Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Vie englische Strafrechtspflege Nach der Untersuchung hat der Fall noch eine zweite Stufe zu durch¬ Die Assisen unterscheiden sich von den Vierteljahrsitzungen der Friedens¬ Die Verhandlung vor den Assisen bewegt sich in genau denselben Formen Vie englische Strafrechtspflege Nach der Untersuchung hat der Fall noch eine zweite Stufe zu durch¬ Die Assisen unterscheiden sich von den Vierteljahrsitzungen der Friedens¬ Die Verhandlung vor den Assisen bewegt sich in genau denselben Formen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240904"/> <fw type="header" place="top"> Vie englische Strafrechtspflege</fw><lb/> <p xml:id="ID_2563"> Nach der Untersuchung hat der Fall noch eine zweite Stufe zu durch¬<lb/> laufen, bevor er zur Hauptverhandlung gelangt. Die Vierteljahrsitznng be¬<lb/> ginnt ebenso wie die Assisen mit der Tagung der Großen Jury, g'i'Ma M'^,<lb/> die aus mindestens 12 und nicht mehr als 23 Geschwornen besteht. Die<lb/> Große Jury geht aufs zwölfte Jahrhundert zurück, auf die Zeit, in der die<lb/> reisenden Richter aufkamen. Vertreter der Gegend, in die der Richter kam,<lb/> hatten ihm über die abznnrteilenden Fülle zu berichten und so gewissermaßen<lb/> die Klage anzubringen. Heute kleidet sich ihr Bericht in die Zustimmung zur<lb/> Anklage. Der Belastnngsstoff wird ihnen vorgelegt, und nur, wenn wenigstens<lb/> zwölf von ihnen die Gründe der Strafverfolgung für genügend erkannt haben,<lb/> gilt der Gefangne als förmlich angeklagt (inäiotöä), andernfalls wird er sofort<lb/> entlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2564"> Die Assisen unterscheiden sich von den Vierteljahrsitzungen der Friedens¬<lb/> richter dadurch, daß sie aus dem örtlichen Verbände der Grafschaft gelöst sind.<lb/> Sie gehören zum HiM <ne>urd c>k .lustlos, der sein Heim in London hat. Mit<lb/> der frühern Zentralisierung der Rechtsprechung war die Aburteilung der Ver¬<lb/> brecher dem Gerichtshof der Königsbank überwiesen worden. Nun konnte nach<lb/> alten Nechtsgrundsützen ein Angeklagter nur von Geschwornen seiner Grafschaft<lb/> verurteilt werden, aber eine Jury mit allen Zeugen ans einer entfernte» Graf¬<lb/> schaft nach Westminster zu bringen, war viel zu umständlich und kostspielig.<lb/> Der Berg wollte nicht zu Muhammed, also ging Muhammed zum Berge. Es<lb/> wurde angeordnet, Gefangne, Zeugen und Geschworne much Westminster zu<lb/> schaffen, wenn nicht vor der angesetzten Zeit ein Richter zur Verhandlung in<lb/> der Grafschaft erschiene, und die Richter erschienen regelmäßig zu den Assisen.<lb/> Dabei ist es mit geringfügigen Änderungen, die bloß die Form betreffen, ge¬<lb/> blieben. Zu bestimmten Zeiten bereisen die Richter der Königsbank den ihnen<lb/> zugewiesenen Teil des Landes, um die Assisen abzuhalten, oder in der Fach¬<lb/> sprache, um die Gefängnisse zu leeren und zu hören und zu entscheiden (o^e-r<lb/> Mal wriniusr). Für den Fall, daß die Arbeit die Kräfte des Richters über¬<lb/> steigen sollte, werden anch hier wie bei der Verhandlung bürgerlicher Rechts¬<lb/> fälle Barristers, die Rang und Titel eines Oounsol haben, bevollmächtigt,<lb/> den Richter zu vertreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2565" next="#ID_2566"> Die Verhandlung vor den Assisen bewegt sich in genau denselben Formen<lb/> wie vor den Vierteljahrsitzungen und beginnt mit der Vorprüfung der Fülle<lb/> durch die Große Jury. Außer der Anklage (iuclivluuznt) durch die Große Jury<lb/> gibt es noch zwei andre Weisen, nämlich durch den Attorney General und den<lb/> Corouer oder Leichenbeschauer. Die Coronersjury kann in ihren: Spruch eine<lb/> förmliche Anklage auf Mord gegen eine bestimmte Person richten und diese<lb/> dadurch unmittelbar vor die Assisen bringen. Aber keine dieser andern Weisen<lb/> ist noch üblich. Der regelmäßige Weg ist jetzt immer die Voruntersuchung<lb/> dnrch Friedens- oder Polizeirichter und die Prüfung durch die Große Jury-<lb/> Von der Großen Jury geht der Fall dann zur Hauptverhandlung um die<lb/> Kleine Jury (pfer^ ^ur^) von zwölf Geschwornen, vor der er ausgefochte» wird,<lb/> als wenn er ein bürgerlicher Rechtsstreit wäre. Hier Kläger, dort Angeklagter,<lb/> und auf jeder Seite Barristers mit Zeugen. Die Jury muß in ihrem Spruch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
Vie englische Strafrechtspflege
Nach der Untersuchung hat der Fall noch eine zweite Stufe zu durch¬
laufen, bevor er zur Hauptverhandlung gelangt. Die Vierteljahrsitznng be¬
ginnt ebenso wie die Assisen mit der Tagung der Großen Jury, g'i'Ma M'^,
die aus mindestens 12 und nicht mehr als 23 Geschwornen besteht. Die
Große Jury geht aufs zwölfte Jahrhundert zurück, auf die Zeit, in der die
reisenden Richter aufkamen. Vertreter der Gegend, in die der Richter kam,
hatten ihm über die abznnrteilenden Fülle zu berichten und so gewissermaßen
die Klage anzubringen. Heute kleidet sich ihr Bericht in die Zustimmung zur
Anklage. Der Belastnngsstoff wird ihnen vorgelegt, und nur, wenn wenigstens
zwölf von ihnen die Gründe der Strafverfolgung für genügend erkannt haben,
gilt der Gefangne als förmlich angeklagt (inäiotöä), andernfalls wird er sofort
entlassen.
Die Assisen unterscheiden sich von den Vierteljahrsitzungen der Friedens¬
richter dadurch, daß sie aus dem örtlichen Verbände der Grafschaft gelöst sind.
Sie gehören zum HiM <ne>urd c>k .lustlos, der sein Heim in London hat. Mit
der frühern Zentralisierung der Rechtsprechung war die Aburteilung der Ver¬
brecher dem Gerichtshof der Königsbank überwiesen worden. Nun konnte nach
alten Nechtsgrundsützen ein Angeklagter nur von Geschwornen seiner Grafschaft
verurteilt werden, aber eine Jury mit allen Zeugen ans einer entfernte» Graf¬
schaft nach Westminster zu bringen, war viel zu umständlich und kostspielig.
Der Berg wollte nicht zu Muhammed, also ging Muhammed zum Berge. Es
wurde angeordnet, Gefangne, Zeugen und Geschworne much Westminster zu
schaffen, wenn nicht vor der angesetzten Zeit ein Richter zur Verhandlung in
der Grafschaft erschiene, und die Richter erschienen regelmäßig zu den Assisen.
Dabei ist es mit geringfügigen Änderungen, die bloß die Form betreffen, ge¬
blieben. Zu bestimmten Zeiten bereisen die Richter der Königsbank den ihnen
zugewiesenen Teil des Landes, um die Assisen abzuhalten, oder in der Fach¬
sprache, um die Gefängnisse zu leeren und zu hören und zu entscheiden (o^e-r
Mal wriniusr). Für den Fall, daß die Arbeit die Kräfte des Richters über¬
steigen sollte, werden anch hier wie bei der Verhandlung bürgerlicher Rechts¬
fälle Barristers, die Rang und Titel eines Oounsol haben, bevollmächtigt,
den Richter zu vertreten.
Die Verhandlung vor den Assisen bewegt sich in genau denselben Formen
wie vor den Vierteljahrsitzungen und beginnt mit der Vorprüfung der Fülle
durch die Große Jury. Außer der Anklage (iuclivluuznt) durch die Große Jury
gibt es noch zwei andre Weisen, nämlich durch den Attorney General und den
Corouer oder Leichenbeschauer. Die Coronersjury kann in ihren: Spruch eine
förmliche Anklage auf Mord gegen eine bestimmte Person richten und diese
dadurch unmittelbar vor die Assisen bringen. Aber keine dieser andern Weisen
ist noch üblich. Der regelmäßige Weg ist jetzt immer die Voruntersuchung
dnrch Friedens- oder Polizeirichter und die Prüfung durch die Große Jury-
Von der Großen Jury geht der Fall dann zur Hauptverhandlung um die
Kleine Jury (pfer^ ^ur^) von zwölf Geschwornen, vor der er ausgefochte» wird,
als wenn er ein bürgerlicher Rechtsstreit wäre. Hier Kläger, dort Angeklagter,
und auf jeder Seite Barristers mit Zeugen. Die Jury muß in ihrem Spruch
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