Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Deutsche Rechtsaltertiuner in unsrer heutigen deutschen Sprache prutloukt oder drutlontt) für "Hochzeit" oder "Trauung," der z. B, auch noch Schon frühzeitig sind auch bei dem Eheschließungsakte mancherlei sym¬ Deutsche Rechtsaltertiuner in unsrer heutigen deutschen Sprache prutloukt oder drutlontt) für „Hochzeit" oder „Trauung," der z. B, auch noch Schon frühzeitig sind auch bei dem Eheschließungsakte mancherlei sym¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241453"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Rechtsaltertiuner in unsrer heutigen deutschen Sprache</fw><lb/> <p xml:id="ID_951" prev="#ID_950"> prutloukt oder drutlontt) für „Hochzeit" oder „Trauung," der z. B, auch noch<lb/> in Schillers „Tell" zu finden ist. Dieses auch den nordischen Sprachen geläufige<lb/> Wort ist nämlich nicht etwa von „loben, verloben," sondern von „laufen"<lb/> (eurrorv) abzuleiten, weil ursprünglich der Bräutigam wirklich hinter der davon¬<lb/> eilenden Braut herlief.</p><lb/> <p xml:id="ID_952" next="#ID_953"> Schon frühzeitig sind auch bei dem Eheschließungsakte mancherlei sym¬<lb/> bolische Formen gebräuchlich gewesen, von denen sich setzt fast nur noch das,<lb/> übrigens erst verhältnismäßig spät aufgekvmmne Ningwechseln als allgemein<lb/> geübte Sitte erhalten hat. In manchen Wendungen unsrer Sprache spiegeln<lb/> sich aber noch andre, ältere Gebräuche solcher Art wieder. So pflegt noch<lb/> heute der Freier seine zukünftigen Schwiegereltern darum zu bitten, ihm „die<lb/> Hand" ihrer Tochter „zu geben," obwohl das früher angewandte Symbol<lb/> des Jneinanderfügens der Hände des Brautpaars nicht mehr üblich ist. Auch<lb/> gWt wohl mancher dem jungen Ehemanne den guten Rat, rechtzeitig die Zügel<lb/> des ehelichen Regiments fest in die Hand zu nehmen, um nicht „unter den<lb/> Pantoffel" zu „kommen," wenn ihm auch meist der Ursprung dieser<lb/> Redensart völlig unbekannt sein wird. Einst war nämlich der Pantoffel oder<lb/> vielmehr der Schuh — denn erst die Modenarren des ausgehenden Mittelalters<lb/> haben den welschen Namen eingeführt — nicht etwa ein Sinnbild für die<lb/> Herrschaft der Fran über den Mann, sondern gerade umgekehrt das Symbol<lb/> der Machtgewalt des Ehemanns, das zunächst namentlich zur Verdeutlichung<lb/> des Übergangs der väterlichen Vormundschaft über das Mädchen auf den Gatten<lb/> verwandt wurde. Wie im Norden bei der Adoption (der die Ehe im ältern<lb/> Rechtsleben überhaupt vielfach analog behandelt wird) der in den Geschlechts-<lb/> verbnnd Aufzunehmende nach dem „Wahlvater" in dessen Schuh treten mußte<lb/> (wozu vielleicht unsre Redensart „in jemandes Fußstapfen treten" in Be¬<lb/> gehung gesetzt werden könnte), so ist Wohl auch am Hochzeitstage ehemals die<lb/> Frau in den Schuh des Mannes getreten. An diese Rechtssitte erinnert anch noch<lb/> der in manchen Gegenden ans dem Lande bestehende Brauch, die Braut mit<lb/> Schuhen zu beschenken. Da nun aber der Bedeutung der Zeremonie zum Trotze<lb/> w Wirklichkeit häufig genug nicht der Mann, sondern gerade die Frau die<lb/> Herrschaft im Hause an sich gerissen oder — wie das Volk ironisch sagt<lb/> „die Hosen angehabt" haben wird, so mag sich nach und nach der Sinn unsrer<lb/> Redensart vom „Pantoffelregiment," das die Gattin über den „Pantoffelhelden"<lb/> führt, ausgebildet haben. Verständlicher erscheint es uus, daß man eine junge<lb/> Frau immer noch „unter die Haube kommen" läßt, obgleich das Tragen<lb/> von Hauben, unter die einst das germanische Weib das bis zum Hochzeitstage<lb/> frei getragne, dann erst aufgebuudue Haar zu verbergen pflegte, bei unsern Haus¬<lb/> frauen nun auch schon längst ziemlich „unmodern" geworden ist. Wer geschickt<lb/> darin war, ein Mädchen „unter die Haube zubringen," es mit einem Manne<lb/> zu vereinigen, zu „kopulieren" oder, wie die ältere Sprache sich ausdrückte,<lb/> zusammen zu „kuppeln" (schon ahd. KuMvlo, !<>>j>n>>!n. fesseln, vereinigen), kurz<lb/> trotz etwa entgegenstehender Hindernisse Heiraten zu vermitteln, von dem sagen<lb/> Wir wohl scherzhaft, er habe „sich einen Kuppelpelz verdient." Auch<lb/> dieses ganz merkwürdige Wortbild darf man wohl aus dem altdeutschen Ehe-<lb/> ^ehe herleiten, und zwar aus der in der Periode des Frauenkaufs herrschenden<lb/> Sitte, daß der Mann dem Vater der Braut (oder ihrer Sippe) eine Gabe als<lb/> Kaufpreis, ursprünglich für die Überlassung der Braut, dann für die der inunt-<lb/> ichaftlichen Gewalt liber die Fran, darbrachte (das sog. „Wittum," ahd. ^la-urro,<lb/> ^ckvrQn, ahd. vicksnis, später „Mnntschatz"), die öfter, besonders in der ältesten<lb/> Zeit, wo die Jagd noch eine Hauptbeschäftigung war, in Pelze» erlegter Tiere<lb/> bestanden haben mag. Im Laufe der Zeiten hat übrigens diese Gabe den<lb/> freundlichern Charakter einer Zuwendung an die Braut selbst angenommen, die<lb/> ihr als Eigentum für die Wechselfälle des Lebens, namentlich auch nach dem<lb/> <-ode des Ehegatten verbleiben sollte. Darin liegt der Ursprung des noch heute,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0239]
Deutsche Rechtsaltertiuner in unsrer heutigen deutschen Sprache
prutloukt oder drutlontt) für „Hochzeit" oder „Trauung," der z. B, auch noch
in Schillers „Tell" zu finden ist. Dieses auch den nordischen Sprachen geläufige
Wort ist nämlich nicht etwa von „loben, verloben," sondern von „laufen"
(eurrorv) abzuleiten, weil ursprünglich der Bräutigam wirklich hinter der davon¬
eilenden Braut herlief.
Schon frühzeitig sind auch bei dem Eheschließungsakte mancherlei sym¬
bolische Formen gebräuchlich gewesen, von denen sich setzt fast nur noch das,
übrigens erst verhältnismäßig spät aufgekvmmne Ningwechseln als allgemein
geübte Sitte erhalten hat. In manchen Wendungen unsrer Sprache spiegeln
sich aber noch andre, ältere Gebräuche solcher Art wieder. So pflegt noch
heute der Freier seine zukünftigen Schwiegereltern darum zu bitten, ihm „die
Hand" ihrer Tochter „zu geben," obwohl das früher angewandte Symbol
des Jneinanderfügens der Hände des Brautpaars nicht mehr üblich ist. Auch
gWt wohl mancher dem jungen Ehemanne den guten Rat, rechtzeitig die Zügel
des ehelichen Regiments fest in die Hand zu nehmen, um nicht „unter den
Pantoffel" zu „kommen," wenn ihm auch meist der Ursprung dieser
Redensart völlig unbekannt sein wird. Einst war nämlich der Pantoffel oder
vielmehr der Schuh — denn erst die Modenarren des ausgehenden Mittelalters
haben den welschen Namen eingeführt — nicht etwa ein Sinnbild für die
Herrschaft der Fran über den Mann, sondern gerade umgekehrt das Symbol
der Machtgewalt des Ehemanns, das zunächst namentlich zur Verdeutlichung
des Übergangs der väterlichen Vormundschaft über das Mädchen auf den Gatten
verwandt wurde. Wie im Norden bei der Adoption (der die Ehe im ältern
Rechtsleben überhaupt vielfach analog behandelt wird) der in den Geschlechts-
verbnnd Aufzunehmende nach dem „Wahlvater" in dessen Schuh treten mußte
(wozu vielleicht unsre Redensart „in jemandes Fußstapfen treten" in Be¬
gehung gesetzt werden könnte), so ist Wohl auch am Hochzeitstage ehemals die
Frau in den Schuh des Mannes getreten. An diese Rechtssitte erinnert anch noch
der in manchen Gegenden ans dem Lande bestehende Brauch, die Braut mit
Schuhen zu beschenken. Da nun aber der Bedeutung der Zeremonie zum Trotze
w Wirklichkeit häufig genug nicht der Mann, sondern gerade die Frau die
Herrschaft im Hause an sich gerissen oder — wie das Volk ironisch sagt
„die Hosen angehabt" haben wird, so mag sich nach und nach der Sinn unsrer
Redensart vom „Pantoffelregiment," das die Gattin über den „Pantoffelhelden"
führt, ausgebildet haben. Verständlicher erscheint es uus, daß man eine junge
Frau immer noch „unter die Haube kommen" läßt, obgleich das Tragen
von Hauben, unter die einst das germanische Weib das bis zum Hochzeitstage
frei getragne, dann erst aufgebuudue Haar zu verbergen pflegte, bei unsern Haus¬
frauen nun auch schon längst ziemlich „unmodern" geworden ist. Wer geschickt
darin war, ein Mädchen „unter die Haube zubringen," es mit einem Manne
zu vereinigen, zu „kopulieren" oder, wie die ältere Sprache sich ausdrückte,
zusammen zu „kuppeln" (schon ahd. KuMvlo, !<>>j>n>>!n. fesseln, vereinigen), kurz
trotz etwa entgegenstehender Hindernisse Heiraten zu vermitteln, von dem sagen
Wir wohl scherzhaft, er habe „sich einen Kuppelpelz verdient." Auch
dieses ganz merkwürdige Wortbild darf man wohl aus dem altdeutschen Ehe-
^ehe herleiten, und zwar aus der in der Periode des Frauenkaufs herrschenden
Sitte, daß der Mann dem Vater der Braut (oder ihrer Sippe) eine Gabe als
Kaufpreis, ursprünglich für die Überlassung der Braut, dann für die der inunt-
ichaftlichen Gewalt liber die Fran, darbrachte (das sog. „Wittum," ahd. ^la-urro,
^ckvrQn, ahd. vicksnis, später „Mnntschatz"), die öfter, besonders in der ältesten
Zeit, wo die Jagd noch eine Hauptbeschäftigung war, in Pelze» erlegter Tiere
bestanden haben mag. Im Laufe der Zeiten hat übrigens diese Gabe den
freundlichern Charakter einer Zuwendung an die Braut selbst angenommen, die
ihr als Eigentum für die Wechselfälle des Lebens, namentlich auch nach dem
<-ode des Ehegatten verbleiben sollte. Darin liegt der Ursprung des noch heute,
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