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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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leipziger Dramaturgie

Triumph nach dem Kapital gefahren sind und sich vielleicht gar mit einigen Lach-
crfolgen im Zirkus begnügen, so muß es auch Dramaturgien geben können, die ans
Unsterblichkeit keine Ansprüche machen. Hamburger Hühnchen sind freilich die feinsten
und schönste", aber gegessen wenn auch nicht gespeist werden die Leipziger mich.

Damit man es mit etwas Abgegrenztem, Konkretem zu tun habe, soll hier
zunächst nur von drei Schillerschen Stücken, Maria Stuart, Wallenstein und Wilhelm
Tell, die Rede sei". Sie haben alle drei deu Vorzug, daß sie, ohne aus streug
geschichtliche Treue Anspruch mache" zu können, große welthistorische Kampfe, und
Begebenheiten in den Hauptzüge" merkwürdig richtig darstelle" u"d im deutschen
Volke für deren hauptsächliche Persönlichkeiten das lebhafteste, teils freundliche, teils
feindliche Mitgefühl erregt haben, während andrerseits die mit ihnen verquickten,
allein der Einbildungskraft des Dichters entsprossenen Liebeshandel trotz der zu ihrer
Ausschmückung verwandten Perlen und Juwelen hinter der Haupthandlung zurückbleiben
und sie stellenweise sogar benachteiligen. Der neuerdings durch Ibsen und Hauptmann
cmsgekommne Grundsatz, daß der Theaterdichter berechtigt sei, dem "Schnnvieh"
das Futter vorzuschreiben, wie es ihm anstehe, und daß das Publikum nichts
nudres zu tun habe, als sich an das Dargebotue zu halten, es möge ihm münden
oder nicht, war Schiller fremd. Er wußte, wie wenig den meisten mit einem Stück
ohne Liebe gedient war, und da seiner Ansicht nach das Publikum haben sollte,
was es begehrte, so hielt er es für seine Pflicht, Liebesintrigueu auch da anzubringen,
wo sie, wie namentlich im Tell und im Wallenstein, für den ersprießlichen Fort¬
gang der Haupthandlung entbehrlich waren.

Die genannten drei Stücke -- denn Fiesko, die Jungfrau und Don Karlos stehn
als noch freiere Schöpfungen der Phantasie auf eiuer etwas andern Stufe -- siud
bei aller Lebenswahrheit doch durchaus ideal gehalten, und der Vortrag ihrer
Verse verliert, sobald er uaturalistisch gehnudhabt wird, den ans jeder Schillerschen
Dichtung ruhenden lyrischen Reiz. Wenn die Franzosen diese drei Stücke ihr eigen
nennen dürften, so wurde das LWÄtro I''rkmyais sie sicher und größerer Pietät be¬
Handel", als dies z"in Beispiel denn Leipziger Stadttheater geschieht. Dafür, daß
nicht nach dem willkürlichen Ermessen der Regie ein Vers oder gar ein wesentliches
Stück der Exposition ausgelassen werden könnte, würde die Kritik und in deu
meisten Fällen während der Vorstellung selbst das Publikum sorgen: denn der
Schauspieler würde deu weggelassenen Vers aus dem Zuschauerrnume zu hören be¬
kommen. In Leipzig ist das anders, dn ist nicht die Pietät für das Werk des
großen Dichters die suprsma. Isx, sondern es kommt vor allein darauf an, daß das
Stück nicht zu spät ende. Für einen großen Teil des Leipziger Publikums soll
ein Drama, dem es darum zu tun ist, zu gefallen, nicht länger als drei Stunden
deinem. Vor sieben Uhr kann mein nicht gut da sein, und viel länger als bis zehn
will man nicht gern bleiben. Für eine sensationelle und besonders für eine exo¬
tische Leistung kann mau allerdings zur Not eine Ausnahme machen, für Schiller
aber, den man i" der Tasche hat, "ut der einem wie das tägliche Brot vorkommt,
werden keine Ziiterfeder" aufgesteckt: da kaun der Regisseur streichen und der
Schauspieler aufräumen, audi^ol', wie Sarah Bernard, der alte gewiefte Bühnen¬
hase, es nennt, das heißt also mit andern Worten, er kann mit den Versen wie
eine dnrchgcbraunte Lokomotive darauf los rasen.

Wenn dies ein feierlicher Artikel und keine Plauderei wäre, müßte ich, noch
ehe sich der Vorhang für den ersten Akt der Maria Stuart hebt, etwas verschlucken,
was ich so, da ich ein formloser Plauderer bin und mit Borgis gedruckt werde, heraus¬
lassen kann: meine Wut gilt dem Zettel. Für den Nickelzchner, den man mit Ver¬
gnügen zahlt, hat man die Wahl zwischen einem Bogen, in den man bequem eiuen
Kalbstoß einwickeln könnte, und einen: gebundne" Hefte, worin sich, wenn mau recht
zu suchen versteht, auch die heutige Rollenbesetzung entdecken läßt, und woraus
man, mau mag wollen oder nicht, unmittelbar unter dein für morgen angekündigten
Stücke ersieht! daß Michels K Cie., Königlich Niederländische Hoflieferanten, ihre


leipziger Dramaturgie

Triumph nach dem Kapital gefahren sind und sich vielleicht gar mit einigen Lach-
crfolgen im Zirkus begnügen, so muß es auch Dramaturgien geben können, die ans
Unsterblichkeit keine Ansprüche machen. Hamburger Hühnchen sind freilich die feinsten
und schönste», aber gegessen wenn auch nicht gespeist werden die Leipziger mich.

Damit man es mit etwas Abgegrenztem, Konkretem zu tun habe, soll hier
zunächst nur von drei Schillerschen Stücken, Maria Stuart, Wallenstein und Wilhelm
Tell, die Rede sei». Sie haben alle drei deu Vorzug, daß sie, ohne aus streug
geschichtliche Treue Anspruch mache» zu können, große welthistorische Kampfe, und
Begebenheiten in den Hauptzüge» merkwürdig richtig darstelle» u»d im deutschen
Volke für deren hauptsächliche Persönlichkeiten das lebhafteste, teils freundliche, teils
feindliche Mitgefühl erregt haben, während andrerseits die mit ihnen verquickten,
allein der Einbildungskraft des Dichters entsprossenen Liebeshandel trotz der zu ihrer
Ausschmückung verwandten Perlen und Juwelen hinter der Haupthandlung zurückbleiben
und sie stellenweise sogar benachteiligen. Der neuerdings durch Ibsen und Hauptmann
cmsgekommne Grundsatz, daß der Theaterdichter berechtigt sei, dem „Schnnvieh"
das Futter vorzuschreiben, wie es ihm anstehe, und daß das Publikum nichts
nudres zu tun habe, als sich an das Dargebotue zu halten, es möge ihm münden
oder nicht, war Schiller fremd. Er wußte, wie wenig den meisten mit einem Stück
ohne Liebe gedient war, und da seiner Ansicht nach das Publikum haben sollte,
was es begehrte, so hielt er es für seine Pflicht, Liebesintrigueu auch da anzubringen,
wo sie, wie namentlich im Tell und im Wallenstein, für den ersprießlichen Fort¬
gang der Haupthandlung entbehrlich waren.

Die genannten drei Stücke — denn Fiesko, die Jungfrau und Don Karlos stehn
als noch freiere Schöpfungen der Phantasie auf eiuer etwas andern Stufe — siud
bei aller Lebenswahrheit doch durchaus ideal gehalten, und der Vortrag ihrer
Verse verliert, sobald er uaturalistisch gehnudhabt wird, den ans jeder Schillerschen
Dichtung ruhenden lyrischen Reiz. Wenn die Franzosen diese drei Stücke ihr eigen
nennen dürften, so wurde das LWÄtro I''rkmyais sie sicher und größerer Pietät be¬
Handel», als dies z»in Beispiel denn Leipziger Stadttheater geschieht. Dafür, daß
nicht nach dem willkürlichen Ermessen der Regie ein Vers oder gar ein wesentliches
Stück der Exposition ausgelassen werden könnte, würde die Kritik und in deu
meisten Fällen während der Vorstellung selbst das Publikum sorgen: denn der
Schauspieler würde deu weggelassenen Vers aus dem Zuschauerrnume zu hören be¬
kommen. In Leipzig ist das anders, dn ist nicht die Pietät für das Werk des
großen Dichters die suprsma. Isx, sondern es kommt vor allein darauf an, daß das
Stück nicht zu spät ende. Für einen großen Teil des Leipziger Publikums soll
ein Drama, dem es darum zu tun ist, zu gefallen, nicht länger als drei Stunden
deinem. Vor sieben Uhr kann mein nicht gut da sein, und viel länger als bis zehn
will man nicht gern bleiben. Für eine sensationelle und besonders für eine exo¬
tische Leistung kann mau allerdings zur Not eine Ausnahme machen, für Schiller
aber, den man i» der Tasche hat, »ut der einem wie das tägliche Brot vorkommt,
werden keine Ziiterfeder» aufgesteckt: da kaun der Regisseur streichen und der
Schauspieler aufräumen, audi^ol', wie Sarah Bernard, der alte gewiefte Bühnen¬
hase, es nennt, das heißt also mit andern Worten, er kann mit den Versen wie
eine dnrchgcbraunte Lokomotive darauf los rasen.

Wenn dies ein feierlicher Artikel und keine Plauderei wäre, müßte ich, noch
ehe sich der Vorhang für den ersten Akt der Maria Stuart hebt, etwas verschlucken,
was ich so, da ich ein formloser Plauderer bin und mit Borgis gedruckt werde, heraus¬
lassen kann: meine Wut gilt dem Zettel. Für den Nickelzchner, den man mit Ver¬
gnügen zahlt, hat man die Wahl zwischen einem Bogen, in den man bequem eiuen
Kalbstoß einwickeln könnte, und einen: gebundne» Hefte, worin sich, wenn mau recht
zu suchen versteht, auch die heutige Rollenbesetzung entdecken läßt, und woraus
man, mau mag wollen oder nicht, unmittelbar unter dein für morgen angekündigten
Stücke ersieht! daß Michels K Cie., Königlich Niederländische Hoflieferanten, ihre


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[0475] leipziger Dramaturgie Triumph nach dem Kapital gefahren sind und sich vielleicht gar mit einigen Lach- crfolgen im Zirkus begnügen, so muß es auch Dramaturgien geben können, die ans Unsterblichkeit keine Ansprüche machen. Hamburger Hühnchen sind freilich die feinsten und schönste», aber gegessen wenn auch nicht gespeist werden die Leipziger mich. Damit man es mit etwas Abgegrenztem, Konkretem zu tun habe, soll hier zunächst nur von drei Schillerschen Stücken, Maria Stuart, Wallenstein und Wilhelm Tell, die Rede sei». Sie haben alle drei deu Vorzug, daß sie, ohne aus streug geschichtliche Treue Anspruch mache» zu können, große welthistorische Kampfe, und Begebenheiten in den Hauptzüge» merkwürdig richtig darstelle» u»d im deutschen Volke für deren hauptsächliche Persönlichkeiten das lebhafteste, teils freundliche, teils feindliche Mitgefühl erregt haben, während andrerseits die mit ihnen verquickten, allein der Einbildungskraft des Dichters entsprossenen Liebeshandel trotz der zu ihrer Ausschmückung verwandten Perlen und Juwelen hinter der Haupthandlung zurückbleiben und sie stellenweise sogar benachteiligen. Der neuerdings durch Ibsen und Hauptmann cmsgekommne Grundsatz, daß der Theaterdichter berechtigt sei, dem „Schnnvieh" das Futter vorzuschreiben, wie es ihm anstehe, und daß das Publikum nichts nudres zu tun habe, als sich an das Dargebotue zu halten, es möge ihm münden oder nicht, war Schiller fremd. Er wußte, wie wenig den meisten mit einem Stück ohne Liebe gedient war, und da seiner Ansicht nach das Publikum haben sollte, was es begehrte, so hielt er es für seine Pflicht, Liebesintrigueu auch da anzubringen, wo sie, wie namentlich im Tell und im Wallenstein, für den ersprießlichen Fort¬ gang der Haupthandlung entbehrlich waren. Die genannten drei Stücke — denn Fiesko, die Jungfrau und Don Karlos stehn als noch freiere Schöpfungen der Phantasie auf eiuer etwas andern Stufe — siud bei aller Lebenswahrheit doch durchaus ideal gehalten, und der Vortrag ihrer Verse verliert, sobald er uaturalistisch gehnudhabt wird, den ans jeder Schillerschen Dichtung ruhenden lyrischen Reiz. Wenn die Franzosen diese drei Stücke ihr eigen nennen dürften, so wurde das LWÄtro I''rkmyais sie sicher und größerer Pietät be¬ Handel», als dies z»in Beispiel denn Leipziger Stadttheater geschieht. Dafür, daß nicht nach dem willkürlichen Ermessen der Regie ein Vers oder gar ein wesentliches Stück der Exposition ausgelassen werden könnte, würde die Kritik und in deu meisten Fällen während der Vorstellung selbst das Publikum sorgen: denn der Schauspieler würde deu weggelassenen Vers aus dem Zuschauerrnume zu hören be¬ kommen. In Leipzig ist das anders, dn ist nicht die Pietät für das Werk des großen Dichters die suprsma. Isx, sondern es kommt vor allein darauf an, daß das Stück nicht zu spät ende. Für einen großen Teil des Leipziger Publikums soll ein Drama, dem es darum zu tun ist, zu gefallen, nicht länger als drei Stunden deinem. Vor sieben Uhr kann mein nicht gut da sein, und viel länger als bis zehn will man nicht gern bleiben. Für eine sensationelle und besonders für eine exo¬ tische Leistung kann mau allerdings zur Not eine Ausnahme machen, für Schiller aber, den man i» der Tasche hat, »ut der einem wie das tägliche Brot vorkommt, werden keine Ziiterfeder» aufgesteckt: da kaun der Regisseur streichen und der Schauspieler aufräumen, audi^ol', wie Sarah Bernard, der alte gewiefte Bühnen¬ hase, es nennt, das heißt also mit andern Worten, er kann mit den Versen wie eine dnrchgcbraunte Lokomotive darauf los rasen. Wenn dies ein feierlicher Artikel und keine Plauderei wäre, müßte ich, noch ehe sich der Vorhang für den ersten Akt der Maria Stuart hebt, etwas verschlucken, was ich so, da ich ein formloser Plauderer bin und mit Borgis gedruckt werde, heraus¬ lassen kann: meine Wut gilt dem Zettel. Für den Nickelzchner, den man mit Ver¬ gnügen zahlt, hat man die Wahl zwischen einem Bogen, in den man bequem eiuen Kalbstoß einwickeln könnte, und einen: gebundne» Hefte, worin sich, wenn mau recht zu suchen versteht, auch die heutige Rollenbesetzung entdecken läßt, und woraus man, mau mag wollen oder nicht, unmittelbar unter dein für morgen angekündigten Stücke ersieht! daß Michels K Cie., Königlich Niederländische Hoflieferanten, ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/475>, abgerufen am 23.07.2024.