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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Feuer I

Ich konnte aber nicht gleich einschlafen. Unendlich düstre Gedanken fuhren
mir durch den Kopf. Das war also der Lohn! Das war die Erfüllung der Er¬
wartungen, die ich gehegt hatte, als ich herberufen wurde, und als der Aufseher
mir Verheißungen machte! Und ich Narr hatte daran gedacht, einen Hausstand
zu gründen, Mahada zu heiraten! Klug war das Mädchen und weiter nichts,
hundert und tausendmal klüger als ich Esel. Da lag ich nun wie ein auf die
Straße gejagter herrenloser Hund, wie ein abgelohnter Tagelöhner. Und wofür!
Dafür, daß ich die ganze Nacht gearbeitet hatte, nicht wie ein Lasttier, sondern
wie ein Wahnsinniger. Freilich, Seine Exzellenz hatte auch nicht geschlafen, hatte
das weiche Federbett nicht aufsuchen können, sondern sich mit leichtem Schlummer
in der bequemen Equipage begnügen müssen. Dabei waren noch die Wege schlecht,
sodaß Seine Exzellenz trotz der englischen Ressorts manchen Stoß empfunden haben
mochte. Jetzt fuhr Seine Exzellenz zur Dienstwohnung und holte im Bette das
Versäumte nach, und ich wurde dafür, daß ich im Sonnenschein auf einem Sofa
ein kurzes Schläfchen gehalten hatte, ans dem Dienste gejagt. Natürlich, Seine
Exzellenz schlief am gesetzlichen Orte und zur gesetzlichen, das heißt ihm bequemen
Zeit, und ich -- hatte die Frechheit gehabt, schlafen zu wollen, wo und wann es
nicht befohlen war. Der Augenblick des Mißfallens überwog in den Augen Seiner
Exzellenz alles, was ich bisher geleistet, alles, wodurch ich mir eine gesicherte
Stellung erworben zu haben glaubte. Entlassen! Ohne gefragt, ohne gehört worden
zu sein, entlassen! Und wie vorsorglich praktisch entlassen! Erst sollte ich die be¬
gonnene Arbeit zu Ende führen, mir möglicherweise einen Arm oder ein Bein
brechen, und dann, wenn man mich im Augenblick nicht brauchte -- entlassen! Es
lag eigentlich Humor in dem von Seiner Exzellenz erteilten Befehl.

Der Schlaf hatte mich zuletzt doch übermannt. Als ich erwachte, mußte ich
mich erst lange besinnen, ehe ich mir meine Lage vergegenwärtigte. Dem Stande
der Sonne nach begann der Nachmittag. Vorsorglich hatte jemand einen Feuer¬
wehrmantel so über die Lehne des Sofas gehängt, daß die Sonnenstrahlen meinen
Kopf nicht hatten erreichen können. Mein Körper aber war fast gebraten, da der
Wind, der kühl und stark wehte, durch die Lehne von mir abgehalten wurde. Ich
erhob mich, suchte mir einen Sitz im Schatten der nächsten Mauer und zündete
mir eine Papiros nu. Der Zündhölzchen bedürfte ich dazu nicht, denn glühende
Kohlen fanden sich zwischen den Trümmern in riesigen Haufen. Ich hörte in kurzer
Entfernung eine Spritze arbeiten. Einzelne Einwohner wanderten zwischen den
Überbleibseln der Gebäude umher. Von fern her näherte sich Jemeljan Afanas-
jewitsch, und hinter ihm bewegte sich eine unförmliche Gestalt, in der ich zu meiner
Verwunderung bald meinen Gerassim erkannte.

Der treue Mensch hatte, da ich gar nicht zurückkehrte, zum erstenmal, seit wir
zusammen hausten, die Wohnung auf längere Zeit der Aufsicht des Wirtes an¬
befohlen und sich aufgemacht, mich zu suchen. Er war bepackt wie ein Lastesel.
In einer Hand trug er das in den Riemen gestapelte Mittaggeschirr mit den
Speisen darin, und zugleich preßte er rin demselben Arme einen Packen an sich,
aus dem die Enden von Semmeln hervorschauten. Im andern Arme schleppte er
die Teemaschine mit der Teekanne darauf, während an den Fingern dieser Hand
meine Dienststiefel baumelten. Auf deu Schultern hatte meine Arbeitkleidung mit
dem Mantel Platz gefunden. So war er auf gutes Glück ausgewandert und zur
rechten Zeit auf Jemeljan Afanasjewitsch gestoßen, der ihn zu mir führte.

Gerassim! rief ich lachend, bist du toll, dich so zu beladen I

Euer Wohlgeboren, antwortete er und zeigte lustig die weißen Zähne, Sie
werden das alles nötig haben.

Gott sei Dank, Alexander Andrejewitsch, sagte der Aufseher, ich habe den
Pvlizeimeister . . .

Jemeljan Afanasjewitsch, sagte ich und stellte mich dienstlich, ich muß Sie
demütig um Verzeihung bitten. Ich habe mir am Morgen erlaubt, gegen Sie ... .


Feuer I

Ich konnte aber nicht gleich einschlafen. Unendlich düstre Gedanken fuhren
mir durch den Kopf. Das war also der Lohn! Das war die Erfüllung der Er¬
wartungen, die ich gehegt hatte, als ich herberufen wurde, und als der Aufseher
mir Verheißungen machte! Und ich Narr hatte daran gedacht, einen Hausstand
zu gründen, Mahada zu heiraten! Klug war das Mädchen und weiter nichts,
hundert und tausendmal klüger als ich Esel. Da lag ich nun wie ein auf die
Straße gejagter herrenloser Hund, wie ein abgelohnter Tagelöhner. Und wofür!
Dafür, daß ich die ganze Nacht gearbeitet hatte, nicht wie ein Lasttier, sondern
wie ein Wahnsinniger. Freilich, Seine Exzellenz hatte auch nicht geschlafen, hatte
das weiche Federbett nicht aufsuchen können, sondern sich mit leichtem Schlummer
in der bequemen Equipage begnügen müssen. Dabei waren noch die Wege schlecht,
sodaß Seine Exzellenz trotz der englischen Ressorts manchen Stoß empfunden haben
mochte. Jetzt fuhr Seine Exzellenz zur Dienstwohnung und holte im Bette das
Versäumte nach, und ich wurde dafür, daß ich im Sonnenschein auf einem Sofa
ein kurzes Schläfchen gehalten hatte, ans dem Dienste gejagt. Natürlich, Seine
Exzellenz schlief am gesetzlichen Orte und zur gesetzlichen, das heißt ihm bequemen
Zeit, und ich — hatte die Frechheit gehabt, schlafen zu wollen, wo und wann es
nicht befohlen war. Der Augenblick des Mißfallens überwog in den Augen Seiner
Exzellenz alles, was ich bisher geleistet, alles, wodurch ich mir eine gesicherte
Stellung erworben zu haben glaubte. Entlassen! Ohne gefragt, ohne gehört worden
zu sein, entlassen! Und wie vorsorglich praktisch entlassen! Erst sollte ich die be¬
gonnene Arbeit zu Ende führen, mir möglicherweise einen Arm oder ein Bein
brechen, und dann, wenn man mich im Augenblick nicht brauchte — entlassen! Es
lag eigentlich Humor in dem von Seiner Exzellenz erteilten Befehl.

Der Schlaf hatte mich zuletzt doch übermannt. Als ich erwachte, mußte ich
mich erst lange besinnen, ehe ich mir meine Lage vergegenwärtigte. Dem Stande
der Sonne nach begann der Nachmittag. Vorsorglich hatte jemand einen Feuer¬
wehrmantel so über die Lehne des Sofas gehängt, daß die Sonnenstrahlen meinen
Kopf nicht hatten erreichen können. Mein Körper aber war fast gebraten, da der
Wind, der kühl und stark wehte, durch die Lehne von mir abgehalten wurde. Ich
erhob mich, suchte mir einen Sitz im Schatten der nächsten Mauer und zündete
mir eine Papiros nu. Der Zündhölzchen bedürfte ich dazu nicht, denn glühende
Kohlen fanden sich zwischen den Trümmern in riesigen Haufen. Ich hörte in kurzer
Entfernung eine Spritze arbeiten. Einzelne Einwohner wanderten zwischen den
Überbleibseln der Gebäude umher. Von fern her näherte sich Jemeljan Afanas-
jewitsch, und hinter ihm bewegte sich eine unförmliche Gestalt, in der ich zu meiner
Verwunderung bald meinen Gerassim erkannte.

Der treue Mensch hatte, da ich gar nicht zurückkehrte, zum erstenmal, seit wir
zusammen hausten, die Wohnung auf längere Zeit der Aufsicht des Wirtes an¬
befohlen und sich aufgemacht, mich zu suchen. Er war bepackt wie ein Lastesel.
In einer Hand trug er das in den Riemen gestapelte Mittaggeschirr mit den
Speisen darin, und zugleich preßte er rin demselben Arme einen Packen an sich,
aus dem die Enden von Semmeln hervorschauten. Im andern Arme schleppte er
die Teemaschine mit der Teekanne darauf, während an den Fingern dieser Hand
meine Dienststiefel baumelten. Auf deu Schultern hatte meine Arbeitkleidung mit
dem Mantel Platz gefunden. So war er auf gutes Glück ausgewandert und zur
rechten Zeit auf Jemeljan Afanasjewitsch gestoßen, der ihn zu mir führte.

Gerassim! rief ich lachend, bist du toll, dich so zu beladen I

Euer Wohlgeboren, antwortete er und zeigte lustig die weißen Zähne, Sie
werden das alles nötig haben.

Gott sei Dank, Alexander Andrejewitsch, sagte der Aufseher, ich habe den
Pvlizeimeister . . .

Jemeljan Afanasjewitsch, sagte ich und stellte mich dienstlich, ich muß Sie
demütig um Verzeihung bitten. Ich habe mir am Morgen erlaubt, gegen Sie ... .


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[0360] Feuer I Ich konnte aber nicht gleich einschlafen. Unendlich düstre Gedanken fuhren mir durch den Kopf. Das war also der Lohn! Das war die Erfüllung der Er¬ wartungen, die ich gehegt hatte, als ich herberufen wurde, und als der Aufseher mir Verheißungen machte! Und ich Narr hatte daran gedacht, einen Hausstand zu gründen, Mahada zu heiraten! Klug war das Mädchen und weiter nichts, hundert und tausendmal klüger als ich Esel. Da lag ich nun wie ein auf die Straße gejagter herrenloser Hund, wie ein abgelohnter Tagelöhner. Und wofür! Dafür, daß ich die ganze Nacht gearbeitet hatte, nicht wie ein Lasttier, sondern wie ein Wahnsinniger. Freilich, Seine Exzellenz hatte auch nicht geschlafen, hatte das weiche Federbett nicht aufsuchen können, sondern sich mit leichtem Schlummer in der bequemen Equipage begnügen müssen. Dabei waren noch die Wege schlecht, sodaß Seine Exzellenz trotz der englischen Ressorts manchen Stoß empfunden haben mochte. Jetzt fuhr Seine Exzellenz zur Dienstwohnung und holte im Bette das Versäumte nach, und ich wurde dafür, daß ich im Sonnenschein auf einem Sofa ein kurzes Schläfchen gehalten hatte, ans dem Dienste gejagt. Natürlich, Seine Exzellenz schlief am gesetzlichen Orte und zur gesetzlichen, das heißt ihm bequemen Zeit, und ich — hatte die Frechheit gehabt, schlafen zu wollen, wo und wann es nicht befohlen war. Der Augenblick des Mißfallens überwog in den Augen Seiner Exzellenz alles, was ich bisher geleistet, alles, wodurch ich mir eine gesicherte Stellung erworben zu haben glaubte. Entlassen! Ohne gefragt, ohne gehört worden zu sein, entlassen! Und wie vorsorglich praktisch entlassen! Erst sollte ich die be¬ gonnene Arbeit zu Ende führen, mir möglicherweise einen Arm oder ein Bein brechen, und dann, wenn man mich im Augenblick nicht brauchte — entlassen! Es lag eigentlich Humor in dem von Seiner Exzellenz erteilten Befehl. Der Schlaf hatte mich zuletzt doch übermannt. Als ich erwachte, mußte ich mich erst lange besinnen, ehe ich mir meine Lage vergegenwärtigte. Dem Stande der Sonne nach begann der Nachmittag. Vorsorglich hatte jemand einen Feuer¬ wehrmantel so über die Lehne des Sofas gehängt, daß die Sonnenstrahlen meinen Kopf nicht hatten erreichen können. Mein Körper aber war fast gebraten, da der Wind, der kühl und stark wehte, durch die Lehne von mir abgehalten wurde. Ich erhob mich, suchte mir einen Sitz im Schatten der nächsten Mauer und zündete mir eine Papiros nu. Der Zündhölzchen bedürfte ich dazu nicht, denn glühende Kohlen fanden sich zwischen den Trümmern in riesigen Haufen. Ich hörte in kurzer Entfernung eine Spritze arbeiten. Einzelne Einwohner wanderten zwischen den Überbleibseln der Gebäude umher. Von fern her näherte sich Jemeljan Afanas- jewitsch, und hinter ihm bewegte sich eine unförmliche Gestalt, in der ich zu meiner Verwunderung bald meinen Gerassim erkannte. Der treue Mensch hatte, da ich gar nicht zurückkehrte, zum erstenmal, seit wir zusammen hausten, die Wohnung auf längere Zeit der Aufsicht des Wirtes an¬ befohlen und sich aufgemacht, mich zu suchen. Er war bepackt wie ein Lastesel. In einer Hand trug er das in den Riemen gestapelte Mittaggeschirr mit den Speisen darin, und zugleich preßte er rin demselben Arme einen Packen an sich, aus dem die Enden von Semmeln hervorschauten. Im andern Arme schleppte er die Teemaschine mit der Teekanne darauf, während an den Fingern dieser Hand meine Dienststiefel baumelten. Auf deu Schultern hatte meine Arbeitkleidung mit dem Mantel Platz gefunden. So war er auf gutes Glück ausgewandert und zur rechten Zeit auf Jemeljan Afanasjewitsch gestoßen, der ihn zu mir führte. Gerassim! rief ich lachend, bist du toll, dich so zu beladen I Euer Wohlgeboren, antwortete er und zeigte lustig die weißen Zähne, Sie werden das alles nötig haben. Gott sei Dank, Alexander Andrejewitsch, sagte der Aufseher, ich habe den Pvlizeimeister . . . Jemeljan Afanasjewitsch, sagte ich und stellte mich dienstlich, ich muß Sie demütig um Verzeihung bitten. Ich habe mir am Morgen erlaubt, gegen Sie ... .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/360>, abgerufen am 25.08.2024.