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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

zur Abdankung zu nötigen. Seine Erklärung vom 12. Juni, daß er zu Gunsten
seines Sohnes Milan abbaute, wurde mit dem Bescheid angenommen, daß er und
seine Frau das Land verlassen müßten. Als beide durch die Straßen von Belgrad
schritten, um um der save das zur Fahrt nach Rumänien bereitliegende Schiff zu
besteigen, erwies ihnen weder das türkische Militär Ehrenbezeugungen, noch wurden
sie von jemand gegrüßt. Sie war darüber ganz betroffen, er aber sagte voll
Ironie: Nun, hat dir dein Verkehr mit meinen Feinden etwas genützt? Milan
der Erste starb schon nach drei Wochen, und ihm folgte sein jüngerer Bruder
Michael, der bis zum 8. September 1842 regierte, wo er durch einen Aufruhr
der konstitutionellen Partei unter Wukschitsch und Petronjewitsch Vertrieben wurde,
weil er sich durch verschiedne finanzielle Maßregeln Unzufriedenheit im Volke zu¬
gezogen hatte.

Die Serben beschlossen, es nun mit einem Karageorgiewitsch zu versuchen.
Alexander Karageorgiewitsch hatte erst vou Michael Obrcnowitsch die Erlaubnis
zur Rückkehr nach Serbien erhalten und war von ihm überhaupt mit der größten
Freundlichkeit behandelt worden. Jetzt wurde er am 15. September zum Fürsten
ausgerufen; und obgleich Rußland zuerst gegen seine Wahl Einspruch erhob, am
27. Juli 1843 zum Fürsten gewählt und am 14. September von der Pforte be¬
stätigt. Im Innern traf er manche Reformen; er ließ es sich namentlich angelegen
sein, das Straßennetz zu vervollständigen und den öffentlichen Unterricht zu heben,
ohne die Finanzen zu verschlechtern. Bei Ausbruch des Oricntkriegs 1853 hielt
er sich neutral, obgleich die Serben für Rußland schwärmten, und vermied dadurch
jedenfalls eine österreichische Intervention. Aber die Anhänger der Obrenvwitsch,
die nie aufgehört hatten, gegen Alexander zu schüren, benutzten mit russischer Unter¬
stützung dies und andre Verstimmungen, und plötzlich sah sich der Fürst im
Sommer 1857 einer weitverzweigten Verschwörung gegenüber, gegen die einzu¬
schreiten schon zu spät war. Die Sknpschtina verlangte seine Abdankung und er¬
klärte ihn, da er geflohen war, für abgesetzt.

Am 22. September 1858 wurde der alte Milosch Obrenvwitsch aus deu
Thron zurückberufen, starb aber schou am 26. September 1860, und ihm folgte,
zuni zweitenmal Fürst, wieder sein Sohn Michael. Dieser hatte sich inzwischen im
Ausland eine vielseitige Bildung angeeignet und trat äußerst human und bedacht
auf, außerdem hatte ihn die Nationalitätenidee beschäftigt, und er war entschlossen,
aus Serbien das Piemont der Balkanhalbinsel zu machen. In den Jahren 1862
und 1866 setzte er es nach geschickt angelegten Volksbewegungen bei den Mächten
durch, daß Serbien nahezu unabhängig und das Land bis auf Klein-Zwornik von
den Türken geräumt wurde. Da er auch sonst für das Wohl des Landes mit Eifer
sorgte, so erfreute er sich mit Recht großer Beliebtheit. Sein Unglück waren aber
die Frauen. Er war mit einer Gräfin Hunyadi in kinderloser Ehe vermählt, die
Gatten lebten getrennt, sie in einem Badeorte. Man sagte ihm eine Liebelei mit
einer Cousine nach, die mit ihm zugleich am 29. Juni 1868 von Mörderhänden
fiel. Gewöhnlich wird erzählt, das sei im Park von Toptschider geschehn; das ist
aber nicht ganz richtig. Toptschider heißt (türkisch) das Kanvnicrtal, darin liegt
allerdings die Sommerresidenz des Königs, und der eine Stunde von Belgrad
liegende Park bietet ein beliebtes Ausflugsziel. An den Park schließt sich der
Koschntniak (Wildpark) an, und in diesem Waldgehege fiel Fürst Michael von der
Hand von Stnntsgefangnen, nnter denen sich auch ein ehemaliger Staatsanwalt
befand. Die Mordtat erregte das größte Aufsehen, man vermutete die Familie der
Karageorgiewitsch oder auch die Pforte dahinter, aufgeklärt wurde nichts. Alexander
Karageorgiewitsch, der jede Kenntnis und Teilnahme an der Tat in Abrede stellte,
wurde trotzdem in oontunn>.c:iÄin zu langer Gefängnishaft verurteilt, aber von
Osterreich nicht ausgeliefert. Es gab in Belgrad Leute genug, die sich mit dieser
Erledigung der Untersuchung einverstanden erklären konnten. Es wäre ja nur
Blutrache gewesen.


Grenzboten it 1908 97
Maßgebliches und Unmaßgebliches

zur Abdankung zu nötigen. Seine Erklärung vom 12. Juni, daß er zu Gunsten
seines Sohnes Milan abbaute, wurde mit dem Bescheid angenommen, daß er und
seine Frau das Land verlassen müßten. Als beide durch die Straßen von Belgrad
schritten, um um der save das zur Fahrt nach Rumänien bereitliegende Schiff zu
besteigen, erwies ihnen weder das türkische Militär Ehrenbezeugungen, noch wurden
sie von jemand gegrüßt. Sie war darüber ganz betroffen, er aber sagte voll
Ironie: Nun, hat dir dein Verkehr mit meinen Feinden etwas genützt? Milan
der Erste starb schon nach drei Wochen, und ihm folgte sein jüngerer Bruder
Michael, der bis zum 8. September 1842 regierte, wo er durch einen Aufruhr
der konstitutionellen Partei unter Wukschitsch und Petronjewitsch Vertrieben wurde,
weil er sich durch verschiedne finanzielle Maßregeln Unzufriedenheit im Volke zu¬
gezogen hatte.

Die Serben beschlossen, es nun mit einem Karageorgiewitsch zu versuchen.
Alexander Karageorgiewitsch hatte erst vou Michael Obrcnowitsch die Erlaubnis
zur Rückkehr nach Serbien erhalten und war von ihm überhaupt mit der größten
Freundlichkeit behandelt worden. Jetzt wurde er am 15. September zum Fürsten
ausgerufen; und obgleich Rußland zuerst gegen seine Wahl Einspruch erhob, am
27. Juli 1843 zum Fürsten gewählt und am 14. September von der Pforte be¬
stätigt. Im Innern traf er manche Reformen; er ließ es sich namentlich angelegen
sein, das Straßennetz zu vervollständigen und den öffentlichen Unterricht zu heben,
ohne die Finanzen zu verschlechtern. Bei Ausbruch des Oricntkriegs 1853 hielt
er sich neutral, obgleich die Serben für Rußland schwärmten, und vermied dadurch
jedenfalls eine österreichische Intervention. Aber die Anhänger der Obrenvwitsch,
die nie aufgehört hatten, gegen Alexander zu schüren, benutzten mit russischer Unter¬
stützung dies und andre Verstimmungen, und plötzlich sah sich der Fürst im
Sommer 1857 einer weitverzweigten Verschwörung gegenüber, gegen die einzu¬
schreiten schon zu spät war. Die Sknpschtina verlangte seine Abdankung und er¬
klärte ihn, da er geflohen war, für abgesetzt.

Am 22. September 1858 wurde der alte Milosch Obrenvwitsch aus deu
Thron zurückberufen, starb aber schou am 26. September 1860, und ihm folgte,
zuni zweitenmal Fürst, wieder sein Sohn Michael. Dieser hatte sich inzwischen im
Ausland eine vielseitige Bildung angeeignet und trat äußerst human und bedacht
auf, außerdem hatte ihn die Nationalitätenidee beschäftigt, und er war entschlossen,
aus Serbien das Piemont der Balkanhalbinsel zu machen. In den Jahren 1862
und 1866 setzte er es nach geschickt angelegten Volksbewegungen bei den Mächten
durch, daß Serbien nahezu unabhängig und das Land bis auf Klein-Zwornik von
den Türken geräumt wurde. Da er auch sonst für das Wohl des Landes mit Eifer
sorgte, so erfreute er sich mit Recht großer Beliebtheit. Sein Unglück waren aber
die Frauen. Er war mit einer Gräfin Hunyadi in kinderloser Ehe vermählt, die
Gatten lebten getrennt, sie in einem Badeorte. Man sagte ihm eine Liebelei mit
einer Cousine nach, die mit ihm zugleich am 29. Juni 1868 von Mörderhänden
fiel. Gewöhnlich wird erzählt, das sei im Park von Toptschider geschehn; das ist
aber nicht ganz richtig. Toptschider heißt (türkisch) das Kanvnicrtal, darin liegt
allerdings die Sommerresidenz des Königs, und der eine Stunde von Belgrad
liegende Park bietet ein beliebtes Ausflugsziel. An den Park schließt sich der
Koschntniak (Wildpark) an, und in diesem Waldgehege fiel Fürst Michael von der
Hand von Stnntsgefangnen, nnter denen sich auch ein ehemaliger Staatsanwalt
befand. Die Mordtat erregte das größte Aufsehen, man vermutete die Familie der
Karageorgiewitsch oder auch die Pforte dahinter, aufgeklärt wurde nichts. Alexander
Karageorgiewitsch, der jede Kenntnis und Teilnahme an der Tat in Abrede stellte,
wurde trotzdem in oontunn>.c:iÄin zu langer Gefängnishaft verurteilt, aber von
Osterreich nicht ausgeliefert. Es gab in Belgrad Leute genug, die sich mit dieser
Erledigung der Untersuchung einverstanden erklären konnten. Es wäre ja nur
Blutrache gewesen.


Grenzboten it 1908 97
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[0753] Maßgebliches und Unmaßgebliches zur Abdankung zu nötigen. Seine Erklärung vom 12. Juni, daß er zu Gunsten seines Sohnes Milan abbaute, wurde mit dem Bescheid angenommen, daß er und seine Frau das Land verlassen müßten. Als beide durch die Straßen von Belgrad schritten, um um der save das zur Fahrt nach Rumänien bereitliegende Schiff zu besteigen, erwies ihnen weder das türkische Militär Ehrenbezeugungen, noch wurden sie von jemand gegrüßt. Sie war darüber ganz betroffen, er aber sagte voll Ironie: Nun, hat dir dein Verkehr mit meinen Feinden etwas genützt? Milan der Erste starb schon nach drei Wochen, und ihm folgte sein jüngerer Bruder Michael, der bis zum 8. September 1842 regierte, wo er durch einen Aufruhr der konstitutionellen Partei unter Wukschitsch und Petronjewitsch Vertrieben wurde, weil er sich durch verschiedne finanzielle Maßregeln Unzufriedenheit im Volke zu¬ gezogen hatte. Die Serben beschlossen, es nun mit einem Karageorgiewitsch zu versuchen. Alexander Karageorgiewitsch hatte erst vou Michael Obrcnowitsch die Erlaubnis zur Rückkehr nach Serbien erhalten und war von ihm überhaupt mit der größten Freundlichkeit behandelt worden. Jetzt wurde er am 15. September zum Fürsten ausgerufen; und obgleich Rußland zuerst gegen seine Wahl Einspruch erhob, am 27. Juli 1843 zum Fürsten gewählt und am 14. September von der Pforte be¬ stätigt. Im Innern traf er manche Reformen; er ließ es sich namentlich angelegen sein, das Straßennetz zu vervollständigen und den öffentlichen Unterricht zu heben, ohne die Finanzen zu verschlechtern. Bei Ausbruch des Oricntkriegs 1853 hielt er sich neutral, obgleich die Serben für Rußland schwärmten, und vermied dadurch jedenfalls eine österreichische Intervention. Aber die Anhänger der Obrenvwitsch, die nie aufgehört hatten, gegen Alexander zu schüren, benutzten mit russischer Unter¬ stützung dies und andre Verstimmungen, und plötzlich sah sich der Fürst im Sommer 1857 einer weitverzweigten Verschwörung gegenüber, gegen die einzu¬ schreiten schon zu spät war. Die Sknpschtina verlangte seine Abdankung und er¬ klärte ihn, da er geflohen war, für abgesetzt. Am 22. September 1858 wurde der alte Milosch Obrenvwitsch aus deu Thron zurückberufen, starb aber schou am 26. September 1860, und ihm folgte, zuni zweitenmal Fürst, wieder sein Sohn Michael. Dieser hatte sich inzwischen im Ausland eine vielseitige Bildung angeeignet und trat äußerst human und bedacht auf, außerdem hatte ihn die Nationalitätenidee beschäftigt, und er war entschlossen, aus Serbien das Piemont der Balkanhalbinsel zu machen. In den Jahren 1862 und 1866 setzte er es nach geschickt angelegten Volksbewegungen bei den Mächten durch, daß Serbien nahezu unabhängig und das Land bis auf Klein-Zwornik von den Türken geräumt wurde. Da er auch sonst für das Wohl des Landes mit Eifer sorgte, so erfreute er sich mit Recht großer Beliebtheit. Sein Unglück waren aber die Frauen. Er war mit einer Gräfin Hunyadi in kinderloser Ehe vermählt, die Gatten lebten getrennt, sie in einem Badeorte. Man sagte ihm eine Liebelei mit einer Cousine nach, die mit ihm zugleich am 29. Juni 1868 von Mörderhänden fiel. Gewöhnlich wird erzählt, das sei im Park von Toptschider geschehn; das ist aber nicht ganz richtig. Toptschider heißt (türkisch) das Kanvnicrtal, darin liegt allerdings die Sommerresidenz des Königs, und der eine Stunde von Belgrad liegende Park bietet ein beliebtes Ausflugsziel. An den Park schließt sich der Koschntniak (Wildpark) an, und in diesem Waldgehege fiel Fürst Michael von der Hand von Stnntsgefangnen, nnter denen sich auch ein ehemaliger Staatsanwalt befand. Die Mordtat erregte das größte Aufsehen, man vermutete die Familie der Karageorgiewitsch oder auch die Pforte dahinter, aufgeklärt wurde nichts. Alexander Karageorgiewitsch, der jede Kenntnis und Teilnahme an der Tat in Abrede stellte, wurde trotzdem in oontunn>.c:iÄin zu langer Gefängnishaft verurteilt, aber von Osterreich nicht ausgeliefert. Es gab in Belgrad Leute genug, die sich mit dieser Erledigung der Untersuchung einverstanden erklären konnten. Es wäre ja nur Blutrache gewesen. Grenzboten it 1908 97

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/753>, abgerufen am 22.07.2024.