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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Das Emporkommen Bonapartes

christliche Religion und Kirche hätte Lhotzku keine Bibel, wüßte nichts von
Israel und von Jesus und hätte von seinen schönen Betrachtungen über Jesu
Leben und Lehre keine einzige anstellen können.




Das Emporkommen Bonapartes
Gottlob Lgelhaaf i vonn

Wir haben in der jüngsten Zeit zwei neue französische Werke über
den Abschnitt der französischen Revolution erhalten, wo die
Wogen immer mehr ebben und sich die werdende Monarchie an¬
kündigt. Das erste ist der fünfte Teil von Albert Svrels
I/Luroxs se ig, revolution tremeMLö, der die vier Jahre von
1795 bis 1799, also die Zeit des Direktoriums, behandelt. Das andre ist
Buch von Albert Vcmdal I/u,vvnöinknt ni"z Lona>xa>res: bis jetzt ist der
erste Teil erschienen, der die Geschichte des achtzehnten Brumaire behandelt;
e>n zweiter Teil über Marengo und dessen Folgen ist in der Vorbereitung.

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Sowohl Svrel als Vcmdal haben sich schon einen solchen Namen unter
den Geschichtschreibern erworben, daß es nicht mehr nötig ist, ihr Lob zu
singen. Beide zeigen eine Frische und Eleganz der Darstellung, eine Unab¬
hängigkeit des Urteils und eine Gediegenheit der Forschung, daß sie ohne
^cige heute in der ersten Reihe nicht nur der französischen, sondern der euro¬
päische,, Historiker überhaupt stehn. Sorel insbesondre gereicht es zu ganz
besonderen Verdienste, daß er über die chauvinistischen Bestrebungen der Jako¬
biner, die das Schlagwort von den liiuitss QÄtnrsllLs zur Richtschnur ihrer
auswärtigen Politik machten, rücksichtslos den Stab bricht und die lange
^iegsüra von 1795 an herleitet, wo zuerst dieses Schlagwort siegreich war.
blieb seitdem die Lösung, auch im September 1799, als durch die Siege
grünes in Holland und Massenas in der Schweiz der große Plan der
Österreicher, Russen und Engländer (der 1814 gelang), Frankreich von allen
Seiten her anzugreifen und in Paris den Frieden zu erzwingen, noch einmal
gescheitert war, wie er 1792 und 1793 vereitelt wurde. Man wußte nichts,
Mgt Sorel Seite 451, von einem andern Frieden, als man ihn in Campo
^"rinio skizziert und in Rastatt abgefaßt hatte: die natürlichen Grenzen, mit
)ren Bürgschaften und ihren Vorposten: Holland und die Schweiz von Frank-
^eh abhängig, Deutschland neugestaltet und umgestaltet, Piemont unterjocht
""er einverleibt, Italien in Freistaaten geteilt, den Händen Österreichs ert¬
öten, und Frankreich Herrin des Mittelmeers. Mit einem solchen Frankreich
var kein Abkommen möglich; Krieg erwuchs aus Krieg, bis 1814 und 1815
le Lehre von den "natürlichen Grenzen" durch die Waffenmacht des vereinigten
.Uropas beseitigt und Frankreich in seine alten Grenzen zurückgeworfen war.
-^as Schlußstück freilich wurde erst 1870 gespielt!


Das Emporkommen Bonapartes

christliche Religion und Kirche hätte Lhotzku keine Bibel, wüßte nichts von
Israel und von Jesus und hätte von seinen schönen Betrachtungen über Jesu
Leben und Lehre keine einzige anstellen können.




Das Emporkommen Bonapartes
Gottlob Lgelhaaf i vonn

Wir haben in der jüngsten Zeit zwei neue französische Werke über
den Abschnitt der französischen Revolution erhalten, wo die
Wogen immer mehr ebben und sich die werdende Monarchie an¬
kündigt. Das erste ist der fünfte Teil von Albert Svrels
I/Luroxs se ig, revolution tremeMLö, der die vier Jahre von
1795 bis 1799, also die Zeit des Direktoriums, behandelt. Das andre ist
Buch von Albert Vcmdal I/u,vvnöinknt ni«z Lona>xa>res: bis jetzt ist der
erste Teil erschienen, der die Geschichte des achtzehnten Brumaire behandelt;
e>n zweiter Teil über Marengo und dessen Folgen ist in der Vorbereitung.

1

Sowohl Svrel als Vcmdal haben sich schon einen solchen Namen unter
den Geschichtschreibern erworben, daß es nicht mehr nötig ist, ihr Lob zu
singen. Beide zeigen eine Frische und Eleganz der Darstellung, eine Unab¬
hängigkeit des Urteils und eine Gediegenheit der Forschung, daß sie ohne
^cige heute in der ersten Reihe nicht nur der französischen, sondern der euro¬
päische,, Historiker überhaupt stehn. Sorel insbesondre gereicht es zu ganz
besonderen Verdienste, daß er über die chauvinistischen Bestrebungen der Jako¬
biner, die das Schlagwort von den liiuitss QÄtnrsllLs zur Richtschnur ihrer
auswärtigen Politik machten, rücksichtslos den Stab bricht und die lange
^iegsüra von 1795 an herleitet, wo zuerst dieses Schlagwort siegreich war.
blieb seitdem die Lösung, auch im September 1799, als durch die Siege
grünes in Holland und Massenas in der Schweiz der große Plan der
Österreicher, Russen und Engländer (der 1814 gelang), Frankreich von allen
Seiten her anzugreifen und in Paris den Frieden zu erzwingen, noch einmal
gescheitert war, wie er 1792 und 1793 vereitelt wurde. Man wußte nichts,
Mgt Sorel Seite 451, von einem andern Frieden, als man ihn in Campo
^"rinio skizziert und in Rastatt abgefaßt hatte: die natürlichen Grenzen, mit
)ren Bürgschaften und ihren Vorposten: Holland und die Schweiz von Frank-
^eh abhängig, Deutschland neugestaltet und umgestaltet, Piemont unterjocht
""er einverleibt, Italien in Freistaaten geteilt, den Händen Österreichs ert¬
öten, und Frankreich Herrin des Mittelmeers. Mit einem solchen Frankreich
var kein Abkommen möglich; Krieg erwuchs aus Krieg, bis 1814 und 1815
le Lehre von den „natürlichen Grenzen" durch die Waffenmacht des vereinigten
.Uropas beseitigt und Frankreich in seine alten Grenzen zurückgeworfen war.
-^as Schlußstück freilich wurde erst 1870 gespielt!


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[0535] Das Emporkommen Bonapartes christliche Religion und Kirche hätte Lhotzku keine Bibel, wüßte nichts von Israel und von Jesus und hätte von seinen schönen Betrachtungen über Jesu Leben und Lehre keine einzige anstellen können. Das Emporkommen Bonapartes Gottlob Lgelhaaf i vonn Wir haben in der jüngsten Zeit zwei neue französische Werke über den Abschnitt der französischen Revolution erhalten, wo die Wogen immer mehr ebben und sich die werdende Monarchie an¬ kündigt. Das erste ist der fünfte Teil von Albert Svrels I/Luroxs se ig, revolution tremeMLö, der die vier Jahre von 1795 bis 1799, also die Zeit des Direktoriums, behandelt. Das andre ist Buch von Albert Vcmdal I/u,vvnöinknt ni«z Lona>xa>res: bis jetzt ist der erste Teil erschienen, der die Geschichte des achtzehnten Brumaire behandelt; e>n zweiter Teil über Marengo und dessen Folgen ist in der Vorbereitung. 1 Sowohl Svrel als Vcmdal haben sich schon einen solchen Namen unter den Geschichtschreibern erworben, daß es nicht mehr nötig ist, ihr Lob zu singen. Beide zeigen eine Frische und Eleganz der Darstellung, eine Unab¬ hängigkeit des Urteils und eine Gediegenheit der Forschung, daß sie ohne ^cige heute in der ersten Reihe nicht nur der französischen, sondern der euro¬ päische,, Historiker überhaupt stehn. Sorel insbesondre gereicht es zu ganz besonderen Verdienste, daß er über die chauvinistischen Bestrebungen der Jako¬ biner, die das Schlagwort von den liiuitss QÄtnrsllLs zur Richtschnur ihrer auswärtigen Politik machten, rücksichtslos den Stab bricht und die lange ^iegsüra von 1795 an herleitet, wo zuerst dieses Schlagwort siegreich war. blieb seitdem die Lösung, auch im September 1799, als durch die Siege grünes in Holland und Massenas in der Schweiz der große Plan der Österreicher, Russen und Engländer (der 1814 gelang), Frankreich von allen Seiten her anzugreifen und in Paris den Frieden zu erzwingen, noch einmal gescheitert war, wie er 1792 und 1793 vereitelt wurde. Man wußte nichts, Mgt Sorel Seite 451, von einem andern Frieden, als man ihn in Campo ^"rinio skizziert und in Rastatt abgefaßt hatte: die natürlichen Grenzen, mit )ren Bürgschaften und ihren Vorposten: Holland und die Schweiz von Frank- ^eh abhängig, Deutschland neugestaltet und umgestaltet, Piemont unterjocht ""er einverleibt, Italien in Freistaaten geteilt, den Händen Österreichs ert¬ öten, und Frankreich Herrin des Mittelmeers. Mit einem solchen Frankreich var kein Abkommen möglich; Krieg erwuchs aus Krieg, bis 1814 und 1815 le Lehre von den „natürlichen Grenzen" durch die Waffenmacht des vereinigten .Uropas beseitigt und Frankreich in seine alten Grenzen zurückgeworfen war. -^as Schlußstück freilich wurde erst 1870 gespielt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/535>, abgerufen am 25.07.2024.