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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Leipziger Dramaturgie

einem grünen Kachelofen nur der unentbehrliche Tisch mit den beiden Stühlen, und
auf dem Tisch richtig die -- Schatulle, aus der der alte Intrigant den "offnen
kaiserlichen Brief" zieht. Warum will man den Zuschauer ohne weitere Veran¬
lassung zwingen, sich einen Generalleutnant als aller Bequemlichkeiten des Lebens
in so spartanischer Weise entblößt zu denken? Warum soll er, der doch auch zum
"Rollen" so manche Gelegenheit gehabt hat, sich Diogenes und sein Faß zum
Muster ausgesucht und uur einen Ofen, einen Tisch, zwei Stühle und eine Schatulle
als fliegende Habe besessen und als zur Möblierung der ihm von den Quartier¬
machern als Wohnung ausgesuchten Vorratsräume für nötig angesehen haben? Was
hinderte den Regisseur und den Maler, hier ein interessantes spätmittelnlterliches
Interieur eines hohen fnedländischen Condottiere mit allerhand Waffen, Trophäen
und Beutestücke" herzustellen? Eben dasselbe gilt von dem binnen Bande fen
skmtoir) des Hosenbandordens, das Elisabeth dem Leicester abnimmt, um den
Grafen Bellievre damit zu bekleiden. Nach der Idee des Regisseurs genügt ein
blaues Band, das Leiecstersche; Burleigh und Shrewsbury, die auch das Band
mit den goldnen Buchstaben unter dem Knie tragen, haben kein blaues Band um
den Hals. Denkt man, daß an einem Hofe, wie der der Königin Elisabeth war,
die Ritter des höchsten Ordens das Recht hatten, bei feierlichen Gelegenheiten, und
die Abschiedsaudieuz eines fremden Botschafters ist doch gewiß eine solche, das eine
oder das andre der Ordensinsignien zuhause zu lassen? Daß Elisabeth Leieesters
Band wählt, um den Botschafter damit zu bekleiden, soll andeuten, daß sie ihn für
deu ersten und vornehmsten Kavalier ihres Hofes ansieht. Diese Pointe fällt weg,
wenn Burleigh und Shrewsbury ihre Bänder geriugschätzigcrwcise zuhause gelassen
haben, denn der Zuschauer sieht, daß die Königin keine Wahl hat: sie muß das
Leicestersche Band nehmen oder sich die Investitur des französischen Grafen ganz
ans dem Sinne schlagen.

Wie sich der Pfau endlich doch von seinem Wagenschuppendach hcrabschwingt, so
kaun auch Elisabeth nicht ewig auf dem wie eine Zitadelle von allen Seiten un¬
nahbaren Throne bleiben: sie muß Cithärous wolkigen Gipfel verlassen. Hinter ihr
stehn auf dem obersten Podium vier junge Damen in Pagenkostüm, die zu nichts
unteren da sein können, als der Königin behilflich zu sein, wenn für sie der
schwierige Augenblick kommt, sich mit der geflissentlich in ihrer ganzen Meterzahl
über die Stufen ausgegossenen Plüschschlcppe aus dem Hause zu fitzen. Würde man
es glauben, wenn man es nicht mit leiblichen Augen gesehen hätte, daß von den
vier niedlichen Gesichtern keins Zeit hat, sich um seinen Dienst zu kümmern? Zu
lächeln versteh" sie anmutig und die Blicke durch den Zuschauerraum schweifen zu
lassen, um Ernst oder Wilhelm, die im Theater sind, zu finden und durch einen
Mnreouischeu Gruß ohne Draht zu beglücken: die Königin mag sehen, wie sie allein
feriig wird. Die stolze Elisabeth, der die Unmöglichkeit, das lauge schwere Ding
von einer Schleppe an allen den Stufeneckcn vorbeizusteuern, bekannt ist, muß sich
lange und auffällig nach Hilfe umsehen, das aus unköuiglichem rotem Kattun be¬
stehende Futter des königlichen Manteans kommt unbarmherzig zum Vorschein, und
wenn sich Elisabeth übel und böse aus der halsbrecherischen Lage gezogen hat, sieht
man nicht, daß die pflichtvergessenen kleinen Schwerenöter zur Entgegennahme der
wohlverdienten Züchtigung vom Pngenhofmeister abgeführt werden, denn es sind ja
junge Domen, die unter niemandes Zucht als uuter der von Ernst und Wilhelm
stehn, und die überzeugt sind, ihren Verpflichtungen nachgekommen zu sein, wenn
sie blühend und jungfräulich augesehen gewesen sind wie die Myrtenbnume bei den
Honoratiorentrauungen, und -- wenn sie Ernst und Wilhelm doch noch entdeckt
haben.

Die Übelstände des leidigen Thronbaus sind jedoch bei weitem noch nicht
überstanden, wenn der Hof und die Franzosen weg sind, und die .Königin ganz-
beinig wieder auf dem Mnedsr Aos vaobss angelangt ist, denn die Vorbereitungen
für den Staatsrat müssen nun auf dem bisher von dem abziehenden Hofgesinde ein-


Leipziger Dramaturgie

einem grünen Kachelofen nur der unentbehrliche Tisch mit den beiden Stühlen, und
auf dem Tisch richtig die — Schatulle, aus der der alte Intrigant den „offnen
kaiserlichen Brief" zieht. Warum will man den Zuschauer ohne weitere Veran¬
lassung zwingen, sich einen Generalleutnant als aller Bequemlichkeiten des Lebens
in so spartanischer Weise entblößt zu denken? Warum soll er, der doch auch zum
„Rollen" so manche Gelegenheit gehabt hat, sich Diogenes und sein Faß zum
Muster ausgesucht und uur einen Ofen, einen Tisch, zwei Stühle und eine Schatulle
als fliegende Habe besessen und als zur Möblierung der ihm von den Quartier¬
machern als Wohnung ausgesuchten Vorratsräume für nötig angesehen haben? Was
hinderte den Regisseur und den Maler, hier ein interessantes spätmittelnlterliches
Interieur eines hohen fnedländischen Condottiere mit allerhand Waffen, Trophäen
und Beutestücke» herzustellen? Eben dasselbe gilt von dem binnen Bande fen
skmtoir) des Hosenbandordens, das Elisabeth dem Leicester abnimmt, um den
Grafen Bellievre damit zu bekleiden. Nach der Idee des Regisseurs genügt ein
blaues Band, das Leiecstersche; Burleigh und Shrewsbury, die auch das Band
mit den goldnen Buchstaben unter dem Knie tragen, haben kein blaues Band um
den Hals. Denkt man, daß an einem Hofe, wie der der Königin Elisabeth war,
die Ritter des höchsten Ordens das Recht hatten, bei feierlichen Gelegenheiten, und
die Abschiedsaudieuz eines fremden Botschafters ist doch gewiß eine solche, das eine
oder das andre der Ordensinsignien zuhause zu lassen? Daß Elisabeth Leieesters
Band wählt, um den Botschafter damit zu bekleiden, soll andeuten, daß sie ihn für
deu ersten und vornehmsten Kavalier ihres Hofes ansieht. Diese Pointe fällt weg,
wenn Burleigh und Shrewsbury ihre Bänder geriugschätzigcrwcise zuhause gelassen
haben, denn der Zuschauer sieht, daß die Königin keine Wahl hat: sie muß das
Leicestersche Band nehmen oder sich die Investitur des französischen Grafen ganz
ans dem Sinne schlagen.

Wie sich der Pfau endlich doch von seinem Wagenschuppendach hcrabschwingt, so
kaun auch Elisabeth nicht ewig auf dem wie eine Zitadelle von allen Seiten un¬
nahbaren Throne bleiben: sie muß Cithärous wolkigen Gipfel verlassen. Hinter ihr
stehn auf dem obersten Podium vier junge Damen in Pagenkostüm, die zu nichts
unteren da sein können, als der Königin behilflich zu sein, wenn für sie der
schwierige Augenblick kommt, sich mit der geflissentlich in ihrer ganzen Meterzahl
über die Stufen ausgegossenen Plüschschlcppe aus dem Hause zu fitzen. Würde man
es glauben, wenn man es nicht mit leiblichen Augen gesehen hätte, daß von den
vier niedlichen Gesichtern keins Zeit hat, sich um seinen Dienst zu kümmern? Zu
lächeln versteh» sie anmutig und die Blicke durch den Zuschauerraum schweifen zu
lassen, um Ernst oder Wilhelm, die im Theater sind, zu finden und durch einen
Mnreouischeu Gruß ohne Draht zu beglücken: die Königin mag sehen, wie sie allein
feriig wird. Die stolze Elisabeth, der die Unmöglichkeit, das lauge schwere Ding
von einer Schleppe an allen den Stufeneckcn vorbeizusteuern, bekannt ist, muß sich
lange und auffällig nach Hilfe umsehen, das aus unköuiglichem rotem Kattun be¬
stehende Futter des königlichen Manteans kommt unbarmherzig zum Vorschein, und
wenn sich Elisabeth übel und böse aus der halsbrecherischen Lage gezogen hat, sieht
man nicht, daß die pflichtvergessenen kleinen Schwerenöter zur Entgegennahme der
wohlverdienten Züchtigung vom Pngenhofmeister abgeführt werden, denn es sind ja
junge Domen, die unter niemandes Zucht als uuter der von Ernst und Wilhelm
stehn, und die überzeugt sind, ihren Verpflichtungen nachgekommen zu sein, wenn
sie blühend und jungfräulich augesehen gewesen sind wie die Myrtenbnume bei den
Honoratiorentrauungen, und — wenn sie Ernst und Wilhelm doch noch entdeckt
haben.

Die Übelstände des leidigen Thronbaus sind jedoch bei weitem noch nicht
überstanden, wenn der Hof und die Franzosen weg sind, und die .Königin ganz-
beinig wieder auf dem Mnedsr Aos vaobss angelangt ist, denn die Vorbereitungen
für den Staatsrat müssen nun auf dem bisher von dem abziehenden Hofgesinde ein-


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[0544] Leipziger Dramaturgie einem grünen Kachelofen nur der unentbehrliche Tisch mit den beiden Stühlen, und auf dem Tisch richtig die — Schatulle, aus der der alte Intrigant den „offnen kaiserlichen Brief" zieht. Warum will man den Zuschauer ohne weitere Veran¬ lassung zwingen, sich einen Generalleutnant als aller Bequemlichkeiten des Lebens in so spartanischer Weise entblößt zu denken? Warum soll er, der doch auch zum „Rollen" so manche Gelegenheit gehabt hat, sich Diogenes und sein Faß zum Muster ausgesucht und uur einen Ofen, einen Tisch, zwei Stühle und eine Schatulle als fliegende Habe besessen und als zur Möblierung der ihm von den Quartier¬ machern als Wohnung ausgesuchten Vorratsräume für nötig angesehen haben? Was hinderte den Regisseur und den Maler, hier ein interessantes spätmittelnlterliches Interieur eines hohen fnedländischen Condottiere mit allerhand Waffen, Trophäen und Beutestücke» herzustellen? Eben dasselbe gilt von dem binnen Bande fen skmtoir) des Hosenbandordens, das Elisabeth dem Leicester abnimmt, um den Grafen Bellievre damit zu bekleiden. Nach der Idee des Regisseurs genügt ein blaues Band, das Leiecstersche; Burleigh und Shrewsbury, die auch das Band mit den goldnen Buchstaben unter dem Knie tragen, haben kein blaues Band um den Hals. Denkt man, daß an einem Hofe, wie der der Königin Elisabeth war, die Ritter des höchsten Ordens das Recht hatten, bei feierlichen Gelegenheiten, und die Abschiedsaudieuz eines fremden Botschafters ist doch gewiß eine solche, das eine oder das andre der Ordensinsignien zuhause zu lassen? Daß Elisabeth Leieesters Band wählt, um den Botschafter damit zu bekleiden, soll andeuten, daß sie ihn für deu ersten und vornehmsten Kavalier ihres Hofes ansieht. Diese Pointe fällt weg, wenn Burleigh und Shrewsbury ihre Bänder geriugschätzigcrwcise zuhause gelassen haben, denn der Zuschauer sieht, daß die Königin keine Wahl hat: sie muß das Leicestersche Band nehmen oder sich die Investitur des französischen Grafen ganz ans dem Sinne schlagen. Wie sich der Pfau endlich doch von seinem Wagenschuppendach hcrabschwingt, so kaun auch Elisabeth nicht ewig auf dem wie eine Zitadelle von allen Seiten un¬ nahbaren Throne bleiben: sie muß Cithärous wolkigen Gipfel verlassen. Hinter ihr stehn auf dem obersten Podium vier junge Damen in Pagenkostüm, die zu nichts unteren da sein können, als der Königin behilflich zu sein, wenn für sie der schwierige Augenblick kommt, sich mit der geflissentlich in ihrer ganzen Meterzahl über die Stufen ausgegossenen Plüschschlcppe aus dem Hause zu fitzen. Würde man es glauben, wenn man es nicht mit leiblichen Augen gesehen hätte, daß von den vier niedlichen Gesichtern keins Zeit hat, sich um seinen Dienst zu kümmern? Zu lächeln versteh» sie anmutig und die Blicke durch den Zuschauerraum schweifen zu lassen, um Ernst oder Wilhelm, die im Theater sind, zu finden und durch einen Mnreouischeu Gruß ohne Draht zu beglücken: die Königin mag sehen, wie sie allein feriig wird. Die stolze Elisabeth, der die Unmöglichkeit, das lauge schwere Ding von einer Schleppe an allen den Stufeneckcn vorbeizusteuern, bekannt ist, muß sich lange und auffällig nach Hilfe umsehen, das aus unköuiglichem rotem Kattun be¬ stehende Futter des königlichen Manteans kommt unbarmherzig zum Vorschein, und wenn sich Elisabeth übel und böse aus der halsbrecherischen Lage gezogen hat, sieht man nicht, daß die pflichtvergessenen kleinen Schwerenöter zur Entgegennahme der wohlverdienten Züchtigung vom Pngenhofmeister abgeführt werden, denn es sind ja junge Domen, die unter niemandes Zucht als uuter der von Ernst und Wilhelm stehn, und die überzeugt sind, ihren Verpflichtungen nachgekommen zu sein, wenn sie blühend und jungfräulich augesehen gewesen sind wie die Myrtenbnume bei den Honoratiorentrauungen, und — wenn sie Ernst und Wilhelm doch noch entdeckt haben. Die Übelstände des leidigen Thronbaus sind jedoch bei weitem noch nicht überstanden, wenn der Hof und die Franzosen weg sind, und die .Königin ganz- beinig wieder auf dem Mnedsr Aos vaobss angelangt ist, denn die Vorbereitungen für den Staatsrat müssen nun auf dem bisher von dem abziehenden Hofgesinde ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/544>, abgerufen am 24.07.2024.