen ausgegeben worden ist. Dabei<lb/> sind die Träger dieser Bewegung durchaus nicht etwa bloß in den Kreisen zu suchen,<lb/> die den Ausfall der Reichstagswahlen veranlaßt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1044"> Man darf auch annehmen, daß die Regierung selbst einer Erwägung über eine<lb/> erneute Änderung des Wahlrechts durchaus nicht grundsätzlich abgeneigt ist. Mag<lb/> mau auch von dem Wahlrecht bei seiner Einführung andre Ergebnisse erwartet<lb/> haben, als es gezeitigt hat, so hat doch von Anfang an das Gefühl geherrscht, daß<lb/> eben in der gebvtnen Schnelligkeit das zunächst erreichbare Mittel ergriffen werden<lb/> müsse, um die Sitze der Sozinldemokratie nicht bei den nächsten Wahlen zu eiuer<lb/> Zahl anwachsen zu lasse», die ein verfassungsmäßiges Weiterarbeiten unmöglich<lb/> gemacht hätte. Jedenfalls darf man annehmen, daß es nicht der Wunsch der Re¬<lb/> gierung gewesen ist, der sogenannte „vierte Stand" solle fast gänzlich von<lb/> unmittelbarer Vertretung ausgeschlossen werden. Eine Wiedereinführung des vierten<lb/> Standes in den Landtag, aber durch wirkliche Vertreter aus seiner Mitte, nicht<lb/> durch Bernfsagitatoren, und unter Sicherung einer ihrer Bedeutung für das<lb/> Staatsleben angemeßnen Vertretung allerübrigen Stände, erscheint demnach als ein<lb/> Ziel, dem Negierung wie Volk gleichmäßig in gemeinsamer Arbeit zustreben können.<lb/> Bis jetzt ist trotz der Lebhaftigkeit der Bewegung noch keine der nationalen<lb/> Parteien mit einem klaren Vorschlage hervorgetreten. Eine Wiedereinführung des<lb/> allgemeinen gleichen Wahlrechts ist selbstverständlich ganz ausgeschlossen, vollends in<lb/> der von der Sozialdemokratie gewünschten Form der „Proportivnalwahlen." Deshalb<lb/> liegt die Anregung nahe, ob man in Sachsen den weitgehendsten Wünschen ent¬<lb/> gegenkommen, geradezu auf das allgemeine direkte Wahlrecht zurückgreifen, es aber<lb/> durch verständige Gliederung nach BerufSstäuden tauglich für die Bildung einer<lb/> regierungsfähigen zweiten Kammer machen könnte. Für Sachsen, das jetzt in der<lb/> Lage ist, in ruhiger Erwägung einen Plan reifen zu lassen, dessen Durchführung<lb/> in jedem Falle eine freiheitlichere Gestaltung des Wahlrechts schaffen, würde, winkt<lb/> zugleich das Verdienst, ein Beispiel für das Reich zu geben und einen Beweis zu<lb/> führen, wie man ein allgemeines gleiches direktes Wahlrecht so gestalten kann, daß<lb/> es doch die berechtigten Interessen ebensowohl des Staats wie aller Bevölkerungs¬<lb/> kreise wahrt und ein regierungsfähiges Abgeordnetenhaus gewährleistet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1045"> Ans diesen Erwägungen beruht es, wenn ich schon jetzt selbst den Versuch<lb/> unternehme. von den für das Reich berechneten Ausführungen meines Aufsatzes<lb/> „Kann Deutschland reiten?" die Nutzanwendung für sächsische Verhältnisse zu ziehen.<lb/> Sie soll weniger ein Vorschlag als ein Beispiel dafür sein, in welcher Weise etwa<lb/> die Gestaltung eines ständischen Wahlrechts erfolgen könnte, denn es unterliegt keinem<lb/> Zweifel, daß sowohl die Einteilung sämtlicher Wahlberechtigten in Ständegruppen<lb/> wie die Verteilung der Abgeordnetenzahl aus die Ständegruppen in der verschiedensten<lb/> Weise erfolgen kaun, daß auch die Beschreibung der Ständegrnppen nicht ohne<lb/> Schwierigkeit ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1046" next="#ID_1047"> Wie die Ausführungen meines Aufsatzes darein, würde es für die Einführung<lb/> eines Stttndewahlrechts von Bedeutung sein, daß es an bestehende Organisationen<lb/> ""knüpfen kann. Für Sachsen bietet sich dazu jedenfalls leichter Gelegenheit als für<lb/> das Reich, weil einmal die bestehenden Organisationen im ganzen Lande gleichmäßig<lb/> sind, zum andern much die jedenfalls viel beschränktere Zahl der Abgeordneten — auch</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0253]
Maßgebliches »ut Unmaßgebliches
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Zur Reform des sächsischen Laudtagswahlrechts. Ein Nachwort zu dem
Aufsatze „Kann Deutschland reiten?" lNr. 27.) Die Ergebnisse der letzten Reichstags-
wahlcn in Sachsen haben eine lebhafte Bewegung gegen das sächsische Landtags¬
wahlrecht vom 28. März 1896 angefacht. Die Gründe für den ungeheuerlichen
Ausfall der Wahlen sind zwar ganz gewiß nicht allein in einem „Proteste gegen
die Wnhlrechtsverschlechterung" zu suchen. Sie zu erörtern gehört aber nicht hierher.
Die Tatsache genügt, daß der Kampf um und meist gegen das sächsische Drei-
klassenwahlrccht immer lauter entbrennt, und daß dessen Beseitigung sogar schon als
Stichwort für die bevorstehenden Landtagswahlen ausgegeben worden ist. Dabei
sind die Träger dieser Bewegung durchaus nicht etwa bloß in den Kreisen zu suchen,
die den Ausfall der Reichstagswahlen veranlaßt haben.
Man darf auch annehmen, daß die Regierung selbst einer Erwägung über eine
erneute Änderung des Wahlrechts durchaus nicht grundsätzlich abgeneigt ist. Mag
mau auch von dem Wahlrecht bei seiner Einführung andre Ergebnisse erwartet
haben, als es gezeitigt hat, so hat doch von Anfang an das Gefühl geherrscht, daß
eben in der gebvtnen Schnelligkeit das zunächst erreichbare Mittel ergriffen werden
müsse, um die Sitze der Sozinldemokratie nicht bei den nächsten Wahlen zu eiuer
Zahl anwachsen zu lasse», die ein verfassungsmäßiges Weiterarbeiten unmöglich
gemacht hätte. Jedenfalls darf man annehmen, daß es nicht der Wunsch der Re¬
gierung gewesen ist, der sogenannte „vierte Stand" solle fast gänzlich von
unmittelbarer Vertretung ausgeschlossen werden. Eine Wiedereinführung des vierten
Standes in den Landtag, aber durch wirkliche Vertreter aus seiner Mitte, nicht
durch Bernfsagitatoren, und unter Sicherung einer ihrer Bedeutung für das
Staatsleben angemeßnen Vertretung allerübrigen Stände, erscheint demnach als ein
Ziel, dem Negierung wie Volk gleichmäßig in gemeinsamer Arbeit zustreben können.
Bis jetzt ist trotz der Lebhaftigkeit der Bewegung noch keine der nationalen
Parteien mit einem klaren Vorschlage hervorgetreten. Eine Wiedereinführung des
allgemeinen gleichen Wahlrechts ist selbstverständlich ganz ausgeschlossen, vollends in
der von der Sozialdemokratie gewünschten Form der „Proportivnalwahlen." Deshalb
liegt die Anregung nahe, ob man in Sachsen den weitgehendsten Wünschen ent¬
gegenkommen, geradezu auf das allgemeine direkte Wahlrecht zurückgreifen, es aber
durch verständige Gliederung nach BerufSstäuden tauglich für die Bildung einer
regierungsfähigen zweiten Kammer machen könnte. Für Sachsen, das jetzt in der
Lage ist, in ruhiger Erwägung einen Plan reifen zu lassen, dessen Durchführung
in jedem Falle eine freiheitlichere Gestaltung des Wahlrechts schaffen, würde, winkt
zugleich das Verdienst, ein Beispiel für das Reich zu geben und einen Beweis zu
führen, wie man ein allgemeines gleiches direktes Wahlrecht so gestalten kann, daß
es doch die berechtigten Interessen ebensowohl des Staats wie aller Bevölkerungs¬
kreise wahrt und ein regierungsfähiges Abgeordnetenhaus gewährleistet.
Ans diesen Erwägungen beruht es, wenn ich schon jetzt selbst den Versuch
unternehme. von den für das Reich berechneten Ausführungen meines Aufsatzes
„Kann Deutschland reiten?" die Nutzanwendung für sächsische Verhältnisse zu ziehen.
Sie soll weniger ein Vorschlag als ein Beispiel dafür sein, in welcher Weise etwa
die Gestaltung eines ständischen Wahlrechts erfolgen könnte, denn es unterliegt keinem
Zweifel, daß sowohl die Einteilung sämtlicher Wahlberechtigten in Ständegruppen
wie die Verteilung der Abgeordnetenzahl aus die Ständegruppen in der verschiedensten
Weise erfolgen kaun, daß auch die Beschreibung der Ständegrnppen nicht ohne
Schwierigkeit ist.
Wie die Ausführungen meines Aufsatzes darein, würde es für die Einführung
eines Stttndewahlrechts von Bedeutung sein, daß es an bestehende Organisationen
""knüpfen kann. Für Sachsen bietet sich dazu jedenfalls leichter Gelegenheit als für
das Reich, weil einmal die bestehenden Organisationen im ganzen Lande gleichmäßig
sind, zum andern much die jedenfalls viel beschränktere Zahl der Abgeordneten — auch
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