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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Roon

ist aus diesen Mitteln beschafft, ein Teil hiervon auch noch beim Ankauf des
Panzerschiffs "Friedrich Karl" verwandt worden. Nach dem Kriege 1870/71
ging dann die obere Leitung der Marineangelegenheiten an die neugebildete
Admiralität über. Roon war der Arbeitslast nicht mehr gewachsen, aber er
hatte der Marine in vieler Hinsicht die brauchbaren Grundlagen für ihr
ferneres Gedeihen geschaffen und sich anch nach dieser Richtung hin Dank
verdient.

Die Neuwahlcu im Dezember 1861 hatten im Abgeordnetenhaus" die
oppositionelle Mehrheit zur Herrschaft gebracht. Die vorauszusehende Ablehnung
der Militärvorlage erfolgte, und am 11. März 1862 wurde das Abgeordneten-
Hans aufgelöst. Das Ministerium der neuen Ära trat zurück, und an seine
Stelle ein Geschüftsministerium konservativer Färbung, dem selbstverständlich
kein besserer Erfolg beschieden war. Schon im Jahre 1860 trug sich Roon
mit dem Gedanken, den ihm seit Jahren befreundeten Gesandten in Peters¬
burg, von Bismarck-Schönhausen, in das Ministerium zu berufen. Der Fürst
von Hohenzollern war damit einverstanden, aber die Zeit war immer noch nicht
gekommen; der König konnte sich schwer dazu entschließen. Er kannte Bismarck
zu genau, als daß er nicht Hütte wissen sollen, was dessen Berufung bedeutete.
Nachdem die Wahlen abermals eine oppositionelle Majorität ergeben hatten,
trat Roon mit Entschiedenheit für Bismarcks Ernennung zum Ministerpräsi¬
denten ein, dem Ministerium fehle das Haupt. Die Kommission des Abge¬
ordnetenhauses lehnte im August die Heeresreform abermals ab, verweigerte
alle dafür geleisteten und noch zu leistenden Ausgaben, und am 11. September
trat das Plenum ans Grund dieses Beschlusses in die Beratung ein- Das
Ergebnis war vorauszusehen. Da flog am 18. September das Telegramm
von weltgeschichtlicher Bedeutung von Berlin nach Paris an den dortigen Ge¬
sandten von Bismarck:


?erioulmn in mors.. vevövböü-vouL
IVonelö as Niturivö Nsnning.

Die Unterschrift beruhte auf einer Verabredung, Moritz Henning war
Moritz Henning von Blanckenburg, Roons Neffe und Bismarcks Freund. Am
20. September früh war Bismarck in Berlin und ging sofort vom Bahnhofe
zu Roon. Am 22. September wurde er vom König empfangen, die Schwelle
zu einem neuen Abschnitt der preußischen und der deutschen Geschichte war
überschritten. Wie schon erwähnt worden ist, datiert die Freundschaft zwischen
Bismarck und Roon aus dem Jahre 1834, als der neunzehnjährige Student
von Bismarck in Zimmerhauseu bei Blnnckenburgs zu Besuch war, und er mit
Moritz Blanckenburg den auf den Zimmerhauser Felderu topographiereuden
Leutnant von Roon Vormittags bei der Arbeit besuchte, Nachmittags mit ihm
det Jagd nachging.

Im Jahre 1847 sah man sich dann in Berlin während des Vereinigten
Landtags, später begegneten Roon und Bismarck einander in Venedig, wo
Bismarck mit seiner jungen Gattin auf der Hochzeitsreise weilte. Roon war
als Begleiter des jungen Prinzen Friedrich Karl dort. Dann trafen sich die


Grenzboten II 1903
Roon

ist aus diesen Mitteln beschafft, ein Teil hiervon auch noch beim Ankauf des
Panzerschiffs „Friedrich Karl" verwandt worden. Nach dem Kriege 1870/71
ging dann die obere Leitung der Marineangelegenheiten an die neugebildete
Admiralität über. Roon war der Arbeitslast nicht mehr gewachsen, aber er
hatte der Marine in vieler Hinsicht die brauchbaren Grundlagen für ihr
ferneres Gedeihen geschaffen und sich anch nach dieser Richtung hin Dank
verdient.

Die Neuwahlcu im Dezember 1861 hatten im Abgeordnetenhaus« die
oppositionelle Mehrheit zur Herrschaft gebracht. Die vorauszusehende Ablehnung
der Militärvorlage erfolgte, und am 11. März 1862 wurde das Abgeordneten-
Hans aufgelöst. Das Ministerium der neuen Ära trat zurück, und an seine
Stelle ein Geschüftsministerium konservativer Färbung, dem selbstverständlich
kein besserer Erfolg beschieden war. Schon im Jahre 1860 trug sich Roon
mit dem Gedanken, den ihm seit Jahren befreundeten Gesandten in Peters¬
burg, von Bismarck-Schönhausen, in das Ministerium zu berufen. Der Fürst
von Hohenzollern war damit einverstanden, aber die Zeit war immer noch nicht
gekommen; der König konnte sich schwer dazu entschließen. Er kannte Bismarck
zu genau, als daß er nicht Hütte wissen sollen, was dessen Berufung bedeutete.
Nachdem die Wahlen abermals eine oppositionelle Majorität ergeben hatten,
trat Roon mit Entschiedenheit für Bismarcks Ernennung zum Ministerpräsi¬
denten ein, dem Ministerium fehle das Haupt. Die Kommission des Abge¬
ordnetenhauses lehnte im August die Heeresreform abermals ab, verweigerte
alle dafür geleisteten und noch zu leistenden Ausgaben, und am 11. September
trat das Plenum ans Grund dieses Beschlusses in die Beratung ein- Das
Ergebnis war vorauszusehen. Da flog am 18. September das Telegramm
von weltgeschichtlicher Bedeutung von Berlin nach Paris an den dortigen Ge¬
sandten von Bismarck:


?erioulmn in mors.. vevövböü-vouL
IVonelö as Niturivö Nsnning.

Die Unterschrift beruhte auf einer Verabredung, Moritz Henning war
Moritz Henning von Blanckenburg, Roons Neffe und Bismarcks Freund. Am
20. September früh war Bismarck in Berlin und ging sofort vom Bahnhofe
zu Roon. Am 22. September wurde er vom König empfangen, die Schwelle
zu einem neuen Abschnitt der preußischen und der deutschen Geschichte war
überschritten. Wie schon erwähnt worden ist, datiert die Freundschaft zwischen
Bismarck und Roon aus dem Jahre 1834, als der neunzehnjährige Student
von Bismarck in Zimmerhauseu bei Blnnckenburgs zu Besuch war, und er mit
Moritz Blanckenburg den auf den Zimmerhauser Felderu topographiereuden
Leutnant von Roon Vormittags bei der Arbeit besuchte, Nachmittags mit ihm
det Jagd nachging.

Im Jahre 1847 sah man sich dann in Berlin während des Vereinigten
Landtags, später begegneten Roon und Bismarck einander in Venedig, wo
Bismarck mit seiner jungen Gattin auf der Hochzeitsreise weilte. Roon war
als Begleiter des jungen Prinzen Friedrich Karl dort. Dann trafen sich die


Grenzboten II 1903
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[0397] Roon ist aus diesen Mitteln beschafft, ein Teil hiervon auch noch beim Ankauf des Panzerschiffs „Friedrich Karl" verwandt worden. Nach dem Kriege 1870/71 ging dann die obere Leitung der Marineangelegenheiten an die neugebildete Admiralität über. Roon war der Arbeitslast nicht mehr gewachsen, aber er hatte der Marine in vieler Hinsicht die brauchbaren Grundlagen für ihr ferneres Gedeihen geschaffen und sich anch nach dieser Richtung hin Dank verdient. Die Neuwahlcu im Dezember 1861 hatten im Abgeordnetenhaus« die oppositionelle Mehrheit zur Herrschaft gebracht. Die vorauszusehende Ablehnung der Militärvorlage erfolgte, und am 11. März 1862 wurde das Abgeordneten- Hans aufgelöst. Das Ministerium der neuen Ära trat zurück, und an seine Stelle ein Geschüftsministerium konservativer Färbung, dem selbstverständlich kein besserer Erfolg beschieden war. Schon im Jahre 1860 trug sich Roon mit dem Gedanken, den ihm seit Jahren befreundeten Gesandten in Peters¬ burg, von Bismarck-Schönhausen, in das Ministerium zu berufen. Der Fürst von Hohenzollern war damit einverstanden, aber die Zeit war immer noch nicht gekommen; der König konnte sich schwer dazu entschließen. Er kannte Bismarck zu genau, als daß er nicht Hütte wissen sollen, was dessen Berufung bedeutete. Nachdem die Wahlen abermals eine oppositionelle Majorität ergeben hatten, trat Roon mit Entschiedenheit für Bismarcks Ernennung zum Ministerpräsi¬ denten ein, dem Ministerium fehle das Haupt. Die Kommission des Abge¬ ordnetenhauses lehnte im August die Heeresreform abermals ab, verweigerte alle dafür geleisteten und noch zu leistenden Ausgaben, und am 11. September trat das Plenum ans Grund dieses Beschlusses in die Beratung ein- Das Ergebnis war vorauszusehen. Da flog am 18. September das Telegramm von weltgeschichtlicher Bedeutung von Berlin nach Paris an den dortigen Ge¬ sandten von Bismarck: ?erioulmn in mors.. vevövböü-vouL IVonelö as Niturivö Nsnning. Die Unterschrift beruhte auf einer Verabredung, Moritz Henning war Moritz Henning von Blanckenburg, Roons Neffe und Bismarcks Freund. Am 20. September früh war Bismarck in Berlin und ging sofort vom Bahnhofe zu Roon. Am 22. September wurde er vom König empfangen, die Schwelle zu einem neuen Abschnitt der preußischen und der deutschen Geschichte war überschritten. Wie schon erwähnt worden ist, datiert die Freundschaft zwischen Bismarck und Roon aus dem Jahre 1834, als der neunzehnjährige Student von Bismarck in Zimmerhauseu bei Blnnckenburgs zu Besuch war, und er mit Moritz Blanckenburg den auf den Zimmerhauser Felderu topographiereuden Leutnant von Roon Vormittags bei der Arbeit besuchte, Nachmittags mit ihm det Jagd nachging. Im Jahre 1847 sah man sich dann in Berlin während des Vereinigten Landtags, später begegneten Roon und Bismarck einander in Venedig, wo Bismarck mit seiner jungen Gattin auf der Hochzeitsreise weilte. Roon war als Begleiter des jungen Prinzen Friedrich Karl dort. Dann trafen sich die Grenzboten II 1903

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/397>, abgerufen am 30.09.2024.