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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

angesteckt war, ernstlich hätte gekränkt werden können, und er glaubte sich dadurch
rächen zu können, daß er dem unhöflichen Landsmann eine größere Silbermünze
in die Hand drückte, mußte es sich aber gefallen lassen, daß er sein Geldstück mit
der Bemerkung, die Gesandtschaft Seiner Allerchristlichsten Majestät sei auch keine
Wechselstube, zurückerhielt.

Jetzt schien es Marigny geraten, sich durch Vorweisung seines Passes als
Königlicher Kammerherr zu erkennen zu geben, worauf der Sekretär denn auch
wirklich um einige Grade höflicher wurde. An eine Einführung bei Hofe sei freilich
nicht zu denken, erklärte er, denn der Herr Gesandte habe von Seiner Majestät
noch keine Instruktionen erhalten, ob von der Anwesenheit ausgewanderter Fran¬
zosen offiziell Notiz zu nehmen und etwaigen Wünschen hinsichtlich einer Präsen¬
tation am kurfürstlichen Hofe stattzugeben sei. Überdies sei der Kurfürst nebst
Prinzessin Schwester schon den ganzen Sommer in seinem Hochstift Augsburg und
werde erst gegen Ende des Monats zurückerwartet.

Um eine neue Enttäuschung reicher verließ der Marquis die Gesandtschaft,
bestieg eine Pvrtechaise und ließ sich in die Castorstraße bringen, wo er Einkäufe
für das Diner zu macheu gedachte. Es gelang ihm denn auch nach langen Aus¬
einandersetzungen mit den Kaufleuten, von denen nur einige ein paar Worte Fran¬
zösisch verstanden, das, was er zunächst brauchte: Küchengerät, Gewürze und einen
Kapaunen zu erstehn. Alles dies ließ er sich in die Portcchaise reichen und gab
den Trägern Befehl, beim Posthnuse anzuhalten.

Hier traf er zu selner Frende mehrere Landsleute, uuter andern den Vicomte
von Fleury, den Grafen von Cayla und den Steuerpächter Orbenteuil, Leute, die
der Marquis seit Jahren oberflächlich kannte, die ihm hier in der Fremde jedoch
wie teure Freunde und Wesen höherer Art erschienen. Sie alle warteten vor der
Posthalterei auf deu Augenblick, wo der Postmeister die soeben über Trier eiu-
getroffneu Briefschaften geordnet haben und den draußen Harrenden dnrch Trommeln
auf die Fensterscheibe das Zeichen zur Abholung geben würde. Als dieses endlich
erfolgte, trat man ein, nahm die Postsachen in Empfang, bezahlte die Portogebühren
und teilte sich gegenseitig die aus der Heimat erhaltnen Nachrichten mit.

Daß der Bischof von Autun am 10. Oktober den Antrag zur Säkularisation
der geistlichen Besitzungen gestellt habe, vernahm man mit berechtigter Entrüstung.
Dagegen waren die Ansichten über die Bedeutung des zur Sicherung der Haupt¬
stadt erlassenen Martialgesetzes geteilt, während man die Nachricht, der Herzog
von Orleans sei wegen seiner hochverräterischen Umtriebe vom 6. Oktober vor das
Untersuchungskomitee des Chatelet geladen worden, mit Genugtuung begrüßte.

Der Marquis mußte sich als Nennngekommner erst durch seinen Paß legi¬
timieren und wurde deshalb zuletzt abgefertigt. Als er mit seinen Briefen dann
auf die Straße trat, war die Portechaise samt den Trägern verschwunden. Nun
hätte er ja den kurzen Weg bis zum "Englischen Gruß" ohne sonderliche Be¬
schwerde zu Fuß zurücklegen können, aber er war keineswegs gesonnen, ans die
kulinarischen Schätze, die in der Sänfte liegen geblieben waren, ohne weiteres Ver¬
zicht zu leisten. Der Vicomte von Fleury, der sich noch in der Nähe aufgehalten
hatte, und dem er sein Mißgeschick erzählte, ohne ihm freilich zu bekennen, welcher
Art die verschwundnen Dinge waren, riet ihm, sogleich beim Stadtkommandanten
Beschwerde zu führen. Der kurfürstliche Gouverneur war entgegenkommend genug,
die fremden Kavaliere in eigner Person zu empfangen; er ließ sich den Fall aus¬
führlich vortragen, tat allerlei Kreuzfragen und erklärte schließlich, es handle sich
hier offenbar um Diebstahl oder gar Raub. Da aber die Negierung Seiner Kur¬
fürstlichen Durchlaucht, insonderheit die bewaffnete Macht uur dann zum Eingreife"
Befugnis habe, wenn eine tätliche Bedrohung der Person, also vollkommner Land¬
friedensbruch vorliege, so könne er den Herren nur empfehlen, sich in dieser An¬
gelegenheit an die oberste städtische Behörde zu wenden. Entschlossen, diese Weisung
zu befolge", eilten die Franzosen zum Rathaus, wo sie den Bürgermeister nicht


Der Marquis von Marigny

angesteckt war, ernstlich hätte gekränkt werden können, und er glaubte sich dadurch
rächen zu können, daß er dem unhöflichen Landsmann eine größere Silbermünze
in die Hand drückte, mußte es sich aber gefallen lassen, daß er sein Geldstück mit
der Bemerkung, die Gesandtschaft Seiner Allerchristlichsten Majestät sei auch keine
Wechselstube, zurückerhielt.

Jetzt schien es Marigny geraten, sich durch Vorweisung seines Passes als
Königlicher Kammerherr zu erkennen zu geben, worauf der Sekretär denn auch
wirklich um einige Grade höflicher wurde. An eine Einführung bei Hofe sei freilich
nicht zu denken, erklärte er, denn der Herr Gesandte habe von Seiner Majestät
noch keine Instruktionen erhalten, ob von der Anwesenheit ausgewanderter Fran¬
zosen offiziell Notiz zu nehmen und etwaigen Wünschen hinsichtlich einer Präsen¬
tation am kurfürstlichen Hofe stattzugeben sei. Überdies sei der Kurfürst nebst
Prinzessin Schwester schon den ganzen Sommer in seinem Hochstift Augsburg und
werde erst gegen Ende des Monats zurückerwartet.

Um eine neue Enttäuschung reicher verließ der Marquis die Gesandtschaft,
bestieg eine Pvrtechaise und ließ sich in die Castorstraße bringen, wo er Einkäufe
für das Diner zu macheu gedachte. Es gelang ihm denn auch nach langen Aus¬
einandersetzungen mit den Kaufleuten, von denen nur einige ein paar Worte Fran¬
zösisch verstanden, das, was er zunächst brauchte: Küchengerät, Gewürze und einen
Kapaunen zu erstehn. Alles dies ließ er sich in die Portcchaise reichen und gab
den Trägern Befehl, beim Posthnuse anzuhalten.

Hier traf er zu selner Frende mehrere Landsleute, uuter andern den Vicomte
von Fleury, den Grafen von Cayla und den Steuerpächter Orbenteuil, Leute, die
der Marquis seit Jahren oberflächlich kannte, die ihm hier in der Fremde jedoch
wie teure Freunde und Wesen höherer Art erschienen. Sie alle warteten vor der
Posthalterei auf deu Augenblick, wo der Postmeister die soeben über Trier eiu-
getroffneu Briefschaften geordnet haben und den draußen Harrenden dnrch Trommeln
auf die Fensterscheibe das Zeichen zur Abholung geben würde. Als dieses endlich
erfolgte, trat man ein, nahm die Postsachen in Empfang, bezahlte die Portogebühren
und teilte sich gegenseitig die aus der Heimat erhaltnen Nachrichten mit.

Daß der Bischof von Autun am 10. Oktober den Antrag zur Säkularisation
der geistlichen Besitzungen gestellt habe, vernahm man mit berechtigter Entrüstung.
Dagegen waren die Ansichten über die Bedeutung des zur Sicherung der Haupt¬
stadt erlassenen Martialgesetzes geteilt, während man die Nachricht, der Herzog
von Orleans sei wegen seiner hochverräterischen Umtriebe vom 6. Oktober vor das
Untersuchungskomitee des Chatelet geladen worden, mit Genugtuung begrüßte.

Der Marquis mußte sich als Nennngekommner erst durch seinen Paß legi¬
timieren und wurde deshalb zuletzt abgefertigt. Als er mit seinen Briefen dann
auf die Straße trat, war die Portechaise samt den Trägern verschwunden. Nun
hätte er ja den kurzen Weg bis zum „Englischen Gruß" ohne sonderliche Be¬
schwerde zu Fuß zurücklegen können, aber er war keineswegs gesonnen, ans die
kulinarischen Schätze, die in der Sänfte liegen geblieben waren, ohne weiteres Ver¬
zicht zu leisten. Der Vicomte von Fleury, der sich noch in der Nähe aufgehalten
hatte, und dem er sein Mißgeschick erzählte, ohne ihm freilich zu bekennen, welcher
Art die verschwundnen Dinge waren, riet ihm, sogleich beim Stadtkommandanten
Beschwerde zu führen. Der kurfürstliche Gouverneur war entgegenkommend genug,
die fremden Kavaliere in eigner Person zu empfangen; er ließ sich den Fall aus¬
führlich vortragen, tat allerlei Kreuzfragen und erklärte schließlich, es handle sich
hier offenbar um Diebstahl oder gar Raub. Da aber die Negierung Seiner Kur¬
fürstlichen Durchlaucht, insonderheit die bewaffnete Macht uur dann zum Eingreife»
Befugnis habe, wenn eine tätliche Bedrohung der Person, also vollkommner Land¬
friedensbruch vorliege, so könne er den Herren nur empfehlen, sich in dieser An¬
gelegenheit an die oberste städtische Behörde zu wenden. Entschlossen, diese Weisung
zu befolge», eilten die Franzosen zum Rathaus, wo sie den Bürgermeister nicht


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[0552] Der Marquis von Marigny angesteckt war, ernstlich hätte gekränkt werden können, und er glaubte sich dadurch rächen zu können, daß er dem unhöflichen Landsmann eine größere Silbermünze in die Hand drückte, mußte es sich aber gefallen lassen, daß er sein Geldstück mit der Bemerkung, die Gesandtschaft Seiner Allerchristlichsten Majestät sei auch keine Wechselstube, zurückerhielt. Jetzt schien es Marigny geraten, sich durch Vorweisung seines Passes als Königlicher Kammerherr zu erkennen zu geben, worauf der Sekretär denn auch wirklich um einige Grade höflicher wurde. An eine Einführung bei Hofe sei freilich nicht zu denken, erklärte er, denn der Herr Gesandte habe von Seiner Majestät noch keine Instruktionen erhalten, ob von der Anwesenheit ausgewanderter Fran¬ zosen offiziell Notiz zu nehmen und etwaigen Wünschen hinsichtlich einer Präsen¬ tation am kurfürstlichen Hofe stattzugeben sei. Überdies sei der Kurfürst nebst Prinzessin Schwester schon den ganzen Sommer in seinem Hochstift Augsburg und werde erst gegen Ende des Monats zurückerwartet. Um eine neue Enttäuschung reicher verließ der Marquis die Gesandtschaft, bestieg eine Pvrtechaise und ließ sich in die Castorstraße bringen, wo er Einkäufe für das Diner zu macheu gedachte. Es gelang ihm denn auch nach langen Aus¬ einandersetzungen mit den Kaufleuten, von denen nur einige ein paar Worte Fran¬ zösisch verstanden, das, was er zunächst brauchte: Küchengerät, Gewürze und einen Kapaunen zu erstehn. Alles dies ließ er sich in die Portcchaise reichen und gab den Trägern Befehl, beim Posthnuse anzuhalten. Hier traf er zu selner Frende mehrere Landsleute, uuter andern den Vicomte von Fleury, den Grafen von Cayla und den Steuerpächter Orbenteuil, Leute, die der Marquis seit Jahren oberflächlich kannte, die ihm hier in der Fremde jedoch wie teure Freunde und Wesen höherer Art erschienen. Sie alle warteten vor der Posthalterei auf deu Augenblick, wo der Postmeister die soeben über Trier eiu- getroffneu Briefschaften geordnet haben und den draußen Harrenden dnrch Trommeln auf die Fensterscheibe das Zeichen zur Abholung geben würde. Als dieses endlich erfolgte, trat man ein, nahm die Postsachen in Empfang, bezahlte die Portogebühren und teilte sich gegenseitig die aus der Heimat erhaltnen Nachrichten mit. Daß der Bischof von Autun am 10. Oktober den Antrag zur Säkularisation der geistlichen Besitzungen gestellt habe, vernahm man mit berechtigter Entrüstung. Dagegen waren die Ansichten über die Bedeutung des zur Sicherung der Haupt¬ stadt erlassenen Martialgesetzes geteilt, während man die Nachricht, der Herzog von Orleans sei wegen seiner hochverräterischen Umtriebe vom 6. Oktober vor das Untersuchungskomitee des Chatelet geladen worden, mit Genugtuung begrüßte. Der Marquis mußte sich als Nennngekommner erst durch seinen Paß legi¬ timieren und wurde deshalb zuletzt abgefertigt. Als er mit seinen Briefen dann auf die Straße trat, war die Portechaise samt den Trägern verschwunden. Nun hätte er ja den kurzen Weg bis zum „Englischen Gruß" ohne sonderliche Be¬ schwerde zu Fuß zurücklegen können, aber er war keineswegs gesonnen, ans die kulinarischen Schätze, die in der Sänfte liegen geblieben waren, ohne weiteres Ver¬ zicht zu leisten. Der Vicomte von Fleury, der sich noch in der Nähe aufgehalten hatte, und dem er sein Mißgeschick erzählte, ohne ihm freilich zu bekennen, welcher Art die verschwundnen Dinge waren, riet ihm, sogleich beim Stadtkommandanten Beschwerde zu führen. Der kurfürstliche Gouverneur war entgegenkommend genug, die fremden Kavaliere in eigner Person zu empfangen; er ließ sich den Fall aus¬ führlich vortragen, tat allerlei Kreuzfragen und erklärte schließlich, es handle sich hier offenbar um Diebstahl oder gar Raub. Da aber die Negierung Seiner Kur¬ fürstlichen Durchlaucht, insonderheit die bewaffnete Macht uur dann zum Eingreife» Befugnis habe, wenn eine tätliche Bedrohung der Person, also vollkommner Land¬ friedensbruch vorliege, so könne er den Herren nur empfehlen, sich in dieser An¬ gelegenheit an die oberste städtische Behörde zu wenden. Entschlossen, diese Weisung zu befolge», eilten die Franzosen zum Rathaus, wo sie den Bürgermeister nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/552>, abgerufen am 23.07.2024.