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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Villa Glori
Otto Raemmel von(Schluß)

och ohne Kenntnis von diesen Vorgängen, die jede Hoffnung
auf ein Zusannnenwirken mit den römischen Aufständischen ver¬
nichteten, bemerkte nur gegen Mittag einen Trupp rekognos¬
zierender Dragoner und machte sich zum Kampfe bereit. Zum
Glück war es möglich, noch ein kräftiges Mittagessen herzu¬
richten; aber kaum war es in Heiterkeit verzehrt, als kurz nach fünf Uhr
der Posten, der auf einer hohen Strohfeime beim Winzerhause lag, den An¬
marsch einer päpstlichen Truppenabteilung meldete. An den dunkeln Uniformen
erkannte man schweizerische Carabinieri in der Stärke einer Kompagnie. Giovanni
Cairoli postierte seinen Zug gedeckt hinter einer Hecke am Abfalle des Hügels.
Sobald die Carabinieri durch das Gitter des Grundstücks eingedrungen waren
und den Fußweg herauskommend der Bewaffneten gewahr wurden, begannen
sie zu feuern. Die erste Salve pfiff hoch über den Köpfen der Freischärler weg,
aber indem die Carabinieri langsam vorgingen, faßten sie das Ziel immer besser,
die Kugeln der nächsten Salven fuhren schon in die Erde, die den Freiwilligen
Ms Gesicht spritzte. Noch hatten diese wegen der großen Entfernung uicht
gefeuert, da befahl Giovanni Cairoli, die schützende, aber auch hinderliche
Hecke wegzureißen, und die erste Salve krachte. Freilich war der Kampf lächerlich
ungleich. Die vortrefflichen Remingtonhinterlader der Päpstlichen trugen auf
achthundert Meter; die "alten Schießeisen" der Freiwilligen, Vorderlader von 1848,
die obendrein von der Feuchtigkeit beim letzten Transport gelitten hatten, zwänge:?
sie stehend, also völlig ausgesetzt zu laden, versagten häufig (Ferrari brauchte
fünf Zündhütchen für den ersten Schuß) und erreichten kaum den Feilid. Trotz¬
dem war das Feuergefecht lebhaft genug. Da fiel der erste Verwundete, bald ein
Zweiter, und Ferrari sah schaudernd das erste Blut im Kampfe fließen. Auf
Befehl Eurico Ccnrolis wich endlich der Zug langsam, in guter Ordnung nach
dein Herrenhause zurück bis zur letzten Biegung der großen Straße. Dort ver¬
einigte er sich mit den beiden andern Zügen und bildete die Feuerlinie. In¬
zwischen entwickelten sich die Carabinieri zur linken Seite der Straße auf der
sie begrenzenden Wiese in aufgelöster Ordnung. "Vorwärts mit dem Bajonett,
Mut, Kinder! schrie Enrico Cairoli seinen Leuten zu, hoch Garibaldi!" Im Nu
sind der Graben und der Rand der Straße erstiegen, eine Hecke ist überwunden,
w Laufschritt, mit dem Rufe: "Evviva l'Italia!" geht alles vor, der Haupt-
mann weit voran. "Halt, Enrico, ruft ihm der Bruder zu, wir wollen zusammen
bleiben!" Noch sieht Ferrari, wie sich sein Hauptmann, den Revolver in der




Villa Glori
Otto Raemmel von(Schluß)

och ohne Kenntnis von diesen Vorgängen, die jede Hoffnung
auf ein Zusannnenwirken mit den römischen Aufständischen ver¬
nichteten, bemerkte nur gegen Mittag einen Trupp rekognos¬
zierender Dragoner und machte sich zum Kampfe bereit. Zum
Glück war es möglich, noch ein kräftiges Mittagessen herzu¬
richten; aber kaum war es in Heiterkeit verzehrt, als kurz nach fünf Uhr
der Posten, der auf einer hohen Strohfeime beim Winzerhause lag, den An¬
marsch einer päpstlichen Truppenabteilung meldete. An den dunkeln Uniformen
erkannte man schweizerische Carabinieri in der Stärke einer Kompagnie. Giovanni
Cairoli postierte seinen Zug gedeckt hinter einer Hecke am Abfalle des Hügels.
Sobald die Carabinieri durch das Gitter des Grundstücks eingedrungen waren
und den Fußweg herauskommend der Bewaffneten gewahr wurden, begannen
sie zu feuern. Die erste Salve pfiff hoch über den Köpfen der Freischärler weg,
aber indem die Carabinieri langsam vorgingen, faßten sie das Ziel immer besser,
die Kugeln der nächsten Salven fuhren schon in die Erde, die den Freiwilligen
Ms Gesicht spritzte. Noch hatten diese wegen der großen Entfernung uicht
gefeuert, da befahl Giovanni Cairoli, die schützende, aber auch hinderliche
Hecke wegzureißen, und die erste Salve krachte. Freilich war der Kampf lächerlich
ungleich. Die vortrefflichen Remingtonhinterlader der Päpstlichen trugen auf
achthundert Meter; die „alten Schießeisen" der Freiwilligen, Vorderlader von 1848,
die obendrein von der Feuchtigkeit beim letzten Transport gelitten hatten, zwänge:?
sie stehend, also völlig ausgesetzt zu laden, versagten häufig (Ferrari brauchte
fünf Zündhütchen für den ersten Schuß) und erreichten kaum den Feilid. Trotz¬
dem war das Feuergefecht lebhaft genug. Da fiel der erste Verwundete, bald ein
Zweiter, und Ferrari sah schaudernd das erste Blut im Kampfe fließen. Auf
Befehl Eurico Ccnrolis wich endlich der Zug langsam, in guter Ordnung nach
dein Herrenhause zurück bis zur letzten Biegung der großen Straße. Dort ver¬
einigte er sich mit den beiden andern Zügen und bildete die Feuerlinie. In¬
zwischen entwickelten sich die Carabinieri zur linken Seite der Straße auf der
sie begrenzenden Wiese in aufgelöster Ordnung. „Vorwärts mit dem Bajonett,
Mut, Kinder! schrie Enrico Cairoli seinen Leuten zu, hoch Garibaldi!" Im Nu
sind der Graben und der Rand der Straße erstiegen, eine Hecke ist überwunden,
w Laufschritt, mit dem Rufe: „Evviva l'Italia!" geht alles vor, der Haupt-
mann weit voran. „Halt, Enrico, ruft ihm der Bruder zu, wir wollen zusammen
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[0781] [Abbildung] Villa Glori Otto Raemmel von(Schluß) och ohne Kenntnis von diesen Vorgängen, die jede Hoffnung auf ein Zusannnenwirken mit den römischen Aufständischen ver¬ nichteten, bemerkte nur gegen Mittag einen Trupp rekognos¬ zierender Dragoner und machte sich zum Kampfe bereit. Zum Glück war es möglich, noch ein kräftiges Mittagessen herzu¬ richten; aber kaum war es in Heiterkeit verzehrt, als kurz nach fünf Uhr der Posten, der auf einer hohen Strohfeime beim Winzerhause lag, den An¬ marsch einer päpstlichen Truppenabteilung meldete. An den dunkeln Uniformen erkannte man schweizerische Carabinieri in der Stärke einer Kompagnie. Giovanni Cairoli postierte seinen Zug gedeckt hinter einer Hecke am Abfalle des Hügels. Sobald die Carabinieri durch das Gitter des Grundstücks eingedrungen waren und den Fußweg herauskommend der Bewaffneten gewahr wurden, begannen sie zu feuern. Die erste Salve pfiff hoch über den Köpfen der Freischärler weg, aber indem die Carabinieri langsam vorgingen, faßten sie das Ziel immer besser, die Kugeln der nächsten Salven fuhren schon in die Erde, die den Freiwilligen Ms Gesicht spritzte. Noch hatten diese wegen der großen Entfernung uicht gefeuert, da befahl Giovanni Cairoli, die schützende, aber auch hinderliche Hecke wegzureißen, und die erste Salve krachte. Freilich war der Kampf lächerlich ungleich. Die vortrefflichen Remingtonhinterlader der Päpstlichen trugen auf achthundert Meter; die „alten Schießeisen" der Freiwilligen, Vorderlader von 1848, die obendrein von der Feuchtigkeit beim letzten Transport gelitten hatten, zwänge:? sie stehend, also völlig ausgesetzt zu laden, versagten häufig (Ferrari brauchte fünf Zündhütchen für den ersten Schuß) und erreichten kaum den Feilid. Trotz¬ dem war das Feuergefecht lebhaft genug. Da fiel der erste Verwundete, bald ein Zweiter, und Ferrari sah schaudernd das erste Blut im Kampfe fließen. Auf Befehl Eurico Ccnrolis wich endlich der Zug langsam, in guter Ordnung nach dein Herrenhause zurück bis zur letzten Biegung der großen Straße. Dort ver¬ einigte er sich mit den beiden andern Zügen und bildete die Feuerlinie. In¬ zwischen entwickelten sich die Carabinieri zur linken Seite der Straße auf der sie begrenzenden Wiese in aufgelöster Ordnung. „Vorwärts mit dem Bajonett, Mut, Kinder! schrie Enrico Cairoli seinen Leuten zu, hoch Garibaldi!" Im Nu sind der Graben und der Rand der Straße erstiegen, eine Hecke ist überwunden, w Laufschritt, mit dem Rufe: „Evviva l'Italia!" geht alles vor, der Haupt- mann weit voran. „Halt, Enrico, ruft ihm der Bruder zu, wir wollen zusammen bleiben!" Noch sieht Ferrari, wie sich sein Hauptmann, den Revolver in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/781>, abgerufen am 25.08.2024.