Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Annstbetrachtungen Geschichte ans seiner Seite, insofern als oftmals die historischen Baustile bei Drei kürzere Gelegenheitsschriften hängen mit der Frage der sogenannten Anders faßt seine Ausgabe Reinhold Freiherr von Lichtenberg an, Annstbetrachtungen Geschichte ans seiner Seite, insofern als oftmals die historischen Baustile bei Drei kürzere Gelegenheitsschriften hängen mit der Frage der sogenannten Anders faßt seine Ausgabe Reinhold Freiherr von Lichtenberg an, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0724" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241106"/> <fw type="header" place="top"> Annstbetrachtungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_3364" prev="#ID_3363"> Geschichte ans seiner Seite, insofern als oftmals die historischen Baustile bei<lb/> ihrer Ausbreitung ihren Weg durch das kleinere Kunstgewerbe genommen haben<lb/> und den vollen Werkformen das dekorative Ornament vorangegangen ist; es<lb/> übte eben einen Reiz aus, und jeder historische Stil hatte seine Ornamente,<lb/> die er wie Plnnkler ausschwärmen lassen konnte, und die durch die ganze Stil¬<lb/> dauer das Kleinste mit dem Größten zusammengehalten haben. Dieser Reiz,<lb/> diese werbende Kraft fehlt ja aber gerade der modernen Richtung, die alle<lb/> Formen nur aus dem Material und dem Zweck entwickeln will. Und mit<lb/> diesem negativen Zug schafft sich der moderne Stil eine ganz neue, noch nie<lb/> dagewesene Lage, über deren Ausgang keine historische Parallele etwas lehren<lb/> kann. Mögen die ausübenden Künstler ihre ornamentloscn Werkformen noch<lb/> so schön finden, dem historisch gewöhnten Geschmack werden sie nüchtern vor¬<lb/> kommen, und wenn er sie sich auch uoch an dem Möbel gefallen läßt, der<lb/> Übergang von da in die große Architektur ist ein Sprung ins Dunkle. Theo¬<lb/> retisch ist er für uns nicht auszudenken, und wo er getan worden ist, war<lb/> er, wie wir wenigstens meinen, ein Fiasko.</p><lb/> <p xml:id="ID_3365"> Drei kürzere Gelegenheitsschriften hängen mit der Frage der sogenannten<lb/> Kunsterziehung zusammen. „Die Erziehung zum Sehen" ist ein bei R. Voigt-<lb/> länder in Leipzig erschienener Vortrag von Ludwig Volkmann betitelt, der<lb/> im Namen von Nuskin und Lichtwcirk der wirklich künstlerischen Bildung zum<lb/> Siege über die Vielwisserei verhelfen möchte. Er verspottet die Leute, die<lb/> danach fragen, was auf einem Bilde dargestellt sei, in allerlei schnurrigen<lb/> Anekdoten und weist sie statt dessen an, bloß auf die Wiedergabe des Wirklichen<lb/> durch Zeichnung, Modellierung, Reflexlichter und solches mehr zu achten.<lb/> Wenn sie das dann noch etwas durch dilettantisches Zeichnen und als Amateur¬<lb/> photographen unterstützen, so werden sie allmählich verstehn, wie der Künstler<lb/> die Natur nicht abschreibt, sondern selbstschöpferisch umwertet, und zuletzt<lb/> werden sie auch mit seinen Augen sehen lernen. Ehe aber diese Erkenntnis<lb/> nicht allgemein durchgedrungen ist, dürfen wir nicht von einer künstlerischen<lb/> Bildung unsers Volkes reden. Nach diesem so gut wie wörtlichen Auszuge<lb/> könnten wir dem Leser höchstens noch anvertrauen, daß für uns persönlich<lb/> ein so knnstgebildetes Volk einfach zum Gruseln wäre, und daß wir dann<lb/> uoch das Dienstmädchen, das Prellcrs „Lenkothea vor Odysseus" im Leipziger<lb/> Museum seinem Unteroffizier als den ans dem Meere wandelnden Herrn<lb/> Jesus erklärt, zum täglichen Umgang vorziehn würden. Aber zu dieser Ent¬<lb/> scheidung wird es glücklicherweise nicht kommen, denn das Volk hat, eben¬<lb/> falls zu seinein Glücke, nötigeres und wichtigeres zu tun, und wir meinen<lb/> beinahe, auf den gesundem und vernünftigem Teil müsse ein zur Kunst er¬<lb/> ziehender Professor ebenso komisch wirken, wie diesem das unverbildete Dienst¬<lb/> mädchen vorkommt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß vieles von dem<lb/> Versasser Vorgebrachte für einen weiter vorgebildeten Kreis brauchbar und<lb/> wertvoll ist. Muß denn aber für alle Belehrung, die jemand zu versenden<lb/> hat, immer das sogenannte Volk herhalten?</p><lb/> <p xml:id="ID_3366" next="#ID_3367"> Anders faßt seine Ausgabe Reinhold Freiherr von Lichtenberg an,<lb/> der als Dozent des Karlsruher Polytechnikums vor den Bildern der Jubi¬<lb/> läumsausstellung 1902 einige Vortrüge gehalten hat: „Über einige Fragen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0724]
Annstbetrachtungen
Geschichte ans seiner Seite, insofern als oftmals die historischen Baustile bei
ihrer Ausbreitung ihren Weg durch das kleinere Kunstgewerbe genommen haben
und den vollen Werkformen das dekorative Ornament vorangegangen ist; es
übte eben einen Reiz aus, und jeder historische Stil hatte seine Ornamente,
die er wie Plnnkler ausschwärmen lassen konnte, und die durch die ganze Stil¬
dauer das Kleinste mit dem Größten zusammengehalten haben. Dieser Reiz,
diese werbende Kraft fehlt ja aber gerade der modernen Richtung, die alle
Formen nur aus dem Material und dem Zweck entwickeln will. Und mit
diesem negativen Zug schafft sich der moderne Stil eine ganz neue, noch nie
dagewesene Lage, über deren Ausgang keine historische Parallele etwas lehren
kann. Mögen die ausübenden Künstler ihre ornamentloscn Werkformen noch
so schön finden, dem historisch gewöhnten Geschmack werden sie nüchtern vor¬
kommen, und wenn er sie sich auch uoch an dem Möbel gefallen läßt, der
Übergang von da in die große Architektur ist ein Sprung ins Dunkle. Theo¬
retisch ist er für uns nicht auszudenken, und wo er getan worden ist, war
er, wie wir wenigstens meinen, ein Fiasko.
Drei kürzere Gelegenheitsschriften hängen mit der Frage der sogenannten
Kunsterziehung zusammen. „Die Erziehung zum Sehen" ist ein bei R. Voigt-
länder in Leipzig erschienener Vortrag von Ludwig Volkmann betitelt, der
im Namen von Nuskin und Lichtwcirk der wirklich künstlerischen Bildung zum
Siege über die Vielwisserei verhelfen möchte. Er verspottet die Leute, die
danach fragen, was auf einem Bilde dargestellt sei, in allerlei schnurrigen
Anekdoten und weist sie statt dessen an, bloß auf die Wiedergabe des Wirklichen
durch Zeichnung, Modellierung, Reflexlichter und solches mehr zu achten.
Wenn sie das dann noch etwas durch dilettantisches Zeichnen und als Amateur¬
photographen unterstützen, so werden sie allmählich verstehn, wie der Künstler
die Natur nicht abschreibt, sondern selbstschöpferisch umwertet, und zuletzt
werden sie auch mit seinen Augen sehen lernen. Ehe aber diese Erkenntnis
nicht allgemein durchgedrungen ist, dürfen wir nicht von einer künstlerischen
Bildung unsers Volkes reden. Nach diesem so gut wie wörtlichen Auszuge
könnten wir dem Leser höchstens noch anvertrauen, daß für uns persönlich
ein so knnstgebildetes Volk einfach zum Gruseln wäre, und daß wir dann
uoch das Dienstmädchen, das Prellcrs „Lenkothea vor Odysseus" im Leipziger
Museum seinem Unteroffizier als den ans dem Meere wandelnden Herrn
Jesus erklärt, zum täglichen Umgang vorziehn würden. Aber zu dieser Ent¬
scheidung wird es glücklicherweise nicht kommen, denn das Volk hat, eben¬
falls zu seinein Glücke, nötigeres und wichtigeres zu tun, und wir meinen
beinahe, auf den gesundem und vernünftigem Teil müsse ein zur Kunst er¬
ziehender Professor ebenso komisch wirken, wie diesem das unverbildete Dienst¬
mädchen vorkommt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß vieles von dem
Versasser Vorgebrachte für einen weiter vorgebildeten Kreis brauchbar und
wertvoll ist. Muß denn aber für alle Belehrung, die jemand zu versenden
hat, immer das sogenannte Volk herhalten?
Anders faßt seine Ausgabe Reinhold Freiherr von Lichtenberg an,
der als Dozent des Karlsruher Polytechnikums vor den Bildern der Jubi¬
läumsausstellung 1902 einige Vortrüge gehalten hat: „Über einige Fragen
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