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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Unsre Stellung zum Vatikan einst und jetzt.

In Sachsen, der Hoch¬
burg des Protestantismus, bringt ein Alarmrnf gegen Rom immer die ganze wehr¬
hafte Mannschaft auf die Beine. Die Nerven sind hier für konfessionelle Reizungen
aus bekannten Gründen empfindlicher als sonst in Norddeutschland, werden dafür
aber auch oft genug ganz barbarisch strapaziert. So ist der Besuch des Kaisers
im Vatikan in einem Teil der sächsischen Presse zur Anfstachlung der evangelischen
Empfindungen in einer Weise mißbraucht worden, die ein ernstes Wort der Ab¬
wehr verlangt. Wer sich zum Verteidiger einer guten Sache aufwirft, hat zunächst
die Pflicht, sich von der Reinheit seiner eignen Waffen zu überzeugen. Uns will
scheinen, daß diese Prüfung vielfach bei der Agitation gegen die vatikanische Politik
des Kaisers und des Grafen Bülow versäumt wird. Über die Vorgänge bei der
Begegnung in Rom hat die ultramontane Publizistik, von Korrespondenten frei¬
sinniger Blätter auf das eifrigste unterstützt, eine ganze Reihe von falschen Meldungen
in die Welt gesandt, die insofern ihren Zweck erfüllt haben, als sie der Presse
Anlaß geben, sich noch immer mit dem Tag im Vatikan zu beschäftigen. Die
authentischsten Dementis bleiben unbeachtet, und die Angriffe gegen die Neichs-
rcgierung werden auf derselben falschen Basis fortgeführt, auf der sie nach Ein¬
gang dieser irreführender Meldungen begonnen worden sind. Es scheint demnach,
daß die geängstigten Bootsleute, die unser evangelisches Schifflein an den vati¬
kanischen Ufern vorüberruderu, ihre Ohren nicht mir gegen die römischen Sirenen¬
klänge verstopft haben. Noch immer wird darüber gejammert, daß der Kaiser
seine Stirn zweimal tief auf die Hände des Papstes gebeugt habe; und doch ist
diese Geschichte längst ins Reich der Fabeln gewiesen worden. Noch immer wird
behauptet, Graf Bülow suche dem Deutschen Reiche die Schutzherrschaft über alle
Missionen im Auslande zu verschaffen. "Wer das erstrebt -- ruft ein Chemnitzer
Blatt, das mit unevangelischem Eifer zur Meuterei gegen den Kapitän auffordert --
verdient kein Vertrauen." Und doch sind die Meldungen von dem deutschen Welt¬
protektorat über die Missionen mit aller wünschenswerten Unzweideutigkeit als
alberne Schiffermär abgetan worden. Fortwährend wird in demselben Blatt davon
geredet, Graf Bülow habe sich im Trierer Streit hilfeflehend nach Rom gewandt.
Nein; er hat in Rom nicht um Hilfe gefleht, sondern er hat Beschwerde geführt,
und zwar mit vollem Erfolg. Daß Graf Bülow bei diesem Vorgehn durchaus
Bismarckischeu Traditionen gefolgt ist, bleibt richtig, wie hartnäckig es auch von
der Unwissenheit bestritten werden mag. Die klassischen Zeugnisse findet man in
Bismarcks Reden und sonstigen Äußerungen. Es wird zur Beruhigung der Nerven
dienen, wenn man sich in die Erinnerung ruft, wie er über deu Nutzen von guten
Beziehungen zur Kurie und ihre politische Verwertung gedacht hat.

Während der ersten Session des Reichstags nach dem französischen Kriege ließ
er die feindselige Haltung der Zentrumspartei bei der Kurie zur Sprache bringen
mit dem Erfolge, daß Pius der Nennte das Auftreten der Kathvlikenpartei als
inopportun und unpraktisch bezeichnete und beklagte. "Ich habe, schrieb Bismarck damals,
die Gesandtschaft des Deutschen Reichs in Rom unterrichtet, damit sie Gelegenheit
nehme, sich zu überzeugen, ob die Haltung dieser Partei . . . den Intentionen
Seiner Heiligkeit entspreche." An die vou Bismarck beabsichtigte Entsendung eines
Kardinals als Gesandten beim Päpstlichen Stuhl ist in diesen Wochen zwar mehrfach
erinnert worden; sie war ausdrücklich damit begründet, daß die deutsche Regierung,
soviel an ihr liege, deu Frieden mit der römischen Kirche zu Pflegen bemüht sei-
Wahrend der Kämpfe um das Septennat wandte sich Bismarck an Leo deu Drei¬
zehnter mit der Bitte, die Abstimmung des Zentrums zu Gunsten der Vorlage der
Regierung zu beeinflussen. Es erging darauf in dem gewünschten Sinn eine päpst¬
liche Mahnung an das Zentrum, die aber bekanntlich von Windthorst zunächst ge¬
heimgehalten wurde. Als sich der Abgeordnete Richter später über diese "Herein¬
ziehung des Papstes in einen innern deutschen Streit" und über die "Einmischung


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Unsre Stellung zum Vatikan einst und jetzt.

In Sachsen, der Hoch¬
burg des Protestantismus, bringt ein Alarmrnf gegen Rom immer die ganze wehr¬
hafte Mannschaft auf die Beine. Die Nerven sind hier für konfessionelle Reizungen
aus bekannten Gründen empfindlicher als sonst in Norddeutschland, werden dafür
aber auch oft genug ganz barbarisch strapaziert. So ist der Besuch des Kaisers
im Vatikan in einem Teil der sächsischen Presse zur Anfstachlung der evangelischen
Empfindungen in einer Weise mißbraucht worden, die ein ernstes Wort der Ab¬
wehr verlangt. Wer sich zum Verteidiger einer guten Sache aufwirft, hat zunächst
die Pflicht, sich von der Reinheit seiner eignen Waffen zu überzeugen. Uns will
scheinen, daß diese Prüfung vielfach bei der Agitation gegen die vatikanische Politik
des Kaisers und des Grafen Bülow versäumt wird. Über die Vorgänge bei der
Begegnung in Rom hat die ultramontane Publizistik, von Korrespondenten frei¬
sinniger Blätter auf das eifrigste unterstützt, eine ganze Reihe von falschen Meldungen
in die Welt gesandt, die insofern ihren Zweck erfüllt haben, als sie der Presse
Anlaß geben, sich noch immer mit dem Tag im Vatikan zu beschäftigen. Die
authentischsten Dementis bleiben unbeachtet, und die Angriffe gegen die Neichs-
rcgierung werden auf derselben falschen Basis fortgeführt, auf der sie nach Ein¬
gang dieser irreführender Meldungen begonnen worden sind. Es scheint demnach,
daß die geängstigten Bootsleute, die unser evangelisches Schifflein an den vati¬
kanischen Ufern vorüberruderu, ihre Ohren nicht mir gegen die römischen Sirenen¬
klänge verstopft haben. Noch immer wird darüber gejammert, daß der Kaiser
seine Stirn zweimal tief auf die Hände des Papstes gebeugt habe; und doch ist
diese Geschichte längst ins Reich der Fabeln gewiesen worden. Noch immer wird
behauptet, Graf Bülow suche dem Deutschen Reiche die Schutzherrschaft über alle
Missionen im Auslande zu verschaffen. „Wer das erstrebt — ruft ein Chemnitzer
Blatt, das mit unevangelischem Eifer zur Meuterei gegen den Kapitän auffordert —
verdient kein Vertrauen." Und doch sind die Meldungen von dem deutschen Welt¬
protektorat über die Missionen mit aller wünschenswerten Unzweideutigkeit als
alberne Schiffermär abgetan worden. Fortwährend wird in demselben Blatt davon
geredet, Graf Bülow habe sich im Trierer Streit hilfeflehend nach Rom gewandt.
Nein; er hat in Rom nicht um Hilfe gefleht, sondern er hat Beschwerde geführt,
und zwar mit vollem Erfolg. Daß Graf Bülow bei diesem Vorgehn durchaus
Bismarckischeu Traditionen gefolgt ist, bleibt richtig, wie hartnäckig es auch von
der Unwissenheit bestritten werden mag. Die klassischen Zeugnisse findet man in
Bismarcks Reden und sonstigen Äußerungen. Es wird zur Beruhigung der Nerven
dienen, wenn man sich in die Erinnerung ruft, wie er über deu Nutzen von guten
Beziehungen zur Kurie und ihre politische Verwertung gedacht hat.

Während der ersten Session des Reichstags nach dem französischen Kriege ließ
er die feindselige Haltung der Zentrumspartei bei der Kurie zur Sprache bringen
mit dem Erfolge, daß Pius der Nennte das Auftreten der Kathvlikenpartei als
inopportun und unpraktisch bezeichnete und beklagte. „Ich habe, schrieb Bismarck damals,
die Gesandtschaft des Deutschen Reichs in Rom unterrichtet, damit sie Gelegenheit
nehme, sich zu überzeugen, ob die Haltung dieser Partei . . . den Intentionen
Seiner Heiligkeit entspreche." An die vou Bismarck beabsichtigte Entsendung eines
Kardinals als Gesandten beim Päpstlichen Stuhl ist in diesen Wochen zwar mehrfach
erinnert worden; sie war ausdrücklich damit begründet, daß die deutsche Regierung,
soviel an ihr liege, deu Frieden mit der römischen Kirche zu Pflegen bemüht sei-
Wahrend der Kämpfe um das Septennat wandte sich Bismarck an Leo deu Drei¬
zehnter mit der Bitte, die Abstimmung des Zentrums zu Gunsten der Vorlage der
Regierung zu beeinflussen. Es erging darauf in dem gewünschten Sinn eine päpst¬
liche Mahnung an das Zentrum, die aber bekanntlich von Windthorst zunächst ge¬
heimgehalten wurde. Als sich der Abgeordnete Richter später über diese „Herein¬
ziehung des Papstes in einen innern deutschen Streit" und über die „Einmischung


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[0558] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Unsre Stellung zum Vatikan einst und jetzt. In Sachsen, der Hoch¬ burg des Protestantismus, bringt ein Alarmrnf gegen Rom immer die ganze wehr¬ hafte Mannschaft auf die Beine. Die Nerven sind hier für konfessionelle Reizungen aus bekannten Gründen empfindlicher als sonst in Norddeutschland, werden dafür aber auch oft genug ganz barbarisch strapaziert. So ist der Besuch des Kaisers im Vatikan in einem Teil der sächsischen Presse zur Anfstachlung der evangelischen Empfindungen in einer Weise mißbraucht worden, die ein ernstes Wort der Ab¬ wehr verlangt. Wer sich zum Verteidiger einer guten Sache aufwirft, hat zunächst die Pflicht, sich von der Reinheit seiner eignen Waffen zu überzeugen. Uns will scheinen, daß diese Prüfung vielfach bei der Agitation gegen die vatikanische Politik des Kaisers und des Grafen Bülow versäumt wird. Über die Vorgänge bei der Begegnung in Rom hat die ultramontane Publizistik, von Korrespondenten frei¬ sinniger Blätter auf das eifrigste unterstützt, eine ganze Reihe von falschen Meldungen in die Welt gesandt, die insofern ihren Zweck erfüllt haben, als sie der Presse Anlaß geben, sich noch immer mit dem Tag im Vatikan zu beschäftigen. Die authentischsten Dementis bleiben unbeachtet, und die Angriffe gegen die Neichs- rcgierung werden auf derselben falschen Basis fortgeführt, auf der sie nach Ein¬ gang dieser irreführender Meldungen begonnen worden sind. Es scheint demnach, daß die geängstigten Bootsleute, die unser evangelisches Schifflein an den vati¬ kanischen Ufern vorüberruderu, ihre Ohren nicht mir gegen die römischen Sirenen¬ klänge verstopft haben. Noch immer wird darüber gejammert, daß der Kaiser seine Stirn zweimal tief auf die Hände des Papstes gebeugt habe; und doch ist diese Geschichte längst ins Reich der Fabeln gewiesen worden. Noch immer wird behauptet, Graf Bülow suche dem Deutschen Reiche die Schutzherrschaft über alle Missionen im Auslande zu verschaffen. „Wer das erstrebt — ruft ein Chemnitzer Blatt, das mit unevangelischem Eifer zur Meuterei gegen den Kapitän auffordert — verdient kein Vertrauen." Und doch sind die Meldungen von dem deutschen Welt¬ protektorat über die Missionen mit aller wünschenswerten Unzweideutigkeit als alberne Schiffermär abgetan worden. Fortwährend wird in demselben Blatt davon geredet, Graf Bülow habe sich im Trierer Streit hilfeflehend nach Rom gewandt. Nein; er hat in Rom nicht um Hilfe gefleht, sondern er hat Beschwerde geführt, und zwar mit vollem Erfolg. Daß Graf Bülow bei diesem Vorgehn durchaus Bismarckischeu Traditionen gefolgt ist, bleibt richtig, wie hartnäckig es auch von der Unwissenheit bestritten werden mag. Die klassischen Zeugnisse findet man in Bismarcks Reden und sonstigen Äußerungen. Es wird zur Beruhigung der Nerven dienen, wenn man sich in die Erinnerung ruft, wie er über deu Nutzen von guten Beziehungen zur Kurie und ihre politische Verwertung gedacht hat. Während der ersten Session des Reichstags nach dem französischen Kriege ließ er die feindselige Haltung der Zentrumspartei bei der Kurie zur Sprache bringen mit dem Erfolge, daß Pius der Nennte das Auftreten der Kathvlikenpartei als inopportun und unpraktisch bezeichnete und beklagte. „Ich habe, schrieb Bismarck damals, die Gesandtschaft des Deutschen Reichs in Rom unterrichtet, damit sie Gelegenheit nehme, sich zu überzeugen, ob die Haltung dieser Partei . . . den Intentionen Seiner Heiligkeit entspreche." An die vou Bismarck beabsichtigte Entsendung eines Kardinals als Gesandten beim Päpstlichen Stuhl ist in diesen Wochen zwar mehrfach erinnert worden; sie war ausdrücklich damit begründet, daß die deutsche Regierung, soviel an ihr liege, deu Frieden mit der römischen Kirche zu Pflegen bemüht sei- Wahrend der Kämpfe um das Septennat wandte sich Bismarck an Leo deu Drei¬ zehnter mit der Bitte, die Abstimmung des Zentrums zu Gunsten der Vorlage der Regierung zu beeinflussen. Es erging darauf in dem gewünschten Sinn eine päpst¬ liche Mahnung an das Zentrum, die aber bekanntlich von Windthorst zunächst ge¬ heimgehalten wurde. Als sich der Abgeordnete Richter später über diese „Herein¬ ziehung des Papstes in einen innern deutschen Streit" und über die „Einmischung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/558>, abgerufen am 23.07.2024.