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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Bilder von der Roter und der pulsnitz
Veto Eduard Schmidt i von n
3. Zabeltitz
(Die Grafen Ivackerbarth; Maria Antonia Walpurgis; Prinz Xaver)
(Schluß)

es hatte, ehe ich nach Zabeltitz fuhr, die zahlreichen an Maria
Antonia gerichteten oder sie betreffenden Briefe der "Politischen
Korrespondenz Friedrichs des Großen" und das reiche Material
an Urkunden, das Karl von Weber in seiner zweibändigen
Publikation "Maria Antonia Walpurgis" (Dresden, 1857) mehr
zusammengetragen als verarbeitet hat, von neuem gelesen: des¬
halb begleitete mich ihr Bild, als ich nun von der Terrasse des Gartenschlosses
hinunterstieg, um die entferntem und verstecktem Schönheiten des Parks zu
genießen. Ich dachte daran, wie gern Maria Antonia nach Wackerbarths Tode
eine seiner Besitzungen zum Andenken an den edeln Greis, der Gluck und
Unglück mit ihr geteilt und ihre und ihres Gemahls staatsmnnnischen Talente
geweckt hatte, käuflich erworben hätte: das bekannte Weinberggrundstück der
Lößnitz, Wackerbarthsrnhc, das oft das Ziel gemeinsamer von Dresden aus
unternommener Spazierritte gewesen war, wurde ihr für 14000 Taler an¬
geboten; aber die Geldnot hat diesen Ankauf und noch mehr den von Zabeltitz
verhindert.

Mein Weg führte mich an einen kleinen, von alten Bäunieu eingefaßten
See, dessen stillen Spiegel nicht einmal ein Schwan belebte. Eine Holzbrücke
führte hinüber auf eine kleine Insel. Dort steht unter melancholischen Wei¬
mutskiefern ein chinesischer Rundtempel; der buntbemalte Plafond zeigt die
Darstellung einer Reiherbeize. Als ich dort zu den dunkeln Wipfeln empor-
schaute, die die Insel beschatten, ging die Sonne des Herbsttags wie ein
Feuerball zur Rüste; rotes Gold tropfte aus den schwnrzgrünen Kiefemadeln
in das klare braune Wasser hernieder und blendete mir das Auge. Da war
mirs auf einmal, als weidete sich der Horizont; jenseits der Wiese, von der
sich die ersten Weißen Nebelschleier hoben, dehnte sich ein größerer See, der
bescheidne Schloßbau hinter mir wuchs zu majestätischen Verhältnissen empor,
und der Begriff "Rheinsberg" trat, die vorigen Bilder verdrängend, immer
deutlicher vor meine Seele. Wie kam das nnr? War es nur die Ähnlichkeit
der mich umgebenden Natur mit der zwischen die Wälder und Seen des
Ruppiner Landes eingebetteten Lieblichkeit des preußischen Fürstensitzes, was
diese Ideenverbindung hervorrief? Schwerlich war es diese Ähnlichkeit der
Natur allein, etwas Menschliches kam hinzu. Ich mußte an einen fürstlichen
Einsiedler und Sonderling denken, der in Zabeltitz fast ein Menschenalter nach
dem Tode der Maria Antonia seine wechselvollen Tage beschloß, den Prinzen
Xaver, und der mir, je tiefer ich in das Wesen seiner Persönlichkeit einzu¬
dringen versuche, immer mehr wie das sächsische Gegenstück zu dem preußischen
Hnnzeii Heinrich erscheint, der seinen Bruder Friedrich den Großen lange über¬
lebte und erst am 3. August 1802 in Rheinsberg starb.

, Geboreii am 25. August 1730, also acht Jahre jünger als Friedrich
Christian, hatte Prinz Xaver nur eine oberflächliche Bildung genossen; es gab




Bilder von der Roter und der pulsnitz
Veto Eduard Schmidt i von n
3. Zabeltitz
(Die Grafen Ivackerbarth; Maria Antonia Walpurgis; Prinz Xaver)
(Schluß)

es hatte, ehe ich nach Zabeltitz fuhr, die zahlreichen an Maria
Antonia gerichteten oder sie betreffenden Briefe der „Politischen
Korrespondenz Friedrichs des Großen" und das reiche Material
an Urkunden, das Karl von Weber in seiner zweibändigen
Publikation „Maria Antonia Walpurgis" (Dresden, 1857) mehr
zusammengetragen als verarbeitet hat, von neuem gelesen: des¬
halb begleitete mich ihr Bild, als ich nun von der Terrasse des Gartenschlosses
hinunterstieg, um die entferntem und verstecktem Schönheiten des Parks zu
genießen. Ich dachte daran, wie gern Maria Antonia nach Wackerbarths Tode
eine seiner Besitzungen zum Andenken an den edeln Greis, der Gluck und
Unglück mit ihr geteilt und ihre und ihres Gemahls staatsmnnnischen Talente
geweckt hatte, käuflich erworben hätte: das bekannte Weinberggrundstück der
Lößnitz, Wackerbarthsrnhc, das oft das Ziel gemeinsamer von Dresden aus
unternommener Spazierritte gewesen war, wurde ihr für 14000 Taler an¬
geboten; aber die Geldnot hat diesen Ankauf und noch mehr den von Zabeltitz
verhindert.

Mein Weg führte mich an einen kleinen, von alten Bäunieu eingefaßten
See, dessen stillen Spiegel nicht einmal ein Schwan belebte. Eine Holzbrücke
führte hinüber auf eine kleine Insel. Dort steht unter melancholischen Wei¬
mutskiefern ein chinesischer Rundtempel; der buntbemalte Plafond zeigt die
Darstellung einer Reiherbeize. Als ich dort zu den dunkeln Wipfeln empor-
schaute, die die Insel beschatten, ging die Sonne des Herbsttags wie ein
Feuerball zur Rüste; rotes Gold tropfte aus den schwnrzgrünen Kiefemadeln
in das klare braune Wasser hernieder und blendete mir das Auge. Da war
mirs auf einmal, als weidete sich der Horizont; jenseits der Wiese, von der
sich die ersten Weißen Nebelschleier hoben, dehnte sich ein größerer See, der
bescheidne Schloßbau hinter mir wuchs zu majestätischen Verhältnissen empor,
und der Begriff „Rheinsberg" trat, die vorigen Bilder verdrängend, immer
deutlicher vor meine Seele. Wie kam das nnr? War es nur die Ähnlichkeit
der mich umgebenden Natur mit der zwischen die Wälder und Seen des
Ruppiner Landes eingebetteten Lieblichkeit des preußischen Fürstensitzes, was
diese Ideenverbindung hervorrief? Schwerlich war es diese Ähnlichkeit der
Natur allein, etwas Menschliches kam hinzu. Ich mußte an einen fürstlichen
Einsiedler und Sonderling denken, der in Zabeltitz fast ein Menschenalter nach
dem Tode der Maria Antonia seine wechselvollen Tage beschloß, den Prinzen
Xaver, und der mir, je tiefer ich in das Wesen seiner Persönlichkeit einzu¬
dringen versuche, immer mehr wie das sächsische Gegenstück zu dem preußischen
Hnnzeii Heinrich erscheint, der seinen Bruder Friedrich den Großen lange über¬
lebte und erst am 3. August 1802 in Rheinsberg starb.

, Geboreii am 25. August 1730, also acht Jahre jünger als Friedrich
Christian, hatte Prinz Xaver nur eine oberflächliche Bildung genossen; es gab


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[0797] [Abbildung] Bilder von der Roter und der pulsnitz Veto Eduard Schmidt i von n 3. Zabeltitz (Die Grafen Ivackerbarth; Maria Antonia Walpurgis; Prinz Xaver) (Schluß) es hatte, ehe ich nach Zabeltitz fuhr, die zahlreichen an Maria Antonia gerichteten oder sie betreffenden Briefe der „Politischen Korrespondenz Friedrichs des Großen" und das reiche Material an Urkunden, das Karl von Weber in seiner zweibändigen Publikation „Maria Antonia Walpurgis" (Dresden, 1857) mehr zusammengetragen als verarbeitet hat, von neuem gelesen: des¬ halb begleitete mich ihr Bild, als ich nun von der Terrasse des Gartenschlosses hinunterstieg, um die entferntem und verstecktem Schönheiten des Parks zu genießen. Ich dachte daran, wie gern Maria Antonia nach Wackerbarths Tode eine seiner Besitzungen zum Andenken an den edeln Greis, der Gluck und Unglück mit ihr geteilt und ihre und ihres Gemahls staatsmnnnischen Talente geweckt hatte, käuflich erworben hätte: das bekannte Weinberggrundstück der Lößnitz, Wackerbarthsrnhc, das oft das Ziel gemeinsamer von Dresden aus unternommener Spazierritte gewesen war, wurde ihr für 14000 Taler an¬ geboten; aber die Geldnot hat diesen Ankauf und noch mehr den von Zabeltitz verhindert. Mein Weg führte mich an einen kleinen, von alten Bäunieu eingefaßten See, dessen stillen Spiegel nicht einmal ein Schwan belebte. Eine Holzbrücke führte hinüber auf eine kleine Insel. Dort steht unter melancholischen Wei¬ mutskiefern ein chinesischer Rundtempel; der buntbemalte Plafond zeigt die Darstellung einer Reiherbeize. Als ich dort zu den dunkeln Wipfeln empor- schaute, die die Insel beschatten, ging die Sonne des Herbsttags wie ein Feuerball zur Rüste; rotes Gold tropfte aus den schwnrzgrünen Kiefemadeln in das klare braune Wasser hernieder und blendete mir das Auge. Da war mirs auf einmal, als weidete sich der Horizont; jenseits der Wiese, von der sich die ersten Weißen Nebelschleier hoben, dehnte sich ein größerer See, der bescheidne Schloßbau hinter mir wuchs zu majestätischen Verhältnissen empor, und der Begriff „Rheinsberg" trat, die vorigen Bilder verdrängend, immer deutlicher vor meine Seele. Wie kam das nnr? War es nur die Ähnlichkeit der mich umgebenden Natur mit der zwischen die Wälder und Seen des Ruppiner Landes eingebetteten Lieblichkeit des preußischen Fürstensitzes, was diese Ideenverbindung hervorrief? Schwerlich war es diese Ähnlichkeit der Natur allein, etwas Menschliches kam hinzu. Ich mußte an einen fürstlichen Einsiedler und Sonderling denken, der in Zabeltitz fast ein Menschenalter nach dem Tode der Maria Antonia seine wechselvollen Tage beschloß, den Prinzen Xaver, und der mir, je tiefer ich in das Wesen seiner Persönlichkeit einzu¬ dringen versuche, immer mehr wie das sächsische Gegenstück zu dem preußischen Hnnzeii Heinrich erscheint, der seinen Bruder Friedrich den Großen lange über¬ lebte und erst am 3. August 1802 in Rheinsberg starb. , Geboreii am 25. August 1730, also acht Jahre jünger als Friedrich Christian, hatte Prinz Xaver nur eine oberflächliche Bildung genossen; es gab

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/797>, abgerufen am 22.07.2024.