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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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SkiMN aus unserm heutigen volklebeu

Mein Vater war Major. Mit Glücksgütern war er nicht gesegnet. Es gab nur einen
Weg, den Söhnen eine standesgemäße Erziehung zu geben, das Kadettenhaus. Hierzu
war die Konzentrierung aller Kräfte nötig, wenn aus dem Offizier etwas werden sollte.
Mein Vater sah das ein, er gehorchte dem harten Zwange, wenn er mir die Liebe
zur Musik mit dem Stocke austreiben wollte. Und ich wünschte, es wäre ihm ge¬
lungen. Und nun habe ich mir das Wort gegeben, keine Taste wieder anzurühren.

Das wäre doch jammerschade! rief Fran Pitthorn. Und glauben Sie mir, Sie
werden Ihr Wort auch uicht halten.

Ich fürchte es selbst. Es ist mein Verhängnis.

Ach, dummes Zeug, es gibt keine Verhängnisse, es gibt nnr Dummheiten, die
wir selber macheu, Unentschlossenheiten, Mattherzigkeiten. Was man will, das muß
man auch können. Es wäre doch unverantwortlich, wenn Sie Ihr schönes Talent
begraben wollte". Offizier sein kann schließlich jeder, aber Künstler sein ist der
Beruf der Auserwählten.

Gnädige Frnn, ich möchte wohl "vollen, ich kann aber doch nicht.

Man wird Ihnen helfen. Pflanmel, liebster Meister, hier ist eine Aufgabe,
raten Sie, was fangen wir mit unserm jungen Künstler an?

Pflaumet, der sonst immer bei der Hand war, wenn die gnädige Frau eiuen
Wunsch aussprach, machte eine bedenkliche Miene und meinte, es sei doch besser,
hier nicht einzugreifen. Die Künstlerlnnfbahn sei dornenvoll und habe mehr Klippen
und Ecken als die militärische. Und wenn er vorhin gesagt habe, der Herr Leut¬
nant zeige Talent, so sei doch die Frage, ob das Talent zu einem Lebensberuf
ausreiche, was sich erst später zeige, wenn eine Umkehr nicht mehr möglich sei.

Schämen Sie sich, Pslaumel, sagte die gnädige Frau. Sie gehören auch zu
den Mattherzigen. Nein, mein Herr von Crottorf, wir geben Ihre Sache nicht
Mlf. Glauben Sie mir, was der Mensch will, das kann er auch.

Als Crottorf an diesem Abend überdachte, was er erlebt hatte, stieg wiederum
die Gestalt der Moira vor ihm ans. Diesesmal trug sie die Züge der gnädigen
Fran. Sie reichte ihm die Hand dar, und er schlug ein. Von nun an fehlte er
bei keiner musikalischen Aufführung im Pitthornschen Hause. Er benahm sich über¬
aus bescheiden, sprach wenig und urteilte nie. Er saß geistesentrückt hinter seiner
Säule und schwelgte in Tönen. Er betrachtete das Haus, das sich ihm so uner¬
wartet geöffnet hatte, als ein musikalisches Paradies und war der Herrin dieses
Paradieses aufrichtig dankbar. Den jungen Damen, die sich, wie üblich, nach dem
Konzerte im Wintergarten zu einer Partie Medisance zu versammeln pflegten, fing
er an, interessant zu werden -- gerade darum, weil er uicht angeschlürft kam und
in den bekannten Leutnantstönen bekannte Lentnantsnuterhaltnngen führte. Merk¬
würdig, es war immer vom Leutnant von Crottorf die Rede. Noch herrschten
spöttische Bemerkungen vor, und noch war man nicht darüber einig, wer diesen
Leutnant mit seiner Hand zu beglücken habe; doch neigte sich die Meinung dahin,
d"ß hierzu die Tochter des Hauses zunächst verpflichtet sei.

Fran Pitthorn interessierte sich noch mehr für ihren Leutnant. Das war doch
einmal etwas andres als die ewige Frauenfrage oder diese Suppen- und Kranken-
"nstalten. Hier galt es, ein gefesseltes Talent zu befreien und der Welt einen
Künstler von Gottes Gnaden (das sind sie bekanntlich alle) zu schenken. Es galt
den klugen Berater", die immer gleich mit dem Einwand: "Unmöglich" da waren,
on zeigen, was eine Fran möglich machen kann. Eine solche Aufgabe, das war
etwas für sie. Darnu setzte sie mit Vergnügen ihre Energie, ihre Zähigkeit, ihren
praktischen Verstand, und wenn nötig, ein schönes Stück Geld. Und dazu war doch
ihr Leutnant ein so hübscher, netter und herzensguter Mensch, der eine so auf¬
richtige Anhänglichkeit und Dankbarkeit bewies. Es währte nicht lange, so nannte
sie ihn Crottörfchen, so war Crottorf ständiger Gast im Pitthornschen Hanse, so
war Fran Pitthorn uicht zufrieden, wenn sie mit ihrem Leutnant nicht eine musi¬
kalische Konferenz gehabt hatte.


SkiMN aus unserm heutigen volklebeu

Mein Vater war Major. Mit Glücksgütern war er nicht gesegnet. Es gab nur einen
Weg, den Söhnen eine standesgemäße Erziehung zu geben, das Kadettenhaus. Hierzu
war die Konzentrierung aller Kräfte nötig, wenn aus dem Offizier etwas werden sollte.
Mein Vater sah das ein, er gehorchte dem harten Zwange, wenn er mir die Liebe
zur Musik mit dem Stocke austreiben wollte. Und ich wünschte, es wäre ihm ge¬
lungen. Und nun habe ich mir das Wort gegeben, keine Taste wieder anzurühren.

Das wäre doch jammerschade! rief Fran Pitthorn. Und glauben Sie mir, Sie
werden Ihr Wort auch uicht halten.

Ich fürchte es selbst. Es ist mein Verhängnis.

Ach, dummes Zeug, es gibt keine Verhängnisse, es gibt nnr Dummheiten, die
wir selber macheu, Unentschlossenheiten, Mattherzigkeiten. Was man will, das muß
man auch können. Es wäre doch unverantwortlich, wenn Sie Ihr schönes Talent
begraben wollte». Offizier sein kann schließlich jeder, aber Künstler sein ist der
Beruf der Auserwählten.

Gnädige Frnn, ich möchte wohl »vollen, ich kann aber doch nicht.

Man wird Ihnen helfen. Pflanmel, liebster Meister, hier ist eine Aufgabe,
raten Sie, was fangen wir mit unserm jungen Künstler an?

Pflaumet, der sonst immer bei der Hand war, wenn die gnädige Frau eiuen
Wunsch aussprach, machte eine bedenkliche Miene und meinte, es sei doch besser,
hier nicht einzugreifen. Die Künstlerlnnfbahn sei dornenvoll und habe mehr Klippen
und Ecken als die militärische. Und wenn er vorhin gesagt habe, der Herr Leut¬
nant zeige Talent, so sei doch die Frage, ob das Talent zu einem Lebensberuf
ausreiche, was sich erst später zeige, wenn eine Umkehr nicht mehr möglich sei.

Schämen Sie sich, Pslaumel, sagte die gnädige Frau. Sie gehören auch zu
den Mattherzigen. Nein, mein Herr von Crottorf, wir geben Ihre Sache nicht
Mlf. Glauben Sie mir, was der Mensch will, das kann er auch.

Als Crottorf an diesem Abend überdachte, was er erlebt hatte, stieg wiederum
die Gestalt der Moira vor ihm ans. Diesesmal trug sie die Züge der gnädigen
Fran. Sie reichte ihm die Hand dar, und er schlug ein. Von nun an fehlte er
bei keiner musikalischen Aufführung im Pitthornschen Hause. Er benahm sich über¬
aus bescheiden, sprach wenig und urteilte nie. Er saß geistesentrückt hinter seiner
Säule und schwelgte in Tönen. Er betrachtete das Haus, das sich ihm so uner¬
wartet geöffnet hatte, als ein musikalisches Paradies und war der Herrin dieses
Paradieses aufrichtig dankbar. Den jungen Damen, die sich, wie üblich, nach dem
Konzerte im Wintergarten zu einer Partie Medisance zu versammeln pflegten, fing
er an, interessant zu werden — gerade darum, weil er uicht angeschlürft kam und
in den bekannten Leutnantstönen bekannte Lentnantsnuterhaltnngen führte. Merk¬
würdig, es war immer vom Leutnant von Crottorf die Rede. Noch herrschten
spöttische Bemerkungen vor, und noch war man nicht darüber einig, wer diesen
Leutnant mit seiner Hand zu beglücken habe; doch neigte sich die Meinung dahin,
d"ß hierzu die Tochter des Hauses zunächst verpflichtet sei.

Fran Pitthorn interessierte sich noch mehr für ihren Leutnant. Das war doch
einmal etwas andres als die ewige Frauenfrage oder diese Suppen- und Kranken-
"nstalten. Hier galt es, ein gefesseltes Talent zu befreien und der Welt einen
Künstler von Gottes Gnaden (das sind sie bekanntlich alle) zu schenken. Es galt
den klugen Berater«, die immer gleich mit dem Einwand: „Unmöglich" da waren,
on zeigen, was eine Fran möglich machen kann. Eine solche Aufgabe, das war
etwas für sie. Darnu setzte sie mit Vergnügen ihre Energie, ihre Zähigkeit, ihren
praktischen Verstand, und wenn nötig, ein schönes Stück Geld. Und dazu war doch
ihr Leutnant ein so hübscher, netter und herzensguter Mensch, der eine so auf¬
richtige Anhänglichkeit und Dankbarkeit bewies. Es währte nicht lange, so nannte
sie ihn Crottörfchen, so war Crottorf ständiger Gast im Pitthornschen Hanse, so
war Fran Pitthorn uicht zufrieden, wenn sie mit ihrem Leutnant nicht eine musi¬
kalische Konferenz gehabt hatte.


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[0427] SkiMN aus unserm heutigen volklebeu Mein Vater war Major. Mit Glücksgütern war er nicht gesegnet. Es gab nur einen Weg, den Söhnen eine standesgemäße Erziehung zu geben, das Kadettenhaus. Hierzu war die Konzentrierung aller Kräfte nötig, wenn aus dem Offizier etwas werden sollte. Mein Vater sah das ein, er gehorchte dem harten Zwange, wenn er mir die Liebe zur Musik mit dem Stocke austreiben wollte. Und ich wünschte, es wäre ihm ge¬ lungen. Und nun habe ich mir das Wort gegeben, keine Taste wieder anzurühren. Das wäre doch jammerschade! rief Fran Pitthorn. Und glauben Sie mir, Sie werden Ihr Wort auch uicht halten. Ich fürchte es selbst. Es ist mein Verhängnis. Ach, dummes Zeug, es gibt keine Verhängnisse, es gibt nnr Dummheiten, die wir selber macheu, Unentschlossenheiten, Mattherzigkeiten. Was man will, das muß man auch können. Es wäre doch unverantwortlich, wenn Sie Ihr schönes Talent begraben wollte». Offizier sein kann schließlich jeder, aber Künstler sein ist der Beruf der Auserwählten. Gnädige Frnn, ich möchte wohl »vollen, ich kann aber doch nicht. Man wird Ihnen helfen. Pflanmel, liebster Meister, hier ist eine Aufgabe, raten Sie, was fangen wir mit unserm jungen Künstler an? Pflaumet, der sonst immer bei der Hand war, wenn die gnädige Frau eiuen Wunsch aussprach, machte eine bedenkliche Miene und meinte, es sei doch besser, hier nicht einzugreifen. Die Künstlerlnnfbahn sei dornenvoll und habe mehr Klippen und Ecken als die militärische. Und wenn er vorhin gesagt habe, der Herr Leut¬ nant zeige Talent, so sei doch die Frage, ob das Talent zu einem Lebensberuf ausreiche, was sich erst später zeige, wenn eine Umkehr nicht mehr möglich sei. Schämen Sie sich, Pslaumel, sagte die gnädige Frau. Sie gehören auch zu den Mattherzigen. Nein, mein Herr von Crottorf, wir geben Ihre Sache nicht Mlf. Glauben Sie mir, was der Mensch will, das kann er auch. Als Crottorf an diesem Abend überdachte, was er erlebt hatte, stieg wiederum die Gestalt der Moira vor ihm ans. Diesesmal trug sie die Züge der gnädigen Fran. Sie reichte ihm die Hand dar, und er schlug ein. Von nun an fehlte er bei keiner musikalischen Aufführung im Pitthornschen Hause. Er benahm sich über¬ aus bescheiden, sprach wenig und urteilte nie. Er saß geistesentrückt hinter seiner Säule und schwelgte in Tönen. Er betrachtete das Haus, das sich ihm so uner¬ wartet geöffnet hatte, als ein musikalisches Paradies und war der Herrin dieses Paradieses aufrichtig dankbar. Den jungen Damen, die sich, wie üblich, nach dem Konzerte im Wintergarten zu einer Partie Medisance zu versammeln pflegten, fing er an, interessant zu werden — gerade darum, weil er uicht angeschlürft kam und in den bekannten Leutnantstönen bekannte Lentnantsnuterhaltnngen führte. Merk¬ würdig, es war immer vom Leutnant von Crottorf die Rede. Noch herrschten spöttische Bemerkungen vor, und noch war man nicht darüber einig, wer diesen Leutnant mit seiner Hand zu beglücken habe; doch neigte sich die Meinung dahin, d"ß hierzu die Tochter des Hauses zunächst verpflichtet sei. Fran Pitthorn interessierte sich noch mehr für ihren Leutnant. Das war doch einmal etwas andres als die ewige Frauenfrage oder diese Suppen- und Kranken- "nstalten. Hier galt es, ein gefesseltes Talent zu befreien und der Welt einen Künstler von Gottes Gnaden (das sind sie bekanntlich alle) zu schenken. Es galt den klugen Berater«, die immer gleich mit dem Einwand: „Unmöglich" da waren, on zeigen, was eine Fran möglich machen kann. Eine solche Aufgabe, das war etwas für sie. Darnu setzte sie mit Vergnügen ihre Energie, ihre Zähigkeit, ihren praktischen Verstand, und wenn nötig, ein schönes Stück Geld. Und dazu war doch ihr Leutnant ein so hübscher, netter und herzensguter Mensch, der eine so auf¬ richtige Anhänglichkeit und Dankbarkeit bewies. Es währte nicht lange, so nannte sie ihn Crottörfchen, so war Crottorf ständiger Gast im Pitthornschen Hanse, so war Fran Pitthorn uicht zufrieden, wenn sie mit ihrem Leutnant nicht eine musi¬ kalische Konferenz gehabt hatte.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/427>, abgerufen am 22.07.2024.