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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

alter zurück, ist also tiefer und fester gewurzelt als irgeud eine andre historische
Macht, und die einheitliche Verfassung der Kirche bleibt ein Gut, das zwar die
Protestanten, nachdem sie dnranf verzichtet haben, nicht wiedergewinnen können,
dessen Preisgebung aber man denen, die sich seiner noch erfreuen, nicht zumuten
kaun. Nicht weniger töricht ist es freilich, wenn protestantische und paritätische
Staaten durch unnötige Zugeständnisse die Macht des Papstes erhöhen. Die richtige
Politik ist kühle, aufmerksam beobachtende Zurückhaltung, die sich gleich weit ent¬
fernt hält von Einmischnngs-, Reglementierung^ und Untcrdrückungssncht, wie von
zudringlicher Liebenswürdigkeit und Dienstbeflissenheit gegen die Hierarchen und
von dem Bestreben, deren Freundschaft für politische Zwecke auszunutzen.

Der zweite Vorbehalt betrifft die Orden, Chamberlain sieht in ihnen, gleich
vielen Protestanten, nur Werkzeuge Roms zur Lähmung der größtenteils national
und patriotisch gesinnten Pfarrgeistlichkeit, Das sind sie zum Teil, Aber so
weit darf trotzdem der Staat nicht gehn, daß er alle Orden ausrottet oder ver¬
bietet. Denn die Gottwohlgefälligkeit des Klosterlebens ist katholischer Glaubens¬
satz, der unwiderstehliche Drang zu solchem Leben in vielen katholischen Seelen un¬
zweifelhaft vorhanden, ein nnbeschränktcs Verbot der Orden also ein Eingriff inS
Gewissen; noch dazu beweisen die evangelischen Diakonen und Diakonissen die soziale
Unentbehrlichkeit der Orden, Der Staat hat meines Erachtens nur folgende
Pflichten: 1. Orden nicht zu dulden, die keine gemeinnützige Tätigkeit üben,
2, Der Zahl der Niederlassungen und der Ordensmitglieder sonne dem Wachstum
des Ordensvermögens Grenzen zu setzen, 3, Die Leitung von Schulen durch
Ordeusmitglieder entweder überhaupt nicht oder nnr in engen Grenzen und unter
strenger Aufsicht zu dulden. 4, Orden aufzuweisen, die sich in die Politik mischen
oder sonst Unordnung stiften, z. B. die Bigotterie fördern durch Veranstaltung von
Wallfahrten nach sogenannte" Gnadenorten und dnrch ein Übermaß vou Andachts-
übungen. Wenn in Österreich die Knaben der Mittelschulen zu sogenannten geist¬
lichen Übungen kommandiert oder much nur angehalten werden, so ist das sträfliche
Nachgiebigkeit der Regierung gegen den mit seiner mönchischen Bigotterie die
Jugenderziehung verderbenden Klerikalismus. Die berechtigte Reaktion gegen diesen
schießt dann wieder übers Ziel hinaus und verhilft den entschiede" kirchenfeindlichen
Elementen zur vorübergehenden Herrschaft, sodaß das Volk ans dem unerfreulichen
L. ^, Schwanken zwischen gleich ungesunden Extremen nicht herauskommt.


Ein katholischer Priester über weibliche Erziehung.

Monseigneur
Dadvlle schreibt in deu ^umüos cle Luiuto 8ni-uigo eine Reihe von Studien
über den Feminismus, in denen er sein Verlangen much einer gleich selbständigen
Erziehung von Mann und Weib mit folgender schönen und tiefgcdachten An¬
rede an das weibliche Geschlecht begründet: "Gott hat euch eine Seele gegeben:
erst die Erziehung setzt euch in ihre" Besitz, vorausgesetzt, daß die Erziehung
weit genug geführt wird, die schöne Definition von Kant zur Wirklichkeit zu
machen, wonach Erziehung die Entwicklung all der Vollkommenheit in jedem
Individuum ist, deren dieses fähig ist. Die Kirche hat diese Formulierung gern
aceeptiert; denn die Vollkommenheit, von der hier die Rede ist, ist die in einer
Seele zur Wirklichkeit gewordne göttliche Idee und die in dem Seelenleben real
gewordnen Fähigkeiten der Seele. Vollkommenheit heißt für ein menschliches Wesen
die volle und harmonische Entwicklung von all dem, was den Reichtum, die Kraft
und die Schönheit selner Natur ausmacht. Die Erziehung, die zur Vollkommenheit
führt, ist somit eine Fortsetzung des Schöpfungsaktes. Wenn die Kirche ein Kind
in der Schwachheit der Wiege aufnimmt, wo seine Seele noch im embryonischen
Zustand ist. hat sie die Absicht, aus dieser Seele alles, was Gott in sie gepflanzt
hat -- und das ist nur Schönes --, herauszuholen. Ja das, was Gott gerade so gut
in die Seele des Weibes wie in die des Mannes gelegt hat, das sind Fähigkeiten, die
nicht nur in dem Stadium der Möglichkeit - Madame Necker hat es "ein ver¬
siegeltes Buch" bezeichnet -- verharren sollen. Öffnet das Buch! Auf jeder Se ne


Maßgebliches und Unmaßgebliches

alter zurück, ist also tiefer und fester gewurzelt als irgeud eine andre historische
Macht, und die einheitliche Verfassung der Kirche bleibt ein Gut, das zwar die
Protestanten, nachdem sie dnranf verzichtet haben, nicht wiedergewinnen können,
dessen Preisgebung aber man denen, die sich seiner noch erfreuen, nicht zumuten
kaun. Nicht weniger töricht ist es freilich, wenn protestantische und paritätische
Staaten durch unnötige Zugeständnisse die Macht des Papstes erhöhen. Die richtige
Politik ist kühle, aufmerksam beobachtende Zurückhaltung, die sich gleich weit ent¬
fernt hält von Einmischnngs-, Reglementierung^ und Untcrdrückungssncht, wie von
zudringlicher Liebenswürdigkeit und Dienstbeflissenheit gegen die Hierarchen und
von dem Bestreben, deren Freundschaft für politische Zwecke auszunutzen.

Der zweite Vorbehalt betrifft die Orden, Chamberlain sieht in ihnen, gleich
vielen Protestanten, nur Werkzeuge Roms zur Lähmung der größtenteils national
und patriotisch gesinnten Pfarrgeistlichkeit, Das sind sie zum Teil, Aber so
weit darf trotzdem der Staat nicht gehn, daß er alle Orden ausrottet oder ver¬
bietet. Denn die Gottwohlgefälligkeit des Klosterlebens ist katholischer Glaubens¬
satz, der unwiderstehliche Drang zu solchem Leben in vielen katholischen Seelen un¬
zweifelhaft vorhanden, ein nnbeschränktcs Verbot der Orden also ein Eingriff inS
Gewissen; noch dazu beweisen die evangelischen Diakonen und Diakonissen die soziale
Unentbehrlichkeit der Orden, Der Staat hat meines Erachtens nur folgende
Pflichten: 1. Orden nicht zu dulden, die keine gemeinnützige Tätigkeit üben,
2, Der Zahl der Niederlassungen und der Ordensmitglieder sonne dem Wachstum
des Ordensvermögens Grenzen zu setzen, 3, Die Leitung von Schulen durch
Ordeusmitglieder entweder überhaupt nicht oder nnr in engen Grenzen und unter
strenger Aufsicht zu dulden. 4, Orden aufzuweisen, die sich in die Politik mischen
oder sonst Unordnung stiften, z. B. die Bigotterie fördern durch Veranstaltung von
Wallfahrten nach sogenannte» Gnadenorten und dnrch ein Übermaß vou Andachts-
übungen. Wenn in Österreich die Knaben der Mittelschulen zu sogenannten geist¬
lichen Übungen kommandiert oder much nur angehalten werden, so ist das sträfliche
Nachgiebigkeit der Regierung gegen den mit seiner mönchischen Bigotterie die
Jugenderziehung verderbenden Klerikalismus. Die berechtigte Reaktion gegen diesen
schießt dann wieder übers Ziel hinaus und verhilft den entschiede» kirchenfeindlichen
Elementen zur vorübergehenden Herrschaft, sodaß das Volk ans dem unerfreulichen
L. ^, Schwanken zwischen gleich ungesunden Extremen nicht herauskommt.


Ein katholischer Priester über weibliche Erziehung.

Monseigneur
Dadvlle schreibt in deu ^umüos cle Luiuto 8ni-uigo eine Reihe von Studien
über den Feminismus, in denen er sein Verlangen much einer gleich selbständigen
Erziehung von Mann und Weib mit folgender schönen und tiefgcdachten An¬
rede an das weibliche Geschlecht begründet: „Gott hat euch eine Seele gegeben:
erst die Erziehung setzt euch in ihre» Besitz, vorausgesetzt, daß die Erziehung
weit genug geführt wird, die schöne Definition von Kant zur Wirklichkeit zu
machen, wonach Erziehung die Entwicklung all der Vollkommenheit in jedem
Individuum ist, deren dieses fähig ist. Die Kirche hat diese Formulierung gern
aceeptiert; denn die Vollkommenheit, von der hier die Rede ist, ist die in einer
Seele zur Wirklichkeit gewordne göttliche Idee und die in dem Seelenleben real
gewordnen Fähigkeiten der Seele. Vollkommenheit heißt für ein menschliches Wesen
die volle und harmonische Entwicklung von all dem, was den Reichtum, die Kraft
und die Schönheit selner Natur ausmacht. Die Erziehung, die zur Vollkommenheit
führt, ist somit eine Fortsetzung des Schöpfungsaktes. Wenn die Kirche ein Kind
in der Schwachheit der Wiege aufnimmt, wo seine Seele noch im embryonischen
Zustand ist. hat sie die Absicht, aus dieser Seele alles, was Gott in sie gepflanzt
hat — und das ist nur Schönes —, herauszuholen. Ja das, was Gott gerade so gut
in die Seele des Weibes wie in die des Mannes gelegt hat, das sind Fähigkeiten, die
nicht nur in dem Stadium der Möglichkeit - Madame Necker hat es »ein ver¬
siegeltes Buch« bezeichnet — verharren sollen. Öffnet das Buch! Auf jeder Se ne


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[0062] Maßgebliches und Unmaßgebliches alter zurück, ist also tiefer und fester gewurzelt als irgeud eine andre historische Macht, und die einheitliche Verfassung der Kirche bleibt ein Gut, das zwar die Protestanten, nachdem sie dnranf verzichtet haben, nicht wiedergewinnen können, dessen Preisgebung aber man denen, die sich seiner noch erfreuen, nicht zumuten kaun. Nicht weniger töricht ist es freilich, wenn protestantische und paritätische Staaten durch unnötige Zugeständnisse die Macht des Papstes erhöhen. Die richtige Politik ist kühle, aufmerksam beobachtende Zurückhaltung, die sich gleich weit ent¬ fernt hält von Einmischnngs-, Reglementierung^ und Untcrdrückungssncht, wie von zudringlicher Liebenswürdigkeit und Dienstbeflissenheit gegen die Hierarchen und von dem Bestreben, deren Freundschaft für politische Zwecke auszunutzen. Der zweite Vorbehalt betrifft die Orden, Chamberlain sieht in ihnen, gleich vielen Protestanten, nur Werkzeuge Roms zur Lähmung der größtenteils national und patriotisch gesinnten Pfarrgeistlichkeit, Das sind sie zum Teil, Aber so weit darf trotzdem der Staat nicht gehn, daß er alle Orden ausrottet oder ver¬ bietet. Denn die Gottwohlgefälligkeit des Klosterlebens ist katholischer Glaubens¬ satz, der unwiderstehliche Drang zu solchem Leben in vielen katholischen Seelen un¬ zweifelhaft vorhanden, ein nnbeschränktcs Verbot der Orden also ein Eingriff inS Gewissen; noch dazu beweisen die evangelischen Diakonen und Diakonissen die soziale Unentbehrlichkeit der Orden, Der Staat hat meines Erachtens nur folgende Pflichten: 1. Orden nicht zu dulden, die keine gemeinnützige Tätigkeit üben, 2, Der Zahl der Niederlassungen und der Ordensmitglieder sonne dem Wachstum des Ordensvermögens Grenzen zu setzen, 3, Die Leitung von Schulen durch Ordeusmitglieder entweder überhaupt nicht oder nnr in engen Grenzen und unter strenger Aufsicht zu dulden. 4, Orden aufzuweisen, die sich in die Politik mischen oder sonst Unordnung stiften, z. B. die Bigotterie fördern durch Veranstaltung von Wallfahrten nach sogenannte» Gnadenorten und dnrch ein Übermaß vou Andachts- übungen. Wenn in Österreich die Knaben der Mittelschulen zu sogenannten geist¬ lichen Übungen kommandiert oder much nur angehalten werden, so ist das sträfliche Nachgiebigkeit der Regierung gegen den mit seiner mönchischen Bigotterie die Jugenderziehung verderbenden Klerikalismus. Die berechtigte Reaktion gegen diesen schießt dann wieder übers Ziel hinaus und verhilft den entschiede» kirchenfeindlichen Elementen zur vorübergehenden Herrschaft, sodaß das Volk ans dem unerfreulichen L. ^, Schwanken zwischen gleich ungesunden Extremen nicht herauskommt. Ein katholischer Priester über weibliche Erziehung. Monseigneur Dadvlle schreibt in deu ^umüos cle Luiuto 8ni-uigo eine Reihe von Studien über den Feminismus, in denen er sein Verlangen much einer gleich selbständigen Erziehung von Mann und Weib mit folgender schönen und tiefgcdachten An¬ rede an das weibliche Geschlecht begründet: „Gott hat euch eine Seele gegeben: erst die Erziehung setzt euch in ihre» Besitz, vorausgesetzt, daß die Erziehung weit genug geführt wird, die schöne Definition von Kant zur Wirklichkeit zu machen, wonach Erziehung die Entwicklung all der Vollkommenheit in jedem Individuum ist, deren dieses fähig ist. Die Kirche hat diese Formulierung gern aceeptiert; denn die Vollkommenheit, von der hier die Rede ist, ist die in einer Seele zur Wirklichkeit gewordne göttliche Idee und die in dem Seelenleben real gewordnen Fähigkeiten der Seele. Vollkommenheit heißt für ein menschliches Wesen die volle und harmonische Entwicklung von all dem, was den Reichtum, die Kraft und die Schönheit selner Natur ausmacht. Die Erziehung, die zur Vollkommenheit führt, ist somit eine Fortsetzung des Schöpfungsaktes. Wenn die Kirche ein Kind in der Schwachheit der Wiege aufnimmt, wo seine Seele noch im embryonischen Zustand ist. hat sie die Absicht, aus dieser Seele alles, was Gott in sie gepflanzt hat — und das ist nur Schönes —, herauszuholen. Ja das, was Gott gerade so gut in die Seele des Weibes wie in die des Mannes gelegt hat, das sind Fähigkeiten, die nicht nur in dem Stadium der Möglichkeit - Madame Necker hat es »ein ver¬ siegeltes Buch« bezeichnet — verharren sollen. Öffnet das Buch! Auf jeder Se ne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/62>, abgerufen am 23.07.2024.