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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache

dem "Seneschall" und in den Familiennamen "Gottschall" und "Gottschall," ist
entstanden aus "Schalk" (althvchd. soalo, gotisch slcalks, mittelhochd. fötale,),
was zunächst soviel wie "Knecht," Leibeigner, erst später auch einen Menschen
von knechtischer, gemeiner, namentlich auch untreuer und hinterlistiger Ge¬
sinnung bedeutete, in neuster Zeit aber ungefähr gleichbedeutend gebraucht
wird mit "Schelm," einem Wort, das selbst ganz ähnliche Bedeutungswand-
lungeu durchzumachen hatte, ehe es den Begriff eines harmlos neckenden Menschen
annahm, den wir heute damit verbinden. Bemerkt sei noch, daß bei unsern
Nachbarn jenseits des Rheins nicht nur das stammverwandte iTmrvonal ein
fast gleiches Schicksal erlebt hat wie unser Marschall, sondern daß dort auch
uoch durch Vermittlung der lateinischen Wiedergabe des Wortes mit eonuzs
swduli (d. h. "Stallgraf") der ebenfalls sehr vornehme OonnütaNs (Kronfeldherr,
später auch bloß Titel) geschaffen worden ist. Auch der "Kämmerer," einst
nur der "Verwalter einer (fürstlichen) Vorrath- und Schatzkammer," hat mit der
Verfeinerung des schon frühzeitig dem Lateinischen entlehnten Wortes "Kammer"
(althochd. KamÄi-H, mittelhochd. K-unsr, Kainers ^ abgeschlossener Raum des
Hauses, daun besonders Vorrath- und Schatzkammer) zu dem Begriffe "des
gesamten Personals, das zur nähern Umgebung (eigentlich zum Wohnzimmer)
eines Fürsten gehörte" erklärlicherweise eine Standeserhöhung erfahren. Er heißt
seitdem mich meist "Kammerherr" (oder gar Oberkammerherr), wozu die
Ausdrücke "5wnnnerjnnker," "Kammersänger" und "Kammermusik" in Vergleich
zu stellen sind; ja selbst "Kammerjäger" war ursprünglich eine Bezeichnung für
"fürstlicher Leibjäger" und hat den bekannten heutigen Begriff erst infolge eines
ironischen Spielens mit der mehrfachen Bedeutung des Wortes Kammer (heute
fast nur -- Schlafzimmer) angenommen. Noch bei einer ganzen Reihe sich auf
das Nechtswesen beziehender Ausdrücke begegnet uns -- nebenbei bemerkt --
in unsrer Sprache die "Kammer." So knüpft zunächst unmittelbar an den
Begriff der fürstlichen Schatzkammer an die Bezeichnung "Kammergut"
für ein "Gut, das zum fürstlichen Vermögen gehört" (Domäne, vgl. auch
"Salzkammergut" und "Kammerschulden"), wie denn auch früher die
Leibeignen, die zum fürstlichen, insbesondre kaiserlichen Besitz gehörten,
"Kammerknechte" genannt wurden. Denselben Namen führten im Mittelalter
auch die Juden, die für den ihnen vom Kaiser gewährten Schutz eine bestimmte
Abgabe an "des Reiches Kammer" zu zahlen hatten. Von der Schatz¬
kammer aus erweiterte sich das Wort Kanuner dann allmählich zu dem
Begriff "öffentliche Kasse," "Verwaltung der Finanzen" (vgl. "Oberrechnungs-
kcunmer," daher auch "Kcnneralia" ^ Finanzwissenschaft und "Kameralist").
Weit verbreitet ist ferner noch hente die Bezeichnung Kammer für die ver¬
schiedensten Kollegien, die sich mit öffentlichen (wenn auch nicht oder doch
nicht direkt auf das Finanzwesen bezüglichen) Angelegenheiten beschäftigen.
Das älteste und bekannteste Beispiel dafür ist wohl das kaiserliche "Reichs¬
kammergericht" (eigentlich eine Tautologie, da hierin "Kammer," "kaiserliche
Kammer" schon für Gericht, ursprünglich Gerichtsstube, steht), der 1495 unter
Maximilian dem Ersten eingesetzte oberste Gerichtshof des alten Deutschen Reichs,
der bis zu dessen Auflösung im Jahre 1806 in Wetzlar sein Dasein zu fristen
vermochte und zuletzt durch die Langsamkeit seiner Rechtsprechung geradezu be¬
rüchtigt war. Noch heute aber lebt der Name alter Tradition gemäß fort in
dem "Kammergericht" zu Berlin, d.h. dem Oberlandesgericht für die Provinz
Brandenburg, das zum Teil auch als oberstes Landesgericht für den ganzen
Preußischen Staat wirkt. Ferner kennt unser Gerichtsverfassuugsrecht "Zivil¬
kammern," "Strafkammern" und "Kammern für Handelssachen," die
man übrigens nicht mit den "Handelskammern" ("Handels- und Gewerbe-
kammeru/Kvmmerzkammeru"), Organen zur Vertretung kaufmännischer und in¬
dustrieller Interessen in einem bestimmten Bezirk, verwechseln darf (vgl. auch


Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache

dem „Seneschall" und in den Familiennamen „Gottschall" und „Gottschall," ist
entstanden aus „Schalk" (althvchd. soalo, gotisch slcalks, mittelhochd. fötale,),
was zunächst soviel wie „Knecht," Leibeigner, erst später auch einen Menschen
von knechtischer, gemeiner, namentlich auch untreuer und hinterlistiger Ge¬
sinnung bedeutete, in neuster Zeit aber ungefähr gleichbedeutend gebraucht
wird mit „Schelm," einem Wort, das selbst ganz ähnliche Bedeutungswand-
lungeu durchzumachen hatte, ehe es den Begriff eines harmlos neckenden Menschen
annahm, den wir heute damit verbinden. Bemerkt sei noch, daß bei unsern
Nachbarn jenseits des Rheins nicht nur das stammverwandte iTmrvonal ein
fast gleiches Schicksal erlebt hat wie unser Marschall, sondern daß dort auch
uoch durch Vermittlung der lateinischen Wiedergabe des Wortes mit eonuzs
swduli (d. h. „Stallgraf") der ebenfalls sehr vornehme OonnütaNs (Kronfeldherr,
später auch bloß Titel) geschaffen worden ist. Auch der „Kämmerer," einst
nur der „Verwalter einer (fürstlichen) Vorrath- und Schatzkammer," hat mit der
Verfeinerung des schon frühzeitig dem Lateinischen entlehnten Wortes „Kammer"
(althochd. KamÄi-H, mittelhochd. K-unsr, Kainers ^ abgeschlossener Raum des
Hauses, daun besonders Vorrath- und Schatzkammer) zu dem Begriffe „des
gesamten Personals, das zur nähern Umgebung (eigentlich zum Wohnzimmer)
eines Fürsten gehörte" erklärlicherweise eine Standeserhöhung erfahren. Er heißt
seitdem mich meist „Kammerherr" (oder gar Oberkammerherr), wozu die
Ausdrücke „5wnnnerjnnker," „Kammersänger" und „Kammermusik" in Vergleich
zu stellen sind; ja selbst „Kammerjäger" war ursprünglich eine Bezeichnung für
„fürstlicher Leibjäger" und hat den bekannten heutigen Begriff erst infolge eines
ironischen Spielens mit der mehrfachen Bedeutung des Wortes Kammer (heute
fast nur — Schlafzimmer) angenommen. Noch bei einer ganzen Reihe sich auf
das Nechtswesen beziehender Ausdrücke begegnet uns — nebenbei bemerkt —
in unsrer Sprache die „Kammer." So knüpft zunächst unmittelbar an den
Begriff der fürstlichen Schatzkammer an die Bezeichnung „Kammergut"
für ein „Gut, das zum fürstlichen Vermögen gehört" (Domäne, vgl. auch
„Salzkammergut" und „Kammerschulden"), wie denn auch früher die
Leibeignen, die zum fürstlichen, insbesondre kaiserlichen Besitz gehörten,
„Kammerknechte" genannt wurden. Denselben Namen führten im Mittelalter
auch die Juden, die für den ihnen vom Kaiser gewährten Schutz eine bestimmte
Abgabe an „des Reiches Kammer" zu zahlen hatten. Von der Schatz¬
kammer aus erweiterte sich das Wort Kanuner dann allmählich zu dem
Begriff „öffentliche Kasse," „Verwaltung der Finanzen" (vgl. „Oberrechnungs-
kcunmer," daher auch „Kcnneralia" ^ Finanzwissenschaft und „Kameralist").
Weit verbreitet ist ferner noch hente die Bezeichnung Kammer für die ver¬
schiedensten Kollegien, die sich mit öffentlichen (wenn auch nicht oder doch
nicht direkt auf das Finanzwesen bezüglichen) Angelegenheiten beschäftigen.
Das älteste und bekannteste Beispiel dafür ist wohl das kaiserliche „Reichs¬
kammergericht" (eigentlich eine Tautologie, da hierin „Kammer," „kaiserliche
Kammer" schon für Gericht, ursprünglich Gerichtsstube, steht), der 1495 unter
Maximilian dem Ersten eingesetzte oberste Gerichtshof des alten Deutschen Reichs,
der bis zu dessen Auflösung im Jahre 1806 in Wetzlar sein Dasein zu fristen
vermochte und zuletzt durch die Langsamkeit seiner Rechtsprechung geradezu be¬
rüchtigt war. Noch heute aber lebt der Name alter Tradition gemäß fort in
dem „Kammergericht" zu Berlin, d.h. dem Oberlandesgericht für die Provinz
Brandenburg, das zum Teil auch als oberstes Landesgericht für den ganzen
Preußischen Staat wirkt. Ferner kennt unser Gerichtsverfassuugsrecht „Zivil¬
kammern," „Strafkammern" und „Kammern für Handelssachen," die
man übrigens nicht mit den „Handelskammern" („Handels- und Gewerbe-
kammeru/Kvmmerzkammeru"), Organen zur Vertretung kaufmännischer und in¬
dustrieller Interessen in einem bestimmten Bezirk, verwechseln darf (vgl. auch


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[0101] Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache dem „Seneschall" und in den Familiennamen „Gottschall" und „Gottschall," ist entstanden aus „Schalk" (althvchd. soalo, gotisch slcalks, mittelhochd. fötale,), was zunächst soviel wie „Knecht," Leibeigner, erst später auch einen Menschen von knechtischer, gemeiner, namentlich auch untreuer und hinterlistiger Ge¬ sinnung bedeutete, in neuster Zeit aber ungefähr gleichbedeutend gebraucht wird mit „Schelm," einem Wort, das selbst ganz ähnliche Bedeutungswand- lungeu durchzumachen hatte, ehe es den Begriff eines harmlos neckenden Menschen annahm, den wir heute damit verbinden. Bemerkt sei noch, daß bei unsern Nachbarn jenseits des Rheins nicht nur das stammverwandte iTmrvonal ein fast gleiches Schicksal erlebt hat wie unser Marschall, sondern daß dort auch uoch durch Vermittlung der lateinischen Wiedergabe des Wortes mit eonuzs swduli (d. h. „Stallgraf") der ebenfalls sehr vornehme OonnütaNs (Kronfeldherr, später auch bloß Titel) geschaffen worden ist. Auch der „Kämmerer," einst nur der „Verwalter einer (fürstlichen) Vorrath- und Schatzkammer," hat mit der Verfeinerung des schon frühzeitig dem Lateinischen entlehnten Wortes „Kammer" (althochd. KamÄi-H, mittelhochd. K-unsr, Kainers ^ abgeschlossener Raum des Hauses, daun besonders Vorrath- und Schatzkammer) zu dem Begriffe „des gesamten Personals, das zur nähern Umgebung (eigentlich zum Wohnzimmer) eines Fürsten gehörte" erklärlicherweise eine Standeserhöhung erfahren. Er heißt seitdem mich meist „Kammerherr" (oder gar Oberkammerherr), wozu die Ausdrücke „5wnnnerjnnker," „Kammersänger" und „Kammermusik" in Vergleich zu stellen sind; ja selbst „Kammerjäger" war ursprünglich eine Bezeichnung für „fürstlicher Leibjäger" und hat den bekannten heutigen Begriff erst infolge eines ironischen Spielens mit der mehrfachen Bedeutung des Wortes Kammer (heute fast nur — Schlafzimmer) angenommen. Noch bei einer ganzen Reihe sich auf das Nechtswesen beziehender Ausdrücke begegnet uns — nebenbei bemerkt — in unsrer Sprache die „Kammer." So knüpft zunächst unmittelbar an den Begriff der fürstlichen Schatzkammer an die Bezeichnung „Kammergut" für ein „Gut, das zum fürstlichen Vermögen gehört" (Domäne, vgl. auch „Salzkammergut" und „Kammerschulden"), wie denn auch früher die Leibeignen, die zum fürstlichen, insbesondre kaiserlichen Besitz gehörten, „Kammerknechte" genannt wurden. Denselben Namen führten im Mittelalter auch die Juden, die für den ihnen vom Kaiser gewährten Schutz eine bestimmte Abgabe an „des Reiches Kammer" zu zahlen hatten. Von der Schatz¬ kammer aus erweiterte sich das Wort Kanuner dann allmählich zu dem Begriff „öffentliche Kasse," „Verwaltung der Finanzen" (vgl. „Oberrechnungs- kcunmer," daher auch „Kcnneralia" ^ Finanzwissenschaft und „Kameralist"). Weit verbreitet ist ferner noch hente die Bezeichnung Kammer für die ver¬ schiedensten Kollegien, die sich mit öffentlichen (wenn auch nicht oder doch nicht direkt auf das Finanzwesen bezüglichen) Angelegenheiten beschäftigen. Das älteste und bekannteste Beispiel dafür ist wohl das kaiserliche „Reichs¬ kammergericht" (eigentlich eine Tautologie, da hierin „Kammer," „kaiserliche Kammer" schon für Gericht, ursprünglich Gerichtsstube, steht), der 1495 unter Maximilian dem Ersten eingesetzte oberste Gerichtshof des alten Deutschen Reichs, der bis zu dessen Auflösung im Jahre 1806 in Wetzlar sein Dasein zu fristen vermochte und zuletzt durch die Langsamkeit seiner Rechtsprechung geradezu be¬ rüchtigt war. Noch heute aber lebt der Name alter Tradition gemäß fort in dem „Kammergericht" zu Berlin, d.h. dem Oberlandesgericht für die Provinz Brandenburg, das zum Teil auch als oberstes Landesgericht für den ganzen Preußischen Staat wirkt. Ferner kennt unser Gerichtsverfassuugsrecht „Zivil¬ kammern," „Strafkammern" und „Kammern für Handelssachen," die man übrigens nicht mit den „Handelskammern" („Handels- und Gewerbe- kammeru/Kvmmerzkammeru"), Organen zur Vertretung kaufmännischer und in¬ dustrieller Interessen in einem bestimmten Bezirk, verwechseln darf (vgl. auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/101>, abgerufen am 01.09.2024.