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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Zur Geschichte des Rettnngswesens an der deutschen Rüste

tun in solchen Waren, die als das Ergebnis einer höhern Kulturarbeit gelten
müssen. Wir werden aber niedergerungen werde", wenn es sich auf dem inter¬
nationale" Markt um den Allsgleich von natürlichen Vorteile" handelt, wie sie
im Klima, in der größern Fruchtbarkeit des Bodens liegen oder im nieder"
Arbeitslohn als Ausdruck eines tiefern Kulturzustandes. Alles das in"ß aber
i" Betracht gezogen werden bei der Beurteilung der internationalen Preisbildung
des Getreides. Der Schutzzoll für Getreide ist in seinem letzten Grnnde nicht
nur ein wirtschaftlicher, er ist auch ein Kulturzoll. Er soll uns die Möglichkeit
gewahren, trotz ungünstiger äußerer Umstände die Höhe unsrer alten Kultur
zu bewahren.

Einst haben wir auf den Schlachtfeldern gegen den Ansturm der Hunnen,
Slawen und Türken für die Erhaltung unsrer Volksart gestritten. Heute handelt
es sich nicht um einen allen Augen sichtbaren Kampf, kein Pulverdampf ist zu
sehen, kein Knattern der Gewehre hört man. Still und geräuschlos vollzieht
sich der Kampf in der Form der Preisbildung auf den internationalen Märkten.
In seinen Wirkungen gleicht er aber leider nnr zu sehr dem eines Schlachtfeldes-
Hier und dort wird ein Landarbeiter entwurzelt, fällt ein Landwirt nach dem
andern, um wem Platz zu mache"? Bulgare" und Slawen, Indern und Kukis!
Die Tonne Getreide, die in Deutschland nicht geerntet, wohl aber verbraucht
wird, ist anderswo gewonnen worden, hat dort neue Arbeit gegeben, war
Anlaß zu einer reichern Bewirtschaftung des Bodens, diente zu einer Belebung
des dortigen Verkehrs.

Heute ist das internationale wirtschaftliche Schlachtfeld in der Hauptsache
uoch auf das Getreide beschränkt; es kaun bald, schneller als wir ahnen, an
Ausdehnung gewinnen. Schon droht uns in Ostasien ein neuer Wettbewerb;
in diesem Kampfe stehn sich nicht Landwirtschaft gegen Landwirtschaft, sondern
europäische Industrie gegen ostasiatische Industrie. Dann wird es heißen: Ja,
Bauer, das ist ganz was andres! Dann wird auch die Binde von den Augen
unsrer verführten Arbeitermassen fallen; hoffen wir, daß es dann nicht zu spät ist-

Gerade wer für die Hebung des Arbeiterstandes eintritt und dem deutschen
Industriearbeiter die Möglichkeit, seine Bildung zu steigern, gewährt wissen will,
muß für eitlen Schutz der Landwirtschaft eintreten.




Zur Geschichte des Rettungswesens
an der deutschen Rüste
Ludwig Renner i von n

u den letzten Febrnnrwvchen des Jahres 1807 ging zu Kolberg
im Lärm der Armierung und im Leid über die mißglückter Vor¬
stöße Schills gegen das französische Belagerungskorps das Leben
eines Mannes zu Ende, der die große Zeit des großen Königs
erlebt und, sich selbst und seinen Zeitgenossen unbewußt, sein
bescheidnes Teil, doch mehr als sonst einem schlichten Bürger vergönnt war,
zur Größe jener Zeit beigetragen hatte.


Zur Geschichte des Rettnngswesens an der deutschen Rüste

tun in solchen Waren, die als das Ergebnis einer höhern Kulturarbeit gelten
müssen. Wir werden aber niedergerungen werde», wenn es sich auf dem inter¬
nationale» Markt um den Allsgleich von natürlichen Vorteile» handelt, wie sie
im Klima, in der größern Fruchtbarkeit des Bodens liegen oder im nieder»
Arbeitslohn als Ausdruck eines tiefern Kulturzustandes. Alles das inȧ aber
i» Betracht gezogen werden bei der Beurteilung der internationalen Preisbildung
des Getreides. Der Schutzzoll für Getreide ist in seinem letzten Grnnde nicht
nur ein wirtschaftlicher, er ist auch ein Kulturzoll. Er soll uns die Möglichkeit
gewahren, trotz ungünstiger äußerer Umstände die Höhe unsrer alten Kultur
zu bewahren.

Einst haben wir auf den Schlachtfeldern gegen den Ansturm der Hunnen,
Slawen und Türken für die Erhaltung unsrer Volksart gestritten. Heute handelt
es sich nicht um einen allen Augen sichtbaren Kampf, kein Pulverdampf ist zu
sehen, kein Knattern der Gewehre hört man. Still und geräuschlos vollzieht
sich der Kampf in der Form der Preisbildung auf den internationalen Märkten.
In seinen Wirkungen gleicht er aber leider nnr zu sehr dem eines Schlachtfeldes-
Hier und dort wird ein Landarbeiter entwurzelt, fällt ein Landwirt nach dem
andern, um wem Platz zu mache»? Bulgare» und Slawen, Indern und Kukis!
Die Tonne Getreide, die in Deutschland nicht geerntet, wohl aber verbraucht
wird, ist anderswo gewonnen worden, hat dort neue Arbeit gegeben, war
Anlaß zu einer reichern Bewirtschaftung des Bodens, diente zu einer Belebung
des dortigen Verkehrs.

Heute ist das internationale wirtschaftliche Schlachtfeld in der Hauptsache
uoch auf das Getreide beschränkt; es kaun bald, schneller als wir ahnen, an
Ausdehnung gewinnen. Schon droht uns in Ostasien ein neuer Wettbewerb;
in diesem Kampfe stehn sich nicht Landwirtschaft gegen Landwirtschaft, sondern
europäische Industrie gegen ostasiatische Industrie. Dann wird es heißen: Ja,
Bauer, das ist ganz was andres! Dann wird auch die Binde von den Augen
unsrer verführten Arbeitermassen fallen; hoffen wir, daß es dann nicht zu spät ist-

Gerade wer für die Hebung des Arbeiterstandes eintritt und dem deutschen
Industriearbeiter die Möglichkeit, seine Bildung zu steigern, gewährt wissen will,
muß für eitlen Schutz der Landwirtschaft eintreten.




Zur Geschichte des Rettungswesens
an der deutschen Rüste
Ludwig Renner i von n

u den letzten Febrnnrwvchen des Jahres 1807 ging zu Kolberg
im Lärm der Armierung und im Leid über die mißglückter Vor¬
stöße Schills gegen das französische Belagerungskorps das Leben
eines Mannes zu Ende, der die große Zeit des großen Königs
erlebt und, sich selbst und seinen Zeitgenossen unbewußt, sein
bescheidnes Teil, doch mehr als sonst einem schlichten Bürger vergönnt war,
zur Größe jener Zeit beigetragen hatte.


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[0644] Zur Geschichte des Rettnngswesens an der deutschen Rüste tun in solchen Waren, die als das Ergebnis einer höhern Kulturarbeit gelten müssen. Wir werden aber niedergerungen werde», wenn es sich auf dem inter¬ nationale» Markt um den Allsgleich von natürlichen Vorteile» handelt, wie sie im Klima, in der größern Fruchtbarkeit des Bodens liegen oder im nieder» Arbeitslohn als Ausdruck eines tiefern Kulturzustandes. Alles das in»ß aber i» Betracht gezogen werden bei der Beurteilung der internationalen Preisbildung des Getreides. Der Schutzzoll für Getreide ist in seinem letzten Grnnde nicht nur ein wirtschaftlicher, er ist auch ein Kulturzoll. Er soll uns die Möglichkeit gewahren, trotz ungünstiger äußerer Umstände die Höhe unsrer alten Kultur zu bewahren. Einst haben wir auf den Schlachtfeldern gegen den Ansturm der Hunnen, Slawen und Türken für die Erhaltung unsrer Volksart gestritten. Heute handelt es sich nicht um einen allen Augen sichtbaren Kampf, kein Pulverdampf ist zu sehen, kein Knattern der Gewehre hört man. Still und geräuschlos vollzieht sich der Kampf in der Form der Preisbildung auf den internationalen Märkten. In seinen Wirkungen gleicht er aber leider nnr zu sehr dem eines Schlachtfeldes- Hier und dort wird ein Landarbeiter entwurzelt, fällt ein Landwirt nach dem andern, um wem Platz zu mache»? Bulgare» und Slawen, Indern und Kukis! Die Tonne Getreide, die in Deutschland nicht geerntet, wohl aber verbraucht wird, ist anderswo gewonnen worden, hat dort neue Arbeit gegeben, war Anlaß zu einer reichern Bewirtschaftung des Bodens, diente zu einer Belebung des dortigen Verkehrs. Heute ist das internationale wirtschaftliche Schlachtfeld in der Hauptsache uoch auf das Getreide beschränkt; es kaun bald, schneller als wir ahnen, an Ausdehnung gewinnen. Schon droht uns in Ostasien ein neuer Wettbewerb; in diesem Kampfe stehn sich nicht Landwirtschaft gegen Landwirtschaft, sondern europäische Industrie gegen ostasiatische Industrie. Dann wird es heißen: Ja, Bauer, das ist ganz was andres! Dann wird auch die Binde von den Augen unsrer verführten Arbeitermassen fallen; hoffen wir, daß es dann nicht zu spät ist- Gerade wer für die Hebung des Arbeiterstandes eintritt und dem deutschen Industriearbeiter die Möglichkeit, seine Bildung zu steigern, gewährt wissen will, muß für eitlen Schutz der Landwirtschaft eintreten. Zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen Rüste Ludwig Renner i von n u den letzten Febrnnrwvchen des Jahres 1807 ging zu Kolberg im Lärm der Armierung und im Leid über die mißglückter Vor¬ stöße Schills gegen das französische Belagerungskorps das Leben eines Mannes zu Ende, der die große Zeit des großen Königs erlebt und, sich selbst und seinen Zeitgenossen unbewußt, sein bescheidnes Teil, doch mehr als sonst einem schlichten Bürger vergönnt war, zur Größe jener Zeit beigetragen hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/644>, abgerufen am 23.07.2024.