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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

beizutreten, dessen für uns höchst bedrohlichen Abschluß verhindert hat. Vollends
die Einheit Italiens haben weder die Franzosen, denen sie sehr unangenehm war,
noch auch die Deutschen, die ja 1859 drauf und dran waren, den Österreichern zu
Hilfe zu kommen und dadurch Napoleon den Dritten an der Erfüllung seines Ver¬
sprechens "Frei bis zur Adria" verhinderten, sondern die Italiener geschaffen.
Noch vor dem Ausbruche des Krieges, schon am 27. April 1859, zwangen die
Toskaner durch eine unwiderstehliche Volksbewegung ihren Herrscher zur Abreise,
zu Anfang Mai, ehe noch ein Schuß gefallen war, taten Parma und Modena
dasselbe, eine Woche nach der Schlacht bei Magcnta, am 12. Juni, erhob sich auch
die päpstliche Romagna. Wäre es nach der europäischen Diplomatie gegangen, so
wären nach dem Frieden von Zürich am 19. November die alten Zustände mit
den alten Dynastien überall zurückgekehrt; nur die klare Entschlossenheit dieses
mittelitalienischen Volks im Norden und Süden der Apenninen verhinderte das,
stellte eine Armee von 59999 Mann auf, durchkreuzte die französischen Pläne auf ein
mittelitalienisches Königreich der Bonaparte und vollzog dann im März 1869
Europa zum Trotz die Vereinigung mit Piemont, schuf damit die Grundlage zum
Königreich Italien. Daß dann die Annexion des östlichen Mittelitaliens und des
Königreichs Neapel allein von deu Italienern ausging, bedarf keines Beweises.
Auch Rom würde Garibaldi sicher schon 1897 genommen haben, wäre nicht Frank¬
reich dazwischen getreten.

Vollends von den großen Fortschritten, die Italien im Innern gemacht hat,
weiß unsre Durchschnittspresse sehr wenig, und viele deutsche Reisende in Italien
bewähren den Ruf, daß wir es ganz besonders gut verstünden, auf die Eigentüm¬
lichkeit fremder Völker einzugehn, dort und zuhause herzlich schlecht. Ob es endlich
einen besonders bnndesfreundlichen Eindruck macht, wenn der deutsche Schulvercin
und der deutsch-österreichische Alpenverein in Südtirol nicht nur den alten deutschen
Besitzstand zu schützen, sondern auch in das italienische Sprachgebiet einzudringen
sucht, das lassen wir dahingestellt. Die Italiener haben den Eindruck, als ob es sich
hier um erobernde Germanisierungstendcnzen handle, und soviel dürfte feststchn, daß
der Jrredentismus, den man ihnen von deutscher Seite zum Vorwurf macht, da¬
durch nicht entwaffnet, sondern gestärkt wird. Was würden wir sagen, wenn die
Dante Alighieri italienische Schulen und Gasthäuser auch nur in Bozen gründen
wollte!

Müssen wir also leider zugeben, daß der Vorwurf einer gewissen Un¬
freundlichkeit der Gesinnung in Deutschland gegenüber Italien nicht ganz unberechtigt
ist, so vermögen wir uns den zweiten Vorwurf, daß auch die deutsche Politik seit
Bismarcks Rücktritt nicht mehr so viel Interesse an den italienischen Dingen ge¬
nommen habe und nehme, wie früher, überhaupt nicht zu erklären. Die Wendung
wird auf Kaiser Wilhelms des Zweiten persönliche Politik zurückgeführt, an der
auch Graf Bülow nichts geändert habe, obwohl er lange in Italien tätig gewesen
sei. "Wer in ihm einen Mann von Gefühl hat sehen wollen, der hat sich ge¬
täuscht. sein kühler Geist ist kalt und scharf wie ein Schwert, und der Stahl
dieses Geistes ist zwar biegsam, aber nicht weich. Wie er mußte, hat er nur seine
Pflichten gegen Deutschland und gegen die deutschen Interessen im Auge. Aber
als Gesandter wie als Minister und als Kanzler hätte er eine stärkere Über¬
zeugung von der Identität dieser Interessen mit den italienischen Interessen zeigen
können, und zwar nach einer genauen Würdigung uicht uur unsrer unleugbaren
Fehler, sondern auch unsrer nicht weniger realen Kraft. -- Die große Mehrheit
des italienischen Volkes ist heute wie immer für den Dreibund und besonders für
die italienisch-deutsche Allianz. -- Aber deshalb können wir die Augen vor unsern
andern Interessen uicht verschließen, für die der Dreibund nicht sorgt." In dieser
Bemerkung liegt wohl der Schlüssel für den übrigens nicht weiter begründeten
Vorwurf, dann aber ist er ungerecht. Der Dreibund ist nicht ein Schutz- und
Trutzbündnis für alle Fälle, sondern hat bestimmte und begrenzte Zwecke. Er
hindert die einzelnen Genossen nicht, ihre besondern Interessen zu verfolgen und


Maßgebliches und Unmaßgebliches

beizutreten, dessen für uns höchst bedrohlichen Abschluß verhindert hat. Vollends
die Einheit Italiens haben weder die Franzosen, denen sie sehr unangenehm war,
noch auch die Deutschen, die ja 1859 drauf und dran waren, den Österreichern zu
Hilfe zu kommen und dadurch Napoleon den Dritten an der Erfüllung seines Ver¬
sprechens „Frei bis zur Adria" verhinderten, sondern die Italiener geschaffen.
Noch vor dem Ausbruche des Krieges, schon am 27. April 1859, zwangen die
Toskaner durch eine unwiderstehliche Volksbewegung ihren Herrscher zur Abreise,
zu Anfang Mai, ehe noch ein Schuß gefallen war, taten Parma und Modena
dasselbe, eine Woche nach der Schlacht bei Magcnta, am 12. Juni, erhob sich auch
die päpstliche Romagna. Wäre es nach der europäischen Diplomatie gegangen, so
wären nach dem Frieden von Zürich am 19. November die alten Zustände mit
den alten Dynastien überall zurückgekehrt; nur die klare Entschlossenheit dieses
mittelitalienischen Volks im Norden und Süden der Apenninen verhinderte das,
stellte eine Armee von 59999 Mann auf, durchkreuzte die französischen Pläne auf ein
mittelitalienisches Königreich der Bonaparte und vollzog dann im März 1869
Europa zum Trotz die Vereinigung mit Piemont, schuf damit die Grundlage zum
Königreich Italien. Daß dann die Annexion des östlichen Mittelitaliens und des
Königreichs Neapel allein von deu Italienern ausging, bedarf keines Beweises.
Auch Rom würde Garibaldi sicher schon 1897 genommen haben, wäre nicht Frank¬
reich dazwischen getreten.

Vollends von den großen Fortschritten, die Italien im Innern gemacht hat,
weiß unsre Durchschnittspresse sehr wenig, und viele deutsche Reisende in Italien
bewähren den Ruf, daß wir es ganz besonders gut verstünden, auf die Eigentüm¬
lichkeit fremder Völker einzugehn, dort und zuhause herzlich schlecht. Ob es endlich
einen besonders bnndesfreundlichen Eindruck macht, wenn der deutsche Schulvercin
und der deutsch-österreichische Alpenverein in Südtirol nicht nur den alten deutschen
Besitzstand zu schützen, sondern auch in das italienische Sprachgebiet einzudringen
sucht, das lassen wir dahingestellt. Die Italiener haben den Eindruck, als ob es sich
hier um erobernde Germanisierungstendcnzen handle, und soviel dürfte feststchn, daß
der Jrredentismus, den man ihnen von deutscher Seite zum Vorwurf macht, da¬
durch nicht entwaffnet, sondern gestärkt wird. Was würden wir sagen, wenn die
Dante Alighieri italienische Schulen und Gasthäuser auch nur in Bozen gründen
wollte!

Müssen wir also leider zugeben, daß der Vorwurf einer gewissen Un¬
freundlichkeit der Gesinnung in Deutschland gegenüber Italien nicht ganz unberechtigt
ist, so vermögen wir uns den zweiten Vorwurf, daß auch die deutsche Politik seit
Bismarcks Rücktritt nicht mehr so viel Interesse an den italienischen Dingen ge¬
nommen habe und nehme, wie früher, überhaupt nicht zu erklären. Die Wendung
wird auf Kaiser Wilhelms des Zweiten persönliche Politik zurückgeführt, an der
auch Graf Bülow nichts geändert habe, obwohl er lange in Italien tätig gewesen
sei. „Wer in ihm einen Mann von Gefühl hat sehen wollen, der hat sich ge¬
täuscht. sein kühler Geist ist kalt und scharf wie ein Schwert, und der Stahl
dieses Geistes ist zwar biegsam, aber nicht weich. Wie er mußte, hat er nur seine
Pflichten gegen Deutschland und gegen die deutschen Interessen im Auge. Aber
als Gesandter wie als Minister und als Kanzler hätte er eine stärkere Über¬
zeugung von der Identität dieser Interessen mit den italienischen Interessen zeigen
können, und zwar nach einer genauen Würdigung uicht uur unsrer unleugbaren
Fehler, sondern auch unsrer nicht weniger realen Kraft. — Die große Mehrheit
des italienischen Volkes ist heute wie immer für den Dreibund und besonders für
die italienisch-deutsche Allianz. — Aber deshalb können wir die Augen vor unsern
andern Interessen uicht verschließen, für die der Dreibund nicht sorgt." In dieser
Bemerkung liegt wohl der Schlüssel für den übrigens nicht weiter begründeten
Vorwurf, dann aber ist er ungerecht. Der Dreibund ist nicht ein Schutz- und
Trutzbündnis für alle Fälle, sondern hat bestimmte und begrenzte Zwecke. Er
hindert die einzelnen Genossen nicht, ihre besondern Interessen zu verfolgen und


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[0750] Maßgebliches und Unmaßgebliches beizutreten, dessen für uns höchst bedrohlichen Abschluß verhindert hat. Vollends die Einheit Italiens haben weder die Franzosen, denen sie sehr unangenehm war, noch auch die Deutschen, die ja 1859 drauf und dran waren, den Österreichern zu Hilfe zu kommen und dadurch Napoleon den Dritten an der Erfüllung seines Ver¬ sprechens „Frei bis zur Adria" verhinderten, sondern die Italiener geschaffen. Noch vor dem Ausbruche des Krieges, schon am 27. April 1859, zwangen die Toskaner durch eine unwiderstehliche Volksbewegung ihren Herrscher zur Abreise, zu Anfang Mai, ehe noch ein Schuß gefallen war, taten Parma und Modena dasselbe, eine Woche nach der Schlacht bei Magcnta, am 12. Juni, erhob sich auch die päpstliche Romagna. Wäre es nach der europäischen Diplomatie gegangen, so wären nach dem Frieden von Zürich am 19. November die alten Zustände mit den alten Dynastien überall zurückgekehrt; nur die klare Entschlossenheit dieses mittelitalienischen Volks im Norden und Süden der Apenninen verhinderte das, stellte eine Armee von 59999 Mann auf, durchkreuzte die französischen Pläne auf ein mittelitalienisches Königreich der Bonaparte und vollzog dann im März 1869 Europa zum Trotz die Vereinigung mit Piemont, schuf damit die Grundlage zum Königreich Italien. Daß dann die Annexion des östlichen Mittelitaliens und des Königreichs Neapel allein von deu Italienern ausging, bedarf keines Beweises. Auch Rom würde Garibaldi sicher schon 1897 genommen haben, wäre nicht Frank¬ reich dazwischen getreten. Vollends von den großen Fortschritten, die Italien im Innern gemacht hat, weiß unsre Durchschnittspresse sehr wenig, und viele deutsche Reisende in Italien bewähren den Ruf, daß wir es ganz besonders gut verstünden, auf die Eigentüm¬ lichkeit fremder Völker einzugehn, dort und zuhause herzlich schlecht. Ob es endlich einen besonders bnndesfreundlichen Eindruck macht, wenn der deutsche Schulvercin und der deutsch-österreichische Alpenverein in Südtirol nicht nur den alten deutschen Besitzstand zu schützen, sondern auch in das italienische Sprachgebiet einzudringen sucht, das lassen wir dahingestellt. Die Italiener haben den Eindruck, als ob es sich hier um erobernde Germanisierungstendcnzen handle, und soviel dürfte feststchn, daß der Jrredentismus, den man ihnen von deutscher Seite zum Vorwurf macht, da¬ durch nicht entwaffnet, sondern gestärkt wird. Was würden wir sagen, wenn die Dante Alighieri italienische Schulen und Gasthäuser auch nur in Bozen gründen wollte! Müssen wir also leider zugeben, daß der Vorwurf einer gewissen Un¬ freundlichkeit der Gesinnung in Deutschland gegenüber Italien nicht ganz unberechtigt ist, so vermögen wir uns den zweiten Vorwurf, daß auch die deutsche Politik seit Bismarcks Rücktritt nicht mehr so viel Interesse an den italienischen Dingen ge¬ nommen habe und nehme, wie früher, überhaupt nicht zu erklären. Die Wendung wird auf Kaiser Wilhelms des Zweiten persönliche Politik zurückgeführt, an der auch Graf Bülow nichts geändert habe, obwohl er lange in Italien tätig gewesen sei. „Wer in ihm einen Mann von Gefühl hat sehen wollen, der hat sich ge¬ täuscht. sein kühler Geist ist kalt und scharf wie ein Schwert, und der Stahl dieses Geistes ist zwar biegsam, aber nicht weich. Wie er mußte, hat er nur seine Pflichten gegen Deutschland und gegen die deutschen Interessen im Auge. Aber als Gesandter wie als Minister und als Kanzler hätte er eine stärkere Über¬ zeugung von der Identität dieser Interessen mit den italienischen Interessen zeigen können, und zwar nach einer genauen Würdigung uicht uur unsrer unleugbaren Fehler, sondern auch unsrer nicht weniger realen Kraft. — Die große Mehrheit des italienischen Volkes ist heute wie immer für den Dreibund und besonders für die italienisch-deutsche Allianz. — Aber deshalb können wir die Augen vor unsern andern Interessen uicht verschließen, für die der Dreibund nicht sorgt." In dieser Bemerkung liegt wohl der Schlüssel für den übrigens nicht weiter begründeten Vorwurf, dann aber ist er ungerecht. Der Dreibund ist nicht ein Schutz- und Trutzbündnis für alle Fälle, sondern hat bestimmte und begrenzte Zwecke. Er hindert die einzelnen Genossen nicht, ihre besondern Interessen zu verfolgen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/750>, abgerufen am 24.08.2024.