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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Zur Reform des philosophischen Doktorats

schaftlichen Spielerei, Da Ehrenpromotionen nicht ins Gewicht fallen, besteht
die Gefahr des Niedergangs vorzugsweise darin, daß sich die Forderungen an
Vorbildung, Studiengang, Prüfnngsleistungen mindern oder ihre Erfüllung
gar zum Scheingeschüft wird. Klagen über unzulässige Handhabung des Pro-'
motionsrechts durch die Fakultäten sind so alt wie das Prvmotivnsrecht selbst.
Schon die Universitätsordnung Kurfürst Augusts von Sachsen warnt im
Jahre 1580: "Wie denn die gr-no" und um deretwillen die Gelehrten mehr
Ausehen und Beförderung bei männiglich haben würden, wenn an ihnen allein
die Kunst und züchtiger Wandel angesehen und um deretwillen allein und nicht
von wegen des Geldes und der urluzosptorum Eigennutzes die Jugend pro¬
moviert würde." Übrigens wäre es ungerecht, wollte man für die zuweilen
und stellenweise recht bedenkliche Laxheit des Promotivnsverfahrens einzig
finanzielle Beweggründe anklagen. Gutmütigkeit der Dozenten, auch Bequem¬
lichkeit oder Eifersucht haben ihren bescheidnen Anteil. Eine weitere Schädi¬
gung, in der Neuzeit mehr als früher, erwuchs dem Ansehen des Doktortitels
in Deutschland durch den groben Mißbrauch ausländischer Schwindelinstitnte
und ausländischer Universitäten.

Gegen unlautere Konkurrenz des Auslands hilft im Wirtschaftsleben das
Einfuhrverbot, gegen inländische Preisdrücker der Trust. Beide Mittel mußten
angewandt werden, und man hat sie angewandt, um eine Reform des Doktorats
durchzuführen. Rechtsvorschriften, die zur Führung im Ausland erworbner
Grade die Genehmigung der eignen Regierung verlangen, sind in den deutscheu
Staate" nicht nen. Nur daß sie in alter Zeit bloß für die eignen Unter¬
tanen galten, nicht zugleich für die Fremden, die sich im Lande aufhielte",
und daß andrerseits die Genehmigung auch für Grade nachgesucht werden
mußte, die an Universitäten andrer deutscher Staaten erworben worden waren.
Die Beschränkung auf die eignen Staatsangehörigen machte die Vorschrift für
die Gegenwart ungenügend und ungerecht, während die Erstreckung auf deutsche
Promotionen der Solidarität der deutschen Universitäten und der deutschen
Bnudesstnaten widersprach. Seit 1897 sind dagegen auf Anregung der
preußischen Regierung in allen Bundesstaaten Bestimmungen getroffen worden,
die jede Führung im Reichsausland erworbner akademischer Titel an die Ge¬
nehmigung der Regierung binden, in deren Gebiet sich der Graduierte auf¬
hält. War es schon vorher möglich, der Anmaßung des Doktortitels mit den
Mitteln des Strafgesetzbuchs zu begegnen, so besteht setzt ein Kriterium für
die Gerichte, was als befugte oder unbefugte Führung ausländischer Doktor¬
titel zu gelten hat. Für die Regierungen bleibt allerdings, namentlich bei
transatlantischen Erwerbungen, die Sonderling der Spreu vom Weizen keine
einfache Aufgabe.

Wichtiger war die Reform des philosophischen Doktorats im Reiche selbst,
die sich all die des medizinischen anschloß und auch in der Form zum Teil
anlehnte. Sollten sich die Erfordernisse der Promotion überall auf der wün¬
schenswerten Höhe halten, so galt es, gewisse Mindestforderungen festzusetzen.
Unbeschadet der Besonderheiten der einzelnen Universität und lnibeschadet der
an manchen Orten schon wesentlich höher gespannten Bedingungen mußte die


Zur Reform des philosophischen Doktorats

schaftlichen Spielerei, Da Ehrenpromotionen nicht ins Gewicht fallen, besteht
die Gefahr des Niedergangs vorzugsweise darin, daß sich die Forderungen an
Vorbildung, Studiengang, Prüfnngsleistungen mindern oder ihre Erfüllung
gar zum Scheingeschüft wird. Klagen über unzulässige Handhabung des Pro-'
motionsrechts durch die Fakultäten sind so alt wie das Prvmotivnsrecht selbst.
Schon die Universitätsordnung Kurfürst Augusts von Sachsen warnt im
Jahre 1580: „Wie denn die gr-no» und um deretwillen die Gelehrten mehr
Ausehen und Beförderung bei männiglich haben würden, wenn an ihnen allein
die Kunst und züchtiger Wandel angesehen und um deretwillen allein und nicht
von wegen des Geldes und der urluzosptorum Eigennutzes die Jugend pro¬
moviert würde." Übrigens wäre es ungerecht, wollte man für die zuweilen
und stellenweise recht bedenkliche Laxheit des Promotivnsverfahrens einzig
finanzielle Beweggründe anklagen. Gutmütigkeit der Dozenten, auch Bequem¬
lichkeit oder Eifersucht haben ihren bescheidnen Anteil. Eine weitere Schädi¬
gung, in der Neuzeit mehr als früher, erwuchs dem Ansehen des Doktortitels
in Deutschland durch den groben Mißbrauch ausländischer Schwindelinstitnte
und ausländischer Universitäten.

Gegen unlautere Konkurrenz des Auslands hilft im Wirtschaftsleben das
Einfuhrverbot, gegen inländische Preisdrücker der Trust. Beide Mittel mußten
angewandt werden, und man hat sie angewandt, um eine Reform des Doktorats
durchzuführen. Rechtsvorschriften, die zur Führung im Ausland erworbner
Grade die Genehmigung der eignen Regierung verlangen, sind in den deutscheu
Staate» nicht nen. Nur daß sie in alter Zeit bloß für die eignen Unter¬
tanen galten, nicht zugleich für die Fremden, die sich im Lande aufhielte«,
und daß andrerseits die Genehmigung auch für Grade nachgesucht werden
mußte, die an Universitäten andrer deutscher Staaten erworben worden waren.
Die Beschränkung auf die eignen Staatsangehörigen machte die Vorschrift für
die Gegenwart ungenügend und ungerecht, während die Erstreckung auf deutsche
Promotionen der Solidarität der deutschen Universitäten und der deutschen
Bnudesstnaten widersprach. Seit 1897 sind dagegen auf Anregung der
preußischen Regierung in allen Bundesstaaten Bestimmungen getroffen worden,
die jede Führung im Reichsausland erworbner akademischer Titel an die Ge¬
nehmigung der Regierung binden, in deren Gebiet sich der Graduierte auf¬
hält. War es schon vorher möglich, der Anmaßung des Doktortitels mit den
Mitteln des Strafgesetzbuchs zu begegnen, so besteht setzt ein Kriterium für
die Gerichte, was als befugte oder unbefugte Führung ausländischer Doktor¬
titel zu gelten hat. Für die Regierungen bleibt allerdings, namentlich bei
transatlantischen Erwerbungen, die Sonderling der Spreu vom Weizen keine
einfache Aufgabe.

Wichtiger war die Reform des philosophischen Doktorats im Reiche selbst,
die sich all die des medizinischen anschloß und auch in der Form zum Teil
anlehnte. Sollten sich die Erfordernisse der Promotion überall auf der wün¬
schenswerten Höhe halten, so galt es, gewisse Mindestforderungen festzusetzen.
Unbeschadet der Besonderheiten der einzelnen Universität und lnibeschadet der
an manchen Orten schon wesentlich höher gespannten Bedingungen mußte die


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[0416] Zur Reform des philosophischen Doktorats schaftlichen Spielerei, Da Ehrenpromotionen nicht ins Gewicht fallen, besteht die Gefahr des Niedergangs vorzugsweise darin, daß sich die Forderungen an Vorbildung, Studiengang, Prüfnngsleistungen mindern oder ihre Erfüllung gar zum Scheingeschüft wird. Klagen über unzulässige Handhabung des Pro-' motionsrechts durch die Fakultäten sind so alt wie das Prvmotivnsrecht selbst. Schon die Universitätsordnung Kurfürst Augusts von Sachsen warnt im Jahre 1580: „Wie denn die gr-no» und um deretwillen die Gelehrten mehr Ausehen und Beförderung bei männiglich haben würden, wenn an ihnen allein die Kunst und züchtiger Wandel angesehen und um deretwillen allein und nicht von wegen des Geldes und der urluzosptorum Eigennutzes die Jugend pro¬ moviert würde." Übrigens wäre es ungerecht, wollte man für die zuweilen und stellenweise recht bedenkliche Laxheit des Promotivnsverfahrens einzig finanzielle Beweggründe anklagen. Gutmütigkeit der Dozenten, auch Bequem¬ lichkeit oder Eifersucht haben ihren bescheidnen Anteil. Eine weitere Schädi¬ gung, in der Neuzeit mehr als früher, erwuchs dem Ansehen des Doktortitels in Deutschland durch den groben Mißbrauch ausländischer Schwindelinstitnte und ausländischer Universitäten. Gegen unlautere Konkurrenz des Auslands hilft im Wirtschaftsleben das Einfuhrverbot, gegen inländische Preisdrücker der Trust. Beide Mittel mußten angewandt werden, und man hat sie angewandt, um eine Reform des Doktorats durchzuführen. Rechtsvorschriften, die zur Führung im Ausland erworbner Grade die Genehmigung der eignen Regierung verlangen, sind in den deutscheu Staate» nicht nen. Nur daß sie in alter Zeit bloß für die eignen Unter¬ tanen galten, nicht zugleich für die Fremden, die sich im Lande aufhielte«, und daß andrerseits die Genehmigung auch für Grade nachgesucht werden mußte, die an Universitäten andrer deutscher Staaten erworben worden waren. Die Beschränkung auf die eignen Staatsangehörigen machte die Vorschrift für die Gegenwart ungenügend und ungerecht, während die Erstreckung auf deutsche Promotionen der Solidarität der deutschen Universitäten und der deutschen Bnudesstnaten widersprach. Seit 1897 sind dagegen auf Anregung der preußischen Regierung in allen Bundesstaaten Bestimmungen getroffen worden, die jede Führung im Reichsausland erworbner akademischer Titel an die Ge¬ nehmigung der Regierung binden, in deren Gebiet sich der Graduierte auf¬ hält. War es schon vorher möglich, der Anmaßung des Doktortitels mit den Mitteln des Strafgesetzbuchs zu begegnen, so besteht setzt ein Kriterium für die Gerichte, was als befugte oder unbefugte Führung ausländischer Doktor¬ titel zu gelten hat. Für die Regierungen bleibt allerdings, namentlich bei transatlantischen Erwerbungen, die Sonderling der Spreu vom Weizen keine einfache Aufgabe. Wichtiger war die Reform des philosophischen Doktorats im Reiche selbst, die sich all die des medizinischen anschloß und auch in der Form zum Teil anlehnte. Sollten sich die Erfordernisse der Promotion überall auf der wün¬ schenswerten Höhe halten, so galt es, gewisse Mindestforderungen festzusetzen. Unbeschadet der Besonderheiten der einzelnen Universität und lnibeschadet der an manchen Orten schon wesentlich höher gespannten Bedingungen mußte die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/416>, abgerufen am 29.09.2024.