Alles, was zur Verstärkung des von Natur schon so festen Punktes ge¬ schehn konnte, geschah. An der Nordseite -- gegenüber der Landverbindnng mit dem spanischen Festlande -- sind in den Felsen in dreifachen Lagen über¬ einander Galerien gesprengt, die in einer Gesamtansdehnnng von fünf Kilo¬ metern Raum für die Aufstellung von 500 Geschützen und für eine Besatzung von 8000 Mann bieten. Auf der Westseite gegen die Bui von Algesiras wurden zum Schutze des Hafens, der Docks, der Arsenale und der Stadt eine Anzahl Bastionen sowie mehrere Forts und Batterien gebaut. Der Südrand, die Punta ti Europa, wurde mit einem Kranz von Batterien mit den wew tragenden Geschützen gekrönt. Außerdem wurden ans dein Felsenrücken noch eine Anzahl von Batterien und Positionen mit der Front nach Osten, die "Linien Karls des Ersten" und die "Maurischer Linien" errichtet, und zwischen beiden die Signalstation angelegt, die einen weiten Ausblick über die Halbinsel Gibraltar, die Bucht von Algesiras, das spanische Grenzgebiet und das Meer gewährt und durch Telegraphenleitungen nach allen Befestignngsanlagen eine einheitliche Verteidigung der ganzen Festung ermöglicht.
Diese großartigen, mit enormen Kosten und in langer Zeit ausgeführten Anlagen verliehen der Festung eine außerordentliche Stärke und Widerstands¬ kraft und genügten auch bis zur Mitte der achtziger Jahre jeder Anforderung. Doch die Vervollkommnung der Waffen, die zunehmende Tragweite und Präzision, die Fortschritte in der Geschoßkvustruktion, besonders die Einführung brisanter Geschosse, führten um diese Zeit eine dauernde Überlegenheit der An¬ griffsmittel über die stärksten Schutzmittel herbei. Das letzte Mittel, Panzerung und Betonierung, wurde noch in reichem Maße von den Engländern ange¬ wandt, vermag aber auch nicht, der Verteidigung das Übergewicht über den Angriff zurückzuerobern. Die große Anzahl der Verteidigungsanlagen und Geschützstände, die früher die Stärke eines Platzes sehr erhöhte, wird ihm jetzt zum Verhängnis, indem sie der feindlichen Artillerie eine Menge Treffer garantiert. Fels, Belon und Stahl sind zwar ein starker Schutz, aber auch an diesen richtet ein Volltreffer solche Zerstörungen um, daß ein hinter ihnen stehendes Geschütz in den meisten Füllen kampfunfähig wird. Die berühmten fünf Kilometer langen Felsengalerlen, die jahrzehntelang als ein Meisterwerk der Befestigungskunst angestaunt wurden und vorzugsweise Gibraltar deu Ruf der Uneiunehmbnrkeit eingetragen hatten, mußten als uubrauchbcir und un¬ zeitgemäß aufgegeben werden. Die Beschießung von der Landseite ist im Norden, wo -- jenseits der etwa einen Kilometer breiten neutralen Zone zwischen dem englischen und dem spanischen Gebiete -- die spanischen Forts Santa Barbara und Sau Felipe liegen, uns eine Entfernung von zweieinhalb Kilo¬ metern und vou den Bergen nördlich von ihnen auf etwa viereinhalb Kilo- Meter möglich. Ebenso können von den die Bai von Algesiras im Westen umgebenden mehrere hundert Meter hohen Bergen die Schiffe im Hafen, die sämtlichen Docks, die Stadt mit ihren Arsenälen, Magazinen usw. sowie der Westrand und der Rücken des Felsens nnter Feuer genommen werden Mlf Entfernungen von sechseinhalb bis achteinhalb Kilometern, die für schwere Flachbahn- nud Steilfeuergeschütze gar nicht ungewöhnlich und noch recht wirksam
Givralwr und Marokko
Alles, was zur Verstärkung des von Natur schon so festen Punktes ge¬ schehn konnte, geschah. An der Nordseite — gegenüber der Landverbindnng mit dem spanischen Festlande — sind in den Felsen in dreifachen Lagen über¬ einander Galerien gesprengt, die in einer Gesamtansdehnnng von fünf Kilo¬ metern Raum für die Aufstellung von 500 Geschützen und für eine Besatzung von 8000 Mann bieten. Auf der Westseite gegen die Bui von Algesiras wurden zum Schutze des Hafens, der Docks, der Arsenale und der Stadt eine Anzahl Bastionen sowie mehrere Forts und Batterien gebaut. Der Südrand, die Punta ti Europa, wurde mit einem Kranz von Batterien mit den wew tragenden Geschützen gekrönt. Außerdem wurden ans dein Felsenrücken noch eine Anzahl von Batterien und Positionen mit der Front nach Osten, die „Linien Karls des Ersten" und die „Maurischer Linien" errichtet, und zwischen beiden die Signalstation angelegt, die einen weiten Ausblick über die Halbinsel Gibraltar, die Bucht von Algesiras, das spanische Grenzgebiet und das Meer gewährt und durch Telegraphenleitungen nach allen Befestignngsanlagen eine einheitliche Verteidigung der ganzen Festung ermöglicht.
Diese großartigen, mit enormen Kosten und in langer Zeit ausgeführten Anlagen verliehen der Festung eine außerordentliche Stärke und Widerstands¬ kraft und genügten auch bis zur Mitte der achtziger Jahre jeder Anforderung. Doch die Vervollkommnung der Waffen, die zunehmende Tragweite und Präzision, die Fortschritte in der Geschoßkvustruktion, besonders die Einführung brisanter Geschosse, führten um diese Zeit eine dauernde Überlegenheit der An¬ griffsmittel über die stärksten Schutzmittel herbei. Das letzte Mittel, Panzerung und Betonierung, wurde noch in reichem Maße von den Engländern ange¬ wandt, vermag aber auch nicht, der Verteidigung das Übergewicht über den Angriff zurückzuerobern. Die große Anzahl der Verteidigungsanlagen und Geschützstände, die früher die Stärke eines Platzes sehr erhöhte, wird ihm jetzt zum Verhängnis, indem sie der feindlichen Artillerie eine Menge Treffer garantiert. Fels, Belon und Stahl sind zwar ein starker Schutz, aber auch an diesen richtet ein Volltreffer solche Zerstörungen um, daß ein hinter ihnen stehendes Geschütz in den meisten Füllen kampfunfähig wird. Die berühmten fünf Kilometer langen Felsengalerlen, die jahrzehntelang als ein Meisterwerk der Befestigungskunst angestaunt wurden und vorzugsweise Gibraltar deu Ruf der Uneiunehmbnrkeit eingetragen hatten, mußten als uubrauchbcir und un¬ zeitgemäß aufgegeben werden. Die Beschießung von der Landseite ist im Norden, wo — jenseits der etwa einen Kilometer breiten neutralen Zone zwischen dem englischen und dem spanischen Gebiete — die spanischen Forts Santa Barbara und Sau Felipe liegen, uns eine Entfernung von zweieinhalb Kilo¬ metern und vou den Bergen nördlich von ihnen auf etwa viereinhalb Kilo- Meter möglich. Ebenso können von den die Bai von Algesiras im Westen umgebenden mehrere hundert Meter hohen Bergen die Schiffe im Hafen, die sämtlichen Docks, die Stadt mit ihren Arsenälen, Magazinen usw. sowie der Westrand und der Rücken des Felsens nnter Feuer genommen werden Mlf Entfernungen von sechseinhalb bis achteinhalb Kilometern, die für schwere Flachbahn- nud Steilfeuergeschütze gar nicht ungewöhnlich und noch recht wirksam
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[0455]
Givralwr und Marokko
Alles, was zur Verstärkung des von Natur schon so festen Punktes ge¬
schehn konnte, geschah. An der Nordseite — gegenüber der Landverbindnng
mit dem spanischen Festlande — sind in den Felsen in dreifachen Lagen über¬
einander Galerien gesprengt, die in einer Gesamtansdehnnng von fünf Kilo¬
metern Raum für die Aufstellung von 500 Geschützen und für eine Besatzung
von 8000 Mann bieten. Auf der Westseite gegen die Bui von Algesiras
wurden zum Schutze des Hafens, der Docks, der Arsenale und der Stadt eine
Anzahl Bastionen sowie mehrere Forts und Batterien gebaut. Der Südrand,
die Punta ti Europa, wurde mit einem Kranz von Batterien mit den wew
tragenden Geschützen gekrönt. Außerdem wurden ans dein Felsenrücken noch
eine Anzahl von Batterien und Positionen mit der Front nach Osten, die „Linien
Karls des Ersten" und die „Maurischer Linien" errichtet, und zwischen beiden
die Signalstation angelegt, die einen weiten Ausblick über die Halbinsel
Gibraltar, die Bucht von Algesiras, das spanische Grenzgebiet und das Meer
gewährt und durch Telegraphenleitungen nach allen Befestignngsanlagen eine
einheitliche Verteidigung der ganzen Festung ermöglicht.
Diese großartigen, mit enormen Kosten und in langer Zeit ausgeführten
Anlagen verliehen der Festung eine außerordentliche Stärke und Widerstands¬
kraft und genügten auch bis zur Mitte der achtziger Jahre jeder Anforderung.
Doch die Vervollkommnung der Waffen, die zunehmende Tragweite und
Präzision, die Fortschritte in der Geschoßkvustruktion, besonders die Einführung
brisanter Geschosse, führten um diese Zeit eine dauernde Überlegenheit der An¬
griffsmittel über die stärksten Schutzmittel herbei. Das letzte Mittel, Panzerung
und Betonierung, wurde noch in reichem Maße von den Engländern ange¬
wandt, vermag aber auch nicht, der Verteidigung das Übergewicht über den
Angriff zurückzuerobern. Die große Anzahl der Verteidigungsanlagen und
Geschützstände, die früher die Stärke eines Platzes sehr erhöhte, wird ihm jetzt
zum Verhängnis, indem sie der feindlichen Artillerie eine Menge Treffer
garantiert. Fels, Belon und Stahl sind zwar ein starker Schutz, aber auch
an diesen richtet ein Volltreffer solche Zerstörungen um, daß ein hinter ihnen
stehendes Geschütz in den meisten Füllen kampfunfähig wird. Die berühmten
fünf Kilometer langen Felsengalerlen, die jahrzehntelang als ein Meisterwerk
der Befestigungskunst angestaunt wurden und vorzugsweise Gibraltar deu Ruf
der Uneiunehmbnrkeit eingetragen hatten, mußten als uubrauchbcir und un¬
zeitgemäß aufgegeben werden. Die Beschießung von der Landseite ist im
Norden, wo — jenseits der etwa einen Kilometer breiten neutralen Zone zwischen
dem englischen und dem spanischen Gebiete — die spanischen Forts Santa
Barbara und Sau Felipe liegen, uns eine Entfernung von zweieinhalb Kilo¬
metern und vou den Bergen nördlich von ihnen auf etwa viereinhalb Kilo-
Meter möglich. Ebenso können von den die Bai von Algesiras im Westen
umgebenden mehrere hundert Meter hohen Bergen die Schiffe im Hafen,
die sämtlichen Docks, die Stadt mit ihren Arsenälen, Magazinen usw. sowie
der Westrand und der Rücken des Felsens nnter Feuer genommen werden
Mlf Entfernungen von sechseinhalb bis achteinhalb Kilometern, die für schwere
Flachbahn- nud Steilfeuergeschütze gar nicht ungewöhnlich und noch recht wirksam
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/455>, abgerufen am 22.07.2024.
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