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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Leipziger Dramaturgie

Elisabeth hinunter; anch der Maria tut er dadurch Schaden. Der Leipziger Leicester
Würde mir, wenn ich mich in Elisabeths und Marias Seele zu versetzen suche, nicht
romantisch, nicht beunruhigend (troublant) genug gewesen sein. Aber wie ein Mann
beschaffen sein muß, wenn er zwei verschiednen Frauen wie Mciria und Elisabeth ge¬
fallen soll, weiß unsereiner nun doch einmal nicht, und die Maske des Leipziger
Schauspielers sah wenigstens dem einen Tizianischen Franz dem Ersten im Louvre
so frappant ähnlich, daß man seinen Kopf schon darum für gefährlich halten konnte.

In der Parkszene wird die Leipziger Elisabeth von der Leipziger Maria arg
vermöbelt, ohne daß man für sie lebhaftes Bedanern wegen etwas anderen empfände
als wegen ihres geschmacklosen, der Farbenpracht der urwäldlichen Papageien nicht
mit Gluck entlehnten Jagdkostüms, an dem sie offenbar ebenso unschuldig ist wie
im fünften Akte der junge Viscount an seiner schon mit Bedauern erwähnten perl¬
grauen Strumpfhose. Die Partdckorativn ist in Leipzig mit so unglücklicher Hand
gewählt und zusammengestellt worden, daß es sich der Mühe lohnen würde, von
Altenburg zu kommen, um zu sehen, wie man so etwas nicht machen muß. Die Bühne
stellt ein mit Bäumen dicht bestandnes Gelände dar, das mich um den schon vor Jahren
gänzlich verwahrlosten, früher herzoglichen "Lnstwald" des Schlosses Hoya erinnerte,
und von den Naturschönheiten, deren Anblick Maria begeistert, sieht der Theater¬
gast nichts. Nur "der Bäume dicht Gesträuch," das die Parkmauer verdeckt, wird
uns vorgeführt, und der "weite Himmclsschoß," von dem Maria spricht, ist da, wo
man auf der rechten Seite der Bühne freien Raum in den obern Regionen zu
Gesicht bekommt, kohlpechrabenschwarz. Diesen unheimlichen schwarzen Fleck hätte
man wenigstens vermeiden sollen, obgleich damit doch nur wenig geholfen wäre,
denn es muß eine ganz andre Dekoration gewählt werden, die einen freien Aus¬
blick über den Park und über die Gegend gibt. Wenn hiergegen die von Marias
Amme erwähnten, die Flucht verhindernden Parkmauern geltend gemacht werden,
so kann man sich diesem Einwurf gegenüber darauf beziehn, daß die Adas, breite
ausgemauerte trockne Gräben, die bei Lustschlössern für längere Strecken die Park¬
mauer da ersetzen, wo es sich darum handelt, eine unbeschränkte Fernsicht zu ge¬
winnen, sehr alten Ursprungs sind und -- wie es scheint, aus der Erbauungszeit
des Rittcrsitzes stammend -- bei Schlössern vorkommen, deren Entstehungszeit
präelisabethanisch ist. Wenn man die Terrasse eines mittelalterlichen Schlosses mit un¬
begrenzter Aussicht auf ferne "Nebelberge" in weite, flache, durch einzelne leichte Baum-
gruppen uuterbrvchne Wiesen übergehn läßt, so wird dem Zuschauer, der nicht mehr
das Gegenteil von dem sieht, was er beschreiben hört, Marias Begeistrung und ihr
wehmütiger Zuruf an die "Segler der Lüfte" verständlich, während man so dem
zwischen Gesträuch und Bäumen hin und her eilenden Schritte der schottischen
Königin ohne rechtes Verständnis für ihren Jubel und ihre Betrübnis folgt. Um
eine unglückliche Aushilfe ist man unter solchen Umständen natürlich nie verlegen,
und man hat sich, um eine solche zu finden, im vorliegenden Falle in Leipzig für
die Anbringung einer sogenannten Apareille entschieden, die einen etwas ansteigenden,
angeblich zu einer Art Aussichtspunkt führenden Weg vorstellt: auf dem soll die
Königin, so oft sie etwas sehen muß, wie z. B. den Fischer, der den Nachen an¬
legt, und den sie für ihre Errettung reich mit Schätzen zu belohnen bereit ist, ein
paar Schritte hinausgehn, eine Zumutung, die die Königin in die falsche Lage eines
Raubtiers bringt, das von seinem Käfig aus den Weg, auf dem die Fütterung
ankommt, nicht übersehen kann, und das deshalb aller zwei Minuten an den Gittern
hinaufsteigt und von da Anflug halt.

Für Leicester und Shrewsbury allerdings, die es vorziehn, sich während der
schon unter sehr ungünstigen Verhältnissen beginnenden Zwiesprache der beiden
Königinnen möglichst aus deren Gesichtskreis zu halten, sind die auf der BühM
dargestellten zahlreichen Bäume und Gebüsche sehr erwünscht. Ein Schritt, und s>^
verschwinden hinter dem nächsten Eichenstamm, ein zweiter Schritt, nur ihr Kops
kommt über einem dichten Erlenbusch zum Vorschein, ein dritter, und man glaubt,


Leipziger Dramaturgie

Elisabeth hinunter; anch der Maria tut er dadurch Schaden. Der Leipziger Leicester
Würde mir, wenn ich mich in Elisabeths und Marias Seele zu versetzen suche, nicht
romantisch, nicht beunruhigend (troublant) genug gewesen sein. Aber wie ein Mann
beschaffen sein muß, wenn er zwei verschiednen Frauen wie Mciria und Elisabeth ge¬
fallen soll, weiß unsereiner nun doch einmal nicht, und die Maske des Leipziger
Schauspielers sah wenigstens dem einen Tizianischen Franz dem Ersten im Louvre
so frappant ähnlich, daß man seinen Kopf schon darum für gefährlich halten konnte.

In der Parkszene wird die Leipziger Elisabeth von der Leipziger Maria arg
vermöbelt, ohne daß man für sie lebhaftes Bedanern wegen etwas anderen empfände
als wegen ihres geschmacklosen, der Farbenpracht der urwäldlichen Papageien nicht
mit Gluck entlehnten Jagdkostüms, an dem sie offenbar ebenso unschuldig ist wie
im fünften Akte der junge Viscount an seiner schon mit Bedauern erwähnten perl¬
grauen Strumpfhose. Die Partdckorativn ist in Leipzig mit so unglücklicher Hand
gewählt und zusammengestellt worden, daß es sich der Mühe lohnen würde, von
Altenburg zu kommen, um zu sehen, wie man so etwas nicht machen muß. Die Bühne
stellt ein mit Bäumen dicht bestandnes Gelände dar, das mich um den schon vor Jahren
gänzlich verwahrlosten, früher herzoglichen „Lnstwald" des Schlosses Hoya erinnerte,
und von den Naturschönheiten, deren Anblick Maria begeistert, sieht der Theater¬
gast nichts. Nur „der Bäume dicht Gesträuch," das die Parkmauer verdeckt, wird
uns vorgeführt, und der „weite Himmclsschoß," von dem Maria spricht, ist da, wo
man auf der rechten Seite der Bühne freien Raum in den obern Regionen zu
Gesicht bekommt, kohlpechrabenschwarz. Diesen unheimlichen schwarzen Fleck hätte
man wenigstens vermeiden sollen, obgleich damit doch nur wenig geholfen wäre,
denn es muß eine ganz andre Dekoration gewählt werden, die einen freien Aus¬
blick über den Park und über die Gegend gibt. Wenn hiergegen die von Marias
Amme erwähnten, die Flucht verhindernden Parkmauern geltend gemacht werden,
so kann man sich diesem Einwurf gegenüber darauf beziehn, daß die Adas, breite
ausgemauerte trockne Gräben, die bei Lustschlössern für längere Strecken die Park¬
mauer da ersetzen, wo es sich darum handelt, eine unbeschränkte Fernsicht zu ge¬
winnen, sehr alten Ursprungs sind und — wie es scheint, aus der Erbauungszeit
des Rittcrsitzes stammend — bei Schlössern vorkommen, deren Entstehungszeit
präelisabethanisch ist. Wenn man die Terrasse eines mittelalterlichen Schlosses mit un¬
begrenzter Aussicht auf ferne „Nebelberge" in weite, flache, durch einzelne leichte Baum-
gruppen uuterbrvchne Wiesen übergehn läßt, so wird dem Zuschauer, der nicht mehr
das Gegenteil von dem sieht, was er beschreiben hört, Marias Begeistrung und ihr
wehmütiger Zuruf an die „Segler der Lüfte" verständlich, während man so dem
zwischen Gesträuch und Bäumen hin und her eilenden Schritte der schottischen
Königin ohne rechtes Verständnis für ihren Jubel und ihre Betrübnis folgt. Um
eine unglückliche Aushilfe ist man unter solchen Umständen natürlich nie verlegen,
und man hat sich, um eine solche zu finden, im vorliegenden Falle in Leipzig für
die Anbringung einer sogenannten Apareille entschieden, die einen etwas ansteigenden,
angeblich zu einer Art Aussichtspunkt führenden Weg vorstellt: auf dem soll die
Königin, so oft sie etwas sehen muß, wie z. B. den Fischer, der den Nachen an¬
legt, und den sie für ihre Errettung reich mit Schätzen zu belohnen bereit ist, ein
paar Schritte hinausgehn, eine Zumutung, die die Königin in die falsche Lage eines
Raubtiers bringt, das von seinem Käfig aus den Weg, auf dem die Fütterung
ankommt, nicht übersehen kann, und das deshalb aller zwei Minuten an den Gittern
hinaufsteigt und von da Anflug halt.

Für Leicester und Shrewsbury allerdings, die es vorziehn, sich während der
schon unter sehr ungünstigen Verhältnissen beginnenden Zwiesprache der beiden
Königinnen möglichst aus deren Gesichtskreis zu halten, sind die auf der BühM
dargestellten zahlreichen Bäume und Gebüsche sehr erwünscht. Ein Schritt, und s>^
verschwinden hinter dem nächsten Eichenstamm, ein zweiter Schritt, nur ihr Kops
kommt über einem dichten Erlenbusch zum Vorschein, ein dritter, und man glaubt,


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[0548] Leipziger Dramaturgie Elisabeth hinunter; anch der Maria tut er dadurch Schaden. Der Leipziger Leicester Würde mir, wenn ich mich in Elisabeths und Marias Seele zu versetzen suche, nicht romantisch, nicht beunruhigend (troublant) genug gewesen sein. Aber wie ein Mann beschaffen sein muß, wenn er zwei verschiednen Frauen wie Mciria und Elisabeth ge¬ fallen soll, weiß unsereiner nun doch einmal nicht, und die Maske des Leipziger Schauspielers sah wenigstens dem einen Tizianischen Franz dem Ersten im Louvre so frappant ähnlich, daß man seinen Kopf schon darum für gefährlich halten konnte. In der Parkszene wird die Leipziger Elisabeth von der Leipziger Maria arg vermöbelt, ohne daß man für sie lebhaftes Bedanern wegen etwas anderen empfände als wegen ihres geschmacklosen, der Farbenpracht der urwäldlichen Papageien nicht mit Gluck entlehnten Jagdkostüms, an dem sie offenbar ebenso unschuldig ist wie im fünften Akte der junge Viscount an seiner schon mit Bedauern erwähnten perl¬ grauen Strumpfhose. Die Partdckorativn ist in Leipzig mit so unglücklicher Hand gewählt und zusammengestellt worden, daß es sich der Mühe lohnen würde, von Altenburg zu kommen, um zu sehen, wie man so etwas nicht machen muß. Die Bühne stellt ein mit Bäumen dicht bestandnes Gelände dar, das mich um den schon vor Jahren gänzlich verwahrlosten, früher herzoglichen „Lnstwald" des Schlosses Hoya erinnerte, und von den Naturschönheiten, deren Anblick Maria begeistert, sieht der Theater¬ gast nichts. Nur „der Bäume dicht Gesträuch," das die Parkmauer verdeckt, wird uns vorgeführt, und der „weite Himmclsschoß," von dem Maria spricht, ist da, wo man auf der rechten Seite der Bühne freien Raum in den obern Regionen zu Gesicht bekommt, kohlpechrabenschwarz. Diesen unheimlichen schwarzen Fleck hätte man wenigstens vermeiden sollen, obgleich damit doch nur wenig geholfen wäre, denn es muß eine ganz andre Dekoration gewählt werden, die einen freien Aus¬ blick über den Park und über die Gegend gibt. Wenn hiergegen die von Marias Amme erwähnten, die Flucht verhindernden Parkmauern geltend gemacht werden, so kann man sich diesem Einwurf gegenüber darauf beziehn, daß die Adas, breite ausgemauerte trockne Gräben, die bei Lustschlössern für längere Strecken die Park¬ mauer da ersetzen, wo es sich darum handelt, eine unbeschränkte Fernsicht zu ge¬ winnen, sehr alten Ursprungs sind und — wie es scheint, aus der Erbauungszeit des Rittcrsitzes stammend — bei Schlössern vorkommen, deren Entstehungszeit präelisabethanisch ist. Wenn man die Terrasse eines mittelalterlichen Schlosses mit un¬ begrenzter Aussicht auf ferne „Nebelberge" in weite, flache, durch einzelne leichte Baum- gruppen uuterbrvchne Wiesen übergehn läßt, so wird dem Zuschauer, der nicht mehr das Gegenteil von dem sieht, was er beschreiben hört, Marias Begeistrung und ihr wehmütiger Zuruf an die „Segler der Lüfte" verständlich, während man so dem zwischen Gesträuch und Bäumen hin und her eilenden Schritte der schottischen Königin ohne rechtes Verständnis für ihren Jubel und ihre Betrübnis folgt. Um eine unglückliche Aushilfe ist man unter solchen Umständen natürlich nie verlegen, und man hat sich, um eine solche zu finden, im vorliegenden Falle in Leipzig für die Anbringung einer sogenannten Apareille entschieden, die einen etwas ansteigenden, angeblich zu einer Art Aussichtspunkt führenden Weg vorstellt: auf dem soll die Königin, so oft sie etwas sehen muß, wie z. B. den Fischer, der den Nachen an¬ legt, und den sie für ihre Errettung reich mit Schätzen zu belohnen bereit ist, ein paar Schritte hinausgehn, eine Zumutung, die die Königin in die falsche Lage eines Raubtiers bringt, das von seinem Käfig aus den Weg, auf dem die Fütterung ankommt, nicht übersehen kann, und das deshalb aller zwei Minuten an den Gittern hinaufsteigt und von da Anflug halt. Für Leicester und Shrewsbury allerdings, die es vorziehn, sich während der schon unter sehr ungünstigen Verhältnissen beginnenden Zwiesprache der beiden Königinnen möglichst aus deren Gesichtskreis zu halten, sind die auf der BühM dargestellten zahlreichen Bäume und Gebüsche sehr erwünscht. Ein Schritt, und s>^ verschwinden hinter dem nächsten Eichenstamm, ein zweiter Schritt, nur ihr Kops kommt über einem dichten Erlenbusch zum Vorschein, ein dritter, und man glaubt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/548>, abgerufen am 24.07.2024.