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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Der Marquis von lNarigny

so ein seine Ritterpflichten Gemähnte -- es war der Bischof von Arms -- ließ
die Gemahlin seines Gönners, die ihn in ein Gespräch verwickelt hatte, stehn und
beeilte sich, Madame den Fächer aufzuheben, wofür er von dieser zum Danke einen
leutselig-scherzhaften kleinen Schlag auf die Tonsur erhielt.

Inzwischen war die Landung glücklich bewerkstelligt worden, und die Passagiere
schickten sich an, die Jacht zu verlassen. Als der Graf von Artois den Steg betrat,
erscholl noch einmal ein Vivat, aber es war weit schwächer als zu Anfang. Und
in demselben Augenblick kreischte eine schrille Weiberstimme im Publikum: Charlot!
Charlot! -- den Spitz- und Kosenamen, mit dem die geschminkten Schönen des
Palmis Rohal ihren hohen Freund zu bezeichnen pflegten. So grüßte das Laster
seinen Liebling in der Minute, da er das Ziel seiner Reise erreichte!

Aber der hohe Herr schenkte weder dieser vertraulichen Huldigung noch den
respektvollen Anreden des Obristmarschalls und des Bürgermeisters besondre Be¬
achtung, sondern schritt durch die ehrerbietig zurückweichende Menge zu den Hvf-
karvssen, die beim Rheiutore vorgefnhrcn waren, um ihn und sein Gefolge durch
die Stadt und über die Moselbrücke zu dem ihm von seinem kurfürstlichen Oheim
zum Aufenthalt angewiesenen Sommerschlosse Schönbvrnslust zu bringen. Die
Kutschen rollten davon, und hinter der Dragvuerabteilung, die den Zug schloß,
strömte das Volk auf deu Gassen wieder zusammen und begann sich allgemach zu
verlaufen. Nur wenige der Zuschauer harrten noch aus, es waren die, denen be¬
kannt geworden war, daß sich die neuen Ankömmlinge am Spätnachmittage zum
Diner im Residenzschlosse einfinden würden.

Die meisten der Emigranten begaben sich in ihren Klub, um die Ereignisse
des Tages zu besprechen und ihren gehobnen Gefühlen durch erhöhte Einsätze bei
Baccarat und Doquetille Luft zu machen. Man konnte den Herren ihre zuver¬
sichtliche Stimmung auch kaum verdenken. Jetzt hatten sie doch einen Mittelpunkt,
der ihnen eine politische Bedeutung gab; sie waren von nun an keine Flüchtlinge
"'ehr, sondern eine Macht, die nur noch organisiert zu werden brauchte, um die
Revolution zu ersticken, die alten Zustände wieder zurückzuführen und für die er¬
littene Unbill fürchterliche Rache zu nehmen. Und dann -- darüber konnte kein
Zweifel herrschen -- mußte eine goldne Zeit für all die wackern, tatendurstigen
und beherzter Männer anbrechen, die in der allgemeinen Verwirrung die Geistes¬
gegenwart gehabt hatte", ihr dem Vaterlande und dem Königshause so wertvolles
Leben in Sicherheit zu bringen. Diese Fülle von erprobter Gesinnungstüchtigkeit,
Mut und Intelligenz, die man als den kostbarsten Besitz Frankreichs über die
Grenze geschafft und den rohen Händen des Pöbels entrückt hatte, würde -- auch
das war gewiß! -- wie ein gut verwaltetes Kapital ihre Zinsen tragen.

Unter den französischen Aristokraten, die, den Kopf voll ähnlicher Gedanken,
dem Klubhause zusteuerten, war auch der Vicomte von Fleury, der Edelmann, der
und einst so freundschaftlich an der Suche nach dem abhanden gekommenen Kapaun
beteiligt hatte. Gerade als er in die Karmelitergasse einbiegen wollte, stieß er auf
den Marquis von Marigny, der, sorgfältig frisiert und gepudert, aber keineswegs
festlich gekleidet, so schnell wie möglich an seinem Landsmanne vorbeieilen wollte.
Gerade dieser Umstand reizte Fleury, den Herrn anzuhalten.

Holla, Marignh! Alter Knabe -- wohin so eilig? rief er so laut, daß der
"iso Begrüßte es beim besten Willen nicht überhören konnte und notgedrungen
stehn blieb. Die Anrede war ungewöhnlich familiär, aber man darf nicht außer
"ehe lassen, daß Flenrhs Gemahlin das Glück hatte, eine Cousine des Ministers
von Calonne zu sein -- und jetzt war Cnlonne Trumpf. Das wußte auch der
""lec Knabe," und deshalb sagte er mit verbindlichem Lächeln: Ich muß leider zu
Hofe, lieber Freund, sonst würde ich mir erlauben, Sie ein wenig zu begleiten.
Über die Zeit drängt --

Zu Hofe? fragte der Vicomte mit dem Ausdrucke höchsten Erstaunens. Was
Wollen Sie dort?

Ich muß zum Diner --


Der Marquis von lNarigny

so ein seine Ritterpflichten Gemähnte — es war der Bischof von Arms — ließ
die Gemahlin seines Gönners, die ihn in ein Gespräch verwickelt hatte, stehn und
beeilte sich, Madame den Fächer aufzuheben, wofür er von dieser zum Danke einen
leutselig-scherzhaften kleinen Schlag auf die Tonsur erhielt.

Inzwischen war die Landung glücklich bewerkstelligt worden, und die Passagiere
schickten sich an, die Jacht zu verlassen. Als der Graf von Artois den Steg betrat,
erscholl noch einmal ein Vivat, aber es war weit schwächer als zu Anfang. Und
in demselben Augenblick kreischte eine schrille Weiberstimme im Publikum: Charlot!
Charlot! — den Spitz- und Kosenamen, mit dem die geschminkten Schönen des
Palmis Rohal ihren hohen Freund zu bezeichnen pflegten. So grüßte das Laster
seinen Liebling in der Minute, da er das Ziel seiner Reise erreichte!

Aber der hohe Herr schenkte weder dieser vertraulichen Huldigung noch den
respektvollen Anreden des Obristmarschalls und des Bürgermeisters besondre Be¬
achtung, sondern schritt durch die ehrerbietig zurückweichende Menge zu den Hvf-
karvssen, die beim Rheiutore vorgefnhrcn waren, um ihn und sein Gefolge durch
die Stadt und über die Moselbrücke zu dem ihm von seinem kurfürstlichen Oheim
zum Aufenthalt angewiesenen Sommerschlosse Schönbvrnslust zu bringen. Die
Kutschen rollten davon, und hinter der Dragvuerabteilung, die den Zug schloß,
strömte das Volk auf deu Gassen wieder zusammen und begann sich allgemach zu
verlaufen. Nur wenige der Zuschauer harrten noch aus, es waren die, denen be¬
kannt geworden war, daß sich die neuen Ankömmlinge am Spätnachmittage zum
Diner im Residenzschlosse einfinden würden.

Die meisten der Emigranten begaben sich in ihren Klub, um die Ereignisse
des Tages zu besprechen und ihren gehobnen Gefühlen durch erhöhte Einsätze bei
Baccarat und Doquetille Luft zu machen. Man konnte den Herren ihre zuver¬
sichtliche Stimmung auch kaum verdenken. Jetzt hatten sie doch einen Mittelpunkt,
der ihnen eine politische Bedeutung gab; sie waren von nun an keine Flüchtlinge
"'ehr, sondern eine Macht, die nur noch organisiert zu werden brauchte, um die
Revolution zu ersticken, die alten Zustände wieder zurückzuführen und für die er¬
littene Unbill fürchterliche Rache zu nehmen. Und dann — darüber konnte kein
Zweifel herrschen — mußte eine goldne Zeit für all die wackern, tatendurstigen
und beherzter Männer anbrechen, die in der allgemeinen Verwirrung die Geistes¬
gegenwart gehabt hatte», ihr dem Vaterlande und dem Königshause so wertvolles
Leben in Sicherheit zu bringen. Diese Fülle von erprobter Gesinnungstüchtigkeit,
Mut und Intelligenz, die man als den kostbarsten Besitz Frankreichs über die
Grenze geschafft und den rohen Händen des Pöbels entrückt hatte, würde — auch
das war gewiß! — wie ein gut verwaltetes Kapital ihre Zinsen tragen.

Unter den französischen Aristokraten, die, den Kopf voll ähnlicher Gedanken,
dem Klubhause zusteuerten, war auch der Vicomte von Fleury, der Edelmann, der
und einst so freundschaftlich an der Suche nach dem abhanden gekommenen Kapaun
beteiligt hatte. Gerade als er in die Karmelitergasse einbiegen wollte, stieß er auf
den Marquis von Marigny, der, sorgfältig frisiert und gepudert, aber keineswegs
festlich gekleidet, so schnell wie möglich an seinem Landsmanne vorbeieilen wollte.
Gerade dieser Umstand reizte Fleury, den Herrn anzuhalten.

Holla, Marignh! Alter Knabe — wohin so eilig? rief er so laut, daß der
"iso Begrüßte es beim besten Willen nicht überhören konnte und notgedrungen
stehn blieb. Die Anrede war ungewöhnlich familiär, aber man darf nicht außer
"ehe lassen, daß Flenrhs Gemahlin das Glück hatte, eine Cousine des Ministers
von Calonne zu sein — und jetzt war Cnlonne Trumpf. Das wußte auch der
""lec Knabe," und deshalb sagte er mit verbindlichem Lächeln: Ich muß leider zu
Hofe, lieber Freund, sonst würde ich mir erlauben, Sie ein wenig zu begleiten.
Über die Zeit drängt —

Zu Hofe? fragte der Vicomte mit dem Ausdrucke höchsten Erstaunens. Was
Wollen Sie dort?

Ich muß zum Diner —


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[0807] Der Marquis von lNarigny so ein seine Ritterpflichten Gemähnte — es war der Bischof von Arms — ließ die Gemahlin seines Gönners, die ihn in ein Gespräch verwickelt hatte, stehn und beeilte sich, Madame den Fächer aufzuheben, wofür er von dieser zum Danke einen leutselig-scherzhaften kleinen Schlag auf die Tonsur erhielt. Inzwischen war die Landung glücklich bewerkstelligt worden, und die Passagiere schickten sich an, die Jacht zu verlassen. Als der Graf von Artois den Steg betrat, erscholl noch einmal ein Vivat, aber es war weit schwächer als zu Anfang. Und in demselben Augenblick kreischte eine schrille Weiberstimme im Publikum: Charlot! Charlot! — den Spitz- und Kosenamen, mit dem die geschminkten Schönen des Palmis Rohal ihren hohen Freund zu bezeichnen pflegten. So grüßte das Laster seinen Liebling in der Minute, da er das Ziel seiner Reise erreichte! Aber der hohe Herr schenkte weder dieser vertraulichen Huldigung noch den respektvollen Anreden des Obristmarschalls und des Bürgermeisters besondre Be¬ achtung, sondern schritt durch die ehrerbietig zurückweichende Menge zu den Hvf- karvssen, die beim Rheiutore vorgefnhrcn waren, um ihn und sein Gefolge durch die Stadt und über die Moselbrücke zu dem ihm von seinem kurfürstlichen Oheim zum Aufenthalt angewiesenen Sommerschlosse Schönbvrnslust zu bringen. Die Kutschen rollten davon, und hinter der Dragvuerabteilung, die den Zug schloß, strömte das Volk auf deu Gassen wieder zusammen und begann sich allgemach zu verlaufen. Nur wenige der Zuschauer harrten noch aus, es waren die, denen be¬ kannt geworden war, daß sich die neuen Ankömmlinge am Spätnachmittage zum Diner im Residenzschlosse einfinden würden. Die meisten der Emigranten begaben sich in ihren Klub, um die Ereignisse des Tages zu besprechen und ihren gehobnen Gefühlen durch erhöhte Einsätze bei Baccarat und Doquetille Luft zu machen. Man konnte den Herren ihre zuver¬ sichtliche Stimmung auch kaum verdenken. Jetzt hatten sie doch einen Mittelpunkt, der ihnen eine politische Bedeutung gab; sie waren von nun an keine Flüchtlinge "'ehr, sondern eine Macht, die nur noch organisiert zu werden brauchte, um die Revolution zu ersticken, die alten Zustände wieder zurückzuführen und für die er¬ littene Unbill fürchterliche Rache zu nehmen. Und dann — darüber konnte kein Zweifel herrschen — mußte eine goldne Zeit für all die wackern, tatendurstigen und beherzter Männer anbrechen, die in der allgemeinen Verwirrung die Geistes¬ gegenwart gehabt hatte», ihr dem Vaterlande und dem Königshause so wertvolles Leben in Sicherheit zu bringen. Diese Fülle von erprobter Gesinnungstüchtigkeit, Mut und Intelligenz, die man als den kostbarsten Besitz Frankreichs über die Grenze geschafft und den rohen Händen des Pöbels entrückt hatte, würde — auch das war gewiß! — wie ein gut verwaltetes Kapital ihre Zinsen tragen. Unter den französischen Aristokraten, die, den Kopf voll ähnlicher Gedanken, dem Klubhause zusteuerten, war auch der Vicomte von Fleury, der Edelmann, der und einst so freundschaftlich an der Suche nach dem abhanden gekommenen Kapaun beteiligt hatte. Gerade als er in die Karmelitergasse einbiegen wollte, stieß er auf den Marquis von Marigny, der, sorgfältig frisiert und gepudert, aber keineswegs festlich gekleidet, so schnell wie möglich an seinem Landsmanne vorbeieilen wollte. Gerade dieser Umstand reizte Fleury, den Herrn anzuhalten. Holla, Marignh! Alter Knabe — wohin so eilig? rief er so laut, daß der "iso Begrüßte es beim besten Willen nicht überhören konnte und notgedrungen stehn blieb. Die Anrede war ungewöhnlich familiär, aber man darf nicht außer "ehe lassen, daß Flenrhs Gemahlin das Glück hatte, eine Cousine des Ministers von Calonne zu sein — und jetzt war Cnlonne Trumpf. Das wußte auch der ""lec Knabe," und deshalb sagte er mit verbindlichem Lächeln: Ich muß leider zu Hofe, lieber Freund, sonst würde ich mir erlauben, Sie ein wenig zu begleiten. Über die Zeit drängt — Zu Hofe? fragte der Vicomte mit dem Ausdrucke höchsten Erstaunens. Was Wollen Sie dort? Ich muß zum Diner —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/807>, abgerufen am 23.07.2024.