Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.betätige". Er ging nicht als politischer Minister in das Amt, sondern in der Im Jahre 1859 hatten Hunderttausende von Familienvätern dein Rufe Die Landwehren von 1813 waren somit tatsächlich nnr Rekruten, die betätige». Er ging nicht als politischer Minister in das Amt, sondern in der Im Jahre 1859 hatten Hunderttausende von Familienvätern dein Rufe Die Landwehren von 1813 waren somit tatsächlich nnr Rekruten, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240775"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1983" prev="#ID_1982"> betätige». Er ging nicht als politischer Minister in das Amt, sondern in der<lb/> ehrlichen Absicht, uach der Durchführung der Nrmeerefvrm ein Generalkommando<lb/> zu übernehmen. Erst die unerwartete und andauernde scharfe Opposition der<lb/> Knmmermehrheit drängte ihn in eine politische Stellung, machte ihn zum<lb/> Politischen Kämpfer. Es war ein Unsinn, ihm unterzuschieben, daß er „die<lb/> Landwehr beseitigen" wolle. Im Lande der allgemeinen Wehrpflicht ist die<lb/> Landwehr gar nicht zu umgehn, ist gar nicht ohne sie auszukommen. Wer<lb/> also, wie Roon, die allgemeine Wehrpflicht wirklich zur Wahrheit gemacht<lb/> wissen wollte, der stärkte und befestigte die Landwehr, schuf ihr neue tragfähigc<lb/> Fnudnmente.</p><lb/> <p xml:id="ID_1984"> Im Jahre 1859 hatten Hunderttausende von Familienvätern dein Rufe<lb/> zur Fahne folgen müssen, während ebenso große oder noch größere Scharen<lb/> junger waffenfähiger Leute zu Hanse blieben, weil sie nicht gedient hatten,<lb/> und das Heer zu klein war, sie nnfzunehmen und auszubilden. Anstatt daß<lb/> die Familienväter als Triarier des Heeres der Jugend als Ersatz dienten,<lb/> war es beim preußischen Heere gerade umgekehrt, man hätte die gefnllnen und<lb/> verwundeten Landwehrleute durch junge Rekruten ersetzen müssen. Das war<lb/> 1813 zulässig gewesen, wo die ganze Armee unter dem Druck der politischen,<lb/> finanziellen und militärischen Notlage eine Improvisation, ein Notbehelf war<lb/> und ohnehin jeder Waffenfähige unter die Fahnen gerufen wurde. Als etwas<lb/> andres haben weder Scharnhorst noch Boyen damals das Heer angesehen,<lb/> keiner von beiden war der Meinung gewesen, daß dieser Notbehelf eine dauernde<lb/> Einrichtung sein könnte. Napoleon hatte Preußen nnr 42000 Mann erlaubt.<lb/> Mau half sich dadurch, daß mau alle Spielleute und Nichtkombattantcn nicht<lb/> mit in diese Zahl einrechnete, sowie daß monatlich von der Kompagnie fünf,<lb/> von der Eskadron drei Mann beurlaubt wurden — das von Boden nach<lb/> Scharnhorsts Anweisung ausgearbeitete „Krümpershstem." Durch diese Prämie<lb/> auf gute Ausbildung und Dieustfreudigkcit schuf mau ein großes „Reservoir,"<lb/> woraus man 1813 die Armee für den Krieg ergänzen konnte. Jede wie<lb/> immer geartete Landesbewaffnung über die 42000 Mann hinaus hatte Napoleon<lb/> untersagt: nach seiner Borschrift sollten sie verteilt sein in 24000 Mann<lb/> Infanterie und je 6000 Mann Kavallerie, Artillerie und Garden,</p><lb/> <p xml:id="ID_1985" next="#ID_1986"> Die Landwehren von 1813 waren somit tatsächlich nnr Rekruten, die<lb/> meist ohne jede Vorbildung eingestellt wurden, Formationen, die nnr nnter<lb/> dem Druck des Hasses gegen die Fremdherrschaft und durch die Begeisterung<lb/> des Augenblicks möglich waren. Aber das wieder aufgerichtete Preußen konnte<lb/> auf ein solches Heer seine dauernde Macht nicht begründen. Sollte die Land¬<lb/> wehr wirklich ein ebenbürtiges, vom Auslande respektiertes Glied der Kriegs¬<lb/> macht sein, so durfte sie in Zukunft nicht aus Rekruten, sondern mußte aus<lb/> ausgebildeten Leuten besteh», die dnrch die Schule des Heeres hindurchgegangen<lb/> waren. In diesem Sinne reformierte sie Boyen, der Ende Mai 1814 Kriegs¬<lb/> minister geworden war, in dem Kriegsdienstgesetz vom 3. September 1814, in<lb/> diesem Sinne führte er nach dem zweiten Pariser Frieden die Reorganisation<lb/> der Armee dnrch. Die freiwilligen Jäger hatten während des Krieges einen<lb/> brauchbaren Ofsizierersatz geliefert, zwei Drittel von ihnen kehrte» als Offiziere</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
betätige». Er ging nicht als politischer Minister in das Amt, sondern in der
ehrlichen Absicht, uach der Durchführung der Nrmeerefvrm ein Generalkommando
zu übernehmen. Erst die unerwartete und andauernde scharfe Opposition der
Knmmermehrheit drängte ihn in eine politische Stellung, machte ihn zum
Politischen Kämpfer. Es war ein Unsinn, ihm unterzuschieben, daß er „die
Landwehr beseitigen" wolle. Im Lande der allgemeinen Wehrpflicht ist die
Landwehr gar nicht zu umgehn, ist gar nicht ohne sie auszukommen. Wer
also, wie Roon, die allgemeine Wehrpflicht wirklich zur Wahrheit gemacht
wissen wollte, der stärkte und befestigte die Landwehr, schuf ihr neue tragfähigc
Fnudnmente.
Im Jahre 1859 hatten Hunderttausende von Familienvätern dein Rufe
zur Fahne folgen müssen, während ebenso große oder noch größere Scharen
junger waffenfähiger Leute zu Hanse blieben, weil sie nicht gedient hatten,
und das Heer zu klein war, sie nnfzunehmen und auszubilden. Anstatt daß
die Familienväter als Triarier des Heeres der Jugend als Ersatz dienten,
war es beim preußischen Heere gerade umgekehrt, man hätte die gefnllnen und
verwundeten Landwehrleute durch junge Rekruten ersetzen müssen. Das war
1813 zulässig gewesen, wo die ganze Armee unter dem Druck der politischen,
finanziellen und militärischen Notlage eine Improvisation, ein Notbehelf war
und ohnehin jeder Waffenfähige unter die Fahnen gerufen wurde. Als etwas
andres haben weder Scharnhorst noch Boyen damals das Heer angesehen,
keiner von beiden war der Meinung gewesen, daß dieser Notbehelf eine dauernde
Einrichtung sein könnte. Napoleon hatte Preußen nnr 42000 Mann erlaubt.
Mau half sich dadurch, daß mau alle Spielleute und Nichtkombattantcn nicht
mit in diese Zahl einrechnete, sowie daß monatlich von der Kompagnie fünf,
von der Eskadron drei Mann beurlaubt wurden — das von Boden nach
Scharnhorsts Anweisung ausgearbeitete „Krümpershstem." Durch diese Prämie
auf gute Ausbildung und Dieustfreudigkcit schuf mau ein großes „Reservoir,"
woraus man 1813 die Armee für den Krieg ergänzen konnte. Jede wie
immer geartete Landesbewaffnung über die 42000 Mann hinaus hatte Napoleon
untersagt: nach seiner Borschrift sollten sie verteilt sein in 24000 Mann
Infanterie und je 6000 Mann Kavallerie, Artillerie und Garden,
Die Landwehren von 1813 waren somit tatsächlich nnr Rekruten, die
meist ohne jede Vorbildung eingestellt wurden, Formationen, die nnr nnter
dem Druck des Hasses gegen die Fremdherrschaft und durch die Begeisterung
des Augenblicks möglich waren. Aber das wieder aufgerichtete Preußen konnte
auf ein solches Heer seine dauernde Macht nicht begründen. Sollte die Land¬
wehr wirklich ein ebenbürtiges, vom Auslande respektiertes Glied der Kriegs¬
macht sein, so durfte sie in Zukunft nicht aus Rekruten, sondern mußte aus
ausgebildeten Leuten besteh», die dnrch die Schule des Heeres hindurchgegangen
waren. In diesem Sinne reformierte sie Boyen, der Ende Mai 1814 Kriegs¬
minister geworden war, in dem Kriegsdienstgesetz vom 3. September 1814, in
diesem Sinne führte er nach dem zweiten Pariser Frieden die Reorganisation
der Armee dnrch. Die freiwilligen Jäger hatten während des Krieges einen
brauchbaren Ofsizierersatz geliefert, zwei Drittel von ihnen kehrte» als Offiziere
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