Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

fünfhundert Jahren überhaupt keinen Einfluß dort ausgeübt. Um diesen Zuständen
zu entgehn, wanderten Eude des siebzehnten Jahrhunderts aus Altserbieu mehrere
hunderttausend Serben aus und zogen über die Donau, wo sie bei der Organi¬
sation der österreichischen Militärgrenze eine bedeutende Rolle spielten.

Drüben schritt der Zerfall der türkischen Herrschaft rasch vorwärts, namentlich
seitdem durch die Siege des Prinzen Eugen der kriegerische Geist der alten
Janitscharen gebrochen worden war. Diese warfen sich zu den eigentlichen Herren
des Landes ans, brachten die Serben durch Bedrückungen und Grausamkeiten zur
Verzweiflung und trieben sie in die Berge, wo sie zur Selbstverteidigung Räuber¬
banden bildeten und mit den ebenfalls zu Räuberbanden entarteten Janitscharen
jahrzehntelang in wilder Fehde lebten. Als die Pforte zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts zur Vernichtung der Janitscharen schritt, richteten diese im Februar
1804 unter den Serben, weil diese in Stmubul Beschwerde geführt hatten, ein
furchtbares Gemetzel an, worauf der Rest in die Berge floh und mit den Haiduken,
den bisherigen serbischen Räubern, den Befreiungskrieg begann, durch den 1807
das Land von den Janitscharen befreit wurde. Dabei traten als Führer nament¬
lich Georg Petrowitsch (Georg Czerny, Karageorgie bei den Türken, beides "schwarzer
Georg" bedeutend) und Milosch Obrenowitsch, der sich diesen Namen zu Ehren seines
Halbbruders Ohren beilegte, unter dem er tu deu Kämpfen gedient hatte, hervor.
Beide waren ihres Zeichens patriotische Räuber und daneben Schweinehirten, wie
damals alle Serben. Obgleich diese gar nicht daran dachten, ihr Vasallenverhttltuis
zur Pforte zu lösen, rückte trotzdem ein türkisches Heer in feindseliger Absicht in
Serbien ein, wurde aber mit russischer Unterstützung aus dem Lande geschlagen.
Nun wollte 1811 die Pforte den schwarzen Georg als Hospodar in Serbien ein¬
setzen, Rußland nahm sich aber beim Friedensschluß von Bukarest im folgenden Jahre
der Sache nicht recht an, und als es dann von Napoleon mit Krieg überzogen wurde
und an dem Koalitionskriege gegen Frankreich teilnahm, drehten die Türken den
Spieß um und eroberten 1813 Serbien wieder. Das Land leistete dieses mal
fast gar keinen Widerstand, der schwarze Georg war bei den Russen, und die
andern Führer waren uicht einig. Die Türken begannen nun sofort nach ihrer
Weise zu plündern und zu morden, die meisten Führer der Serben flüchteten, nur
Milosch Obrenowitsch blieb, weil er sich für sicher hielt, da er den Türken einige
Dienste geleistet hatte. Als er aber inne wurde, daß auch sein Kopf uicht sicher
stand, schritt er im Frühjahr 1815 zum Aufruhr und hatte bald das Land von
den Türken befreit. Auch der schwarze Georg hatte sich eingestellt, wurde aber
auf Veranlassung Miloschs in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1817 er¬
mordet. Nach deu Gebräuchen der Balknuhalbiusel galt es als selbstverständlich, daß
dafür die Pflicht der Blutrache auf seinen damals neunjährigen Sohn Alexander
übergehn werde.

Milosch Obrenowitsch regierte erst als Präsident des Senats, wurde am
6. November 1817 zum Fürsten von Serbien ausgerufen, von der Pforte aner¬
kannt und 1827 zum erblichen Fürsten erklärt. Im russisch-türkische" .Kriege hielt
er sich ruhig, weil ihm an der gänzlichen Vernichtung der Türkei nichts gelegen
war. Nach dem Frieden von Adrianopel wurden die Verhältnisse Serbiens zur
Pforte durch den Hattischerif vom 3. August 1830 geregelt. Milosch war ein un¬
gebildeter Mann, der die Negierungserlasse mit drei Kreuzen unterzeichnete, aber
er war nicht nur ein tapfrer Kämpfer, sondern auch ein stantsmäunisches und
organisatorisches Talent. Seine Absicht, im Jahre 1835 eine Verfassung zu be¬
gründen, wurde von der Pforte, Osterreich und Rußland vereitelt. Durch seine
Strenge und sein eigennütziges Wesen hatte er sich eine große Gegnerschaft im
Lande herangezogen, mit der seine Gemahlin Militza hinter seinem Rücken Be¬
ziehungen unterhielt. Sie war mit ihrem Manne, der die eheliche Treue uicht
immer genau nahm, auch sonst in politischen Dingen nicht immer einverstanden,
und man hat es hauptsächlich ihren Intriguen zugeschoben, daß die Skupschtina das
durch Hattischerif von 1838 eingeführte Statut benutzte, ihn am 13. Mai 1839


Maßgebliches und Unmaßgebliches

fünfhundert Jahren überhaupt keinen Einfluß dort ausgeübt. Um diesen Zuständen
zu entgehn, wanderten Eude des siebzehnten Jahrhunderts aus Altserbieu mehrere
hunderttausend Serben aus und zogen über die Donau, wo sie bei der Organi¬
sation der österreichischen Militärgrenze eine bedeutende Rolle spielten.

Drüben schritt der Zerfall der türkischen Herrschaft rasch vorwärts, namentlich
seitdem durch die Siege des Prinzen Eugen der kriegerische Geist der alten
Janitscharen gebrochen worden war. Diese warfen sich zu den eigentlichen Herren
des Landes ans, brachten die Serben durch Bedrückungen und Grausamkeiten zur
Verzweiflung und trieben sie in die Berge, wo sie zur Selbstverteidigung Räuber¬
banden bildeten und mit den ebenfalls zu Räuberbanden entarteten Janitscharen
jahrzehntelang in wilder Fehde lebten. Als die Pforte zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts zur Vernichtung der Janitscharen schritt, richteten diese im Februar
1804 unter den Serben, weil diese in Stmubul Beschwerde geführt hatten, ein
furchtbares Gemetzel an, worauf der Rest in die Berge floh und mit den Haiduken,
den bisherigen serbischen Räubern, den Befreiungskrieg begann, durch den 1807
das Land von den Janitscharen befreit wurde. Dabei traten als Führer nament¬
lich Georg Petrowitsch (Georg Czerny, Karageorgie bei den Türken, beides „schwarzer
Georg" bedeutend) und Milosch Obrenowitsch, der sich diesen Namen zu Ehren seines
Halbbruders Ohren beilegte, unter dem er tu deu Kämpfen gedient hatte, hervor.
Beide waren ihres Zeichens patriotische Räuber und daneben Schweinehirten, wie
damals alle Serben. Obgleich diese gar nicht daran dachten, ihr Vasallenverhttltuis
zur Pforte zu lösen, rückte trotzdem ein türkisches Heer in feindseliger Absicht in
Serbien ein, wurde aber mit russischer Unterstützung aus dem Lande geschlagen.
Nun wollte 1811 die Pforte den schwarzen Georg als Hospodar in Serbien ein¬
setzen, Rußland nahm sich aber beim Friedensschluß von Bukarest im folgenden Jahre
der Sache nicht recht an, und als es dann von Napoleon mit Krieg überzogen wurde
und an dem Koalitionskriege gegen Frankreich teilnahm, drehten die Türken den
Spieß um und eroberten 1813 Serbien wieder. Das Land leistete dieses mal
fast gar keinen Widerstand, der schwarze Georg war bei den Russen, und die
andern Führer waren uicht einig. Die Türken begannen nun sofort nach ihrer
Weise zu plündern und zu morden, die meisten Führer der Serben flüchteten, nur
Milosch Obrenowitsch blieb, weil er sich für sicher hielt, da er den Türken einige
Dienste geleistet hatte. Als er aber inne wurde, daß auch sein Kopf uicht sicher
stand, schritt er im Frühjahr 1815 zum Aufruhr und hatte bald das Land von
den Türken befreit. Auch der schwarze Georg hatte sich eingestellt, wurde aber
auf Veranlassung Miloschs in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1817 er¬
mordet. Nach deu Gebräuchen der Balknuhalbiusel galt es als selbstverständlich, daß
dafür die Pflicht der Blutrache auf seinen damals neunjährigen Sohn Alexander
übergehn werde.

Milosch Obrenowitsch regierte erst als Präsident des Senats, wurde am
6. November 1817 zum Fürsten von Serbien ausgerufen, von der Pforte aner¬
kannt und 1827 zum erblichen Fürsten erklärt. Im russisch-türkische» .Kriege hielt
er sich ruhig, weil ihm an der gänzlichen Vernichtung der Türkei nichts gelegen
war. Nach dem Frieden von Adrianopel wurden die Verhältnisse Serbiens zur
Pforte durch den Hattischerif vom 3. August 1830 geregelt. Milosch war ein un¬
gebildeter Mann, der die Negierungserlasse mit drei Kreuzen unterzeichnete, aber
er war nicht nur ein tapfrer Kämpfer, sondern auch ein stantsmäunisches und
organisatorisches Talent. Seine Absicht, im Jahre 1835 eine Verfassung zu be¬
gründen, wurde von der Pforte, Osterreich und Rußland vereitelt. Durch seine
Strenge und sein eigennütziges Wesen hatte er sich eine große Gegnerschaft im
Lande herangezogen, mit der seine Gemahlin Militza hinter seinem Rücken Be¬
ziehungen unterhielt. Sie war mit ihrem Manne, der die eheliche Treue uicht
immer genau nahm, auch sonst in politischen Dingen nicht immer einverstanden,
und man hat es hauptsächlich ihren Intriguen zugeschoben, daß die Skupschtina das
durch Hattischerif von 1838 eingeführte Statut benutzte, ihn am 13. Mai 1839


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0752" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241134"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_3520" prev="#ID_3519"> fünfhundert Jahren überhaupt keinen Einfluß dort ausgeübt. Um diesen Zuständen<lb/>
zu entgehn, wanderten Eude des siebzehnten Jahrhunderts aus Altserbieu mehrere<lb/>
hunderttausend Serben aus und zogen über die Donau, wo sie bei der Organi¬<lb/>
sation der österreichischen Militärgrenze eine bedeutende Rolle spielten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3521"> Drüben schritt der Zerfall der türkischen Herrschaft rasch vorwärts, namentlich<lb/>
seitdem durch die Siege des Prinzen Eugen der kriegerische Geist der alten<lb/>
Janitscharen gebrochen worden war. Diese warfen sich zu den eigentlichen Herren<lb/>
des Landes ans, brachten die Serben durch Bedrückungen und Grausamkeiten zur<lb/>
Verzweiflung und trieben sie in die Berge, wo sie zur Selbstverteidigung Räuber¬<lb/>
banden bildeten und mit den ebenfalls zu Räuberbanden entarteten Janitscharen<lb/>
jahrzehntelang in wilder Fehde lebten. Als die Pforte zu Anfang des vorigen<lb/>
Jahrhunderts zur Vernichtung der Janitscharen schritt, richteten diese im Februar<lb/>
1804 unter den Serben, weil diese in Stmubul Beschwerde geführt hatten, ein<lb/>
furchtbares Gemetzel an, worauf der Rest in die Berge floh und mit den Haiduken,<lb/>
den bisherigen serbischen Räubern, den Befreiungskrieg begann, durch den 1807<lb/>
das Land von den Janitscharen befreit wurde. Dabei traten als Führer nament¬<lb/>
lich Georg Petrowitsch (Georg Czerny, Karageorgie bei den Türken, beides &#x201E;schwarzer<lb/>
Georg" bedeutend) und Milosch Obrenowitsch, der sich diesen Namen zu Ehren seines<lb/>
Halbbruders Ohren beilegte, unter dem er tu deu Kämpfen gedient hatte, hervor.<lb/>
Beide waren ihres Zeichens patriotische Räuber und daneben Schweinehirten, wie<lb/>
damals alle Serben. Obgleich diese gar nicht daran dachten, ihr Vasallenverhttltuis<lb/>
zur Pforte zu lösen, rückte trotzdem ein türkisches Heer in feindseliger Absicht in<lb/>
Serbien ein, wurde aber mit russischer Unterstützung aus dem Lande geschlagen.<lb/>
Nun wollte 1811 die Pforte den schwarzen Georg als Hospodar in Serbien ein¬<lb/>
setzen, Rußland nahm sich aber beim Friedensschluß von Bukarest im folgenden Jahre<lb/>
der Sache nicht recht an, und als es dann von Napoleon mit Krieg überzogen wurde<lb/>
und an dem Koalitionskriege gegen Frankreich teilnahm, drehten die Türken den<lb/>
Spieß um und eroberten 1813 Serbien wieder. Das Land leistete dieses mal<lb/>
fast gar keinen Widerstand, der schwarze Georg war bei den Russen, und die<lb/>
andern Führer waren uicht einig. Die Türken begannen nun sofort nach ihrer<lb/>
Weise zu plündern und zu morden, die meisten Führer der Serben flüchteten, nur<lb/>
Milosch Obrenowitsch blieb, weil er sich für sicher hielt, da er den Türken einige<lb/>
Dienste geleistet hatte. Als er aber inne wurde, daß auch sein Kopf uicht sicher<lb/>
stand, schritt er im Frühjahr 1815 zum Aufruhr und hatte bald das Land von<lb/>
den Türken befreit. Auch der schwarze Georg hatte sich eingestellt, wurde aber<lb/>
auf Veranlassung Miloschs in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1817 er¬<lb/>
mordet. Nach deu Gebräuchen der Balknuhalbiusel galt es als selbstverständlich, daß<lb/>
dafür die Pflicht der Blutrache auf seinen damals neunjährigen Sohn Alexander<lb/>
übergehn werde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3522" next="#ID_3523"> Milosch Obrenowitsch regierte erst als Präsident des Senats, wurde am<lb/>
6. November 1817 zum Fürsten von Serbien ausgerufen, von der Pforte aner¬<lb/>
kannt und 1827 zum erblichen Fürsten erklärt. Im russisch-türkische» .Kriege hielt<lb/>
er sich ruhig, weil ihm an der gänzlichen Vernichtung der Türkei nichts gelegen<lb/>
war. Nach dem Frieden von Adrianopel wurden die Verhältnisse Serbiens zur<lb/>
Pforte durch den Hattischerif vom 3. August 1830 geregelt. Milosch war ein un¬<lb/>
gebildeter Mann, der die Negierungserlasse mit drei Kreuzen unterzeichnete, aber<lb/>
er war nicht nur ein tapfrer Kämpfer, sondern auch ein stantsmäunisches und<lb/>
organisatorisches Talent. Seine Absicht, im Jahre 1835 eine Verfassung zu be¬<lb/>
gründen, wurde von der Pforte, Osterreich und Rußland vereitelt. Durch seine<lb/>
Strenge und sein eigennütziges Wesen hatte er sich eine große Gegnerschaft im<lb/>
Lande herangezogen, mit der seine Gemahlin Militza hinter seinem Rücken Be¬<lb/>
ziehungen unterhielt. Sie war mit ihrem Manne, der die eheliche Treue uicht<lb/>
immer genau nahm, auch sonst in politischen Dingen nicht immer einverstanden,<lb/>
und man hat es hauptsächlich ihren Intriguen zugeschoben, daß die Skupschtina das<lb/>
durch Hattischerif von 1838 eingeführte Statut benutzte, ihn am 13. Mai 1839</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0752] Maßgebliches und Unmaßgebliches fünfhundert Jahren überhaupt keinen Einfluß dort ausgeübt. Um diesen Zuständen zu entgehn, wanderten Eude des siebzehnten Jahrhunderts aus Altserbieu mehrere hunderttausend Serben aus und zogen über die Donau, wo sie bei der Organi¬ sation der österreichischen Militärgrenze eine bedeutende Rolle spielten. Drüben schritt der Zerfall der türkischen Herrschaft rasch vorwärts, namentlich seitdem durch die Siege des Prinzen Eugen der kriegerische Geist der alten Janitscharen gebrochen worden war. Diese warfen sich zu den eigentlichen Herren des Landes ans, brachten die Serben durch Bedrückungen und Grausamkeiten zur Verzweiflung und trieben sie in die Berge, wo sie zur Selbstverteidigung Räuber¬ banden bildeten und mit den ebenfalls zu Räuberbanden entarteten Janitscharen jahrzehntelang in wilder Fehde lebten. Als die Pforte zu Anfang des vorigen Jahrhunderts zur Vernichtung der Janitscharen schritt, richteten diese im Februar 1804 unter den Serben, weil diese in Stmubul Beschwerde geführt hatten, ein furchtbares Gemetzel an, worauf der Rest in die Berge floh und mit den Haiduken, den bisherigen serbischen Räubern, den Befreiungskrieg begann, durch den 1807 das Land von den Janitscharen befreit wurde. Dabei traten als Führer nament¬ lich Georg Petrowitsch (Georg Czerny, Karageorgie bei den Türken, beides „schwarzer Georg" bedeutend) und Milosch Obrenowitsch, der sich diesen Namen zu Ehren seines Halbbruders Ohren beilegte, unter dem er tu deu Kämpfen gedient hatte, hervor. Beide waren ihres Zeichens patriotische Räuber und daneben Schweinehirten, wie damals alle Serben. Obgleich diese gar nicht daran dachten, ihr Vasallenverhttltuis zur Pforte zu lösen, rückte trotzdem ein türkisches Heer in feindseliger Absicht in Serbien ein, wurde aber mit russischer Unterstützung aus dem Lande geschlagen. Nun wollte 1811 die Pforte den schwarzen Georg als Hospodar in Serbien ein¬ setzen, Rußland nahm sich aber beim Friedensschluß von Bukarest im folgenden Jahre der Sache nicht recht an, und als es dann von Napoleon mit Krieg überzogen wurde und an dem Koalitionskriege gegen Frankreich teilnahm, drehten die Türken den Spieß um und eroberten 1813 Serbien wieder. Das Land leistete dieses mal fast gar keinen Widerstand, der schwarze Georg war bei den Russen, und die andern Führer waren uicht einig. Die Türken begannen nun sofort nach ihrer Weise zu plündern und zu morden, die meisten Führer der Serben flüchteten, nur Milosch Obrenowitsch blieb, weil er sich für sicher hielt, da er den Türken einige Dienste geleistet hatte. Als er aber inne wurde, daß auch sein Kopf uicht sicher stand, schritt er im Frühjahr 1815 zum Aufruhr und hatte bald das Land von den Türken befreit. Auch der schwarze Georg hatte sich eingestellt, wurde aber auf Veranlassung Miloschs in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1817 er¬ mordet. Nach deu Gebräuchen der Balknuhalbiusel galt es als selbstverständlich, daß dafür die Pflicht der Blutrache auf seinen damals neunjährigen Sohn Alexander übergehn werde. Milosch Obrenowitsch regierte erst als Präsident des Senats, wurde am 6. November 1817 zum Fürsten von Serbien ausgerufen, von der Pforte aner¬ kannt und 1827 zum erblichen Fürsten erklärt. Im russisch-türkische» .Kriege hielt er sich ruhig, weil ihm an der gänzlichen Vernichtung der Türkei nichts gelegen war. Nach dem Frieden von Adrianopel wurden die Verhältnisse Serbiens zur Pforte durch den Hattischerif vom 3. August 1830 geregelt. Milosch war ein un¬ gebildeter Mann, der die Negierungserlasse mit drei Kreuzen unterzeichnete, aber er war nicht nur ein tapfrer Kämpfer, sondern auch ein stantsmäunisches und organisatorisches Talent. Seine Absicht, im Jahre 1835 eine Verfassung zu be¬ gründen, wurde von der Pforte, Osterreich und Rußland vereitelt. Durch seine Strenge und sein eigennütziges Wesen hatte er sich eine große Gegnerschaft im Lande herangezogen, mit der seine Gemahlin Militza hinter seinem Rücken Be¬ ziehungen unterhielt. Sie war mit ihrem Manne, der die eheliche Treue uicht immer genau nahm, auch sonst in politischen Dingen nicht immer einverstanden, und man hat es hauptsächlich ihren Intriguen zugeschoben, daß die Skupschtina das durch Hattischerif von 1838 eingeführte Statut benutzte, ihn am 13. Mai 1839

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/752
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/752>, abgerufen am 22.07.2024.