Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Die englische Strafrechtspflege Anstatt der vollen Bewaffnung der irischen Konstabler fuhren jedoch die Die Londoner City folgte dem gegebnen Beispiele nach einigen Jahren, Eine besondre Stellung nimmt die Polizei der Metropolis (London ohne Der gegenwärtige, erst vor kurzem angestellte Commissioner, E, N, Henry, ist ans dem
indischen Zivildienste hervorgegangen. Die englische Strafrechtspflege Anstatt der vollen Bewaffnung der irischen Konstabler fuhren jedoch die Die Londoner City folgte dem gegebnen Beispiele nach einigen Jahren, Eine besondre Stellung nimmt die Polizei der Metropolis (London ohne Der gegenwärtige, erst vor kurzem angestellte Commissioner, E, N, Henry, ist ans dem
indischen Zivildienste hervorgegangen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240900"/> <fw type="header" place="top"> Die englische Strafrechtspflege</fw><lb/> <p xml:id="ID_2550" prev="#ID_2549"> Anstatt der vollen Bewaffnung der irischen Konstabler fuhren jedoch die<lb/> Londoner nur einen festen Knüppel, der in geschickten Händen als Waffe nicht<lb/> zu verachten ist und sich bisher gut bewährt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2551"> Die Londoner City folgte dem gegebnen Beispiele nach einigen Jahren,<lb/> und 1856 wurde die Einrichtung auf ganz England ausgedehnt. Die Organi¬<lb/> sation ist überall dieselbe, soweit die Verschiedenheit der Verhältnisse es er¬<lb/> laubt. Ju großen Grafschaften wie Uorkshire und Lincolnshire gibt es, wie<lb/> mehrere Friedenskvmmissionen, auch mehrere besondre Polizeiabteilnngen, jede<lb/> unter einem eignen Oberkonstabler (Ollisl' L!onstill»Sollst hat jede Graf¬<lb/> schaft iinr einen Oberkonstabler; aber wenn der Oberkonstabler von Lancashire<lb/> über 1300 Mann gebietet, hat der von Rutlandshire nur etwa zwei Dutzend<lb/> unter sich. Außerhalb der Grafschaften stehn die Ortschaften mit Stadtrechten,<lb/> die sich das Vergnügen einer eignen Polizei unter einem Hauptkonstabler<lb/> (Hoaä L!ein8tlMo) erlauben dürfen, wenn sie wollen. Die Polizei der Städte<lb/> hängt ab von einem Ausschusse des Stadtrats, die der Grafschaften von dem<lb/> Grafschaftratc und den Friedensrichtern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2552"> Eine besondre Stellung nimmt die Polizei der Metropolis (London ohne<lb/> die City) ein. Sie hat an der Spitze einen Commissioner, der gewöhnlich<lb/> wie die Oberkonstabler ein ehemaliger Offizier des Heeres ist.") Doch der<lb/> Grnfschaftrat von London hat keine Gewalt über ihn, sondern nnr der Staats¬<lb/> sekretär des Innern. Die Londoner Bevölkerung hat also durch ihre Ver¬<lb/> treter keinerlei Einfluß auf die Polizei, hat sich vielmehr ihren Anordnungen<lb/> unweigerlich zu fügen, wie die Berliner denen ihres Polizeipräsidenten. Bei<lb/> einer Stadt wie London — richtiger Gruppe von Städten, da die einzelnen<lb/> Teile jetzt eigne Städte bilden —, wo durch den Verkehr mehr unlautere<lb/> Gesellschaft zusammenströmt als sonstwo, ist eine straffe einheitliche Polizei<lb/> nur zik listig. Im Jahre 1901 wurden über 109000 Personen in der Metro-<lb/> polis verhaftet. Eigentniilsvergehn gab es 17433, und 24 Morde wurden<lb/> zur Anzeige gebracht. Um gegen die Feinde der Gesellschaft auszukommen,<lb/> bedarf London, das mit der City 6580000 Einwohner umschließt, eiuer Schutz-<lb/> mannschaft von 17 000 Mann, von denen 1000 auf die City, die audern auf<lb/> die Metropolis kommen. Für die übrigen 24 Millionen Engländer genügen<lb/> 27000. Schottland mit noch nicht 4^ Millionen steht unter der Obhut von<lb/> etwas mehr als 5000 Schutzleuten, für die um 16000 Kopfe geringere Be¬<lb/> völkerung Irlands dagegen hält die englische Regierung ein Konstablerkorps<lb/> von 11000 Manu nötig. Aber da spielen politische Gründe mit. In der<lb/> englischen Polizei prägt sich vielleicht mehr als in einem andern Zweige der<lb/> Verwaltung die neuere Richtung nach einer Stärkung der Gewalt des Staates<lb/> aus. Ist die Polizei, mit Ausnahme des irischen Konstablerkorps, auch nicht<lb/> gerade Stacitsaustalt, so trägt doch der Staat einen großen Teil der Unter¬<lb/> haltungskosten, und er macht dafür die Polizennannschaft auch für Aufgaben<lb/> nutzbar, die weit über die ältere Auffassung voll den Pflichten eines Kirchspiel-<lb/> konstablers hin aus gehn.</p><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> Der gegenwärtige, erst vor kurzem angestellte Commissioner, E, N, Henry, ist ans dem<lb/> indischen Zivildienste hervorgegangen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
Die englische Strafrechtspflege
Anstatt der vollen Bewaffnung der irischen Konstabler fuhren jedoch die
Londoner nur einen festen Knüppel, der in geschickten Händen als Waffe nicht
zu verachten ist und sich bisher gut bewährt hat.
Die Londoner City folgte dem gegebnen Beispiele nach einigen Jahren,
und 1856 wurde die Einrichtung auf ganz England ausgedehnt. Die Organi¬
sation ist überall dieselbe, soweit die Verschiedenheit der Verhältnisse es er¬
laubt. Ju großen Grafschaften wie Uorkshire und Lincolnshire gibt es, wie
mehrere Friedenskvmmissionen, auch mehrere besondre Polizeiabteilnngen, jede
unter einem eignen Oberkonstabler (Ollisl' L!onstill»Sollst hat jede Graf¬
schaft iinr einen Oberkonstabler; aber wenn der Oberkonstabler von Lancashire
über 1300 Mann gebietet, hat der von Rutlandshire nur etwa zwei Dutzend
unter sich. Außerhalb der Grafschaften stehn die Ortschaften mit Stadtrechten,
die sich das Vergnügen einer eignen Polizei unter einem Hauptkonstabler
(Hoaä L!ein8tlMo) erlauben dürfen, wenn sie wollen. Die Polizei der Städte
hängt ab von einem Ausschusse des Stadtrats, die der Grafschaften von dem
Grafschaftratc und den Friedensrichtern.
Eine besondre Stellung nimmt die Polizei der Metropolis (London ohne
die City) ein. Sie hat an der Spitze einen Commissioner, der gewöhnlich
wie die Oberkonstabler ein ehemaliger Offizier des Heeres ist.") Doch der
Grnfschaftrat von London hat keine Gewalt über ihn, sondern nnr der Staats¬
sekretär des Innern. Die Londoner Bevölkerung hat also durch ihre Ver¬
treter keinerlei Einfluß auf die Polizei, hat sich vielmehr ihren Anordnungen
unweigerlich zu fügen, wie die Berliner denen ihres Polizeipräsidenten. Bei
einer Stadt wie London — richtiger Gruppe von Städten, da die einzelnen
Teile jetzt eigne Städte bilden —, wo durch den Verkehr mehr unlautere
Gesellschaft zusammenströmt als sonstwo, ist eine straffe einheitliche Polizei
nur zik listig. Im Jahre 1901 wurden über 109000 Personen in der Metro-
polis verhaftet. Eigentniilsvergehn gab es 17433, und 24 Morde wurden
zur Anzeige gebracht. Um gegen die Feinde der Gesellschaft auszukommen,
bedarf London, das mit der City 6580000 Einwohner umschließt, eiuer Schutz-
mannschaft von 17 000 Mann, von denen 1000 auf die City, die audern auf
die Metropolis kommen. Für die übrigen 24 Millionen Engländer genügen
27000. Schottland mit noch nicht 4^ Millionen steht unter der Obhut von
etwas mehr als 5000 Schutzleuten, für die um 16000 Kopfe geringere Be¬
völkerung Irlands dagegen hält die englische Regierung ein Konstablerkorps
von 11000 Manu nötig. Aber da spielen politische Gründe mit. In der
englischen Polizei prägt sich vielleicht mehr als in einem andern Zweige der
Verwaltung die neuere Richtung nach einer Stärkung der Gewalt des Staates
aus. Ist die Polizei, mit Ausnahme des irischen Konstablerkorps, auch nicht
gerade Stacitsaustalt, so trägt doch der Staat einen großen Teil der Unter¬
haltungskosten, und er macht dafür die Polizennannschaft auch für Aufgaben
nutzbar, die weit über die ältere Auffassung voll den Pflichten eines Kirchspiel-
konstablers hin aus gehn.
Der gegenwärtige, erst vor kurzem angestellte Commissioner, E, N, Henry, ist ans dem
indischen Zivildienste hervorgegangen.
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