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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Aamxf um den Weltmarkt

des internationalen Markes zum nationalen Markt nehmen. So ist in England,
dem ersten Lande, das in die Weltwirtschaft verflochten wurde, die Merkantil¬
politik, die von nationalen Voraussetzungen ausging, überwunden worden
und die Freihandelstheorie entstanden. Und je nachdem die andern euro¬
päischen Nationen mehr oder weniger in die Weltwirtschaft hineingezogen
wurden, neigen sie jetzt dem Freihandel oder seinein wirtschaftlichen Gegen¬
bilde, dem Schutzzoll, zu. Denn auch dieser ist in seiner wirtschaftlichen
Struktur nur verständlich, wenn man von dem Güterverkehr auf dem Welt¬
markt ausgeht. Der Schutzzoll, wie er in Deutschland und in den Vereinigten
Staaten zumeist begründet wird, soll nicht in der Abwehr fremder Gütermasseu
schlechthin bestehn, sondern er soll nur dem industriell rückständigen Volke die
Möglichkeit gewähren, den industriellen Vorsprung seines übermächtigen Gegners
einzuholen. Jetzt bewegt sich die ganze innere Wirtschaftspolitik der in den
Weltmarkt eingeschlossenen Völker um die beiden Pole des Freihandels und
des Schutzzolls. Damit können wir unsre Betrachtung schließen. Nicht die
innere Wirtschaftspolitik ist bei den modernen wirtschaftlichen Großmächten
das Treibende und das Maßgebende, es ist die äußere Handelspolitik. Sie
übt einen immer mächtiger werdenden Einfluß auf unser Denken und auf unser
wirtschaftliches Handel" aus, und wie in unsern Handelsverträgen nicht die eigne
Kraft die Entscheidung allein bringt -- er entsteht aus Druck und Gegendruck
Aett ist das Ergebnis eines internationalen Kampfes der beteiligten Staaten --,
so wird auch die nationale Wirtschaftspolitik durch den Druck, der von außen
durch die Handelspolitik ausgeübt wird, in ihrem Gange wesentlich beein¬
flußt. Wir werden es nun auch verstehn, daß, will man der Wirtschafts¬
geschichte Europas im letzte" Jahrhundert nachgehn, man nicht wie in frühern
Zeiten die nationale Wirtschaft zum Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen
kaun. Die Geschichte der äußern Handelspolitik erweitert sich jetzt zu der
der umern Wirtschaftspolitik.

Auch die Grundlage alles Volkslebens: die Vermehrung und die Ver¬
teilung der Bevölkerung innerhalb des Staatsgebiets wird vom Weltmarkt
aus entscheidend beeinflußt.

In den dem Weltmarkt angeschlossenen Staaten können wir übereinstimmend
folgende Grundzüge ihrer Entwicklung nachweisen: die Bevölkerung wächst
rasch an, so rasch, wie wir es in frühern Jahrhunderten nie beobachten konnte";
damit verschiebt sich der Nahrungsspielraum innerhalb der einzelnen Prodnktions-
gruppen. Die Zunahme der Bevölkerung verteilt sich ferner nicht gleichmäßig
über die verschiednen Berufe; Gewerbe und Handel nehmen eine immer steigende
Zahl voir Erwerbtütigen auf, die Landwirtschaft zeigt dagegen einen Stillstand,
der sogar manchmal in einen Rückgang übergeht.

Die wirtschaftliche" Folgen dieses Zustandes sind von weittragender Natur;
im einzelnen läßt sich jedoch nicht feststellen, welcher Anteil daran auf die
zunehmende Vevölkernngsdichtigkeit oder auf die Verflechtung der einheimische"
Produktion und Konsumtion mit dem Weltmarkt kommt. Am nächsten liegt
es wohl, zu sagen, daß eines die Ursache des andern ist, daß beide sich gegen¬
seitig beeinflussen.


Der Aamxf um den Weltmarkt

des internationalen Markes zum nationalen Markt nehmen. So ist in England,
dem ersten Lande, das in die Weltwirtschaft verflochten wurde, die Merkantil¬
politik, die von nationalen Voraussetzungen ausging, überwunden worden
und die Freihandelstheorie entstanden. Und je nachdem die andern euro¬
päischen Nationen mehr oder weniger in die Weltwirtschaft hineingezogen
wurden, neigen sie jetzt dem Freihandel oder seinein wirtschaftlichen Gegen¬
bilde, dem Schutzzoll, zu. Denn auch dieser ist in seiner wirtschaftlichen
Struktur nur verständlich, wenn man von dem Güterverkehr auf dem Welt¬
markt ausgeht. Der Schutzzoll, wie er in Deutschland und in den Vereinigten
Staaten zumeist begründet wird, soll nicht in der Abwehr fremder Gütermasseu
schlechthin bestehn, sondern er soll nur dem industriell rückständigen Volke die
Möglichkeit gewähren, den industriellen Vorsprung seines übermächtigen Gegners
einzuholen. Jetzt bewegt sich die ganze innere Wirtschaftspolitik der in den
Weltmarkt eingeschlossenen Völker um die beiden Pole des Freihandels und
des Schutzzolls. Damit können wir unsre Betrachtung schließen. Nicht die
innere Wirtschaftspolitik ist bei den modernen wirtschaftlichen Großmächten
das Treibende und das Maßgebende, es ist die äußere Handelspolitik. Sie
übt einen immer mächtiger werdenden Einfluß auf unser Denken und auf unser
wirtschaftliches Handel« aus, und wie in unsern Handelsverträgen nicht die eigne
Kraft die Entscheidung allein bringt — er entsteht aus Druck und Gegendruck
Aett ist das Ergebnis eines internationalen Kampfes der beteiligten Staaten —,
so wird auch die nationale Wirtschaftspolitik durch den Druck, der von außen
durch die Handelspolitik ausgeübt wird, in ihrem Gange wesentlich beein¬
flußt. Wir werden es nun auch verstehn, daß, will man der Wirtschafts¬
geschichte Europas im letzte» Jahrhundert nachgehn, man nicht wie in frühern
Zeiten die nationale Wirtschaft zum Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen
kaun. Die Geschichte der äußern Handelspolitik erweitert sich jetzt zu der
der umern Wirtschaftspolitik.

Auch die Grundlage alles Volkslebens: die Vermehrung und die Ver¬
teilung der Bevölkerung innerhalb des Staatsgebiets wird vom Weltmarkt
aus entscheidend beeinflußt.

In den dem Weltmarkt angeschlossenen Staaten können wir übereinstimmend
folgende Grundzüge ihrer Entwicklung nachweisen: die Bevölkerung wächst
rasch an, so rasch, wie wir es in frühern Jahrhunderten nie beobachten konnte»;
damit verschiebt sich der Nahrungsspielraum innerhalb der einzelnen Prodnktions-
gruppen. Die Zunahme der Bevölkerung verteilt sich ferner nicht gleichmäßig
über die verschiednen Berufe; Gewerbe und Handel nehmen eine immer steigende
Zahl voir Erwerbtütigen auf, die Landwirtschaft zeigt dagegen einen Stillstand,
der sogar manchmal in einen Rückgang übergeht.

Die wirtschaftliche» Folgen dieses Zustandes sind von weittragender Natur;
im einzelnen läßt sich jedoch nicht feststellen, welcher Anteil daran auf die
zunehmende Vevölkernngsdichtigkeit oder auf die Verflechtung der einheimische»
Produktion und Konsumtion mit dem Weltmarkt kommt. Am nächsten liegt
es wohl, zu sagen, daß eines die Ursache des andern ist, daß beide sich gegen¬
seitig beeinflussen.


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[0012] Der Aamxf um den Weltmarkt des internationalen Markes zum nationalen Markt nehmen. So ist in England, dem ersten Lande, das in die Weltwirtschaft verflochten wurde, die Merkantil¬ politik, die von nationalen Voraussetzungen ausging, überwunden worden und die Freihandelstheorie entstanden. Und je nachdem die andern euro¬ päischen Nationen mehr oder weniger in die Weltwirtschaft hineingezogen wurden, neigen sie jetzt dem Freihandel oder seinein wirtschaftlichen Gegen¬ bilde, dem Schutzzoll, zu. Denn auch dieser ist in seiner wirtschaftlichen Struktur nur verständlich, wenn man von dem Güterverkehr auf dem Welt¬ markt ausgeht. Der Schutzzoll, wie er in Deutschland und in den Vereinigten Staaten zumeist begründet wird, soll nicht in der Abwehr fremder Gütermasseu schlechthin bestehn, sondern er soll nur dem industriell rückständigen Volke die Möglichkeit gewähren, den industriellen Vorsprung seines übermächtigen Gegners einzuholen. Jetzt bewegt sich die ganze innere Wirtschaftspolitik der in den Weltmarkt eingeschlossenen Völker um die beiden Pole des Freihandels und des Schutzzolls. Damit können wir unsre Betrachtung schließen. Nicht die innere Wirtschaftspolitik ist bei den modernen wirtschaftlichen Großmächten das Treibende und das Maßgebende, es ist die äußere Handelspolitik. Sie übt einen immer mächtiger werdenden Einfluß auf unser Denken und auf unser wirtschaftliches Handel« aus, und wie in unsern Handelsverträgen nicht die eigne Kraft die Entscheidung allein bringt — er entsteht aus Druck und Gegendruck Aett ist das Ergebnis eines internationalen Kampfes der beteiligten Staaten —, so wird auch die nationale Wirtschaftspolitik durch den Druck, der von außen durch die Handelspolitik ausgeübt wird, in ihrem Gange wesentlich beein¬ flußt. Wir werden es nun auch verstehn, daß, will man der Wirtschafts¬ geschichte Europas im letzte» Jahrhundert nachgehn, man nicht wie in frühern Zeiten die nationale Wirtschaft zum Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen kaun. Die Geschichte der äußern Handelspolitik erweitert sich jetzt zu der der umern Wirtschaftspolitik. Auch die Grundlage alles Volkslebens: die Vermehrung und die Ver¬ teilung der Bevölkerung innerhalb des Staatsgebiets wird vom Weltmarkt aus entscheidend beeinflußt. In den dem Weltmarkt angeschlossenen Staaten können wir übereinstimmend folgende Grundzüge ihrer Entwicklung nachweisen: die Bevölkerung wächst rasch an, so rasch, wie wir es in frühern Jahrhunderten nie beobachten konnte»; damit verschiebt sich der Nahrungsspielraum innerhalb der einzelnen Prodnktions- gruppen. Die Zunahme der Bevölkerung verteilt sich ferner nicht gleichmäßig über die verschiednen Berufe; Gewerbe und Handel nehmen eine immer steigende Zahl voir Erwerbtütigen auf, die Landwirtschaft zeigt dagegen einen Stillstand, der sogar manchmal in einen Rückgang übergeht. Die wirtschaftliche» Folgen dieses Zustandes sind von weittragender Natur; im einzelnen läßt sich jedoch nicht feststellen, welcher Anteil daran auf die zunehmende Vevölkernngsdichtigkeit oder auf die Verflechtung der einheimische» Produktion und Konsumtion mit dem Weltmarkt kommt. Am nächsten liegt es wohl, zu sagen, daß eines die Ursache des andern ist, daß beide sich gegen¬ seitig beeinflussen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/12>, abgerufen am 25.11.2024.