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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Vl!r Ncirquis voll Marigny

Welt zurückgezogen und freilich ohne nennenswerten Erfolg das vom Vciter
ererbte Landgütchen durch verständige Belvirtschaftnng zu verbessern gesucht. Mit
Marguerite war er seit ihren Kinderjahren auf das engste befreundet; die beiden
hatten, bis das Mädchen der Obhut der Nonnen von Sainte-Madeleine anvertraut
worden war, wie Geschwister miteinander verkehrt. Der Marquis schätzte Villeroi
mis guten Gesellschafter, gewandten Reiter und vortrefflichen Schützen, bewunderte
un stillen seiue Fähigkeit, mit einer lächerlich geringen Einnahme auszukommen,
und freute sich am meisten der ehrlichen Anerkennung, die der junge Freund der
Küche von Aigremont zu teil werden ließ. Diesem letzten Umstände schrieb der
Marquis auch die Tatsache zu, daß Villeroi in der letzten Zeit immer häufiger im
Schlosse vorgesprochen hatte -- besonders seit Marguerite ans dem Kloster zurück¬
gekehrt war und -- wenigstens formell -- dem Hauswesen des Vaters Vorstand.

Die beiden jungen Menschen hatten sich gern, das mußte sogar Marigny, der
wahrhaftig kein sehr scharfer Beobachter war, bemerken; aber das war ja bei
Jugendgespielen ganz selbstverständlich und hätte auch gar uicht anders sein dürfen.

Nie und nimmer war dem alten Herrn bisher der Gedanke gekommen, daß
sich ans der geschwisterlichen Zuneigung der beiden ein wärmeres Gefühl entwickeln
könnte. Er hielt es für gänzlich ausgeschlossen, daß ein Villeroi je sein Auge zu
einer Marigny erheben werde, wie er denn auch fest davon überzeugt war, seine
gefügige Tochter werde jeden Freier abweisen, der, was Rang und Stand betraf,
uicht in allen Stücken deu Ansprüchen ihres Vaters genüge.

Der junge Edelmann hatte, als sich die Nachbarn vor ihrer sonst sehr ge¬
heim betriebncn Abreise von ihm verabschiedeten, geäußert, er sehe für sich augen¬
blicklich uoch keine Gefahr und wolle sein Gut nnr im äußersten Notfalle verlassen,
^ud nun war er genau vierundzwanzig Stunden nach ihnen in Koblenz eingetroffen.
Wie mochte das zugehn? Hatte ein ungewöhnliches Ereignis, etwa ein Aufstand
der Landbevölkerung, ihn von seiner Scholle vertrieben? War das Jngdhäuschen,
worin er bescheiden wie ein Waldhüter wohnte, vielleicht schon in Flammen auf-
i^gnügen wie die Schlösser der reichen Steuerpächter auf den Höhen von Maris
und im Walde von Se. Germain?

Der Marquis sah ein, daß es töricht wäre, das Gehirn an der Lösung eines
^ccksels zu zermartern, für das er ja in wenig Stunden auf die bequemste Art eine
Erklärung erhalten würde, erschien ziemlich mißgestimmt beim Frühstücks tisch und
^henkte der Unterhaltung seiner Tochter, die, ganz im Gegensatze zu ihrem Vater,
heute freudig erregt war und sogar schon den schwachen Versuch gemacht hatte,
e>ne gewisse Ordnung in das Chaos des Reisegepäcks zu bringen, uur eine geteilte
Aufmerksamkeit.

Er entfernte sich dann zu früher Stunde, nicht ohne vorher sorgfältig Toilette
gemacht zu haben. Zunächst begab er sich zum Gesandte" seines Souveräns beim
^fürstlichen Hofe. Er wollte sich Herrn vou Vergennes vorstellen, um durch
essen Vermittlung Zutritt zum Kurfürsten zu erlangen, in dem er uach allem,
man in Paris über diesen Sohn des galanten Sachsens und sein feines Ver-
anduis für die Freuden der Tafel erzählt hatte, eine ihm verwandte Seele ver¬
mutete. Jedoch er hatte Unglück. Herr von Vergennes schien offenbar nicht darauf
^ brennen, die persönliche Bekanntschaft des Marquis vou Marigny zu macheu.
sich verleugnen und deu Besucher durch einen Sekretär abfertigen, der sich
lefer Pflicht ziemlich geschäftsmäßig entledigte. Er notierte sich den Namen, den
' "och nie gehört haben wollte, ohne jedes Zeichen von ehrerbietiger Überraschung,
"gte trocken, womit er dem Herrn dienen konnte, und erwiderte auf dessen Frage,
° Wohl ein zuverlässiger, französisch redender Bedienter, der aber kein Franzose
l Ul dürfe, zu finden sei. mit geringschätzigen Achselzucken: die Gesandtschaft Seiner
'lllerchristlichsten Majestät sei kein' °Gefindeverncketnngsburean. Der Marquis
"r ein zu vollendeter Aristokrat, als daß er durch diese taktlose Äußerung eines
Uergeordneten Beamten, der möglicherweise vou der Pest revolutionärer Ideen


Vl!r Ncirquis voll Marigny

Welt zurückgezogen und freilich ohne nennenswerten Erfolg das vom Vciter
ererbte Landgütchen durch verständige Belvirtschaftnng zu verbessern gesucht. Mit
Marguerite war er seit ihren Kinderjahren auf das engste befreundet; die beiden
hatten, bis das Mädchen der Obhut der Nonnen von Sainte-Madeleine anvertraut
worden war, wie Geschwister miteinander verkehrt. Der Marquis schätzte Villeroi
mis guten Gesellschafter, gewandten Reiter und vortrefflichen Schützen, bewunderte
un stillen seiue Fähigkeit, mit einer lächerlich geringen Einnahme auszukommen,
und freute sich am meisten der ehrlichen Anerkennung, die der junge Freund der
Küche von Aigremont zu teil werden ließ. Diesem letzten Umstände schrieb der
Marquis auch die Tatsache zu, daß Villeroi in der letzten Zeit immer häufiger im
Schlosse vorgesprochen hatte — besonders seit Marguerite ans dem Kloster zurück¬
gekehrt war und — wenigstens formell — dem Hauswesen des Vaters Vorstand.

Die beiden jungen Menschen hatten sich gern, das mußte sogar Marigny, der
wahrhaftig kein sehr scharfer Beobachter war, bemerken; aber das war ja bei
Jugendgespielen ganz selbstverständlich und hätte auch gar uicht anders sein dürfen.

Nie und nimmer war dem alten Herrn bisher der Gedanke gekommen, daß
sich ans der geschwisterlichen Zuneigung der beiden ein wärmeres Gefühl entwickeln
könnte. Er hielt es für gänzlich ausgeschlossen, daß ein Villeroi je sein Auge zu
einer Marigny erheben werde, wie er denn auch fest davon überzeugt war, seine
gefügige Tochter werde jeden Freier abweisen, der, was Rang und Stand betraf,
uicht in allen Stücken deu Ansprüchen ihres Vaters genüge.

Der junge Edelmann hatte, als sich die Nachbarn vor ihrer sonst sehr ge¬
heim betriebncn Abreise von ihm verabschiedeten, geäußert, er sehe für sich augen¬
blicklich uoch keine Gefahr und wolle sein Gut nnr im äußersten Notfalle verlassen,
^ud nun war er genau vierundzwanzig Stunden nach ihnen in Koblenz eingetroffen.
Wie mochte das zugehn? Hatte ein ungewöhnliches Ereignis, etwa ein Aufstand
der Landbevölkerung, ihn von seiner Scholle vertrieben? War das Jngdhäuschen,
worin er bescheiden wie ein Waldhüter wohnte, vielleicht schon in Flammen auf-
i^gnügen wie die Schlösser der reichen Steuerpächter auf den Höhen von Maris
und im Walde von Se. Germain?

Der Marquis sah ein, daß es töricht wäre, das Gehirn an der Lösung eines
^ccksels zu zermartern, für das er ja in wenig Stunden auf die bequemste Art eine
Erklärung erhalten würde, erschien ziemlich mißgestimmt beim Frühstücks tisch und
^henkte der Unterhaltung seiner Tochter, die, ganz im Gegensatze zu ihrem Vater,
heute freudig erregt war und sogar schon den schwachen Versuch gemacht hatte,
e>ne gewisse Ordnung in das Chaos des Reisegepäcks zu bringen, uur eine geteilte
Aufmerksamkeit.

Er entfernte sich dann zu früher Stunde, nicht ohne vorher sorgfältig Toilette
gemacht zu haben. Zunächst begab er sich zum Gesandte« seines Souveräns beim
^fürstlichen Hofe. Er wollte sich Herrn vou Vergennes vorstellen, um durch
essen Vermittlung Zutritt zum Kurfürsten zu erlangen, in dem er uach allem,
man in Paris über diesen Sohn des galanten Sachsens und sein feines Ver-
anduis für die Freuden der Tafel erzählt hatte, eine ihm verwandte Seele ver¬
mutete. Jedoch er hatte Unglück. Herr von Vergennes schien offenbar nicht darauf
^ brennen, die persönliche Bekanntschaft des Marquis vou Marigny zu macheu.
sich verleugnen und deu Besucher durch einen Sekretär abfertigen, der sich
lefer Pflicht ziemlich geschäftsmäßig entledigte. Er notierte sich den Namen, den
' «och nie gehört haben wollte, ohne jedes Zeichen von ehrerbietiger Überraschung,
"gte trocken, womit er dem Herrn dienen konnte, und erwiderte auf dessen Frage,
° Wohl ein zuverlässiger, französisch redender Bedienter, der aber kein Franzose
l Ul dürfe, zu finden sei. mit geringschätzigen Achselzucken: die Gesandtschaft Seiner
'lllerchristlichsten Majestät sei kein' °Gefindeverncketnngsburean. Der Marquis
"r ein zu vollendeter Aristokrat, als daß er durch diese taktlose Äußerung eines
Uergeordneten Beamten, der möglicherweise vou der Pest revolutionärer Ideen


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[0551] Vl!r Ncirquis voll Marigny Welt zurückgezogen und freilich ohne nennenswerten Erfolg das vom Vciter ererbte Landgütchen durch verständige Belvirtschaftnng zu verbessern gesucht. Mit Marguerite war er seit ihren Kinderjahren auf das engste befreundet; die beiden hatten, bis das Mädchen der Obhut der Nonnen von Sainte-Madeleine anvertraut worden war, wie Geschwister miteinander verkehrt. Der Marquis schätzte Villeroi mis guten Gesellschafter, gewandten Reiter und vortrefflichen Schützen, bewunderte un stillen seiue Fähigkeit, mit einer lächerlich geringen Einnahme auszukommen, und freute sich am meisten der ehrlichen Anerkennung, die der junge Freund der Küche von Aigremont zu teil werden ließ. Diesem letzten Umstände schrieb der Marquis auch die Tatsache zu, daß Villeroi in der letzten Zeit immer häufiger im Schlosse vorgesprochen hatte — besonders seit Marguerite ans dem Kloster zurück¬ gekehrt war und — wenigstens formell — dem Hauswesen des Vaters Vorstand. Die beiden jungen Menschen hatten sich gern, das mußte sogar Marigny, der wahrhaftig kein sehr scharfer Beobachter war, bemerken; aber das war ja bei Jugendgespielen ganz selbstverständlich und hätte auch gar uicht anders sein dürfen. Nie und nimmer war dem alten Herrn bisher der Gedanke gekommen, daß sich ans der geschwisterlichen Zuneigung der beiden ein wärmeres Gefühl entwickeln könnte. Er hielt es für gänzlich ausgeschlossen, daß ein Villeroi je sein Auge zu einer Marigny erheben werde, wie er denn auch fest davon überzeugt war, seine gefügige Tochter werde jeden Freier abweisen, der, was Rang und Stand betraf, uicht in allen Stücken deu Ansprüchen ihres Vaters genüge. Der junge Edelmann hatte, als sich die Nachbarn vor ihrer sonst sehr ge¬ heim betriebncn Abreise von ihm verabschiedeten, geäußert, er sehe für sich augen¬ blicklich uoch keine Gefahr und wolle sein Gut nnr im äußersten Notfalle verlassen, ^ud nun war er genau vierundzwanzig Stunden nach ihnen in Koblenz eingetroffen. Wie mochte das zugehn? Hatte ein ungewöhnliches Ereignis, etwa ein Aufstand der Landbevölkerung, ihn von seiner Scholle vertrieben? War das Jngdhäuschen, worin er bescheiden wie ein Waldhüter wohnte, vielleicht schon in Flammen auf- i^gnügen wie die Schlösser der reichen Steuerpächter auf den Höhen von Maris und im Walde von Se. Germain? Der Marquis sah ein, daß es töricht wäre, das Gehirn an der Lösung eines ^ccksels zu zermartern, für das er ja in wenig Stunden auf die bequemste Art eine Erklärung erhalten würde, erschien ziemlich mißgestimmt beim Frühstücks tisch und ^henkte der Unterhaltung seiner Tochter, die, ganz im Gegensatze zu ihrem Vater, heute freudig erregt war und sogar schon den schwachen Versuch gemacht hatte, e>ne gewisse Ordnung in das Chaos des Reisegepäcks zu bringen, uur eine geteilte Aufmerksamkeit. Er entfernte sich dann zu früher Stunde, nicht ohne vorher sorgfältig Toilette gemacht zu haben. Zunächst begab er sich zum Gesandte« seines Souveräns beim ^fürstlichen Hofe. Er wollte sich Herrn vou Vergennes vorstellen, um durch essen Vermittlung Zutritt zum Kurfürsten zu erlangen, in dem er uach allem, man in Paris über diesen Sohn des galanten Sachsens und sein feines Ver- anduis für die Freuden der Tafel erzählt hatte, eine ihm verwandte Seele ver¬ mutete. Jedoch er hatte Unglück. Herr von Vergennes schien offenbar nicht darauf ^ brennen, die persönliche Bekanntschaft des Marquis vou Marigny zu macheu. sich verleugnen und deu Besucher durch einen Sekretär abfertigen, der sich lefer Pflicht ziemlich geschäftsmäßig entledigte. Er notierte sich den Namen, den ' «och nie gehört haben wollte, ohne jedes Zeichen von ehrerbietiger Überraschung, "gte trocken, womit er dem Herrn dienen konnte, und erwiderte auf dessen Frage, ° Wohl ein zuverlässiger, französisch redender Bedienter, der aber kein Franzose l Ul dürfe, zu finden sei. mit geringschätzigen Achselzucken: die Gesandtschaft Seiner 'lllerchristlichsten Majestät sei kein' °Gefindeverncketnngsburean. Der Marquis "r ein zu vollendeter Aristokrat, als daß er durch diese taktlose Äußerung eines Uergeordneten Beamten, der möglicherweise vou der Pest revolutionärer Ideen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/551>, abgerufen am 23.07.2024.